Janina hat geschrieben:Das kann ich nicht nachvollziehen. Denn jeder Gläubige hatte schon seine Krisen und Zweifel. Wer daraus gestärkt hervor geht, hat genau das getan: Kritisiert. Und das Schlechte verworfen und das Gute behalten.
Das heißt aber nicht, dass man dann anderen, die kritisieren, das auch zugesteht. Denn sonst würde man nicht so oft angegangen werden, wenn man es "wagt" Glaubensinhalte zu hinterfragen. Natürlich sind es nur einzelne, die heftig reagieren, wenn man beispielsweise den Genozid ("der Bann"), den Jahwe in Auftrag gegeben hat (Buch Josua) als Verbrechen bezeichnet. Andere brechen dann auch die Diskussion ab und beziehen sich auf Paulus, der offenbar dann Kontaktsperre nahegelegt hat. Vielleicht darf auch ein Christ Glaubensinhalte kritisieren, aber bei einem Atheisten ist die Grenze für manche wohl überschritten. Und die, die sich dann getroffen fühlen, fallen natürlich auf, während andere, die gar nicht erst darauf einsteigen, eben nicht auffallen.
Ich habe aber das Gefühl, dass viele Gläubige empfindlich sind - vermutlich, weil sie nicht angesteckt werden wollen mit kritischen Gedanken. Weil sie nicht erneut eine Glaubenskrise selbst haben wollen?! Auch hier sind manche sehr irritiert, wenn man ihre Glaubensinhalte hinterfragt. Oder noch schlimmer - wenn man das, was sie erhoffen (z. B. ewiges Leben) selbst gar nicht mag und sich das sogar als Qual vorstellt.
Es ist völlig richtig, Verbrechen zu kritisieren. Aber die Kirche ist nicht das personalisierete Verbrechen.
Sie ist aber zumindest eine Nachfolgeorganisation einer ehemals auch verbrecherischen Organisation. Und man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, wann sich als Beispiel die RKK dazu bewegt gefühlt hat, den Prozess gegen Galileo Galilei neu zu bewerten und das Urteil zu revidieren.
Kirche ist - heute - erstmal Gemeinde, Seelsorge, Netzwerk, Miteinander, kurz: Wir.
Klar. Und ich habe mich früher in dem Netzwerk (bei mir eben die RKK) sehr wohl gefühlt. Später habe ich dann gemerkt, dass gerade auch dieses Netzwerk manche ausschließt und diskriminiert. Und wenn man sich als (katholischer) Christ fühlt, ist es heftig, wenn man niedergemacht wird (z. B. weil man schwul ist und sich nicht umerziehen lassen will, sondenr dies als natürlich ansieht). Klar, man könnte dann die Kirche verlassen, aber leider werden deren Schäfchen auch durch die Stories über das Seelenheil verunsichert. Ich kenne so einen Fall (nur nicht schwul, sondern bisexuell und weiblich, aber mit Selbstvorwürfen wegen der Neigungen). Dann verliert dieses Friede Freude Eierkuchen seinen Nimbus recht schnell.
Das ist wie beim Staat. Der zockt nicht dich mit Steuern ab, denn der Staat bist DU. Du möchtest dir Schulen, Straßen und öffentlichen Service leisten, deshalb trägst DU zu DEINER Infrastruktur bei.
Ja, klar.
Die Idee, Menschen zu netzwerken und in Gemeinden zu organisieren, ist nicht das Verbrechen, das du völlig berechtigt kritisierst.
Habe ich auch nicht behauptet. Ich vergleiche es mal mit Deutschland. Es gibt in Berlin ein Mahnmal gegen den Holocaust. Es gibt eine Aufarbeitung der Verbrechen, die von unserem ehemaligen Staat ausgingen. Und das war ein ganz anderer Staat. Wo findet man in der Vatikanstadt ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer der "Heiligen Inquisition"? Oder der Mission Südamerikas? Oder... oder... oder... Ich kann mich irren, aber ich sehe da nichts.
Wenn Skandale passieren - Beispiel Pädophilie bei Priestern (was nicht Schuld der RKK ist) - dann wurden sie immer und immer wieder vertuscht (der so fromme Johannes Paul II hat einiges dafür getan, Täter zu schützen, Taten zu vertuschen - und warum? Um den äußeren Schein zu wahren. Das ist/war Schuld der aktuellen RKK. Kirchen sind mehr als nur ein soziales Netzwerk.
Da sie aber Religion vertreten, sind die sakrosankt? Dürfen nicht kritisiert werden? Und die Vergangenheit kann man auch abschütteln und ignorieren? Und ab und an zugeben, Fehler gemacht zu haben (Galilei)?
Du kritisiert es als Ausflüchte, wenn wir sagen: Das ist doch nicht "Kirche", das ist doch nicht "Christentum", als ginge es um den "wahren Schotten". Aber das trifft nicht den Punkt um den es geht.
Es ist auch nicht "Wissenschaft", die die Atombombe gebaut hat
Wissenschaft ist wertneutral. Wissenschaft baut keine Waffen. Wissenschaft will Fragen beantworten und keinen Krieg starten. Religionen bewerten, sie teilen ein in Gläubige (="gut") und Ungläubige (="böse" oder Hunde oder Säue usw.), sie polarisieren, teils fangen sie Kriege an.
Genauso ist es nicht Kirche, die Genozide begeht. Denn Kirche ist menschliches Gemeindeleben. Nicht Prostitution für Massenmörder. Auch wenn diese sich ihrer bedienen.
Sie kann beides sein. Wenn der Gott, den die Kirche verehrt und dessen Andenken sie bewahrt, ein Massenmörder ist, dann ist es schwierig, sich von Massenmord wirklich abzugrenzen. Und dann mit Blick auf die Vergangenheit, in der (warum auch immer) Massenmord auch von der Kirche (den Kirchen) ausging. Auch die Sintflut wäre Massenmord. Mir ist klar, dass die Sintflur nicht von Gott kam - es war möglicherweise am Ende der Eiszeit die große Flut, als Gibraltar einbrach und sich der Atlantik in das leere Mittelmeerbecken ergoss. Aber die Kirchen transportieren die Aussage, Gott hätte fast alles Leben aus Zorn über die Menschen ausgerottet, lehrt es Kindern, die im Kommunionsunterricht sitzen und erzählen die Geschichte von Noah. Menschliches Gemeindeleben ist gut, Massenmord aber nicht. Und Gott ist ein Massenmörder. Was nun?
Ich will nicht zu negativ wirken. Die meisten Pfarrer (alle bis auf einen), die ich kenne, sind völlig o.k. und das Gemeindeleben vor Ort großteils auch. Und für bigotte Idioten in der Gemeinde kann der Pfarrer nichts. Aber die Organisation stinkt vom Kopf her - das Fußvolk will Gutes tun, aber die Chefetage ist daneben. Franziskus ist vielleicht teilweise anders, aber die Machtstrukturen sind die alten. Und das kann man - finde ich - durchaus kritisieren. Sollte auf dem Petersplatz ein Mahnmal wegen der Verbrechen der Kirche errichtet werden, dann ziehe ich meinen Hut. Vorher sage ich immer wieder, dass die Verbrechen nicht aufgearbeitet, sondern nur verdrängt werden. Und das finde ich kläglich, wenn die Organisation für sich selbst alle Moral gepachtet hat.
Aber was weiß ich als Atheist schon von Moral? (Nicht auf dich bezogen, ist nur eine Nebenbemerkung zu manchen Aussagen hier über Atheisten)