Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

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Naqual
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#21 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Sa 22. Jun 2013, 13:39

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Vielleicht lässt es sich schnell ausräumen: Es ist eine Frage der Perspektive.
Gesetze können das Gute konkretisieren und sind insofern hilfreich zur Anschauung und zur Prüfung von einem selbst.
Das ist eine Ich- zentrierte Haltung. Ich halte die Gebote Jesu, weil sie ein Maßstab sind für mich, ein Korrektiv, ein Ideal, das mir behilflich ist, meine Lebensqualität zu steigern. Dabei werte ich nach Gutdünken, und ordne das Gesetz nach meinem Geschmack, weil ich es als Motivationsfaktor sehe und nicht zwingend als "verbindliche Hausordnung" für die Kinder Gottes.
Die Gefahr besteht durchaus. Wobei ich es jetzt nicht für "ich-zentriert" halte, wenn jemand Gesetze und Gebote als Richtschnur nimmt um besser zu verstehen. Gefährlich wird es erst, wenn jemand total fixiert auf Gesetze ist und meint, man müsse sie wörtlich überall und immer anwenden, egal wie die Situation ist.

Das mit dem eigenen Gutdünken kenne ich meist als Argument, das mir in der Vergangenheit um die Ohren geworfen wurde, weil ich die Bibel nicht als verbindliches Gesetz sehe, sondern als eine im großen und ganzen gottbegnadete Richtschnur zum Verständnis des Weges zu Gott. Man würde jetzt die Texte nach eigenem Gutdünken auslegen. Die Gefahr besteht immer, selbst bei dem, der die Bibel für absolut verbindlich hält (durch den relativ großen Interpretationsspielraum in vielen Dingen).
Das andere ist, dass man das eigene Gutdünken m.E. gut in den Griff kriegen kann, wenn man sich bei einer Fragestellung immer wieder prüft, was das eigene Interesse nun ist und dann bewusst Möglichkeiten einbezieht und offen prüft, bei denen man innerlich manchmal gar nicht so wenig zusammenzuckt. Die Vergebungslehre Jesu ist so eine Sache. Für meinen Eindruck lehnen die meisten Christen diese ab und schieben alle möglichen Gründe vor, warum diese in der praktischen Anwendung irrational wäre. Ist sie aber nicht. Sie ist extrem anspruchsvoll und hart, sie provoziert einen bis auf die Knochen (spätestens bei der Feindesliebe und Vergebung in diesem Zusammenhang). Die Lehre Jesu ist hier aber absolut konsquent und auch wirksam. Auch wenn wir nur immer einen Bruchteil realisieren können, in Gänze nie.


Naqual hat geschrieben:...Eigentlich lässt sich alles betrachten unter einem einzigen Gesichtspunkt: Ist das Wohl des anderen beabsichtigt und bin ich bereit dafür auch von mir etwas zu geben.
Die Gebote Jesu "Liebe Gott und liebe deinen Nächsten" orientieren sich am (alten) moralischen Gesetz (des Mose), komprimiert dargestellt in den "10 Geboten".
Diese bestehen aber nicht nur aus Fairness und Fürsorge gegenüber dem Nächsten, sondern die ersten drei Gebote regeln die Beziehung zwischen dem Menschen und GOTT.
Das Doppelgebot Jesu ist die allgemeinere Form, die 10 Gebote sind eine Möglichkeit der Konkretisierung. Jesus selbst sieht die Konkretisierungen im Doppelgebot umfasst.
Den Part Gottesliebe hatte ich nur erst einmal außen vorgelassen, da man erst einmal die Vergebung auf der menschlichen Ebene (von Mensch zu Mensch) betrachten sollte. Umgekehrt wird es komplizierter, weil Gott für unsere Gedanken viel abstrakter ist (das schließt jetzt religiöse Erlebnisse mit Gott nicht aus!).

