Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Rund um Bibel und Glaube
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Magdalena61
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#1 Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Magdalena61 » Fr 21. Jun 2013, 09:20

Hi,
Die christliche Gemeinde wird heute von falscher Lehre dermaßen überflutet wie kaum zuvor. (Pastor Wolfgang Wegert)
Zunächst würde ich gerne eine Materialsammlung machen:

Welche Anweisungen finden wir in der Bibel; welche Gebote gelten für Gläubige des Neuen Bundes, wenn sie mit Fehlverhalten konfrontiert werden/ in zwischenmenschliche Konflikte geraten?

Welche Bibelstellen sind relevant zum Thema Vergebung?
LG
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dvdk
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#2 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von dvdk » Fr 21. Jun 2013, 09:34

Magdalena61 hat geschrieben: Welche Anweisungen finden wir in der Bibel; welche Gebote gelten für Gläubige des Neuen Bundes, wenn sie mit Fehlverhalten konfrontiert werden/ in zwischenmenschliche Konflikte geraten?
Vielleicht sollte erst einmal festgestellt werden, welche Lehren denn falsch wären, die da die Bibel überfluten.
Und wenn schon nach gültigen Geboten gefragt wird: welche sollten denn ungültig sein?

Ich bin ohnehin der Ansicht, dass die Christenheit nicht mehr durchblickt, was sie da eigentlich glauben sollte.
Windhauch ...

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Naqual
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#3 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Fr 21. Jun 2013, 11:31

Ein interessantes Thema dass Du eröffnet hast.
Es stimmt allerdings auch, dass die Meinungen hier sehr abweichen können.

Eigentlich gibt es keine Gebote und Gesetze mehr. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. (1. Kor 6,12 u 1, Kor 10,23)
Auf mich wirkt es so, dass Jesus zentral auf die rechte Herzenshaltung für einen ganzen Lebenswandel abgezielt hat.
"Einer trage des anderen Last" dies sei das Gesetz Christi (Gal 6,2) in Gänze.
Liebe Deinen Nächsten wie auch Dich selbst. Tut sogar wohl denen, die euch drangsalieren. (Mt 5,44)

Die Vergebung ist ein "Spezialfall" der Nächsten- und der Feindesliebe.
Vergebung heißt, das Böse, das mir von einem anderen widerfährt, nicht anzurechnen. Ihm gegenüber so sein, wie vor der Tat.
Die Nächstenliebe wird dadurch nicht unterbrochen.

In diesem Sinne verstehe ich selbst das Kreuz. Jesus sagte zu denen, die nicht glaubten (und seine Feinde waren): "Herr vergib ihnen!" Anbetracht dessen dass ihm am Kreuz alles genommen wurde und unschuldig, der schwerstmögliche Fall um Vergebung zu leisten.
Jesus verstand m.E. das Kreuz im Gegensatz zur heutigen Mehrheitsmeinung mit dem stellv. Opfertod auf alle Fälle "aktiv".
Also das Kreuz ist ein Symbol der aktiven konkreten Nachfolge für den Christen.
"Mt 16,24 Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir." Entsprechend auch bei Markus und Lukas.
Jesus ist der WEG. Das heißt sein ganzes Leben, die Art und Weise seines Lebens und seine Lehre. Der Glaube an die Person ist sekundär. Allerdings ist es nützlich an die Person insoweit zu glauben, die dies gelehrt hat. Es geht allerdings m.E. auch ohne.
Das Kreuz ist das extremste Symbol der Vergebung, die wir leisten können. Wenn wir dies tun, haben wir das Böse überwunden. Dies ist nicht wirklich tausendpro möglich - genau hier setzt aber die Gnade Gottes ein für die, die nach einem aufrichtigem Herzen und der Realisation der Liebe Gottes auf Erden streben.

