Der Evangelist Johannes hat das Abendmahl im Sinne von "Kelch, mein Blut, mein Leib...." überhaupt nicht erwähnt.
Ich nehme an, dass Johannes aus seiner Sicht in seinem Evangelium sicher das Wichigste zusammenstellen wollte über das Leben Jesu und die Grundlage des christlichen Glaubens.
Also entweder war Johannes das Abendmahl im beschriebenen Sinne nicht bekannt, oder er hat es als nicht SO wichtig eingeordnet. Er konnte sich ein christliches Leben also ohne Abendmahl vorstellen und für ihn war beispielsweise die Fußwaschung wichtiger.
Die synoptischen Evangelien fanden das Abendmahl sehr wichtig, sicher auch Paulus, wenn er es nicht nur einmal, sondern öfters erwähnt, bzw. darauf anspielt.
Aus meiner Sicht kann man daraus zumindest schließen, dass es in der ersten Christenheit als sinnvoller Ritus angesehen wurde, andererseits aber nicht als Pflichtübung, die unbedingt praktiziert werden muss, sonst wäre man kein Christ.
Das andere ist m.E. dass die Kirche(n) dazu neigten, viele Dinge in der Bibel okkult zu verstehen. Zur Erklärung: Unter okkult verstehe ich die Neigung Materie als Inhaber von übersinnlicher Kraft zu verstehen, also so wie beim Amulett irgendeiner Zauberei-Innung. In Bezug auf Gott sollte man es aber "geistig" verstehen.
Anders ausgedrückt: Jesus meint mit dem Kelch seine Lehre, so wie er sie in seinem gesamten Leben und Wirken dargestellt hat bis zu dem Moment des letzten Abendmahls und einschließlich des Kreuzes und der Auferstehung. Der Ritus erinnert also an seine Haltung, Einstellung, seine Art der Lebensführung, hin zu Gott, dem Vater. Dann ist das Entscheidende nicht das materielle Blut (oder der Wein), nicht das Brot (oder der Körper Jesu), sondern der Glaube (als praktizierte Lebenshaltung) an den Gott der Liebe und Vergebung.
Ich denke, dass man ein Abendmahl mit der richtigen innerlichen Haltung im Sinne der biblischen Autoren durchaus mutterseelenalleine halten kann. Eben weil die Geisteshaltung (Herz und Verstand) das Wesentliche ist. Gedacht - wenn auch nicht im Sinne einer haarklein festgelegten Vorschrift - war das Abendmahl sicher als gemeinsames Tun Gleichgesinnter, die damit auch ihre Einheit in Bezug auf Gott bzw. auf Jesus betonen.
Ob da ein Kirchengebäude drum herumsteht ist völlig nebensächlich. Kann aber sicher nicht schaden!
Tempel und Kirchengebäude sind materiell. Sie helfen allerdings der (inneren und äußeren) Wahrnehmung!
Für ein Gerücht halte ich auch, dass man Priester, Pfarrer oder sonst etwas sein müsste, wie die Kirchenhierachien festlegten, um das Brot und den Wein auszuteilen (bei den Katholischen nur das Brot, was auch seltsam ist. Jesus hat ja auch gesagt "Trinket alle daraus" und nicht etwa "ich trinke alles aus"). Der Pfarrer vertritt Jesus beim Abendmahl (warum nicht?), aber dass nur der Pfarrer dies kann ist seltsam, weil auch der nichttheologisch ausgebildete Christ sich als Nachfolger Jesu versteht und damit in seine Fußstapfen treten kann.