Naqual hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:angenommen, einer meiner Bekannten, der auch gläubig ist, leiht sich einige meiner Bücher und gibt sie mir nicht mehr zurück. Diese Bücher sind mir wertvoll, und sie sind vergriffen, ich kann sie nicht ersetzen. Meinen Fragen, wann ich sie wieder haben kann, weicht der Bruder aus und geht mir aus dem Weg.
Und dann soll ich so tun, als sei nichts gewesen? :shock:
Erlaubt ist alles, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. :devil:
Warum schenkst Du sie ihm nicht?
Weil ich es nicht WILL :!: . Warum sollte ich denn, noch dazu, wenn er mich überhaupt nicht fragt und mir keine Vorschläge macht, wie man das Problem aus der Welt schaffen kann?
:D Verstehen kann ich Dich da gut.
Aber nun geht es um das Gutdünken des einzelnen. Ich habe nun die Möglichkeit mein eigenes Wollen auf die Seite zu schieben (extrem widerwillig, okay) und zu schauen, was Jesus gesagt hat. Wenn Dich einer genötigt hat eine Meile zu gehen, dann gehe zwei Meilen mit ihm. In Deinem konkreten Beispiel wäre das: schenke ihm die Bücher und leg noch ein paar Exemplare oben drauf! - Und bei der Vorstellung fängt man schon an verärgert zu qualmen.
Im Endeffekt verhält sich nun ein Christ in der Regel nicht anders, wie ein Nichtchrist.
Liebe in seiner VOLLENDETEN Form ist wirklich göttlich. Manchmal frage ich mich, warum viele unbedingt in den Himmel wollen. Je näher man bei Gott ist, desto näher auch an dieser vollendeten Form. Und wir sträuben uns schon bei viel kleineren Sachen gegen die Gottesnähe.


Wenn mein Bekannter sich- ohne Not- nicht an eine getroffene Vereinbarung hält, und mein Vertrauen auf diese Weise übel ausnützt, dann ist er jemand, auf dessen Wort man sich nicht verlassen kann. Nachdem ich mich zur Sache geäußert habe (den Gerechten, der sich von seiner Gerechtigkeit abkehrt, warnen) die Bücher ab, aber den unehrlichen, egoistischen Bekannten auch. :mrgreen: Soll er zuschauen, wie er seine Haltung vor Gott rechtfertigt... das ist sein Problem und nicht meines.
DEM werde ich bestimmt nichts mehr leihen. Und falls er nochmals mit Wünschen an mich herantritt, werde ich ihm ggf. anbieten, die Objekte zu kaufen. :)
Das wird wohl auch richtig und adäquat sein, wiederspricht aber nicht dem vorher Gesagten.
Wir sollten hier die Perspektiven trennen. Wir haben eine, das geht es um uns. Also was tun wir (zuerst einmal innerlich) damit, wenn uns Böses widerfährt. Wer mir Böses tut ist erst einmal mein Feind und den soll ich nun lieben? Wie schaut das konkret aus? Ich kann ihn nur lieben, wenn ich ihm innerlich vergebe.
Die zweite Perspektive da geht es um den "Täter". Hier wird Vergebung nur wirksam, wenn der Täter das falsche Tun eingesehen hat und umkehren will. Und der Zustand vor Tat (als umfassende und wirksame Vergebung) kann nur hergestellt werden, wenn der Täter dies auch tut.
Begleitend habe ich nun eine Verantwortung (Liebe Gottes wirkend durch mich) gegen den Täter. Lass Dich jetzt nicht gefühlsmäßig die Palme hochtreiben bitte, sondern gehe den Gedankengang einfach mal durch aufs erste.
Wenn ich den anderen (den Täter) liebe, dann geht es mir natürlich darum, dass er richtig handelt vor mir und damit vor Gott.
In konsequentester Anwendung des Feindesliebesgebots überlege ich mir nun, was ich tun kann, damit es für den anderen am besten ist. Da gibt es aus meiner Sicht verschiedene Möglichkeiten, die auf den ersten Blick gar nicht so liebevoll wirken: Androhung Anzeigerstattung bei Nichtrückgabe der Bücher, Versuch dem anderen die Betroffenheit durch den Vertrauensverlust zu vermitteln ohne das rhetorisches Moralin tropft (ist ne Kunst, gebe ich zu), aber auch die Konsequenzen hieraus, usw. den auch bei diesen Handlungsmöglichkeiten bestehen Aussichten auf Erfolg, also den anderen auf die rechte Spur zu bringen. Liebe ist nicht die Vermittlung von Angenehmen, wenn das Unangenehme zum Guten dient.
Der springende Punkt ist nun aber, dass dies nicht der Legitimation von hartem Vorgehen dient (Damit wurden bekanntlich schon Gruselige Sachen legitimiert). Sondern Ursache des Unangenehmen, das ich dem anderen tue, müssen liebevolle Absichten ihm gegenüber sein. Die Legitimation für unser Handeln kann nur über Gott (Gottes Liebe, wirkend durch uns) erfolgen.