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Magdalena61
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#4 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Magdalena61 » Fr 21. Jun 2013, 11:32

dvdk hat geschrieben:Vielleicht sollte erst einmal festgestellt werden, welche Lehren denn falsch wären, die da die Bibel überfluten.
Ich meine Lehren, die sich angeblich auf das Wort Gottes stützen, dieses aber nicht korrekt wiedergeben/ anwenden und ganz konkret in Bezug auf das Thema Vergebung.
Und wenn schon nach gültigen Geboten gefragt wird: welche sollten denn ungültig sein?
Gute Frage. "Alles ist erlaubt..." :mrgreen: --

Beispielsweise kursiert das Gerücht, Christen müssten allen Menschen immer und jederzeit alles vergeben.

Begründet wird diese Forderung u.a. mit dem Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht Mt. 18, 23-35: "Wenn Gott mir meine Schuld vergeben hat, dann sollte ich meinem Nächsten die peanuts, die er mir zumutet, ebenfalls vergeben, ansonsten wird Gott mich zur Rechenschaft ziehen und mich den Folterknechten (Satan, Dämonen) übergeben".

Weiter wird als Begründung ein Vers aus dem Vaterunser angeführt: "...wie auch wir vergeben unseren Schuldnern" Mt. 6,12.
Man behauptet, in demselben Maß, in welchem wir vergeben, würde uns vergeben werden.
Damit macht man die Gnade Gottes von der Einsicht des Menschen oder gar von menschlichem Versagen abhängig. (Was ist Gnade dann noch wert?)

Als Sahnehäubchen setzt man noch oben drauf: "Du mußt vergeben, weil es dir gut tut" und: "Vergeben heißt vergessen".
Und wer ein Problem damit hat, Sünde pauschal unter den Teppich zu kehren, weil er innen drinnen fühlt: "Hier stimmt etwas nicht!", dem werden psychische Auffälligkeiten attestiert... Unversöhnlichkeit, Bitterkeit, mangelnder Glaube und so weiter.

Die Einwände und Mahnungen des Heiligen Geistes, der seinen Kindern zeigt: "Achtung, seid wachsam, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind!" 1. Joh. 4,1... trampeln sie nieder-- und dann beschuldigen sie die Leute, die ihnen ihre Sünden vorhalten, nicht vergeben zu haben, dabei besteht überhaupt keine Notwendigkeit dafür, das zu tun.

Ich kann gar nicht beschreiben, wie wütend mich diese schriftwidrigen Lehren machen, denn solchen Unsinn hat Jesus niemals gelehrt. Vorwiegend hört man sie von Verführten, von Geschwistern, die falschen Propheten auf dem Leim gegangen sind- z.B. solchen Leuten, die ordentlich Dreck am Stecken haben, die das gestohlene Gut aber nicht zurückgeben geschweige denn Wiedergutmachung in irgendeiner Form betreiben wollen... und frech verlangen: "Vergib mir gefälligst, wenn du etwas gegen mich hast!"
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Naqual
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#5 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Fr 21. Jun 2013, 11:46

Magdalena61 hat geschrieben:Beispielsweise kursiert das Gerücht, Christen müssten allen Menschen immer und jederzeit alles vergeben.
Womit wir es wieder SEHR gesetzlich sehen würden. Scheint bei manchen so eine Art innerer Zwang zu sein. ;)
Vergebung ist nur dann erforderlich, wenn es dem anderen nützt. Wenn ihn die Vergebung zu weiteren bösen Dingen ermutigt, dann müssten wir die Vergebung im Rahmen der Nächstenliebe sogar verweigern. Weil Liebe heißt, auf das Gute des anderen bedacht zu sein.

Man behauptet, in demselben Maß, in welchem wir vergeben, würde uns vergeben werden.
Damit macht man die Gnade Gottes von der Einsicht des Menschen oder gar von menschlichem Versagen abhängig. (Was ist Gnade dann noch wert?
Das steht nun aber doch wirklich oft genug im NT.
Mt 6,12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Mt 6,14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Mt 6,15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Mt 18,35 So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.
Mk 11,25 Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.
Lk 6,37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Lk 7,47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Lk 11,4 und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig werden.
Röm 4,7 »Selig sind die, denen die Ungerechtigkeiten vergeben und denen die Sünden bedeckt sind!
1Petr 4,8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12).

