Zölibat

Rund um Bibel und Glaube
Anthros

#71 Re: Zölibat

Beitrag von Anthros » Mo 25. Mai 2020, 09:59

Anthros hat geschrieben:
So 24. Mai 2020, 10:35
Es heißt oft, die spirituelle Begründung für die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit laute, „um des Himmelreiches willen". Nur kann darin keine Spiritualität gefunden werden, dafür aber die Leerheit, die in Worthülsen nur gefunden wird. Vielleicht haben solche Wörter einst eine tiefere Bedeutung gehabt, die Sinn ergeben hatten, welcher aber der Erläuterung bedurft haben. So kann die tiefere Bedeutung wissend als Essenz in ein einzelnes Wort gemündet haben.
Gerät nun solch ein Wort einer alten Welt in eine neue mit einem veränderten Bewusstsein, reicht für manche das bloße Wort. Seine Weitergabe über die Generationen hinweg will zur Übernahme als genügend und befriedigend erscheinen. So genügt die Leere solcher Worte, um in sie befriedigend Angenehmes zur eigenen Genügsamkeit einzufüllen.

SilverBullet
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#72 Re: Zölibat

Beitrag von SilverBullet » Mo 25. Mai 2020, 10:52

@Anthros
Ich könnte mir vorstellen, dass die Sexualitätsauflage („Zölibat“) letztlich wie eine Art "Martyrium" zu verstehen ist.
Man opfert sich quasi zu Teilen selbst, um "Aufmerksamkeit" in Richtung einer "Man-Ist-Würdig"-Beurteilung auf sich zu ziehen.
Eine funktionale Begründung suche ich darin aber eher nicht - es handelt sich meiner Ansicht nach um die Glaubensregel von bestimmten Vereinen, die sich auf Basis einer apokalyptischen Stimmungslage gebildet hat.
Wenn man mit entsprechenden "Gläubigen" spricht, dann scheinen sie durchaus sehr von Märtyrern beeindruckt zu sein.
Es könnte also um so eine Art "Heldenargument" gehen (natürlich nur bei denen, die dafür empfänglich sein möchten) - Motto: "je mehr einer aushält, desto mehr muss er richtig liegen" – bereits die "Passionsgeschichte" kann man vermutlich in diese Richtung einordnen.

Ich denke so viel hat sich an dem „Heldenargument“ über die Jahrhunderte gar nicht verändert - das Prinzip ist gleichgelblieben.

JackSparrow
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#73 Re: Zölibat

Beitrag von JackSparrow » Mo 25. Mai 2020, 13:23

Anthros hat geschrieben:
So 24. Mai 2020, 10:35
Es heißt oft, die spirituelle Begründung für die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit laute, „um des Himmelreiches willen". Nur kann darin keine Spiritualität gefunden werden, dafür aber die Leerheit, die in Worthülsen nur gefunden wird.
In Matthäus 19:12 erklärt uns der allwissende Herr Jesus Christus,

1) dass es für einen Mann nicht nützlich sei zu heiraten,
2) dass sich manche Männer "um des Himmelsreiches willen" gar selbst kastrieren.

Für jemanden, der wieder zum Kind werden und ins Himmelreich eingehen will, ist Punkt 2 offensichtlich die einzig wirksame Methode.

Vielleicht haben solche Wörter einst eine tiefere Bedeutung gehabt, die Sinn ergeben hatten,
Evolutionsbiologisch ergibt es extrem viel Sinn, männlichen Paarungskonkurrenten den Kontakt zu Weibchen zu verbieten. Deshalb hat auch jede ernstzunehmende Religion die passenden Vorschläge im Angebot.

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sven23
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#74 Re: Zölibat

Beitrag von sven23 » Mo 25. Mai 2020, 17:01

Maryam hat geschrieben:
Mo 25. Mai 2020, 07:53
Hi sven23
sven23 hat geschrieben:
Sa 23. Mai 2020, 17:30


Bibelstellen im Neuen Testament

Folgende Bibelstellen beziehen sich auf die freiwillige Ehelosigkeit und werden von manchen Theologen als Begründung für den Zölibat verwendet:

„Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“

– Lk 14,26

„Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen.“
– Mt 19,12

„Ich wünschte, alle Menschen wären [unverheiratet] wie ich [Paulus]. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.“
– 1 Kor 7,7




