Guten Morgen Rilke,
Ein Problem der Apokryphen ist, dass keine unmittelbaren Zeugen die Ereignisse wiedergeben. Sie zitieren aus Hörensagen und dann kommt es zu Ergänzungen und Abänderungen je nach eigener theologischer Sicht.
Das war bei den unmittelbaren ersten Autoren noch nicht der Fall, denn sie würden sofort von den anderen noch lebenden Zeugen korrigiert werden und damit überlieferten sie wesentlich präziser, zuverlässiger und damit wahrheitsgetreuer.
Das ist nun mal so. Daher war es beim Kanon eine Vorgabe nur solche Texte aufzunehmen, die entweder von den unmittelbaren Augenzeugen kamen oder von solchen, welche von diesen auch anerkannt waren, indem sie z.B. deren Diener oder Reisebegleiter waren, oder welche sie als deren Botschafter aussandten, weil sie ihnen völlig vertrauen konnten.
So arbeitet eben der HG. Er weiß was er tut, bis heute!
Das war bei Clemens nicht mehr der Fall. Nicht dass er nicht gläubig war, aber ich zeige dir nur ein Beipiel, das ich in Kürze herausgefunden hatte, damit du verstehst, warum man seinen Schriften nicht dieselbe Autorität verleihen konnte wie z.B. den Worten des Johannes oder Lukas.
Aus dem 17. Kapitel bzgl der Propheten, hier eine Textquelle:
https://www.unifr.ch/bkv/kapitel4-17.htm
Clemens 17,3 hat geschrieben:
3. Ferner steht auch über Job also geschrieben: „Job aber war gerecht und untadelig, wahrheitsliebend, gottesfürchtig, von allem Bösen ferne"
Er zitiert Hiob 1,1 mit der leichten Abänderung, dass er Hiob für fern alles Bösen hielt, während der Urtext "das Böse meidend" schreibt. Hier könnte man noch sagen, gut er hat es dahingehend verstanden und wir haben dazu auch den Originalbeleg. Dieser ist klarer.
Es ist aber bereits eine veränderte Aussage. Etwas Böses meiden bedeutet nicht unbedingt allem Bösen ferne zu sein, sondern wiewohl man böse Züge in sich hat trachtete er sie zu meiden.
Aber über Mose sagt er dieses:
Clemens 17,6 hat geschrieben:
6. Und wieder sagt er: „Ich aber bin Dunst, (der) von einem Kochtopfe (aufsteigt)"
Hierzu gibt es keine Quelle. Die Schrift sagt das nicht über Mose. Der Bericht vom Dornbusch aus Exodus gilt heute als völlig authentisch. Daher hat Clemens hier etwas dazugedichtet oder er zitierte aus einer bereits falschen Quelle.
Wenn es um das authentische Leben Jesu geht, wäre von einem der Augenzeugen mit Sicherheit eine Korrektur gekommen: "Clemens, dieses hat Jesus nicht gesagt bzw. getan. Ich kann ich mich nicht daran erinnern, die anderen Jünger auch nicht, woher weißt dann du das? Du warst nicht dabei, wir schon, bitte streich das aus dem Bericht."
Hätte er es herausgenommen, wäre sein Werk zwar um einen Vers ärmer gewesen, dafür wahrheitsgetreuer. Aber genau hier begegnen wir einem typisch menschlichen Problem und der HG weiß das. Menschen übertreiben in der Darstellung des Herrn und Meisters gerne und überhöhen ihn, was ja an sich gar nicht geht, aber das Übel daran ist. dass daraus falsche Anbetung resultiert.
Das 4. Jh war dahigehend bereits geprägt und geistlich verkommen, sich nur mehr noch über Jesu Stellung zu zanken, als seine eigenen Worte im Original zu belassen und sich danach zu richten, wie es uns die ersten Evangelisten oder der Apostel Paulus überlieferten.
Derart kam viel unselige Zusatz-Literatur zustanden, die man auf dieselbe Stufe wie das Wort Gottes gestellt hat. Und man verfolgte schon damals jene, die das nicht akzeptierten, weil sie sich der Wahrheit mehr verpflichtet wussten als menschlicher Überlieferung.
Dabei war es eine großartige Arbeit derjenigen, welche die Kanonisierung vorgenommen hatten. Sie ließen keine anderen Schriften zu als Augenzeugen oder eine von diesen unmittelbar autorisierte Person. Leider blieb es nicht dabei.
Paulus hätte gesagt: "Im Geist habt ihr begonnen und im Fleisch beendet" und hätte sie darauf hingewiesen nur das zu akzeptieren, was z.B. ihm überliefert wurde (vgl. dazu seine Mahnung im Galterbrief). Paulus ging darin sogar so weit, dieses Treiben zu verfluchen. All die Konsequenzen sind danach auch eingetreten.
Wie du weißt, behaupte ich heute, dass Fehler im Kanon immer noch bestehen und wir ihn noch nicht vollkommen fertiggestellt haben. Im 4. Jh wurde mehr oder weniger unter Zwang ein Schlussstrich gezogen und der Text einzementiert. Auch das war nicht richtig. Das AT hatte bis ins 2. Jh. gebraucht, um endgültig festzustehen.
Von solchen Zänkereien wie um das NT ist uns aus dem AT nichts bekannt. Der HG hatte hier als seine Freiheit sein Werk zu tn. Das NT hätte noch gebraucht, doch der Heilige Geist begann so allmählich aus dem Christentum zu weichen. Die Folge: Zerspaltung des Leibes mit unzähligen Übersetzungsvarianten und Buchzusammenstellungen. Das AT hat das in der Form nicht. Zumindest gibt es nicht dutzende Varianten und Abspaltungen mit eigener Thora.
Aber eines war den ersten Textzusammenstellern schon damals klar und ist es anhand nur diese einzigen Zeugnisses auch für mich: Der Clemensbrief gehört so nicht in diesen heiligen Kanon.