Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Rund um Bibel und Glaube
Ruth
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#1 Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Ruth » Do 2. Jan 2020, 15:44

Heißt "Vergebung", dass man nun alles vergessen muss, was man vergeben hat - so dass man danach so lebt, als sei nie etwas vorgefallen ?

Mir fällt zu dem Thema gerade das Zusammentreffen von Jakob und Esau ein. 1. Mose 32+33

Jakob hatte Esau übel betrogen. Er hatte einen schwachen Moment des Esau ausgenutzt, um diesem das Erstgeburtsrecht abzuschwatzen. 
Und dann musste Jakob fliehen, weil Esau Rachegedanken hatte.

20 Jahre lang waren sie weit voneinander entfernt, gründeten Familien und sammelten Güter an. 

Bis Jakob sich aufmachte, um seinen Bruder wieder zu treffen, und sich mit ihm zu versöhnen.

Jakob hatte Angst, aber er zog Esau entgegen. Die Brüder trafen sich, vergaben einander - und Esau schlägt vor, dass Jakob wieder nach Hause kommt - nahe zu seinem Bruder Esau.

Jakob hat es nicht getan - er zog, nach der Versöhnung weiter, und lebte in gebührendem Abstand zu Esau.

Hier geschieht Vergebung, ohne zu vergessen, wie es mal war. 

Ich denke, das ist auch vernünftig. Man muss nicht Freunde werden, wenn man sich miteinander versöhnt.  Selbst dann nicht, wenn man sich vorher nahe gestanden hat. Es ist wichtig, die Erfahrungen zu werten. So dass man sich bewusst macht, wohin das führen konnte und wieder kann. Manchmal ist Abstand der bessere Weg, als wieder dicke Freunde zu werden. 

Wie versteht ihr die Auswirkungen von Vergebung - welche Erfahrungen habt ihr damit in eurem eigenen Leben gemacht?

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1Johannes4
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#2 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von 1Johannes4 » Fr 3. Jan 2020, 00:19

Hallo Ruth,

ein gutes neues Jahr!

So allgemein wie Du das Thema Vergebung hier formuliert hast, wird sich da wahrscheinlich jeder etwas anderes drunter vorstellen, speziell auch hinsichtlich dessen, was vergeben wird.
Ruth hat geschrieben:
Do 2. Jan 2020, 15:44
Wie versteht ihr die Auswirkungen von Vergebung - welche Erfahrungen habt ihr damit in eurem eigenen Leben gemacht?
Mal ein Extrembeispiel: ich habe mal eine Frau kennenlernt, die, als sie frisch verheiratet und schwanger war, von ihrem Mann betrogen wurde und von diesem dann auch aus der Wohnung geschmissen wurde. In der Folge hat sie ihr Kind verloren und war dann wegen einer Depression in Behandlung. Damals habe ich derjenigen versucht zu erklären, dass das ganze Geschehen bildlich gesprochen wie eine Lawine war, die sie überrollt hatte und die sie immer noch überrollen würde. Meiner Ansicht nach war Vergebung - also das, was die meisten Leute nach solchem Schicksal als geradezu unmöglich erachten würden - die beste Wahl, damit sie selber wieder in die Bahn kommen würde. Sie hat diesen Mann besucht und ihm vergeben und sich dann daraufhin auch besser gefühlt. Wie es sich längerfristig entwickelt hat, weiß ich nicht, aber es ging auch nicht darum, dass sie dergleichen vergessen sollte, sondern eben vergeben - beispielsweise sich also auch nicht mehr wünschen, dass demjenigen vergleichbares zustoßen möge.

Jesus benutzte z.B. auch im Gleichnis vom Schalksknecht den Schuldenerlass um zu verdeutlichen worum es bei Vergebung geht: ‭‭Matthäus‬ ‭18:21-31‬ ‭ELB71‬‬. Wenn man jemandem dessen Schulden erlässt, hat man keinerlei Anspruch oder berechtigte Erwartung mehr aufgrund dessen. Das bedeutet aber nicht, dass man nun verpflichtet wäre demjenigen erneut die Gelegenheit für solche Schulden zu geben. Kann man, aber muss man nicht. Wenn aber jemand sehr betont, dass vergeben ja kein vergessen bedeuten würde, dann würde ich mich schon fragen, ob da überhaupt eine wirkliche Vergebung passiert ist oder jemand womöglich weiterhin darauf hofft, dass das “Schicksal“ bei dem Anderen mal gehörig zuschlagen sollte. Oder auch, dass man jemandem weiterhin seine „Schandtaten“ bei jeder Gelegenheit aufs Brot schmiert, weil „vergeben nicht vergessen“ bedeute, würde ich als fragwürdig ansehen.