Also die von Dir aufgeführten Stellen, weisen aber in keinster Weise auf eine allfällige freiwillige Ehelosigkeit respektive darauf hin, dass Priestern, Bischöfen etc. des Christentums das Heiraten NICHT erlaubt sei.

lg Maryam

Ja, das sagte ich ja. Paulus hat kein verpflichtendes Gebot aus seiner persönlichen Abneigung gegen Ehe und Sexualität gemacht. Aber sein Wunsch "ich wollte, alle wären so wie ich" läßt sich so interpretieren. Möglicherweise hängt seine Abneigung mit seiner Krankheit zusammen. Die Epilepsie würde sowohl das Damaskuserlebnis als auch seine Abneigung Frauen gegenüber erklären. Epilepsie geht nämlich sehr oft einher mit Libidoverlust und Impotenz.
Hätte sich die Kirche wenigstens an Petrus orientiert, auf den sich der Papst beruft, dann wäre der Papst heute verheiratet, denn Petrus war es auch.
Manche halten es sogar für möglich, dass Jesus selbst verheiratet war. Die Quellen interessieren sich zwar nicht dafür, aber möglich wäre es, zumal ein unverheirateter jüdischer Rabbi undenkbar war, heute wie damals. Das Judentum kannte kein Zölibat und lehnt es bis heute ab. So darf man davon ausgehen, dass der Jude Jesus sich nicht von dieser Tradition verabschiedet hat. Das haben erst spätere Christen durchgesetzt, mit Berufung auf Paulus und die Evangelien.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Traugott
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#75 Re: Zölibat

Beitrag von Traugott » Di 26. Mai 2020, 00:09

sven23 hat geschrieben:
Mo 25. Mai 2020, 17:01
Maryam hat geschrieben:
Mo 25. Mai 2020, 07:53
Hi sven23
sven23 hat geschrieben:
Sa 23. Mai 2020, 17:30


Bibelstellen im Neuen Testament

Folgende Bibelstellen beziehen sich auf die freiwillige Ehelosigkeit und werden von manchen Theologen als Begründung für den Zölibat verwendet:

„Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“

– Lk 14,26

„Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen.“
– Mt 19,12

„Ich wünschte, alle Menschen wären [unverheiratet] wie ich [Paulus]. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.“
– 1 Kor 7,7




Also die von Dir aufgeführten Stellen, weisen aber in keinster Weise auf eine allfällige freiwillige Ehelosigkeit respektive darauf hin, dass Priestern, Bischöfen etc. des Christentums das Heiraten NICHT erlaubt sei.

lg Maryam

Ja, das sagte ich ja. Paulus hat kein verpflichtendes Gebot aus seiner persönlichen Abneigung gegen Ehe und Sexualität gemacht. Aber sein Wunsch "ich wollte, alle wären so wie ich" läßt sich so interpretieren. Möglicherweise hängt seine Abneigung mit seiner Krankheit zusammen. Die Epilepsie würde sowohl das Damaskuserlebnis als auch seine Abneigung Frauen gegenüber erklären. Epilepsie geht nämlich sehr oft einher mit Libidoverlust und Impotenz.
Hätte sich die Kirche wenigstens an Petrus orientiert, auf den sich der Papst beruft, dann wäre der Papst heute verheiratet, denn Petrus war es auch.
Manche halten es sogar für möglich, dass Jesus selbst verheiratet war. Die Quellen interessieren sich zwar nicht dafür, aber möglich wäre es, zumal ein unverheirateter jüdischer Rabbi undenkbar war, heute wie damals. Das Judentum kannte kein Zölibat und lehnt es bis heute ab. So darf man davon ausgehen, dass der Jude Jesus sich nicht von dieser Tradition verabschiedet hat. Das haben erst spätere Christen durchgesetzt, mit Berufung auf Paulus und die Evangelien.

Erst dachte ich, du bist voll Porno im Kopf. Ich weiß aber, dass du die Vernunft liebst. Üblicherweise schreibe ich um die Zeit nix, diesmal aber doch und zwar, weil mir dein Post nicht aus dem Kopf ging.

Der eine mag es verdrehen nennen, ich nenne es Nutzen ziehen. Deine Spielchen kenne ich, ich kenne deine Richtung, doch muss ich immer wieder ekennen, du hast auch Worte für Jesus.