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#22 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Sa 22. Jun 2013, 14:22

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Und schlagartig ist man in der Situation des Reichen Jünglings.
Aber diesem sprach Jesus auch Trost zu trotz seines Unvermögens.
Mir scheint, du verwechselst etwas. Es geht darum, ein gegebenes Wort zu halten. Gott nimmt unsere Versprechen ernst, nicht nur die Eheversprechen.

TREUE und Wahrhaftigkeit sind Begriffe, die heutzutage nicht mehr jeder buchstabieren kann. Ich glaube aber, dass man ohne diese nicht ins Reich Gottes kommt bzw. wieder hinauskomplimentiert wird-- weil das Kleid der Gerechtigkeit in einem Zustand ist, in welchem es nichts mehr taugt Jes. 64,5.
Das finde ich gut. Deswegen, weil wir mit unserem ganzen Sein vor Gottes Sein stehen. Und dazu gehört was wir innerlich denken, empfinden, wollen - wie nach außen (wenn auch bedingt) durch unser Handeln zu Tage tritt.
Treue und Wahrhaftigkeit klingt sicher antiquiert und sind als Begriffe auch nicht in. Wichtig und essentiell schon.
Verwechselt habe ich - so glaube ich - trotzdem nichts.
Wenn meine Vergebung auf die Umkehrunwilligkeit und Uneinsichtigkeit des anderen trifft, ist sie wirkungslos.
Dann habe ich die im letzten Beitrag beschriebene Verantwortung gleich wohl noch und die kann erzieherisch und unangenehm sein. Entscheidend ist die Motivation, oder "antik" ausgedrückt: die rechte Herzenshaltung, aus der heraus ich handele.


Ich sage dir, woran ich denke.
....Und so etwas nennt sich Christ. Nein, mit solchen LÜGNERN 1. Joh. 2,4 habe ich überhaupt keine Geduld mehr. Sie sind eine Schande für die Christenheit.
Dein beschriebenes Beispiel (jetzt nicht zitiert) kann ich gut nachvollziehen, kann im einzelnen jedoch nicht darauf eingehen.
Die sicher nicht einfache Aufgabe ist es, diese (berechtigte) Wut nun in die geeigneten Bahnen zu lenken.
Christen findet man eh kaum. Und das ist völlig unabhängig von der Dogmatik (z.B. Evangelikaler, Lutheraner, Zeuge Jehovas, oder was auch immer). Jesu Lehre ist unglaublich anspruchsvoll. Hier ist der Punkt, bei dem ich ganz schnell ganz klein werde. Andererseits hat man Glaubende um sich, bei denen es schon viel früher scheitert, wie bei einem selbst.
Und da muss man (in sich selbst) ein wenig vorsichtig und achtsam sein. Sonst ist "Christus nicht mehr in einem" (Christus als spezifischer Geisteszustand, von Gott vermittelt).

Falsche Brüder... sollen wir nicht "hofieren und möglichst nachsichtig mit ihrer Bosheit umgehen". Wir sollen keine Gemeinschaft haben mit den Werken der Finsternis, sondern wir sollen Klartext reden und uns vom Bösen distanzieren.
Das Gemeine ist, dass das Böse ganz tückisch ist. Der Täter des Bösen bringt uns in eine unglaublich gemeine Situation (und wenn wir es tun, wir den anderen). Sind wir mit dem Bösen konfrontiert, das uns trifft, ist die Gefahr, dass wir selbst böse werden innerlich. Es ist okay, wenn wir vom anderen enttäuscht sind, Schmerz empfinden, empört sind. Nur wollen wir dann schnell das Böse für den anderen. Meist in Form der Vergeltung, dem anderen möge das passieren, was mir von ihm geschah. Und damit beginnt sich das Böse auszubreiten. Die Vergebung ist ein Mittel der Überwindung des Bösen.
D.h. die Vergebung "nützt" mir selbst (!)