Soweit mal ein paar Gedanken von mir dazu.

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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SamuelB
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#3 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von SamuelB » Fr 3. Jan 2020, 09:16

Ruth hat geschrieben:
Do 2. Jan 2020, 15:44
Heißt "Vergebung", dass man nun alles vergessen muss, was man vergeben hat - so dass man danach so lebt, als sei nie etwas vorgefallen ?
Für mich heißt das, es demjenigen nicht mehr vorzuhalten. Der Anspruch wird fallen gelassen, er besteht somit nicht länger, die Sache ist erledigt. Das meinst du wohl mit 'vergessen'?

Ruth hat geschrieben:
Do 2. Jan 2020, 15:44
Manchmal ist Abstand der bessere Weg, als wieder dicke Freunde zu werden. 
Auf jeden Fall!
Das sehe ich aber nicht als Vergebung, denn die Sache steht weiterhin dazwischen und es gibt Sachen, da ist es gut, dass sie dazwischen stehen und die ruft man sich hin und wieder warnend in Erinnerung. 😊

Ziska_Deleted

#4 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Ziska_Deleted » Fr 3. Jan 2020, 09:27

Wir Menschen werden das niemals hundertprozentig schaffen. Denn es bleiben Narben zurück... 
Doch unser Gott schafft es. Wenn jemand seinen Fehler aufrichtig bereut, wird er vergeben und vergessen.

Spice
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#5 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Spice » Fr 3. Jan 2020, 09:28

Mir wurde erst vor wenigen Jahren von Menschen, denen ich vertraute, übel mitgespielt. Ich habe ihnen von Anfang an vergeben und von Anfang an, keinerlei negative Emotionen ihnen gegenüber verspürt. Aber wir haben keinen Kontakt mehr miteinander, der auch solange sinnlos sein würde, solange nicht offen über das gesprochen werden könnte, was vorgefallen ist. Aber ich spüre, so weit, die eigene Schuld zu sehen, sind diese Menschen noch nicht.
"Vergessen" ist die Sache in dem Sinne, dass sie für mein heutiges Leben keine Bedeutung mehr hat. Aber sie kann natürlich jederzeit erinnert werden, wenn ich es wollte.

Spice
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#6 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Spice » Fr 3. Jan 2020, 09:30

Ziska hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 09:27
Wir Menschen werden das niemals hundertprozentig schaffen. Denn es bleiben Narben zurück... 
Doch unser Gott schafft es. Wenn jemand seinen Fehler aufrichtig bereut, wird er vergeben und vergessen.
Ich habe eben etwas aus meinem persönlichen Erleben geschrieben. Nein, bei mir sind keine Narben zurückgeblieben.

Ruth
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#7 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Ruth » Fr 3. Jan 2020, 10:27

1Johannes4 hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 00:19
Hallo Ruth,

ein gutes neues Jahr!

Danke! Das wünsche ich dir auch  :)
 
1Johannes4 hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 00:19

So allgemein wie Du das Thema Vergebung hier formuliert hast, wird sich da wahrscheinlich jeder etwas anderes drunter vorstellen, speziell auch hinsichtlich dessen, was vergeben wird.

Darum habe ich das Thema ja auch eröffnet. Weil es da viele verschiedene Arten gibt, Vergebung zu verstehen. In der Vielfalt liegt die Würze. :wink:

Es soll auch eine Anregung dazu sein,zu erkennen, dass Aufforderungen an Dritte, "du musst vergeben" sinnlos sind. Man kann bei diesem Thema (und bei vielen anderen Themen) bestenfalls seine Sicht der Dinge darstellen und über die eigenen Erfahrungen berichten - sowie andere Erfahrungen lesen und das Gute bewahren oder auch nicht - und staunen über die Vielfalt der Erfahrungen. 
 
1Johannes4 hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 00:19
Soweit mal ein paar Gedanken von mir dazu.