Unter deinem Wort, unter jedwedem Wort, liegt allzumal die Wahrheit. Das ist Herrlich. Du wirst diese beiden Zeilen nicht verstehen, es sei denn, du gibst Gas.

Was ist die Wahrheit? Jesus verhöhnt im Vorausschatten die katholische Kirche.
Ihm entsprechend ist nur dies: ...ist meiner nicht würdig.

Daraus ergibt sich die Wahrheit, denn: wer alles verlässt, um sich auf ihn zu verlassen, der lebt ehelos. Amen.
wer aber die Wahrheit tut...

Anthros

#76 Re: Zölibat

Beitrag von Anthros » Di 26. Mai 2020, 08:12

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 25. Mai 2020, 10:52
@Anthros
Ich denke so viel hat sich an dem „Heldenargument“ über die Jahrhunderte gar nicht verändert - das Prinzip ist gleichgelblieben.
Man hat den Eindruck, es handele sich um eine Selbstkasteiung, um damit seinen Bibelinterpretationen a la Schriftgelehrtentum Glauben schenkend zu demonstrieren.

Ob das Prinzip gleich geblieben ist? Jeder kann beobachten, wie sich das Bewusstsein verändert. Nehmen wir als extremes Beispiel einmal die alten Ägypter mit dem, was sie uns hinterlassen haben. Wir würden solches niemals tun. Auch in Europa sind permanent Veränderungen zu beobachten wie die Romanik einen Gegensatz zur Gotik darstellt ... Darum bin ich sehr zurückhaltend, eine vergangene Zeit mit der heutigen zu vergleichen.

In der Weise, wie Enthaltsamkeit bei den Scheinchristen auf Basis des Schriftgelehrtentums geübt werden soll, ist sie zwanghaft.

Anthros

#77 Re: Zölibat

Beitrag von Anthros » Mi 27. Mai 2020, 09:09

Anthros hat geschrieben:
Mo 25. Mai 2020, 09:59
Gerät nun solch ein Wort einer alten Welt in eine neue mit einem verändertem Bewusstsein, reicht für manche das bloße Wort. Seine Weitergabe über die Generationen hinweg will zur Übernahme als genügend und befriedigend erscheinen. So genügt die Leere solcher Worte, um in sie befriedigend Angenehmes zur eigenen Genügsamkeit einzufüllen.

Ein neues Bewusstsein verlangt seiner gemäß eine Bearbeitung, die die Tiefe der überkommenen Wörter zu erfassen ermöglicht, wie sie einem einstigen gemäß sein musste. Wortklauberei unter den sich als Christen Vermeinenden, lässt die Seele in Zwangsgedanken und -handlungen gefangen nehmen.

SilverBullet
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#78 Re: Zölibat

Beitrag von SilverBullet » Mi 27. Mai 2020, 09:22

Anthros hat geschrieben:
Di 26. Mai 2020, 08:12
Man hat den Eindruck, es handele sich um eine Selbstkasteiung,...
Ja, ich denke auch, dass es in den Bereich "Leiden für den Glauben" ("Märtyrertum") gehört.
Die "Gläubigen" haben hierfür wohl die Formulierung "weisses Martyrium" kreiert (in Abgrenzung zum "roten Martyrium", bei dem der "sich Opfernde" getötet wird).

Anthros hat geschrieben:Ob das Prinzip gleich geblieben ist? Jeder kann beobachten, wie sich das Bewusstsein verändert.
Ich stimme zu, dass sich Interpretationen, Motivationen, Behauptungen, Ansprüche und Gruppen/Namen ändern - kein Problem.
Die grundlegenden Prinzipien (hier das "Heldenargument") scheinen aber auf sehr dominanten Zusammenhängen zu beruhen – „da bleibt etwas übrig“.

Wenn man das Sich-Für-Den-Glauben-Opfern betrachtet, dann wurde dies im nahen Osten in Bezug auf den Messias-Glauben zentral von den "Zeloten" praktiziert und zwar in einer Zeit in der die Bibel-Legenden spielen sollen.
Innerhalb des Messias-Glaubens liegt damit (meiner Meinung nach) eine Kontinuität (Zeloten -> Jesus-Christen) vor, in der sich das Prinzip nicht verändert hat.
Die Interpretationslage hat sich allerdings grandios verändert, denn die Jesus-Christen haben wohl sehr schnell ihre eigenen Wurzeln ignoriert und sich einer Alternativ-Legende zugewandt - die Motivation hierfür liegt vermutlich im apokalyptischen Jüdischen Krieg.
Auch die Motivationslage hat sich verändert: der zelotische Messias-Erlösungswahn wurde durch eine römische Unterdrückungslage auf die Spitze getrieben, was sich in den nachfolgenden Jahrhunderten zu einer „generellen Erlösung“ (für alle Völker) gewandelt hat.

