Was versteht ihr unter Demut?

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Pluto
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#1 Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Pluto » So 21. Jul 2013, 13:13

Verstehen Christen und Nicht-Christen unter dem Begriff "Demut" unterschiedliche Dinge?

Bei den alten Greichen und Römern galt Demut (humilitas) als Unterwürfigkeit.

Ist heute die Demut nur auf Christen beschränkt? Gilt sie nur für Gläubige, die mit Gott im Reinen sind.
Oder ist das ein allgemeiner Begriff für Zurückhatltung und Bescheidenheit?

Wiki schreibt dazu:
Kant versuchte den Begriff zu "entchristlichen"....
Immanuel Kant hat geschrieben: Das Bewußtsein und Gefühl der Geringfähigkeit seines moralischen Werts in Vergleichung mit dem Gesetz ist die Demut (humilitas moralis). Die Demut ist "so indirekt Indikator für die eigentliche Würde des Menschen als eines freiheitlichen Vernunftwesens.)
[Quelle: I. Kant - Metaphysik der Sitten.]
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Sola
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#2 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Sola » So 21. Jul 2013, 13:21

Wenn du eine "entchristlichte" Handlungsanweisung suchst, musst du einefach im NT die "christlichen Begründungen" weglassen ;) :) , zB:
3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst,
4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
Phil 2
ein Christ liest weiter:
5 Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Liebe Grüsse
Sola

closs
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#3 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von closs » So 21. Jul 2013, 13:55

Sola hat geschrieben:Was versteht ihr unter Demut?
Da ist wenig bis nichts hinzuzufügen.

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Magdalena61
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#4 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Magdalena61 » So 21. Jul 2013, 15:43

Dann seid ihr also schon fertig? Nach drei Posts, das ist ja geradezu rekordverdächtig :D .

Alle sind informiert, und keiner weiß Bescheid?

Ich versuche mal, Phil. 2 ein wenig näher zu kommen, inhaltlich.

Demut ist u.a. (meine persönliche Interpretation): Der bewußte Verzicht darauf, sich selbst zu verwirklichen/ rücksichtslos den eigenen Vorteil/ die eigenen Absichten/ Wünsche durchzusetzen, wenn das auf Kosten des Nächsten geht... also zu Lasten der Nächsten, die man, wenn sie bedauerlicherweise den Plänen/ den Bedürfnissen oder Begierden des eigenen Egos im Weg stehen, dann eben mal zur Seite und aus der Bahn kickt.

Danach erleichtert man sein Gewissen durch wohlüberlegte Schuldzuweisungen an den Nächsten, nimmt eine Dusche, spritzt auch noch die Stelle, auf welcher der Nächste mit dem falschen Glauben sich unangemessenerweise aufgehalten hatte gründlich ab, geht auf die Knie, sagt pro forma: "Vergib mir meine Sünden"--- und nimmt sich vor, ab jetzt aber endlich und sofort und unverzüglich mit der Demut Ernst zu machen.

(Um den Nächsten soll sich kümmern, wer will... die Rechtgläubigen wollen und dürfen sich ja nicht durch den Kontakt mit Irrlehrern und Antichristen und hartnäckigen Gottesleugnern beflecken).

Sorry für den zynischen Eintrag. Es gibt viel scheinheilige Heuchelei im Lager der Erlösten.
Und "Demut" ist echt ein Reizwort :mrgreen: . Weil sie von den professionellen Demütigen gerne individuell interpretiert wird.
LG
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#5 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Sola » So 21. Jul 2013, 15:58

Magdalena61 hat geschrieben:
Demut ist u.a. ( meine persönliche Interpretation): Der bewußte Verzicht darauf, sich selbst zu verwirklichen/ rücksichtslos die eigenen Absichten/ Wünsche durchzusetzen, wenn das auf Kosten des Nächsten geht... zu Lasten der Menschen, die man, wenn sie bedauerlicherweise den Plänen/ den Bedürfnissen oder Begierden des eigenen Egos im Weg stehen, dann eben mal zur Seite und aus der Bahn kickt.

Danach erleichter man sein Gewissen durch Schuldzuweisungen an den Nächsten, nimmt eine Dusche, spritzt auch noch die Stelle, auf welcher der Nächste mit dem falschen Glauben sich unangemessenerweise aufgehalten hatte gründlich ab, geht auf die Knie, sagt mal pro forma: "Vergib mir meine Sünden"--- und nimmt sich vor, ab jetzt aber endlich und sofort und unverzüglich mit der Demut Ernst zu machen.
(Um den Nächsten soll sich kümmern, wer will... wir wollen und dürfen uns ja nicht durch den Kontakt mit Irrlehrern und Antichristen und hartnäckigen Gottesleugnern beflecken).