Wie wollte man für sich selbst Vergebung von Gott empfangen wollen, wenn man selbst nicht dazu bereit ist, anderen zu vergeben? Das ist wie ein Verhöhnen Gottes.

Mich macht es eher wütend und frustiert, wenn Menschen meinen sie selbst könnten nichts tun.
ETWAS können sie schon, und das sollten sie auch - zumindest sich mit ganzen Herzen darum bemühen.
Zuletzt geändert von Naqual am Fr 21. Jun 2013, 12:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Magdalena61
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#6 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Magdalena61 » Fr 21. Jun 2013, 11:49

Naqual hat geschrieben:Ein interessantes Thema dass Du eröffnet hast.
Ja, das finde ich auch. :)
Eigentlich gibt es keine Gebote und Gesetze mehr. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Da bin ich allerdings anderer Meinung, aber das müssen wir nicht in diesem Strang ausdiskutieren. :)
Vergebung heißt, das Böse, das mir von einem anderen widerfährt, nicht anzurechnen. Ihm gegenüber so sein, wie vor der Tat.
Ähm, meinst du das wirklich?
Wenn ich jetzt ein Beispiel konstruiere... also, angenommen, einer meiner Bekannten, der auch gläubig ist, leiht sich einige meiner Bücher und gibt sie mir nicht mehr zurück. Diese Bücher sind mir wertvoll, und sie sind vergriffen, ich kann sie nicht ersetzen. Meinen Fragen, wann ich sie wieder haben kann, weicht der Bruder aus und geht mir aus dem Weg.

Und dann soll ich so tun, als sei nichts gewesen? :shock:

Oder: Ein Bruder oder eine Schwester erhebt öffentlich Vorwürfe gegen mich. Er oder sie behauptet Dinge, die nicht wahr sind... garniert mit verletzenden Attributen... und ignoriert oder übertritt dabei mutig oder bedenkenlos die Regel (das Gebot), zwischenmenschliche Probleme erst einmal (in der ach so viel beschworenen Liebe....) unter vier Augen anzusprechen, dann zwei oder drei Zeugen mitzunehmen, dann den Fall vor die Gemeinde (nicht vor die Welt!) zu bringen Mt. 18, 15-17.

Also.... an und für sich sehe ich keinen Anlaß, unter diesen Bedingungen zu schlucken, zu schweigen, die Sünde zu tolerieren, "nicht anzurechnen" und zu vergeben. Denn wenn das so wäre, dass Christen endlos tolerant sein und sich alles; jede Bosheit... gefallen lassen müssen, dann hätte Paulus 1. Kor. 5, 11-13 nicht schreiben müssen.
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#7 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Magdalena61 » Fr 21. Jun 2013, 12:05

Naqual hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:Beispielsweise kursiert das Gerücht, Christen müssten allen Menschen immer und jederzeit alles vergeben.
Womit wir es wieder SEHR gesetzlich sehen würden. Scheint bei manchen so eine Art innerer Zwang zu sein. ;)
:D Da ist was dran...
Naqual hat geschrieben:Wenn ihn die Vergebung zu weiteren bösen Dingen ermutigt, dann müssten wir die Vergebung im Rahmen der Nächstenliebe sogar verweigern. Weil Liebe heißt, auf das Gute des anderen bedacht zu sein.
*gefällt mir*
Ob wir das immer richtig erkennen... was gut ist für den anderen? Von mir würde ich das nicht behaupten wollen.
Aber so viel weiß ich: Ich möchte nicht die Sünde eines anderen durch (m)eine zweifelhafte und grenzenlose Vergebungsbereitschaft sozusagen "unterschreiben" müssen.
Naqual hat geschrieben:Das steht nun aber doch wirklich oft genug im NT.
Mt 6,12 , Mt 6,14 , Mt 6,15 , Mt 18,35 , Mk 11,25
Lk 6,37 , Lk 7,47 , Lk 11,4
Wie wollte man für sich selbst Vergebung von Gott empfangen wollen, wenn man selbst nicht dazu bereit ist, anderen zu vergeben?
Wie bringst du die Bibelstellen da oben jetzt mit dem Satz da oben zusammen, in bestimmten Fällen "Vergebung im Rahmen der Nächstenliebe zu verweigern"?

