EaYggdrasil hat geschrieben: ↑Di 23. Jul 2019, 14:27
Der provokant klingende Titel hat durchaus einen ernsten Hintergrund.
Einen ernsteren als du ahnst.
In Alexandria des 5. Jahrh. hielt sich der dortige Patriarch Theophilos von Alexandria eine etwa 800 Mann starke, schwarz gekleidete, christliche Schlägertruppe, die sog.
"parabalani" (= die Ruchlosen), junge Männer aus den unteren Schichten, die weder lesen noch schreiben konnten. Aber sie waren sehr gläubige Christen und taten, was der Bischof ihnen befahl, denn das war ohne Zweifel Gott gefällig.
Sie waren es, die mit einer aufgestachelten Menschenmenge das schönste Bauwerk der antiken Welt, das alexandrinische Serapeion, zerstörten. Ebenso die wunderbare Serapisstatue und alle im Serapeion verbliebenen Schriftrollen der früheren großen Bibliothek Alexandrias.
Die im Serapeion wohnenden und lehrenden Gelehrten wurden getötet oder vertrieben. Die damals etwa 60-jährige Astronomin, Mathematikerin und Philosophin Hypathia wurde von ihnen - vermutlich auf ausdrücklichen Geheiß des Patriarchen - grausam ermordet.
In Rom hielt sich der dortige Bischof eine ebensolche Truppe, genannt die
"fossores" (= "Gräber").
In römischen Rechtsdokumenten dieser Zeit taucht tatsächlich immer wieder das Wort "terror" im Zusammenhang mit diesen bischöflichen, radikal-christlichen Schlägertrupps auf. [Bowersock (2010, 11; C.Th., 16,2, 42 (29. Sept. 416); nach: Catherine Nixey, Heiliger Zorn, 1 Aufl. München: 2017, S.189]
Geschichte wird durch die Sieger geschrieben, und der Sieg des Christentums war ein vollkommener. Fast alles an Kultur, was nicht christlich war, also vor allem heidnisch, wurde zwischen dem 3. und 6. Jahrh. praktisch ausgelöscht: antike Schriften, antike Kunst, antike Gebäude (vor allem Tempel mit ihren Götter-Skulpturen, aber auch private und öffentliche Bibliotheken) und Menschen, die sich nicht zum Christentum bekehren wollten.
Statuen von Göttern, aber auch von nicht-christlichen Philosophen und römischen Kaisern wurden geschändet und zerstört, weil der christliche Aberglaube sie als von Dämonen bewohnt ansah. Sie wurden geköpft, geschleift, bespuckt, die Augen herausgebrochen, die Nasen abgeschlagen, weil das eine übliche Strafe für Kriminelle war und manchmal wurden ihnen Kreuze in die Stirnen geritzt oder gemeißelt. Hier das Antlitz der Aphrodite, von Christen entstellt:
Auch römische Kaiser blieben nicht verschont. Hier Kaiser Augustus:
Die parabalani und fossores taten durchaus auch Gutes und verteilten z.B. Brot an die Armen der Stadt etc. Daneben brachten sie aber eben auch Nicht-Christen um und zerstörten unschätzbar wertvolle Kunst und Kultur.
Das Ausmaß der Zerstörung antiker Kultur durch die Christen ist unvorstellbar. Die Konsequenzen für die gebildete Menschheit unabschätzbar. Antike Philosophie, Wissenschaft, Technik und polytheistische Religion(en) wurden aus der Geschichte getilgt. Die Schriften von gelehrten Kritikern des Christentums, wie die des Philosophen Kelsos oder des Redners Symmachos wurden komplett vernichtet. Die erstaunlich schlauen und belesenen Schriften des Kelsos sind lediglich in Passagen erhalten geblieben, weil der Kirchenvater Origines ihn ausführlich wörtlich zitiert. Kelsos kannte sich mit den biblischen Schriften weit besser aus, als die meisten Bischöfe seiner Zeit.
EaYggdrasil hat geschrieben: ↑Di 23. Jul 2019, 14:27
Heidnische Mitbürger haben die Entfernung dieser Symbole des Terrorismus verlangt, oder zumindest eine für die Aufstellung einer Gedenktafel für die damaligen Heiden geworben. Beides ohne Erfolg.
Weil die christliche
Sieger-Hermeneutik - wie closs es ausdrücken würde - nein, eigentlich muss - die immer noch vorherrschende der westlichen Welt ist. Welches riesige kulturelle Unheil das Christentum in Wahrheit angerichtet hat, ist bis heute kaum jemandem bekannt und vor allem ist es kaum jemanden in seinen ganzen Ausmaßen klar.
Alle glauben, das Christentum sei - letztlich - ein Segen und Fortschritt in der Kulturgeschichte der Menschheit gewesen.Man kann falscher nicht liegen mit diesem Urteil.
EaYggdrasil hat geschrieben: ↑Di 23. Jul 2019, 14:27
Wie sollte die Gesellschaft damit umgehen?
Soll man die Symbole entfernen oder sollen sie als Mahnmahl verirrter Kirchengeschichte bestehen bleiben?
Man sollte den einfältig dummen Bonifaz stehen lassen, wo er steht und dazu eine Tafel aufstellen, die deutlich macht, was er angerichtet hat, als er die heilige Eiche des Donar fällte. Denn die polytheistischen Gläubigen waren auch Gläubige, die von Herzen an ihre Götter glaubten. Es gibt noch einige Berichte darüber, wie traumatisch die Zerstötung ihrer Götterbilder auf diese Gläubigen wirkte.
Aus deiner Signatur aus der Edda, die das Empfangen der Runen durch Odin beschreibt, schließe ich, dass du einer Art Neu-Heidentum zuneigst. Bei allem Respekt: nach den großartigen Einsichten der Aufklärung, Lessings Ringparabel, Feuerbachs Thesen zur Gottesprojektion und Nietzsches Zarathustra halte ich es für hochnot-albern heute noch einer heidnischen oder Naturreligion anhängen zu wollen.