Sorry für den zynischen Eintrag. Es gibt viel scheinheilige Heuchelei im Lager der Erlösten.
Und "Demut" ist echt ein Reizwort :mrgreen: . Weil sie von den professionellen Demütigen gerne individuell interpretiert wird.
LG

Interessante Textauslegung :lol: .
Kann du die im einzelnen begründen? Ich kann nicht so recht nachvollziehen, woher du bspw "aus der Bahn kicken" und "Gewissen erleichtern", "pro forma" usw ableitest; von "falschem Glauben", "Antichristen", "beflecken" usw habe ich auch nichts finden können, ebesowenig davon: "Um den Nächsten soll sich kümmern, wer will."
Bist du sicher, dass du dieselbe Bibel hast wie ich? :mrgreen: :lol:

Ach ja, nicht zu vergessen: Was ist eigentlich "Selbst"verwirklichung? Welches Selbst wird auf wessen Kosten wie verwirklicht? Das ist für mich die spannendste Frage in der ganzen christlichen Ethik ;) .
Zuletzt geändert von Sola am So 21. Jul 2013, 15:59, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüsse
Sola

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#6 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Pluto » So 21. Jul 2013, 15:59

Magdalena61 hat geschrieben:Demut ist u.a. ( meine persönliche Interpretation): Der bewußte Verzicht darauf, sich selbst zu verwirklichen/ rücksichtslos die eigenen Absichten/ Wünsche durchzusetzen, wenn das auf Kosten des Nächsten geht... zu Lasten der Menschen, die man, wenn sie bedauerlicherweise den Plänen/ den Bedürfnissen oder Begierden des eigenen Egos im Weg stehen, dann eben mal zur Seite und aus der Bahn kickt.
Du zeigst damit einen Weg, auch ganz ohne Christ sein zu müssen, aus der rein menschlichen Betrachtung die Demut ganz allgemmein zu beschreiben, so dass sie auch einem Nichthristen sinnvoll erscheint.

Danke für diese Einsicht.

geht auf die Knie, sagt mal pro forma: "Vergib mir meine Sünden"--- .... (Um den Nächsten soll sich kümmern, wer will... wir wollen und dürfen uns ja nicht durch den Kontakt mit Irrlehrern und Antichristen und hartnäckigen Gottesleugnern beflecken).
Die Ironie könnte man noch weiterführen; denn wenn die Sünden einmal vergeben sind, und der Akt der Überheblichkeit vollzogen ist, denkt man nicht mehr an die Gewissensnöte seiner (Un-)Taten und schläft des Nachts den sanften Schlaf der Gerechten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Magdalena61 » So 21. Jul 2013, 16:23

Mein letztes Post hatte ich nochmals etwas geändert... hatte nicht gesehen, dass bereits Antworten da waren.

Sola hat geschrieben:Interessante Textauslegung :lol: .
:) "Auslegung" ist das nicht, sondern der Versuch, zu einem der Verse, Phil. 2,6, einen Praxisbezug herzustellen:
der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt...
Da hat also jemand, dem es eigentlich gut ging, den unbequemen Weg gewählt, hat seine eigenen Interessen/ Rechte/ Vorteile zurückgestellt/ nicht wahrgenommen und hat sich dadurch eine Menge Schwierigkeiten eingehandelt.
Weil ein Bedarf da war, weil Er die Not und das Leid anderer sah, die nur durch den Verzicht des Starken auf seine eigene Sicherheit/ seinen Wohlstand/ seine Unversehrtheit/ sein schönes, geruhsames Leben... behoben werden konnten.
Bist du sicher, dass du dieselbe Bibel hast wie ich? :mrgreen: :lol:
Ich glaube schon. :)
Aber wir haben nicht dieselben Erfahrungen/ Informationen.
Ach ja, nicht zu vergessen: Was ist eigentlich "Selbst"verwirklichung? Welches Selbst wird auf wessen Kosten wie verwirklicht? Das ist für mich die spannendste Frage in der ganzen christlichen Ethik ;) .
Man tut das, was man möchte, was man als erstrebenswert oder als notwendig ansieht.
Selbstverwirklichung an sich ist nichts Schlechtes, wenn niemand dadurch geschädigt und das Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten nicht verletzt wird.

Wenn jemand aber seine eigenen Interessen durchsetzt und dabei die Interessen anderer verletzt, dann ist das Sünde.
LG
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#8 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Sola » So 21. Jul 2013, 16:46

Magdalena61 hat geschrieben:
Ach ja, nicht zu vergessen: Was ist eigentlich "Selbst"verwirklichung? Welches Selbst wird auf wessen Kosten wie verwirklicht? Das ist für mich die spannendste Frage in der ganzen christlichen Ethik ;) .
Man tut das, was man möchte, was man als erstrebenswert oder als notwendig ansieht.
Selbstverwirklichung an sich ist nichts Schlechtes, wenn niemand dadurch geschädigt und das Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten nicht verletzt wird.