Naqual hat geschrieben:Wie kann ich nun den anderen daran hindern sich zu belasten ("mit Sünde")? All diese Fragen kannst Du aber am besten Dir selbst stellen, wenn Du frei bist von Wut auf den anderen und es Dir tatsächlich auch um den anderen geht.
Ich finde, hier wird von den "Opfern" zu viel verlangt. Menschen, die schwer verletzt wurden und noch an dem, was ihnen angetan wurde zu kauen haben, sollen, so will es die Gemeinschaft, allezeit freundlich- gelassen und emotional stabil sein.
Wir sind immer Opfer, wenn uns Böses passiert. Wir infizieren uns dann damit (allzu schnell). Egal wie böse etwas ist.
Es geht auch nicht darum, vom Opfer jetzt etwas zu verlangen. Würde ich nie machen. Empfehlenswert wäre es, wenn das Opfer von sich darauf kommt, dass er die Folgen der Tat am schnellsten überwindet, wenn er vergeben kann.
(Setzt jetzt voraus, dass das Opfer normalerweise "geistig im Guten ist", ein böses Wesen wird Hass eher als angenehmen Adrenalinschub verstehen und sogar genießen. Der innere Konflikt mit den guten Bestrebungen im eigenen Selbst entfällt)

Warum werden die Täter auch in der Gemeinde mit Samthandschuhen angefasst, und das Leid der Opfer wird relativiert? Wer, bitte, hört denn den Opfern eigentlich zu, wenn sie über ihre innere Not sprechen wollen?
Da sind oft unglaubliche Ängste in der Gemeinde wirksam, und dann tut man lieber gar nichts.
Die Frage mit den Opfern ist nachvollziehbar. Im kriminalpolitischen Bereich hat sich die letzten 20 Jahre doch einiges verbessert. Wenn auch noch nicht genug. M.E. sollte man öffentlich einmal diskutieren, dass man eine Gesetzesreglung schafft, nach der staatliche Leistungen am Täter in der finanziellen Höhe nicht die staatlichen Leistungen am Opfer übersteigen dürfen. Denn dann müssten sie die Opfer besserstellen um die eingesehen Maßnahmen am Täter aufrechterhalten zu können.


Es geht beim Thema Vergebung nicht nur um Grenzüberschreitungen (Schuld), sondern auch um Gerechtigkeit.
Gnade ist der Verzicht auf ausgleichende Gerechtigkeit bzw. angemessene Strafe.
Ich bin froh um die Gnade Gottes, sollte ich dann dem Nächsten zuliebe nicht bereit sein auf Gerechtigkeit zu verzichten?
(Also ich habe Schwierigkeiten damit, aber es ist trotzdem gefährlich auf Gerechtigkeit zu pochen, wenn es niemandem nützt - außer vielleicht einem Vergeltungsbedürfnis)

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#23 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Sa 22. Jun 2013, 14:31

Hi Hemul,
Hemul hat geschrieben: Noch einmal, extra für Dich! JEDER MENSCH SÜNDIGT, AUCH NACH SEINER BEKEHRUNG.
Das wird jeder bestätigen - auch ich (in Worten und Werken :devil: ) . Also was soll jetzt daran so besondere Erkenntnis sein?
Auch der Atheist glaubt dies übrigens.
Wenn Du Sünde definierst als u.a. einen Verstoß gegen das Nächstenliebegebot (Jesu), also dass man sich im Einzelfall lieber hat als den Nächsten, dann wird dies auch jeder Atheist für sich bestätigen.

Man sollte sich aber sehr davor hüten die Sünden zu begehen die den ewigen Tod bedeuten, nachzulesen in 1.Johannes 5:16. Da kennt auch Gott kein Pardon.
Im Text steht nicht DIE Sünden (also ob es überhaupt um konkrete ginge) und nichts von EWIGER TOD. Die meisten Interpreten beziehen die Stelle auch auf einen schnellen irdischen Tod nach einem extrem schwerwiegenden sündigen Bewusstsein des Betroffenen und entsprechende Werke.

