Thaddäus hat geschrieben: ↑Mo 25. Mär 2019, 10:58
Das ist kein Fehler im System, sondern die wissenschaftstheoretische Voraussetzung dafür, durch seriöses wissenschaftliches Arbeiten zu eindeutigen und korrekten Ergebnissen zu gelangen, die von anderen (Wissenschaftlern) akzeptiert werden müssen, so lange sie diese Ergebnisse nicht - wiederum mit wissenschaftlichen Methoden - widerlegen können.
Und genau das meine ich mit "Fehler im System". Verzeih mir, wenn ich es als "wissenschaftliche Arroganz" bezeichne, wenn irgendwo der Eindruck erweckt wird, Wissenschaft sei das Maß aller Dinge. Wissenschaft ist eine adäquate, sehr effektive Möglichkeit des Zugangs zu Erkenntnis, aber bei Weitem nicht der Einzige.
Der "Fehler im System" beruht darauf, dass man versucht, ein Buch über Gott, Gottes Eingreifen in die Welt, Wundertaten, Prophezeiungen etc. in ein wissenschaftliches Korsett zu zwängen, um ihm damit mutmaßlich "Wahrheiten" abzutrotzen. Das muss doch in die Hose gehen. Die Bibel ist - im besten oder im schlechtesten Sinne, je nach Standpunkt - vollkommen unwissenschaftlich.
Von daher stellt sich für mich die Frage nach der Nützlichkeit einer wissenschaftlichen Betrachtung der Bibel.
Ich will die Problematik an einem Beispiel festmachen, das ich hier schon desöfteren genannt habe:
unter der atheistisch-wissenschaftlichen Prämisse, dass es keine Prophetie geben sollte, wird die prophetische Voraussage der Zerstörung des Tempels durch Jesus selbst - geschildert in den Evangelien - als eine spätere, nach 70 (nach der Tempelzerstörung) hinzugefügte Erfindung nachvollzogen. Anders ausgedrückt: wenn die Evangelien die Zerstörung des Tempels thematisieren, müssen sie nach 70 niedergeschrieben worden sein.
Das zieht aber einen Rattenschwanz an weiteren Schlussfolgerungen nach sich: denn wenn die Evangelien nach 70 verfasst sein sollen, dann sind auch sämtlich anderen Anganben in Zweifel zu ziehen und bewegen sich im Kontext der frühen Christengemeinden nach 70 - und nicht mehr im Kontext der Zeit Jesu. Das hat gravierende Folgen für die Deutung.
Aber was, wenn - wie ich glaube - Jesus eben doch die Tempelzerstörung 40 Jahre zuvor vorhergesagt hat, weil er es - wie die Bibel sagt - konnte.
Die Frage, ob Jesus dies voraussagen konnte, lässt sich auch wissenschaftlich nicht falsifizieren - etwa mit einem Versuch der Reproduzierung, wie du ihn vorschlägst. Jesu Aussagen lassen sich eben nicht reproduzieren und entziehen sich daher der wissenschaftlichen Untersuchung und einer Falsifizierung.
Es ist Unsin zu sagen, es ließe sich wissenschaftlich falsifizieren, ob es Wunder gebe - denn wenn diese heute nicht reproduzierbar seien, habe es auch nie welche gegeben. Ja nun, vielleicht gab es sie und es gibt sie nicht mehr.
Geschichte lässt sich nicht reproduzieren, nur rekonstruieren. Und die Rekonstruktion ist abhängig von den Prämissen.