Wenn jemand aber seine eigenen Interessen durchsetzt und dabei die Interessen anderer verletzt, dann ist das Sünde.
LG

Nein, ich denke auch nicht, dass "Selbstverwirklichung" etwas schlechtes ist, im Gegenteil, es ist "geboten".
Das Problem liegt aber in den Fragen, die ich dazu gestellt habe, über die sich die wenigsten Menschen wirklich Gedanken machen, wenn sie von "Selbstverwirklichung" sprechen.
Jeder hat nur irgend so eine "diffuse" Vorstellung von "sich nach Herzenslust ohne Beschränkung ausleben" aber kaum einer denkt nach, was eigentlich sein "Selbst" ist und was er da macht, wenn er es "verwirklicht" und was der Verwirklichung eigentlich im Weg steht und wie man den Weg frei machen kann (und ob das notwendigerweise nur auf Kosten der anderen gehen muss).
Liebe Grüsse
Sola

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#9 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von closs » So 21. Jul 2013, 23:22

Magdalena61 hat geschrieben:Und "Demut" ist echt ein Reizwort . Weil sie von den professionellen Demütigen gerne individuell interpretiert wird. LG
Da haben wir jetzt zwei Thread-Themen: 1. Was "ist" Demut? 2. Wie wird der Begriff "Demut" prostituiert.

Fall 1. wurde bereits sehr schön beantwortet - Fall 2. ist ein Fass ohne Boden. Und das hat mit einem großen Thema zu tun, das da heißt: 1. Was "ist" das Wort Gottes? 2. Wie kann man das Wort Gottes prostituieren? - Was "ist" der Heilige Geist und was wird aus ihm gemacht. - Und diesbezüglich finde ich Deine Beispiele sehr wohl angebracht.

Sola hat geschrieben:Was ist eigentlich "Selbst"verwirklichung? Welches Selbst wird auf wessen Kosten wie verwirklicht? Das ist für mich die spannendste Frage in der ganzen christlichen Ethik .
Ein klassisches Beispiel für das eben Gesagte.

"Selbst-Verwirklichung" im christlichen Sinne bedeutet, dass der Mensch sein Ich veredelt durch dessen Aufhebung in Gott. - Prostituiert wird dies auf zweierlei Weise:
1. Selbst-Verwirklichung sei die Verwirklichung des Ich in sich selbst (Existenzialismus)
2. Selbst-Verwirklichung sei unchristlich, weil man nach Gottes Wille sein Ich unterdrücken müsse (Beton-Christentum)

"Demut" bedeutet im christlichen Sinne, dass der Mensch seine Bedeutung und Macht Größerem gerne (!) unterstellt (hat etwas mit "Selbst-Verwirklichung - s.o. - zu tun!). - Prostituiert wird dies auf zweierlei Weise:
1. Demut ist eine Kapitulation vor "selbstverantwortlicher" Selbst-Verwirklichung (Existenzialismus)
2. Demut ist die Selbsterniedrigung gegen die Würde der Ebenbildlichkeit (Beton-Christentum)

Und so könnte man einen Begriff nach dem anderen durchdeklinieren. - Letztlich läuft es darauf raus, dass auf eine wahre Antwort zwei satanische Antworten kommen.

Sola
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#10 Re: Was versteht ihr unter Demut?

Beitrag von Sola » Mo 22. Jul 2013, 00:07

Worauf ich mit meiner Frage nach dem "Selbst" und dessen "Verwirklichung" hinaus wollte, war die Frage danach, was wir unter unserem "eigentliche Selbst" verstehen und wie dies "ausgelebt" werden kann.
Es kann doch wohl nicht heissen: ungehindert allen "Instinkten" und "Gelüsten" nachzugeben "ohne Rücksicht auf Verluste"?
Das führt zwar zu einem kurzen Wohlgefühl, ist aber doch nicht das, was wir uns eigentlich unter einem "erfüllten" Leben vorstellen. Jemand, der sich nur von seinen "niederen Instinkten" treiben lässt, mutiert mit der Zeit zu einem "egoistischen Ekelpaket", das sich nicht mal mehr selbst leiden kann.

Der Mensch besteht ja auch noch aus "höheren Trieben", die nicht immer mit den "niederen Instinkten" in Einklang zu bringen sind, sondern oft genug damit "im Clinch liegen".
Paulus beschreibt das schön im Römerbrief:
15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.
16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so gebe ich zu, dass das Gesetz gut ist.
17 So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.
19 Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
21 So finde ich nun das Gesetz, dass mir, der ich das Gute tun will, das Böse anhängt.
22 Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
24 Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leibe?
25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.
Röm 7

Wer bei der religiösen Begrifflichkeit Magenschmerzen bekommt, kann sie ja durch "weltliche Äquivalente" ersetzen ;) . Den Zwiespalt an sich kennt wohl jeder.

Meine Frage ist nun: Was von diesen widerstreitenden Kräften ist nun "unser wahres Selbst" oder ist es beides zusammen? Und was kann davon wie "verwirklicht" werden?
(Und was hat das mit dem "Nächsten" und mit Demut zu tun?)
Liebe Grüsse
Sola

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