Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

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lovetrail
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#1 Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von lovetrail » Do 14. Mär 2019, 20:08

Hallo!

In einem anderen Thread habe ich die Behauptung gelesen, Gott würde nicht eingreifen. Ja, man könne auch an Gott glauben, ohne an sein Eingreifen zu glauben.
Ist das aber nicht ein Widerspruch in sich selbst? Welchen Sinn hätte dann noch Gebet? Was wäre dann mit der christlichen Hoffnung? Erfordert diese denn nicht in ihrer Essenz ein Eingreifen Gottes? Ähnlich verhält es sich mit dem Gericht Gottes.

Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden, dann möge man mir diese Nachfrage verzeihen.

LG lovetrail
Zuletzt geändert von lovetrail am Do 14. Mär 2019, 20:32, insgesamt 1-mal geändert.
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closs
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#2 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von closs » Do 14. Mär 2019, 20:20

lovetrail hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:08
Ist das aber nicht ein Widerspruch in sich selbst? Welchen Sinn hätte dann noch Gebet? Was wäre dann mit der christliche Hoffnung? Erfordert diese denn nicht in ihrer Essenz ein Eingreifen Gottes?
Uns fällt es schwer, "Fügung" im Sinne von 2.Kön.19,25 "Hast du denn nicht gehört, dass ich dies längst vorbereitet und seit den Tagen der Vorzeit beschlossen habe? Nun aber habe ich es kommen lassen" zu verbinden mit "Gott greift (meinetwegen) morgen bei mir ein". - Wie kann es ein - möglicherweise durch Gebet veranlasstes - Eingreifen Gottes geben? - Das eine ist "seit den Tagen der Vorzeit beschlossen", das andere wird in der Zeit veranlasst ("Ich bete - Gott greift ein").

Aus meiner Sicht ist dieser Widerspruch dann ein scheinbarer Widerspruch, wenn man Fügung als Geschehen versteht, das ÜBER der Zeit ("Vorzeit" ist keine Zeit vor der Zeit, sondern ein Sein bevor es Zeit gab) stattfindet - also in einem Zustand, in dem das, was wir Vergangenheit oder Zukunft nennen, gleichermaßen gesehen werden. - Konkret:

Gott reagiert auf Dein Gebet in der Zeit, weil er über der Zeit weiss, dass Du es tust, und deshalb dieses Dein Gebet in seine Fügung einbaut. - Er greift also ein UND dieses Eingreifen ist gleichzeitig "seit den Tagen der Vorzeit beschlossen". - Ist dieser Gedanke nachvollziehbar?

Mimi
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#3 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von Mimi » Do 14. Mär 2019, 20:34

Psalm 139 erklärt mir auch Vieles.
"Jedes menschliche Wunschbild,
das in die christliche Gemeinschaft mit eingebracht wird,
hindert die echte Gemeinschaft und muss zerbrochen werden,
damit die echte Gemeinschaft leben kann."
Dietrich Bonhoeffer

JackSparrow
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#4 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von JackSparrow » Do 14. Mär 2019, 20:38

lovetrail hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:08
Ja, man könne auch an Gott glauben, ohne an sein Eingreifen zu glauben.
Ist das aber nicht ein Widerspruch in sich selbst?
Wenn du die gleiche Methode, mit der du göttliches Eingreifen bisher immer feststelltest, einfach weiterhin anwendest und dabei weiterhin die gleichen Ergebnisse erhältst, dann gibt es keinen Widerspruch, egal ob ein Eingreifen stattfindet oder nicht.

Welchen Sinn hätte dann noch Gebet?
Wer betet, kann später jederzeit gegenüber seinen Mitmenschen behaupten, sein Gebet sei in Erfüllung gegangen beziehungsweise sein Gebet sei nicht in Erfüllung gegangen (je nach Bedarf).

Wer nicht betet, dem fehlt diese gewinnbringende Möglichkeit der Einflussnahme auf seine Mitbürger.

Was wäre dann mit der christlichen Hoffnung?
Unsterblichkeit, himmlische Belohnungen und [d]Endlösung[/d] Ausrottung aller Andersdenkenden? Das erfordert weder Gebete noch göttliche Eingriffe. Es erfordert lediglich das Ableben des jeweiligen Gläubigen.

Erfordert diese denn nicht in ihrer Essenz ein Eingreifen Gottes?
Ist dafür nicht dieser [d]Führer[/d] Menschensohn zuständig, dessen Rückkehr ihr so sehnsüchtig erwartet?
Zuletzt geändert von JackSparrow am Do 14. Mär 2019, 20:44, insgesamt 1-mal geändert.

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#5 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von lovetrail » Do 14. Mär 2019, 20:38

closs hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:20
Gott reagiert auf Dein Gebet in der Zeit, weil er über der Zeit weiss, dass Du es tust, und deshalb dieses Dein Gebet in seine Fügung einbaut. - Er greift also ein UND dieses Eingreifen ist gleichzeitig "seit den Tagen der Vorzeit beschlossen". - Ist dieser Gedanke nachvollziehbar?