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#24 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Hemul » Sa 22. Jun 2013, 23:35

Naqual hat geschrieben:
Man sollte sich aber sehr davor hüten die Sünden zu begehen die den ewigen Tod bedeuten, nachzulesen in 1.Johannes 5:16. Da kennt auch Gott kein Pardon.
Im Text steht nicht DIE Sünden (also ob es überhaupt um konkrete ginge) und nichts von EWIGER TOD. Die meisten Interpreten beziehen die Stelle auch auf einen schnellen irdischen Tod nach einem extrem schwerwiegenden sündigen Bewusstsein des Betroffenen und entsprechende Werke.

Hi Naqual!
In der Menge- Übersetzung z.B. wird die in 1. Johannes 5:16 erwähnte Sünde aber mit "ewiger Gottgeschiedenheit" in Verbindung gebracht.

Deine o. genannte Verharmlosung musst Du uns doch schon etwas näher erklären? ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#25 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » So 23. Jun 2013, 14:56

Hi Hemul,
Hemul hat geschrieben: In der Menge- Übersetzung z.B. wird die in 1. Johannes 5:16 erwähnte Sünde aber mit "ewiger Gottgeschiedenheit" in Verbindung gebracht.
Naja, bei Übersetzungen bin ich durch Erfahrung vorsichtig geworden.
Es empfiehlt sich bei schwierigen Versen - und hier handelt es sich um so einen - mehrere Übersetzungen zu rate zu ziehen. Noch besser eine interlineare Übersetzung mit integrierten Begrifferläuterungen, oder aber gleich den fremdsprachlichen Grundtext.
Deine o. genannte Verharmlosung musst Du uns doch schon etwas näher erklären? ;)
Welche Verharmlosung? Dass ich Gottes Gnade für unbegrenzt halte? Für mich ist es nicht vorstellbar, dass Gott einen Umgekehrwilligen abweist.

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#26 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Hemul » So 23. Jun 2013, 19:00

Naqual hat geschrieben:Hi Hemul,
Welche Verharmlosung? Dass ich Gottes Gnade für unbegrenzt halte? Für mich ist es nicht vorstellbar, dass Gott einen Umgekehrwilligen abweist.

Welche Verharmlosung?
Na, da machst Du hier aber ganz gewaltig die berühmte Rolle Rückwärts. ;) Aber wie Dein o. Satz es erkennen lässt, verstehst Du es sehr gut selbst krummes wieder gerade zu machen. Finde ich pers. sehr gut. :thumbup:
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Sola
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#27 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Sola » Mo 24. Jun 2013, 14:01

Naqual hat geschrieben:
angenommen, einer meiner Bekannten, der auch gläubig ist, leiht sich einige meiner Bücher und gibt sie mir nicht mehr zurück. Diese Bücher sind mir wertvoll, und sie sind vergriffen, ich kann sie nicht ersetzen. Meinen Fragen, wann ich sie wieder haben kann, weicht der Bruder aus und geht mir aus dem Weg.
Und dann soll ich so tun, als sei nichts gewesen? :shock:
Erlaubt ist alles, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. :devil:
Warum schenkst Du sie ihm nicht?
Ich weiß, dass ist extrem schwer. Und schlagartig ist man in der Situation des Reichen Jünglings.
Aber diesem sprach Jesus auch Trost zu trotz seines Unvermögens.

Als ich mich ein bisschen hier eingelesen habe, bin ich über diese Aussage gestolpert und ich muss sagen, sie hat mich ein wenig empört.

Nicht, weil ich die Vorstellung so ungeheuerlich finde, wertvolle Bücher zu verschenken. Sondern weil ich finde, dass hier ein falsches Verständnis von Liebe und Vergebung dargestellt wird.
Wenn man so handelt, "züchtet" man bei seinen Mitmenschen ein falsches, egoistisches Verhalten und tut weder sich selbst noch dem anderen einen Gefallen damit.

Dem anderen, der vielleicht gedankenlos oder einfach egoistisch gehandelt hat, signalisiert man: "Dein Verhalten ist aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, mach ruhig so weiter, du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, ob du anderen Unrecht tust oder nicht, folge einfach deinem Egoismus, Christen müssen schon damit umgehen können."