Danke dir  :thmpup:  




 

Ruth
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#8 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Ruth » Fr 3. Jan 2020, 10:39

SamuelB hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 09:16
Für mich heißt das, es demjenigen nicht mehr vorzuhalten. Der Anspruch wird fallen gelassen, er besteht somit nicht länger, die Sache ist erledigt. Das meinst du wohl mit 'vergessen'?

Ich sehe das auch so. Man legt quasi die eigene Last, die man mit sich herumträgt ab, und befreit sich selbst von dem unguten Stachel, der einem zugefügt wurde. Man nimmt damit dem Täter die Macht, durch die (böse) Tat gefangen zu werden.

Aber ich weiß von etlichen Menschen, vor allem an Jesus glaubende, dass sie dafür plädieren, dass echte Vergebung nur da stattfindet, wo man einfach vergessen soll, was geschehen ist.
 
SamuelB hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 09:16
die Sache steht weiterhin dazwischen und es gibt Sachen, da ist es gut, dass sie dazwischen stehen und die ruft man sich hin und wieder warnend in Erinnerung.

Genau so sehe ich das. Man muss nicht totschweigen, was einem geschehen ist, sondern sollte sich nur nicht davon runterziehen lassen, nicht die Macht dem "Täter" überlassen. 

 

janosch
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#9 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von janosch » Fr 3. Jan 2020, 11:04

Ruth hat geschrieben:
Do 2. Jan 2020, 15:44
Heißt "Vergebung", dass man nun alles vergessen muss, was man vergeben hat - so dass man danach so lebt, als sei nie etwas vorgefallen ?

Ja, eben vorerst ein gutes neues...

nun haste ein Problem Liebe Ruth...DU hast vergessen dass, das zwischen Jakob und Esau und DEINE  Heilsgeschichte, gab es ein "Jesus Christus“!  Sog. Sohn Gottes...was er auch ALLES umkrempelte...vorne bis hinten....Ich weiß, das für dich nicht viel bedeutet, aber wenn  DU einige Aspekt aus dem AT heraus gräbst, kannst du das eben nicht  vernachlässigen, sonst verfälscht du den Gute Botschaft!  :problem:

Damals war noch aktuell >Zahn um Zahm Auge um Auge...< Also ein „vergeben und vergessen" war gar nicht möglich! Es wurde auch nicht erwünscht, sonst Hätte ein Blutopfer auch unnötig und keine Wirkung . (schließlich hatte auch keine!)  

Also,  ein Vergeben ohne Vergessen ist kein Joten Wert! 

Ich weiß das nicht so einfach ist...Ohne Christus geht es gar nichts...aber Latte den HERR ist ziemlich hochgelegt, besonderes weil HIER unsere Ego angekratzt wird!

Und wer könnte hier auch vergeben, ohne zu vergessen?  Muß man aber...

Ruth
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#10 Re: Bedeutet einander vergeben das Gleiche wie vergessen?

Beitrag von Ruth » Fr 3. Jan 2020, 11:24

janosch hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 11:04
Ja, eben vorerst ein gutes neues...

Vorerst ? ... und was kommt dann ...? :hrmm:  ... aber danke, dann wünsche ich dir einfach mal dasselbe, was du mir wünscht. :wink:
 
janosch hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 11:04
nun haste ein Problem Liebe Ruth...DU hast vergessen ......

Nö - ich hab gar nichts vergessen, und deshalb auch kein Problem.  Hast du eins?  :blink:
 
janosch hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 11:04
Ich weiß, das für dich nicht viel bedeutet, ......

Interessant, was du alles weißt ... oder einfach nur zu wissen glaubst.  :hrmm:
janosch hat geschrieben:
Fr 3. Jan 2020, 11:04
Und wer könnte hier auch vergeben, ohne zu vergessen?  Muß man aber...

Doch man könnte, wenn man wollte ... und müssen tut man nur das, was man muss ...  :wave:

... und falls jetzt Zweifel aufkommen: die Teile, die ich zitiert habe, sind absichtlich herausgepickt aus dem ganzen Text. Denn du verkündigst hier nur immer DEIN ganz persönliches Verständnis von dem, was DIR wichtig ist. Das wiederholt sich in allen deinen Beiträgen - ich kenne sie also schon auswendig. Nur trifft es meistens nicht mal ansatzweise das Thema.... (nach meinem Verständnis). 

Das ändert sich auch nicht durch die eingefügten Anschuldigungen und Maßregeln, die du zur Bekräftigung hinzufügst. 
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