
in der Zeit, die ich Euch mit Widerspruch und Verweisen auf den biblischen Grundtext nerve

In diesem Thread will ich dieses Thema, was sonst immer nur am Rand auftauchte, in den Fokus rücken. Mal sehen, ob es uns gelingt, hier ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Kurt favorisiert, wie hier sicher viele Wissen, die extrem strukturtreue Buber-Übersetzung des ersten Testaments. Von 2Lena wissen wir, dass hebräische Worte unterschiedlich übersetz werden können. Ich denke, dass dies auch Martin M. Buber wusste.
Meiner Meinung nach ist der Kontext entscheidend, weshalb ein Übersetzer nicht umhin kommt, das selbe hebräische Wort, je nach Kontext, u.U. unterschiedlich zu übersetzen.
Nimmt als Beispiel einen deutschen Text, in dem das Wort "Himmel" häufiger auftaucht. Die Aufgabe besteht nun darin, diesen Text ins Englische zu übersetzen. Dann muss der Übersetzer entscheiden, wann er "Himmel" mit "sky" oder "heaven" übersetzt.
Im Hebräischen gibt es meiner Kenntnis nach weniger Worte also bspw. im sehr wortreichen Griechisch. Doch das Hebräische ist trotzt des geringeren Wortschatzes sehr ausdrucksstark, denn die selben hebräischen Worte können in unterschiedlichen Kontexten völlig verschiedene Bedeutungen haben. So kann ruach Geist, Odem oder Wind bedeuten.
Es folgt ein kleiner Exkurs zur hebräischen Sprache.
Stellen wir erstmal 1. Mose 1:2 und Psalm 104:30 gem. der Buber-Übersetzung gegenüber:Zitat aus HEBRÄISCH:
Eigenschaften und Merkmale.
[...]
Das Hebräische ist reich an Metaphern oder bildlichen Ausdrücken. In 1. Mose 22:17 steht für „Ufer des Meeres“ im Hebräischen buchstäblich „Lippe des Meeres“. Ähnliche metaphorische Ausdrücke sind „Angesicht der Erde“, „Kopf des Berges“, „Mund der Höhle“ usw. Jeder, der die Bibel selbst gelesen hat, weiß, daß diese vermenschlichende Ausdrucksweise keineswegs animistische Vorstellungen widerspiegelt, denn die Bibel hat nur Worte äußerster Verachtung für diejenigen übrig, die Bäume und andere Gegenstände verehren. (Vgl. Jes 44:14-17; Jer 10:3-8; Hab 2:19.)
Der hebräische Wortschatz besteht aus Wörtern, mit denen sich eine konkrete Vorstellung verbinden läßt, Wörtern, die die fünf Sinne — Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten — mit einbeziehen. Sie zeichnen also im Sinn des Hörers oder Lesers Bilder. Diese Konkretheit soll nach Ansicht einiger Gelehrter die Ursache für das Fehlen abstrakter Begriffe im Hebräischen sein. Es gibt im biblischen Hebräisch aber offensichtlich einige abstrakte Substantive. Zum Beispiel wird das Substantiv machaschaváh (von der Wurzel chascháv, „[ge]denken“, abgeleitet) mit abstrakten Begriffen wie „Gedanke, Plan, Erfindung“ übersetzt. In dem Verb batách (vertrauen) hat das Substantiv bétach (Sicherheit) seinen Ursprung. Dennoch kann man die allgemeine Regel aufstellen, daß abstrakte Vorstellungen durch konkrete Substantive übermittelt werden. Betrachten wir das Wurzelverb kavédh, dessen Grundbedeutung „schwer sein“ ist (wie in Ri 20:34). In Hesekiel 27:25 wird das gleiche Wort mit ‘herrlich werden’, wörtlich ‘schwer werden’, übersetzt. Dementsprechend wird von dieser Wurzel das Substantiv kavédh abgeleitet, das sich auf die Leber, eines der schwersten inneren Organe, bezieht, aber auch das Substantiv kavṓdh, „Herrlichkeit“ (3Mo 3:4; Jes 66:12). Ein Beispiel, das diese Übernahme des Abstrakten vom Konkreten ebenfalls veranschaulicht, ist jadh, was „Hand“ sowie „Obhut“, „durch“ oder „Leitung“ bedeutet (2Mo 2:19; 1Mo 42:37; 2Mo 35:29; 38:21); ʼaph bezieht sich sowohl auf „Nase“ als auch auf „Zorn“ (1Mo 24:47; 27:45); serṓaʽ, „Arm“, vermittelt auch den abstrakten Begriff „Kraft“ (Hi 22:8, 9).
2 Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal. Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.
Martin Buber war wohl der Meinung, dass in Psalm 104 (einem Lied) ruach mit "Geist" zu übersetzen sei und in Genesis (dynamischer narrativer Text) der Gedanke treffender durch "Braus" zum Ausdruck kommt. In JEDER Übersetzung fließt auch die Interpretition des Übersetzers bzw. der Übersetzer hinein.30 Du schickst deinen Geist aus, sie sind erschaffen und du erneuerst das Antlitz des Bodens
Schauen wir uns dies gem. dem masoretischen Grundtext des Codex Leningradensis an, der eine sehr gute Annäherung an den hebräischen Grundtext der Bibel ist. Sowohl in Gen 1:2 wie auch in Ps 104:30 steht רוּח (rûach).
Bei geauerer Betrachtung steht im hebräischen Grundtext in Gen 1:2 allerdings וְרוּחַ und in Ps 104:30 רוּחֲךָ.
Hier die Übersicht:
רוּח (rûach]
וְרוּחַ (Braus, 1. Mose 1:2)
רוּחֲךָ (Geist, Psalm 104:30)
Der King James Bible (KJB) liegt m.W. die Gutenberg-Bibel von William Tyndale zugrunde. Seine Grundlage für den Tanach (AT) war wiederum der masoretische Text. Wenn also gem. der KJB auf den hebräischen Grundtext von Gen 1:2 und Ps 104:30 verwiesen wird, meint dies meinem Verständnis nach den Codex Leningradensis, gem. dem Spirit in beiden Fällen die Übersetzung von ruwach ist.