Kann ich denn selbst entscheiden, ob ich vergebe oder nicht? Meistens hat man ja keine Lust dazu. Weil man verletzt, betrogen... gelinkt... geschädigt wurde, weil man persönlich betroffen ist und Nachteile/ Verluste in Kauf nehmen muß.
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#8 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Fr 21. Jun 2013, 12:23

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Eigentlich gibt es keine Gebote und Gesetze mehr. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Da bin ich allerdings anderer Meinung, aber das müssen wir nicht in diesem Strang ausdiskutieren. :)
Vielleicht lässt es sich schnell ausräumen: Es ist eine Frage der Perspektive.
Gesetze können das Gute konkretisieren und sind insofern hilfreich zur Anschauung und zur Prüfung von einem selbst.
Die Gesetze selbst sind aber immer unvollkommen (Es gibt immer wieder Punkte, bei denen die Formulierungen versagen, und man im Einzelfall um das Wohl des anderen bemüht, sogar vom Gesetz abweichen muss. z.B. siehe Jesus bei der Sabbatfrage mit dem Tier, das in den Brunnen gefallen war)
Eigentlich lässt sich alles betrachten unter einem einzigen Gesichtspunkt: Ist das Wohl des anderen beabsichtigt und bin ich bereit dafür auch von mir etwas zu geben.

Vergebung heißt, das Böse, das mir von einem anderen widerfährt, nicht anzurechnen. Ihm gegenüber so sein, wie vor der Tat.
Ähm, meinst du das wirklich?
Ja. ;)

angenommen, einer meiner Bekannten, der auch gläubig ist, leiht sich einige meiner Bücher und gibt sie mir nicht mehr zurück. Diese Bücher sind mir wertvoll, und sie sind vergriffen, ich kann sie nicht ersetzen. Meinen Fragen, wann ich sie wieder haben kann, weicht der Bruder aus und geht mir aus dem Weg.
Und dann soll ich so tun, als sei nichts gewesen? :shock:
Erlaubt ist alles, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. :devil:
Warum schenkst Du sie ihm nicht?
Ich weiß, dass ist extrem schwer. Und schlagartig ist man in der Situation des Reichen Jünglings.
Aber diesem sprach Jesus auch Trost zu trotz seines Unvermögens.
Die Lehre Jesu ist ganz hart und brutal. Jedenfalls für das Ego in uns.
Keine leichte Religion für die Massen, sondern eine enge Pforte.
Ich denke, wichtig ist, dass wir unsere Grenzen erkennen in Bescheidenheit und uns um ein Mehr bemühen. Der "Rest" ist Gnade Gottes. Gott hat auch jedem unterschiedlich gegeben. Für einen ist es leichter, für einen anderen ganz schwer.


Oder: Ein Bruder oder eine Schwester erhebt öffentlich Vorwürfe gegen mich. Er oder sie behauptet Dinge, die nicht wahr sind... garniert mit verletzenden Attributen... und ignoriert oder übertritt dabei mutig oder bedenkenlos die Regel (das Gebot), zwischenmenschliche Probleme erst einmal (in der ach so viel beschworenen Liebe....) unter vier Augen anzusprechen, dann zwei oder drei Zeugen mitzunehmen, dann den Fall vor die Gemeinde (nicht vor die Welt!) zu bringen Mt. 18, 15-17.
Was ist die Motivation des anderen, warum handelt er so? Was habe ich dazu beigetragen?
Wie kann ich dem anderen nun zum Guten helfen? Wenn er z.B. mich diffamiert, heißt dies nicht, man müsse sich dies gefallen lassen. Es wäre sogar schädlich für den anderen. Wie kann ich nun den anderen daran hindern sich zu belasten ("mit Sünde")? All diese Fragen kannst Du aber am besten Dir selbst stellen, wenn Du frei bist von Wut auf den anderen und es Dir tatsächlich auch um den anderen geht. M.E. kann dies auch heißen, dass man durchaus auch "hart" mit dem anderen umgehen muss im Einzelfall. Aber nicht, weil man dies will (auf ihn böse ist), sondern aus Besorgnis um den anderen.

