Dogmen

Rund um Bibel und Glaube
Pluto
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#71 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Mi 3. Aug 2016, 00:12

closs hat geschrieben:Nein - meine Aussage ist, dass Röntgenstrahlen erst im Wahrnehmungs-Bewusstsein sind, seidem sie entdeckt wurden.
Dennoch sind Röntgenstrahlen real.
Das Problem mit Heideggers erweiterter Realität ist, dass man nach fast 90 Jahren immer noch keine einzige Spur davon gefunden hat. Der Verdacht erhärtet sich, das es sie nicht gibt.

closs hat geschrieben:Erhebt sich ein Quantenphysiker nicht auch über Kranführer, wenn es um die Erklärung von Spins geht?
Nein. Den Jedermann kann die Spins im Prinzip nachvollziehen, wenn er dazu bereit ist. Das kann man von Heideggers erweiterter Realität nicht sagen.

closs hat geschrieben:Man muss das im übrigen nicht wertend sehen - beide sind gleichwertig. - Aber Aussagen eines Kranführers zu Spins sind halt etwas anderes als Aussagen eines Quantenphysikers. - Naturwissenschaftlicher Rassisimus?
Nein. Denn Spins sind messbar. Heideggers Sein hingegen nicht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dann sollte man vielleicht marmoriertes Fleisch ganz meiden.
Kann man sich nicht aussuchen.
Oh doch. Ich kann das sowohl beim Metzger, wie auch bei der Religion.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#72 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Mi 3. Aug 2016, 01:02

sven23 hat geschrieben:Liberal würde ich als Gegenstück zu einem dogmatischen Betonkopf bezeichnen.
Was sagt dieser Satz inhaltlich aus? Ich kann nichts erkennen.

Denn "Dogma" ist nicht das, was darunter atheistisch-vulgär dargestellt wird. - Betonköpfe gibt es unter den kritischen Rationalisten genauso viel wie bei den systematischen Theologen. - Das müsste man inhaltlich anspruchsvoller anreichern.

2Lena hat geschrieben:Im NT kommt sowas auch vor. Schon der 1. Satz des Johannesevangeliums ist gespickt voll von Geheimnissen. Ob es reicht, da mit "Mystik" daherzukommen?
"Mystik" wird im vulgären Sprachgebrauch gleichgestellt mit "esoterisch", "Sandalen an" und wahrscheinlich Veganer. Es müsste viel mehr inhaltlich gesprochen werden.

Allein die Verdünnung des hebräischen "memra" ins griechische "logos" und dessen weitere Verdünnung in "Wort" ist ein Thema für sich. - Und hier ist leider vielen Theologen vorzuwerfen, dass sie "Wort" oft genug verdünnt-dämlich interpretieren wie Atheisten. - Aus meiner Sicht und mit den Schwingungen, die ich in Bubers AT-Übersetzungen mitgekriegt habe, kann man die Bibel gar nicht griechisch-europäisch interpretieren.

Pluto hat geschrieben:Dennoch sind Röntgenstrahlen real.
Das bestreitet doch keiner - alles, was der Fall ist, ist real. - Aber für uns erst nach unserer Entdeckung (Heidegger würde sagen "Thematisierung").

Pluto hat geschrieben:Das Problem mit Heideggers erweiterter Realität ist, dass man nach fast 90 Jahren immer noch keine einzige Spur davon gefunden hat.
Das ist überhaupt nicht Heideggers Thema - er hat nicht das geringste Interesse, Realität (er nennt es "Sein") zu erweitern.

Pluto hat geschrieben:Das kann man von Heideggers erweiterter Realität nicht sagen.
Es gibt keine erweiterte Realität bei Heidegger.

Pluto hat geschrieben:Spins sind messbar.
Wie schön - was sagt das darüber aus, was alles der Fall ist? - Außerdem ging es hier um etwas ganz Anderes: Nämlich dass ein Nicht-Experte sich keine angemessene Meinung bilden kann.

Pluto hat geschrieben:Oh doch.
Nein - es steht nicht in unserer Macht zu bestimmen, was der Fall ist und was nicht.

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#73 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Mi 3. Aug 2016, 08:10

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Liberal würde ich als Gegenstück zu einem dogmatischen Betonkopf bezeichnen.
Was sagt dieser Satz inhaltlich aus? Ich kann nichts erkennen.

Denn "Dogma" ist nicht das, was darunter atheistisch-vulgär dargestellt wird. - Betonköpfe gibt es unter den kritischen Rationalisten genauso viel wie bei den systematischen Theologen. - Das müsste man inhaltlich anspruchsvoller anreichern.
Es herrscht wieder mal Sprachverwirrung.

"Liberal" bedeutete noch vor 100 Jahren, Toleranz und Freiheit. Heute scheint das Wort eine negative Deutung zu besitzen. Die Liberalen regieren die Welt und "stehlen" von den Armen.
Der Begriff "Dogma" hat sich hingegen kaum verändert. Er war schon immer der Inbegriff für eine "unumstößliche Wahrheit" und wurde auch so durch die Kirchen verstanden. Der Begriff ist aber in den letzten Jahren immer mehr zum Symbol für Sturheit und Unbeweglichkeit geworden (=> Betonköpfe).