Ok, ja ich kenne diese Position. Das ist dieses Paradoxon von göttlicher Vorherbestimmung und Freiheit bzw Verantwortlichkeit des Menschen

Aber darauf will ich mit diesem Thread gar nicht hinaus. Sondern ich würde gerne verstehen, wie man von Bultmann herkommend, einen Gott denken kann, der nicht eingriffe in die Geschichte. Denn wie ich meine, ist Gott, den uns Christus gezeigt hat, wesentlich der Gott des Eingreifens in die Geschichte. vgl. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt....

LG
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#6 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von lovetrail » Do 14. Mär 2019, 20:42

Mimi hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:34
Psalm 139 erklärt mir auch Vieles.
Ja, das ist ein trostreicher Psalm :-)
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#7 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von lovetrail » Do 14. Mär 2019, 20:45

JackSparrow hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:38

Unsterblichkeit, himmlische Belohnungen und [d]Endlösung[/d] Ausrottung aller Andersdenkenden? Das erfordert weder Gebete noch göttliche Eingriffe.

Wenn Gott den Lohn gibt, dann greift er fundamental in die natürliche Geschichte ein. Und wenn die Bösen durch das Schwert aus seinem Munde niedergestreckt werden, ebenso.
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#8 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von closs » Do 14. Mär 2019, 20:50

lovetrail hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:38
Aber darauf will ich mit diesem Thread gar nicht hinaus. Sondern ich würde gerne verstehen, wie man von Bultmann herkommend, einen Gott denken kann, der nicht eingriffe in die Geschichte.
Das wird sich nicht trennen lassen, da es eine reine Definitionsfrage ist. - Denn man kann in der Tat wie Bultmann denken - weil man Fügung als etwas Endgültiges denkt (was es ja ist).

Fügung IST Eingreifen in die Geschichte - allerdings ohne Beschneidung menschlicher Freiheit, weil Fügung das, was der mensch in seinem Leben jemals frei entscheidet, bereits berücksichtigt. - Gleichzeitig kann man Fügung als Nicht-Eingreifen definieren, weil alles "vorbereitet und seit den Tagen der Vorzeit beschlossen" ist. - Nach unserem Denken ist dies, wie Du sagst, ein Paradoxon - aber nicht in Gottes Denken und in seinen Möglichkeiten.

Interessant wäre, wie Bultmann seine Auffassung begründet: So wie ich oder so, dass er TATSÄCHLICH nicht an ein Eingreifen Gottes glaubt - dann wäre dies ein Rückfall in die Clockwork-Theorien der frühen Aufklärung. - Kennst Du Bultmanns Erklärung?

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#9 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von JackSparrow » Do 14. Mär 2019, 21:06

lovetrail hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:38
Sondern ich würde gerne verstehen, wie man von Bultmann herkommend, einen Gott denken kann, der nicht eingriffe in die Geschichte. Denn wie ich meine, ist Gott, den uns Christus gezeigt hat, wesentlich der Gott des Eingreifens in die Geschichte.
Wie bereits erwähnt: Die Methode, mit der du göttliches Eingreifen feststellst, wird unabhängig von "tatsächlichen" göttlichen Eingriffen immer zum gleichen Ergebnis kommen, nämlich dass dein Gott in die Geschichte eingreift.

Die große Stärke religiöser Konstrukte im Vergleich zu wissenschaftlichen Hypothesen ist ja gerade ihre fehlende Falsifizierbarkeit: Als Gäubiger kannst du jederzeit selbst bestimmen, ob dein Gott eingegriffen hat oder nicht.

Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt....
Das steht da nicht. Da steht der Logos sei Fleisch geworden.

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#10 Re: Gibt es Gott auch wenn er nicht eingreift?

Beitrag von lovetrail » Do 14. Mär 2019, 21:07

closs hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:50
lovetrail hat geschrieben:
Do 14. Mär 2019, 20:38
Aber darauf will ich mit diesem Thread gar nicht hinaus. Sondern ich würde gerne verstehen, wie man von Bultmann herkommend, einen Gott denken kann, der nicht eingriffe in die Geschichte.
Das wird sich nicht trennen lassen, da es eine reine Definitionsfrage ist. - Denn man kann in der Tat wie Bultmann denken - weil man Fügung als etwas Endgültiges denkt (was es ja ist).

Fügung IST Eingreifen in die Geschichte - allerdings ohne Beschneidung menschlicher Freiheit, weil Fügung das, was der mensch in seinem Leben jemals frei entscheidet, bereits berücksichtigt. - Gleichzeitig kann man Fügung als Nicht-Eingreifen definieren, weil alles "vorbereitet und seit den Tagen der Vorzeit beschlossen" ist. - Nach unserem Denken ist dies, wie Du sagst, ein Paradoxon - aber nicht in Gottes Denken und in seinen Möglichkeiten.

Interessant wäre, wie Bultmann seine Auffassung begründet: So wie ich oder so, dass er TATSÄCHLICH nicht an ein Eingreifen Gottes glaubt - dann wäre dies ein Rückfall in die Clockwork-Theorien der frühen Aufklärung. - Kennst Du Bultmanns Erklärung?
Soweit ich weiß geht es da mehr um die Geschlossenheit des natürlichen Welt und Geschichtsmodells. Also Gottes Handeln, wenn man denn überhaupt davon sprechen kann, wäre ein Handeln mittels natürlicher und geschichtlicher Prozesse. Würde mich freuen, wenn sich jemand, der Bultmann hierin besser kennt, dazu äussern könnte.

LG
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