Also.... an und für sich sehe ich keinen Anlaß, unter diesen Bedingungen zu schlucken, zu schweigen, die Sünde zu tolerieren, "nicht anzurechnen" und zu vergeben. Denn wenn das so wäre, dass Christen endlos tolerant sein und sich alles; jede Bosheit... gefallen lassen müssen, dann hätte Paulus 1. Kor. 5, 11-13 nicht schreiben müssen.
Sowenig wie Gott uns seine Liebe aufzwingt, so wenig sollten wir dies mit anderen tun. Wenn jemand nicht will, ist es manchmal besser sich klar zu trennen. Vor allem, wenn man selbst noch innerlich gefährdet wird (z.B. irgendwann auf den anderen nur noch wütend sein kann und davon "übermannt" wird) Auch hier sehe ich keinen Widerspruch zur Vergebung.
Übrigens ist die Vergebung auch für einen selbst. Denn ist man in Gott, also ist man in seiner Liebe, dann verletzt es einen selbst, wenn man dem anderen nicht vergeben kann. Man will ja auf den anderen gar nicht böse sein, weil man selbst damit in einen Konflikt kommt, es widerspricht dem eigenen Selbst in diesem Fall.

Hemul
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#9 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Hemul » Fr 21. Jun 2013, 12:37

Naqual hat geschrieben: Damit macht man die Gnade Gottes von der Einsicht des Menschen oder gar von menschlichem Versagen abhängig. (Was ist Gnade dann noch wert?
Das steht nun aber doch wirklich oft genug im NT.
Mt 6,12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Mt 6,14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Mt 6,15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Mt 18,35 So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.
Mk 11,25 Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.
Lk 6,37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Lk 7,47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Lk 11,4 und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig werden.
Röm 4,7 »Selig sind die, denen die Ungerechtigkeiten vergeben und denen die Sünden bedeckt sind!
1Petr 4,8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12).

Wie wollte man für sich selbst Vergebung von Gott empfangen wollen, wenn man selbst nicht dazu bereit ist, anderen zu vergeben? Das ist wie ein Verhöhnen Gottes.
[/quote]

Hi Naqual!
Aber der Vergebung sind auch Grenzen gesetzt, nachzulesen in Hebräer 10:26-31 u.1.Korinther 5:9-13. ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#10 Re: Die Verfälschung der biblischen Lehre von der Vergebung

Beitrag von Naqual » Fr 21. Jun 2013, 12:51

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Wenn ihn die Vergebung zu weiteren bösen Dingen ermutigt, dann müssten wir die Vergebung im Rahmen der Nächstenliebe sogar verweigern. Weil Liebe heißt, auf das Gute des anderen bedacht zu sein.
*gefällt mir*
Ob wir das immer richtig erkennen... was gut ist für den anderen? Von mir würde ich das nicht behaupten wollen
Wir sind begrenzt im Wissen in Raum und Zeit. Diese Begrenzung wird uns sicher nicht angelastet, wir sind so geschaffen. . Es geht hier für mich immer um die richtigen Beweggründe beim Handeln.
Wir würden schon in einem Paradies auf Erden leben, wenn jeder nur ein paarmal am Tag bessere Absichten hätte.

Aber so viel weiß ich: Ich möchte nicht die Sünde eines anderen durch (m)eine zweifelhafte und grenzenlose Vergebungsbereitschaft sozusagen "unterschreiben" müssen.
Nein sicher nicht. Wichtig ist, auf den anderen nicht böse zu werden. Sonst hat man im Einzelfall vor dem Bösen kapituliert.
Man kann aber in Liebe falschen Bestrebungen konsequent entgegnen.
Natürlich ist dies eine hohe Kunst. Sonst gäbe es ja auch keine "Weisheit" (als das Vermögen Wissen sinnvoll einzusetzen).