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das kann man von Heideggers erweiterter Realität nicht sagen.
Es gibt keine erweiterte Realität bei Heidegger.
Doch. Er nennt es nur anders.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Spins sind messbar.
Wie schön - was sagt das darüber aus, was alles der Fall ist? - Außerdem ging es hier um etwas ganz Anderes: Nämlich dass ein Nicht-Experte sich keine angemessene Meinung bilden kann.
Ich bin überzeugt, dass wir nicht alles von der Welt wissen können. Dann ist es wichtig die eigene Fantasie in Schach zu halten und nicht von den unendlichen Möglichkeiten des Seins zu reden, sondern mit klarem Kopf zu sagen: "Ich weiß es nicht."
Ich bin aber auch davon überzeugt, dass alles was in der Welt ist (wie Röntgenstrahlen oder dunkle Materie), prinzipiell durch die Wissenschaft erforschbar ist, WEIL es messbare Spuren hinterlässt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Oh doch.
Nein - es steht nicht in unserer Macht zu bestimmen, was der Fall ist und was nicht.
Doch. Alles was ist, ist auch prinzipiell messbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#74 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Mi 3. Aug 2016, 08:51

Pluto hat geschrieben:"Liberal" bedeutete noch vor 100 Jahren, Toleranz und Freiheit. Heute scheint das Wort eine negative Deutung zu besitzen.
Das ist inzwischen dazugekommen - richtig. - Weil sich Liberalität als (wirtschaftlicher und intellektueller) Freibrief entwickelt hat - unter liberalen Gesichtspunkten wird der Eindruck erweckt, es zähle nur noch die Meinung und es gäbe keinen qualitativen Unterschied zwischen Shakespeare und BILD-Zeitung.

"Dogma" ist ein schwieriges Wort - es ist eigentlich ein Lehrsatz im Sinne von: Außer unserer Sicht ist dies die Grundlage - aus folgenden ... jahrhundertelang zusammengetragenen Gründen.

Pluto hat geschrieben:Doch. Er nennt es nur anders.
Das wäre mir komplett neu - kannst Du Licht in diese Behauptung bringen?

Pluto hat geschrieben:sondern mit klarem Kopf zu sagen: "Ich weiß es nicht."
Genau das drückt das Wort "Glaube" aus. - Man hat endlose Gründe, die etwas plausibel erscheinen lassen, kann es aber nicht "wissen", weil es im nicht-falsifizierbaren Raum ist.

Pluto hat geschrieben:Ich bin aber auch davon überzeugt, dass alles was in der Welt ist (wie Röntgenstrahlen oder dunkle Materie), prinzipiell durch die Wissenschaft erforschbar ist, WEIL es messbare Spuren hinterlässt.
Alles Naturalistische ist prinzipiell messbar - denke ich genauso. - Aber das war nicht das Thema.

Das Thema war, dass wir auch im Naturalistischen erst dann etwas für uns realisieren, wenn wir es wahrnehmen/thematisieren. - Röntgen hat als Erster die x-rays wahrgenommen/thematisiert - trotzdem gab es sie schon vorher.

Pluto hat geschrieben: Alles was ist, ist auch prinzipiell messbar.
Rein willkürliche Behauptung. - Man kommt hier nicht damit raus, dass man darauf wartet, bis Nicht-Messbares messbar wird - genau das geht nämlich nicht.

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#75 Re: Dogmen

Beitrag von sven23 » Mi 3. Aug 2016, 09:31

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Alles was ist, ist auch prinzipiell messbar.
Rein willkürliche Behauptung. - Man kommt hier nicht damit raus, dass man darauf wartet, bis Nicht-Messbares messbar wird - genau das geht nämlich nicht.
Betrachte es mal umgekehrt: was nicht ist, ist auch nicht messbar. :lol:
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#76 Re: Dogmen

Beitrag von sven23 » Mi 3. Aug 2016, 09:41

closs hat geschrieben: "Dogma" ist ein schwieriges Wort - es ist eigentlich ein Lehrsatz im Sinne von: Außer unserer Sicht ist dies die Grundlage - aus folgenden ... jahrhundertelang zusammengetragenen Gründen.