Liebe heisst meiner Ansicht nach nicht, andere in ihrem falschen Verhalten zu bestätigen und das so
zu förden.
Dadurch tut man niemandem einen Gefallen.
Gerade im Blick auf "Glaubensgeschwister" wird (meiner Ansicht nach zurecht) doch gesagt, dass sie einander "in Liebe ermahnen" sollen, nicht alles stillschweigend unter den Teppich kehren oder falsches Verhalten auch noch belohnen.
Liebe Grüsse
Sola

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#28 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Mo 24. Jun 2013, 16:13

Hi Sola,
ja, doch - Du warst mir schon einmal woanders angenehm aufgefallen. :smiley15:

Sola hat geschrieben:Als ich mich ein bisschen hier eingelesen habe, bin ich über diese Aussage gestolpert und ich muss sagen, sie hat mich ein wenig empört.
Nachvollziehbar, ging mir selbst beim Schreiben nicht anders, auch wenn Du das jetzt seltsam findest. Allerdings hatte ich zu diesem Thema noch mehr geschrieben und soweit ich das sehe, treffen wir uns dann wieder.

Nicht, weil ich die Vorstellung so ungeheuerlich finde, wertvolle Bücher zu verschenken. Sondern weil ich finde, dass hier ein falsches Verständnis von Liebe und Vergebung dargestellt wird.
Wenn man so handelt, "züchtet" man bei seinen Mitmenschen ein falsches, egoistisches Verhalten und tut weder sich selbst noch dem anderen einen Gefallen damit. ...
Sehe ich auch so. Warum das kein Widerspruch ist, ergibt sich wie folgt:

Das wichtigste ist "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst".
Die Liebe beginnt im eigenen Selbst und will dem Nächsten Gutes und drängt aus dieser Motivation heraus schließlich zum Handeln, realisiert sich am anderen.
Hier muss man schonungslos mit sich umgehen in der Selbstanalyse, denn die Gefahr, dass einen das eigene Ego reinlegt, ist sehr groß.
Wenn einem der andere Böses tut, ist das Gemeine daran, dass dieses Böse uns normalerweise kriegt. Wir werden böse, zumindest in dem Moment. Wenn wir aus dieser Motivation heraus handeln, ist es verkehrt, wenn auch völlig üblich.
Wir sollten um den Nächsten besorgt sein, um das Gute für ihn. Das schaffen wir in uns nur mit Vergeben. Wir sollten ihm das Böse nicht anrechnen. Wir dürfen natürlich betroffen und wütend sein, aber nicht dem anderen Böses wollen, weil dann sind wir im "falschen Geist" sozusagen.
Wenn ich das Böse nicht anrechne und der andere nicht umkehrt, ist das zwar "lieb" von mir, aber es nützt dem anderen nichts. Es kann sogar kontraproduktiv sein, weil ich den anderen zum Sündigen ermutige.
Nun muss ich aber um Gutes für den anderen zu bewirken nicht böse auf ihn sein, im Gegenteil. Wenn ich nun das weitere für den anderen im "rechten Geist" bedenke, komme ich auch auf die Lösungen. Lösungen, die allerdings nicht an einer "ausgleichenden Gerechtigkeit" interessiert sind, sondern daran, was dem andern nützt.
Das kann auch hart für den anderen sein: z.B. man signalisiert ihm, von ihm nichts mehr wissen zu wollen, bis die Bücher zurück sind (drückt aber sein Bedauern aus, weil man ansonsten gerne mit ihm zu tun hat). Oder man droht ihm mit einer Anzeige, usw. Das geringstmöglich unangenehme Mittel, das aber Wirkung verspricht, ist sicher eine gute Sache. Aber wir tun es nicht aus Wut heraus, oder weil wir dem anderen böse sind. Sondern besorgt.
Liebe ist nicht einfach Geben von Annehmlichkeiten. Liebe ist am Guten für den Nächsten interessiert, und das kann bedeuten, für den anderen unangenehm handeln zu müssen.
Wichtig ist aber immer dies mit der rechten Herzenshaltung zu überlegen und zu tun.