Naqual hat geschrieben:Das steht nun aber doch wirklich oft genug im NT.
Mt 6,12 , Mt 6,14 , Mt 6,15 , Mt 18,35 , Mk 11,25
Lk 6,37 , Lk 7,47 , Lk 11,4
Wie wollte man für sich selbst Vergebung von Gott empfangen wollen, wenn man selbst nicht dazu bereit ist, anderen zu vergeben?
Wie bringst du die Bibelstellen da oben jetzt mit dem Satz da oben zusammen, in bestimmten Fällen "Vergebung im Rahmen der Nächstenliebe zu verweigern"?
Danke für die Nachfrage, sie war auch sicher nötig. Ich sehe zwei Stufen der Vergebung. Die eine, und die wichtigste: innerlich bin ich nicht (mehr) böse auf den anderen, sondern sogar bestrebt Gutes für ihn zu bewirken. Dies ist die Vergebung, die die Bibelstellen meint. Dies sollte immer der Fall sein. Bedingungslos.
Ich hatte Vergebung noch etwas drastischer definiert: Vergebung (ist erst abgeschlossen) ist, wenn der Zustand vor der Tat hergestellt wurde (ist GRUNDSÄTZLICH anzustreben). Das Problem ist, dass diese vollständig vollkommene Vergebung nicht von mir abhängt, sondern vom Gegenüber. Also ich kann nicht auf den Zustand vor der Tat zurückgreifen, wenn der Typ uneinsichtig ist, es ihm nicht leid tut und er an möglichst viele Wiederholungen denkt. Denn dann beginnt eine Verantwortung von mir für das Wohl des anderen.

Kann ich denn selbst entscheiden, ob ich vergebe oder nicht? Meistens hat man ja keine Lust dazu. Weil man verletzt, betrogen... gelinkt... geschädigt wurde, weil man persönlich betroffen ist und Nachteile/ Verluste in Kauf nehmen muß.
Ich denke, dass man hier sehr in sich gehen muss und analysieren. Vor allem gegenüber sich selbst ehrlich (demütig) ohne zu verdrängen, weil es um Dinge geht, die von Gott vielleicht nicht so gewollt sind.
Es ist natürlich immer die eigene Entscheidung, aber eine ganzheitliche. Nur "rational" wäre hier einfach. Die Gefühle sollten schon mitziehen, da sonst sinnlos.
Die Frage ist dann, was hilft mir.
Ein guter Mechanismus bei mir ist es, wenn der andere etwas getan hat, was ich auch schon einmal getan habe oder mir selbst sogar noch zutraue. Das ist Vergebung sogar leicht. (Das wertet übrigens das Kreuz auch noch einmal auf, wenn wie Jesus ein Unschuldiger vergibt, der es also von sich selbst nicht kennt)
Das andere ist es, den anderen als Geschöpf Gottes zu sehen und die Dinge zu finden, bei denen dies zum Ausdruck kommt. ;)
Das nächste ist es gedanklich sich in seine Vorgeschichte zu versetzen (soweit bekannt). Wir wären oft um keinen Deut anders, wenn wir das bisherige Leben des anderen für uns gehabt hätten.
Hilfreich kann auch sein, bevor man diesbezüglich in sich geht, erst den geistigen Zustand zu verbessern in dem an selbst ist. Also man beschäftigt sich z.B. mit der Liebe mit ganz konkreten "Bildern" oder Erlebnissen, etwas, das einen beeindruckt. Mein Lieblingsbeispiel sind immer die Marien-Ikone des Ostens. Auf dem Bild ist eine Mutter mit ihrem Kind. Nun versetzt man sich in die Mutter und versucht so zu empfinden wie sie gegenüber dem Kind. Dann tauscht man die Seiten und "übernimmt das Kind". Wichtig ist, sich dabei Zeit zu nehmen und hineinzufühlen. Dann erreicht man zum "Vergebungsrelevanten Ereignis" eine innere Distanz, aber hat das richtige "Gemüt". Und dann sieht man vieles entspannter in Bezug hierauf. Und liebevoller.

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