Neben dem Märtyrertum gilt dies auch für die Messias-Missionierung. Auch diese Idee startete bei/mit den Zeloten und zwar in die unterschiedlichsten Richtungen, wurde aber danach (vermutlich auch eine Kriegsauswirkung) so gepflegt, als wäre die Jesus-Figur als alleiniger Messias (mit Anweisung zur Missionierung) aufgetreten.

In Bezug auf den Jüdischen Krieg, liegen mit der Zerstörung des Heiligtums, der Vertreibung der (zelotischen) Messias-Anhänger und der nachfolgende Verfolgung natürlich handfeste Gründe vor, dass sich Interpretationen und Motivationen in den Folgegenerationen stark verändert haben, die Grundprinzipien aber wurden weiterhin übernommen.

Gerade rund um Sexualität und Ehe gab es wohl enorme Ideen bei den antiken Religionsanhängern mit Messiasausrichtung. Die Körperlichkeit war vermutlich ein elementarer Überlegungspunkt, wenn es darum ging , den „nicht-handelnden Gott“ aus dem alten Testament wieder dazu zu bringen, „seinem auserwählten Volk“ das erwünschte Reich zu geben.

Komplette Ehelosigkeit und Ablehnung von Sexualität gab es anscheinend ausgehend von der Figur „Marcion“ (immerhin der erste, der die Paulusbriefe ins Spiel brachte), der (so sieht es aus) eine sehr erfolgreiche Konkurrenzbewegung startete, die in den ersten Jahrhunderten wohl sogar weiter verbreitet war als die katholische Richtung.

Anthros hat geschrieben:In der Weise, wie Enthaltsamkeit bei den Scheinchristen auf Basis des Schriftgelehrtentums geübt werden soll, ist sie zwanghaft.
„Scheinchrist“ ist aus meiner Sicht allein auf Basis der Sintflut an Konfessionsideen kein absoluter Begriff sondern immer nur relativ zu einer Ideenrichtung zu sehen.
Für einen Aussenstehenden (wie mich) gibt es keine Unterscheidungsmöglichkeit, um den „richtigen Weg“ zu identifizieren.

Anthros

#79 Re: Zölibat

Beitrag von Anthros » Mi 27. Mai 2020, 09:34

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 27. Mai 2020, 09:22
Anthros hat geschrieben:In der Weise, wie Enthaltsamkeit bei den Scheinchristen auf Basis des Schriftgelehrtentums geübt werden soll, ist sie zwanghaft.
„Scheinchrist“ ist aus meiner Sicht allein auf Basis der Sintflut an Konfessionsideen kein absoluter Begriff sondern immer nur relativ zu einer Ideenrichtung zu sehen.
Für einen Aussenstehenden (wie mich) gibt es keine Unterscheidungsmöglichkeit, um den „richtigen Weg“ zu identifizieren.
Die Scheinchristlichkeit hat - gleich welcher "Sintflut" - die Schriftgelehrtenmanier als gemeinsame Grundlage. Sie sucht nicht nach dem verloren gegangenen "Baum des Lebens".

SilverBullet
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#80 Re: Zölibat

Beitrag von SilverBullet » Mi 27. Mai 2020, 09:45

@Anthros
Aus meiner Sicht ergibt sich damit aber ein Problem:
Sämtliche Messias-Aktivitäten starteten aus den Reihen der Pharisäer, also den „Schriftgelehrten“ („Gesetzesspezialisten“) – ohne alte Texte/Aussagen funktioniert die Messias-Idee nicht, denn es muss ja eine Erwatungshaltung gestartet werden, die man dann (durch das Einhalten irgendwelcher Auflagen) erfüllt bekommt.

Wo, wie soll man alternativ nach „dem Baum des Lebens“ suchen (und was sucht man dabei?)

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