Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#651 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 1. Okt 2016, 16:00

SilverBullet hat geschrieben: denn genau diesen Schabernack habe ich doch gerade mit „philosophischer Absolutheit des Denkens“ angesprochen
Es ist eine aus ERkenntnis entstandene Setzung - ganz nüchtern. - Genauso wie Du nach Deinem ERkenntniszuschnitt setzt, dass es keinen Gott gibt.

SilverBullet hat geschrieben:Falls ja, gibt es anscheinend noch etwas „oberhalb“ der „Maximalintelligenz“
Wenn Du damit das meinst, was zwar spirituell als plausibel erschließbar, aber selbst nicht erkennbar erscheint, bist Du gar nicht so weit weg. Das Zauberwörtchen hierzu heisst "De-Anthropozentrierung".

SilverBullet hat geschrieben:wie war es, als die „Gläubigen“ das Sagen hatten?
Dann haben sie etwas gesagt, was "gut" oder "böse" war - auch normal.

SilverBullet hat geschrieben:Mit welchem Recht möchtest du irgendwelche „Grundlagen, auf denen zu diskutieren ist“ für die Fragestellung aus dem Schöpfungsverdacht festlegen
Verstehe es meinetwegen modellhaft: "Bei diesem Modell gibt es eine Antwort", lautet dann die Aussage - ohne damit zu bewerten, ob dieses Modell richtig ist.

SilverBullet hat geschrieben:Wie sähe die Situation wohl aus, wenn du das Sagen hättest?
Ich würde am liebsten darauf bestehen, dass jeder weiß, in welchem Koordinatensystem er spricht - alles andere wäre mir egal.

sven23 hat geschrieben:Es bringt nichts, gängige, also allgemeingültige und konsensfähige Begrifflichkeiten umzudefinieren
Dann muss man halt neue Begrifflichkeiten schaffen, um das zu sagen, was zu sagen ist. - Im übrigen kommt Dein Vorwurf aus dem Glaushaus, denn es ist der Säkularismus, der munter feststehende BEgrifflichkeiten gnadenlos bis zur Unkenntlichkeit umdefiniert hat, um daraus jetzt "Allgemeingültigkeit" abzuleiten.

sven23 hat geschrieben: Der Theologe Rochus Leonhardt meint: ...
Der Herr scheint etwas nicht verstanden zu haben - er scheint denselben Fehler zu machen wie der Säkularismus: Er anthropozentriert. - PS: Mit EINEM Zitat kann man jemanden nicht beurteilen - aber so, wie Du ihn zitierst, gibt Rochus ein inzwischen gängiges säkular-theologisches Zwitterbild ab.

sven23 hat geschrieben: Kubitza reflektiert eine Vielzahl theologischer Argumentationen
Das tut er gewiss - aber Du hast das entscheidende Wort mitgeliefert: "Reflektion".

Kubitza reflektiert in sich schlüsslig, jedoch auf einer Reflektions-Ebene, die das eigentliche Problem ist - das ist übrigens meistens das Problem.

sven23 hat geschrieben:Doch, tun sie. Ratzingers "wartende Herrenworte" und "heilig, heilig, heilig" für die spätere kirchliche Erfindung der Trinität sind nur 2 Beispiele.
Wenn DAS die Munition dagegen ist, tun sie's nicht. :lol: - Mit anderen Worten: Da muss mehr Substanz kommen.

sven23 hat geschrieben:Historisch-kritisch geht das schon mal gar nicht.
So ist es - was doch der Grund ist, dass die HKM innerhalb der Theologie keine maßgebliche Rolle spielen kann. - Ihr Ansatz ist in sich schlüssig, aber für geistige Fragestellungen komplett untauglich.

sven23 hat geschrieben:Ebenso ist die "geistige" Verbundenheit von AT und NT ein künstlich herbeigeführte.
"Künstlich" ist sie sicherlich NICHT herbeigeführt, aber eine historisch-kritische ist es sicherlich ebenfalls keine. - Und, ich wiederhole mich, es ist aus meiner Sicht den Theologen als Stockfehler anzulasten, wenn sie eine historisch-kritische Kontinuität postulieren wollen - Themaverfehlung. - Das ist so ähnlich, als wollte man die Genesis naturwissenschaftlich erklären.

Andererseits: So doof sind "sogar" die Katholiken nicht - bei deren intellektuellen Köpfen höre ich eigentlich immer nur, dass es um die Festklopfung geht, dass Jesus und dessen Erlösung um einen historischen und nicht nur metaphorischen Akt geht - das wiederum kann ich zustimmend nachvollziehen. - Hinwiederum: Es gibt bestimmt noch genug Theologen, die es "wörtlicher" über "leibliche" Stammbäume versuchen - das muss sich die Theologie halt noch abgewöhnen. - Die sind wie alles andere auch genauso im Fluss.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#652 Re: Theodizee

Beitrag von SilverBullet » Sa 1. Okt 2016, 17:02

closs hat geschrieben:Genauso wie Du nach Deinem ERkenntniszuschnitt setzt, dass es keinen Gott gibt.
Ich sage: das Wort „Gott“ ist letztlich immer noch die Frage aus dem Schöpfungsverdacht, denn der Kandidat für die menschlichen Wunschvorstellungen fehlt.