"Die Absurdität der religiösen Dogmen macht es zu einer endlosen Aufgabe, gegen sie polemisieren zu wollen."
(Arnulf Överland)

Aber dazu später noch mehr.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#77 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Mi 3. Aug 2016, 10:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Doch. Er nennt es nur anders.
Das wäre mir komplett neu - kannst Du Licht in diese Behauptung bringen?
Ist doch sonnenklar. Es wundert mich, dass du danach fragst.
Heidegger behauptet,es gebe zusätzlich zur Existenz (er nennt es "Dasein") ein Sein, in dem alles Mögliche drin steckt. Das ist aber eine sinnlose Vermutung. Sinnlos ist sie deshalb, weil er nicht sagen kann, was es ist, ja nicht einmal was es sein könnte.

closs hat geschrieben:Man hat endlose Gründe, die etwas plausibel erscheinen lassen, kann es aber nicht "wissen", weil es im nicht-falsifizierbaren Raum ist.
Und genau das ist falsch an Heideggers Hypothese.

closs hat geschrieben:Alles Naturalistische ist prinzipiell messbar - denke ich genauso.
Das ist so enorm wichtig, dass der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman extra dafür ein Acronym kreirt hat:
WYSIATI - What you see is all there is

closs hat geschrieben:Das Thema war, dass wir auch im Naturalistischen erst dann etwas für uns realisieren, wenn wir es wahrnehmen/thematisieren. - Röntgen hat als Erster die x-rays wahrgenommen/thematisiert - trotzdem gab es sie schon vorher.
Ja und? Wenn wir alles wüssten, wären die Wissenschaftler arbeitslos.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Alles was ist, ist auch prinzipiell messbar.
Rein willkürliche Behauptung. - Man kommt hier nicht damit raus, dass man darauf wartet, bis Nicht-Messbares messbar wird - genau das geht nämlich nicht.
Kannst du Beispiele nennen, wo dies der Fall ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#78 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Mi 3. Aug 2016, 11:24

sven23 hat geschrieben:Betrachte es mal umgekehrt: was nicht ist, ist auch nicht messbar.
So ist es korrekt - aber deshalb muss nicht jede Umkehrung korrekt sein.

sven23 hat geschrieben:"Die Absurdität der religiösen Dogmen macht es zu einer endlosen Aufgabe, gegen sie polemisieren zu wollen."(Arnulf Överland)
Du wirst Tausende Apostel unserer säkularen Religiosität zitieren können - es ist die Zeit dafür.

Pluto hat geschrieben:Heidegger behauptet,es gebe zusätzlich zur Existenz (er nennt es "Dasein") ein Sein, in dem alles Mögliche drin steckt.
Spirituelle Ansätze habe ich eigentlich bei Heidegger bisher weder gesucht nocht gefunden (außer latent in seinem Spätwerk)- seine Ontologie ist eher eine Gegenüberstellung von "Realität" und unsere Wahrnehmung dazu. - In seiner Vorlesung benutzt er dazu das Bespiel "Diese Tafel steht ungünstig" - also sehr praktisch und gar nicht transzendent.

Pluto hat geschrieben:Und genau das ist falsch an Heideggers Hypothese.
Ich weiß jetzt gar nicht, ob das Heideggers These ist - aber darauf sollte eigentlich jeder kommen. - Würdest Du Dir zutrauen zu glauben, dass alles, was ist, prinzipiell intersubjektiv nachweisbar ist? Wenn ja, ist es eine Glaubensaussage und als solche ok.

Pluto hat geschrieben:Wenn wir alles wüssten, wären die Wissenschaftler arbeitslos.
Richtig - wir sind ja da, um zu erkennen. Da wäre jeder Mensch "arbeitslos".

Pluto hat geschrieben:Kannst du Beispiele nennen, wo dies der Fall ist?
Wo WAS der Fall ist? Dass ein Nicht-Messbares messbar ist?

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sven23
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#79 Re: Dogmen

Beitrag von sven23 » Mi 3. Aug 2016, 11:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Die Absurdität der religiösen Dogmen macht es zu einer endlosen Aufgabe, gegen sie polemisieren zu wollen."(Arnulf Överland)
Du wirst Tausende Apostel unserer säkularen Religiosität zitieren können - es ist die Zeit dafür.
Wäre es dann nicht gerade jetzt Zeit dafür, die Dogmenkiste zu entrümpeln?
Sicher, der Kirche fällt es extrem schwer, Irrtümer einzugestehen. Wie kann der Stellvertreter Christi auf Erden sich bloß irrren?
Andererseits hat Ratzinger ja die Vorhölle als Irrtum eingestanden und sie abgeschafft. Es geht also schon, wenn der Wille da ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#80 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Mi 3. Aug 2016, 11:43

sven23 hat geschrieben:Wäre es dann nicht gerade jetzt Zeit dafür, die Dogmenkiste zu entrümpeln?
Und durch neue zu ersetzen? Dass "das, was der Fall ist", prinzipiell vom Menschen intersubjektiv nachweisbar sei, ist ein universales Dogma. - Theologische Dogmen gelten nur INNER-christlich. - Der materialistische Dogmen-Anspruch ist also viel umfassender.

sven23 hat geschrieben:Andererseits hat Ratzinger ja die Vorhölle als Irrtum eingestanden und sie abgeschafft.
Falsch. - Erstens ist der Limbus kein Dogma, zweitens hat Ratzinger ihn nicht als Irrtum abgeschafft, sondern aus dem Lehramtskanon genommen (als theologische These gibt es ihn noch).

Persönlich kann ich mit solchen Chiffren nichts anfangen, aber ich verstehe, dass es sich hier um Verständnis-Modelle handelt, die ihren Grund haben.

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