Das ist zugebenermaßen eine Kunst. Aber eine, die man üben kann während man Training braucht.
Wir können aus einem gefühlsmäßigen Effekt heraus handeln und unter dem Gesichtspunkt der ausgleichenden Gerechtigkeit dem anderen etwas ähnlich Böses wollen. Das ist genaugenommen das Nährfutter für die Verbreitung und Vermehrung des Bösen.
Oder ich lasse meine Wut mal auf der Seite für die weiteren Überlegungen und frage mich, was dem anderen nutzt (und mir natürlich).
Kennst Du das, wenn man mal total wütend und betroffen gemacht wurde, ein anderer einem später als gefühlsmäßig nicht so involvierter Dritter einen guten Tipp geben kann, was man da am besten macht? Der tut sich leichter und er ist von den Gedanken her freier. - Man kann dies aber auch für sich selbst lernen.

So klarer, was ich meine?

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#29 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Sola » Mo 24. Jun 2013, 20:33

Naqual hat geschrieben: So klarer, was ich meine?

Ja, Danke für die Klarstellung.
Da kann ich dir nur zustimmen. Unversöhnliche Haltung, ein Groll, den man gegen den anderen hegt - und sei er noch so berechtigt - vergiftet die eigene Seele und man manövriert sich unweigerlich in Hassgefühle, weil der andere sich nicht so verhält, wie es das eigene Rechtsempfinden fordert. Und blockiert sich für eine unvoreingenommene Begegnung.
Liebe Grüsse
Sola

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#30 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Magdalena61 » Sa 29. Jun 2013, 00:02

Das sind echt gute Beiträge hier. :)

Ich hoffe, der Thread wird vielen Gläubigen- denen man aufgrund von fahrlässigen oder bewußt zum Dogma erhobenen Überlieferungen Lasten auferlegte- zum Segen.

Womit ich ein Problem habe, das sind diese falschen "Lehren", die "Böses gut und Gutes böse nennen, die Finsternis zu Licht und Licht zu Finsternis erklären, die Bitteres süß und Süßes bitter nennen" Jes. 5,20. Wer das tut, der kann sich noch nicht einmal auf die Grundlagen des Humanismus berufen. Recht muß Recht bleiben.
Man kann und darf die Gebote Gottes nicht durch eine Pseudo- Vergebung aushebeln.
Sola hat geschrieben:Unversöhnliche Haltung, ein Groll, den man gegen den anderen hegt - und sei er noch so berechtigt - vergiftet die eigene Seele und man manövriert sich unweigerlich in Hassgefühle, weil der andere sich nicht so verhält, wie es das eigene Rechtsempfinden fordert.
Wir dürfen uns nicht von unseren Gefühlen beherrschen/ steuern lassen. Es besteht aber keine Notwendigkeit, das Rechtsempfinden über Bord zu werfen und Zugeständnisse zu machen, die das Böse tolerieren und den Anderen in seiner Sünde bestärken.
Wenn er uneinsichtig ist und es bleibt-- wie lange soll man auf ihn einwirken? Wie lange soll man für ihn beten? Gott hat ein gutes Gedächtnis, Er vergißt niemals etwas. Wir müssen Ihn nicht mit Plappern belästigen und endlos wiederholen, was wir Ihm schon einmal gesagt haben.

Einem Täter, dem sein Fehlverhalten leid tut, der Reue zeigt, was sich in seinem Verhalten bemerkbar macht, sollte man eine Chance geben. SO verstehe ich die Bibel.
Wenn in anderen Versen Mk. 11,25 nicht von der Notwendigkeit "Reue des Täters" die Rede ist, dann kann man daraus nicht schlußfolgern, es gäbe auch Sündenvergebung ohne Reue.
Naqual hat geschrieben: Für mich ist die Gnade Gottes unbegrenzt. Allerdings nützt Gnade nichts, wenn man in der Gottesferne (Sünde) in seinem Wesen bleibt.
Ja. Reue und Buße sind die Voraussetzung, um Sündenvergebung zu erlangen. 1. Joh. 1,9
Ich bezweifele, dass wir einem Sünder, der in seiner Sünde verharrt, Vergebung zusprechen und seine Sünde mehr oder weniger unter den Teppich kehren dürfen.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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