Anthros hat geschrieben: ↑Di 26. Mai 2020, 08:12
Man hat den Eindruck, es handele sich um eine Selbstkasteiung,...
Ja, ich denke auch, dass es in den Bereich "Leiden für den Glauben" ("Märtyrertum") gehört.
Die "Gläubigen" haben hierfür wohl die Formulierung "weisses Martyrium" kreiert (in Abgrenzung zum "roten Martyrium", bei dem der "sich Opfernde" getötet wird).
Anthros hat geschrieben:Ob das Prinzip gleich geblieben ist? Jeder kann beobachten, wie sich das Bewusstsein verändert.
Ich stimme zu, dass sich Interpretationen, Motivationen, Behauptungen, Ansprüche und Gruppen/Namen ändern - kein Problem.
Die grundlegenden Prinzipien (hier das "Heldenargument") scheinen aber auf sehr dominanten Zusammenhängen zu beruhen – „da bleibt etwas übrig“.
Wenn man das Sich-Für-Den-Glauben-Opfern betrachtet, dann wurde dies im nahen Osten in Bezug auf den Messias-Glauben zentral von den "Zeloten" praktiziert und zwar in einer Zeit in der die Bibel-Legenden spielen sollen.
Innerhalb des Messias-Glaubens liegt damit (meiner Meinung nach) eine Kontinuität (Zeloten -> Jesus-Christen) vor, in der sich das Prinzip nicht verändert hat.
Die Interpretationslage hat sich allerdings grandios verändert, denn die Jesus-Christen haben wohl sehr schnell ihre eigenen Wurzeln ignoriert und sich einer Alternativ-Legende zugewandt - die Motivation hierfür liegt vermutlich im apokalyptischen Jüdischen Krieg.
Auch die Motivationslage hat sich verändert: der zelotische Messias-Erlösungswahn wurde durch eine römische Unterdrückungslage auf die Spitze getrieben, was sich in den nachfolgenden Jahrhunderten zu einer „generellen Erlösung“ (für alle Völker) gewandelt hat.
Neben dem Märtyrertum gilt dies auch für die Messias-Missionierung. Auch diese Idee startete bei/mit den Zeloten und zwar in die unterschiedlichsten Richtungen, wurde aber danach (vermutlich auch eine Kriegsauswirkung) so gepflegt, als wäre die Jesus-Figur als alleiniger Messias (mit Anweisung zur Missionierung) aufgetreten.
In Bezug auf den Jüdischen Krieg, liegen mit der Zerstörung des Heiligtums, der Vertreibung der (zelotischen) Messias-Anhänger und der nachfolgende Verfolgung natürlich handfeste Gründe vor, dass sich Interpretationen und Motivationen in den Folgegenerationen stark verändert haben, die Grundprinzipien aber wurden weiterhin übernommen.
Gerade rund um Sexualität und Ehe gab es wohl enorme Ideen bei den antiken Religionsanhängern mit Messiasausrichtung. Die Körperlichkeit war vermutlich ein elementarer Überlegungspunkt, wenn es darum ging , den „nicht-handelnden Gott“ aus dem alten Testament wieder dazu zu bringen, „seinem auserwählten Volk“ das erwünschte Reich zu geben.
Komplette Ehelosigkeit und Ablehnung von Sexualität gab es anscheinend ausgehend von der Figur „Marcion“ (immerhin der erste, der die Paulusbriefe ins Spiel brachte), der (so sieht es aus) eine sehr erfolgreiche Konkurrenzbewegung startete, die in den ersten Jahrhunderten wohl sogar weiter verbreitet war als die katholische Richtung.
Anthros hat geschrieben:In der Weise, wie Enthaltsamkeit bei den Scheinchristen auf Basis des Schriftgelehrtentums geübt werden soll, ist sie zwanghaft.
„Scheinchrist“ ist aus meiner Sicht allein auf Basis der Sintflut an Konfessionsideen kein absoluter Begriff sondern immer nur relativ zu einer Ideenrichtung zu sehen.
Für einen Aussenstehenden (wie mich) gibt es keine Unterscheidungsmöglichkeit, um den „richtigen Weg“ zu identifizieren.