Wie soll ich dabei „setzen, dass es keinen Gott gibt“?

closs hat geschrieben:Verstehe es meinetwegen modellhaft: "Bei diesem Modell gibt es eine Antwort", lautet dann die Aussage
Sorry, was soll denn nun die Antwort auf die Frage sein, warum es keinen Verzicht gegeben hat?

Dass du Leid als „Prüfungsspiel“ zu suggerieren versuchst, ist doch keine Antwort, denn der Verzicht wäre immer noch „um Lichtjahre“ besser.

Möchtest du das Wort „Gott“ verwenden, um eine Persönlichkeit zu suggerieren, die aus Eigennutz, Selbstsucht und „Spass an der Freud“ apokalyptische Situationen für kleine Lebewesen entwirft, um diese zu prüfen, ob sie „bei ihm“ sein wollen?

closs hat geschrieben:Ich würde am liebsten darauf bestehen, dass jeder weiß, in welchem Koordinatensystem er spricht
Das ist „das Gleiche in grün“:
Du bestehst darauf ein Koordinatensystem zu haben, ohne dass du Leistung in Bezug auf Korrektheit bringen musst.

Wo das hinführt, kann man sich an wenigen Fingern abzählen.

Benutzeravatar
NIS
Beiträge: 2677
Registriert: Sa 2. Aug 2014, 15:01
Kontaktdaten:

#653 Re: Theodizee

Beitrag von NIS » Sa 1. Okt 2016, 17:10

Welches Geschöpf ist kein Schöpfer?
Der Heilige Geist (Hauke)

WISSEN VON MACHT

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#654 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 1. Okt 2016, 19:03

SilverBullet hat geschrieben:Wie soll ich dabei „setzen, dass es keinen Gott gibt“?
Indem er in Deiner methodischen Dynamik nicht vorgesehen ist.

SilverBullet hat geschrieben:Dass du Leid als „Prüfungsspiel“ zu suggerieren versuchst, ist doch keine Antwort
Selbst hier gibst Du mich falsch wieder.

SilverBullet hat geschrieben:Möchtest du das Wort „Gott“ verwenden, um eine Persönlichkeit zu suggerieren, die aus Eigennutz, Selbstsucht und „Spass an der Freud“ apokalyptische Situationen für kleine Lebewesen entwirft, um diese zu prüfen, ob sie „bei ihm“ sein wollen?
Wäre nicht mein Ding - aber Du bist schon wieder zu weit. - Meine Aussage war, dass es Modelle gibt, aus denen heraus man modell-gerecht argumentieren kann.

SilverBullet hat geschrieben:Du bestehst darauf ein Koordinatensystem zu haben, ohne dass du Leistung in Bezug auf Korrektheit bringen musst.
Niemand kann mehr, als Korrektkeit in Bezug auf sein Koordinatensystem zu erbringen - es gibt aus Wahrnehmungssicht keine absolute Korrektheit.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#655 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 1. Okt 2016, 20:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der Theologe Rochus Leonhardt meint: ...
Der Herr scheint etwas nicht verstanden zu haben - er scheint denselben Fehler zu machen wie der Säkularismus: Er anthropozentriert. - PS: Mit EINEM Zitat kann man jemanden nicht beurteilen - aber so, wie Du ihn zitierst, gibt Rochus ein inzwischen gängiges säkular-theologisches Zwitterbild ab.
Rochus ist Professor für Systematische Theologie, also der Abteilung der Theologie, der du ja durchaus wissenschaftliches Arbeiten zubilligst. Seine Einschätzung ist ja auch begründet.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Kubitza reflektiert eine Vielzahl theologischer Argumentationen
Das tut er gewiss - aber Du hast das entscheidende Wort mitgeliefert: "Reflektion".
Kubitza reflektiert in sich schlüsslig, jedoch auf einer Reflektions-Ebene, die das eigentliche Problem ist - das ist übrigens meistens das Problem.
Und vor allem zeigt er Widersprüche ein und desselben Theologen in ein und derselben Abhandlung auf. Das kommt auffallend häufig vor.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, tun sie. Ratzingers "wartende Herrenworte" und "heilig, heilig, heilig" für die spätere kirchliche Erfindung der Trinität sind nur 2 Beispiele.
Wenn DAS die Munition dagegen ist, tun sie's nicht. :lol: - Mit anderen Worten: Da muss mehr Substanz kommen.
Die "Substanz" hat Ratzinger in seiner Jesus-Trilogie geliefert. Der kanonische Ansatz einer "biblischen" Theologie ist jedoch nicht mehr haltbar.

"Seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Erforschung der Bibel ist demnach dieses unmittelbare Verständnis eines Zusammenhangs zwischen AT und NT nicht mehr problemlos möglich. Wenn man vor allem die Frage in den Mittelpunkt stellt, was der Text zu seiner mutmaßlichen Entstehungszeit sagen wollte, verschieben sich die Horizonte. Es muss nun davon ausgegangen werden, dass die hebräische Bibel eine eigene Aussageabsicht besitzt, die nicht mit der der christlichen Bibel aus Altem und Neuem Testament identisch ist. Innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft hat sich nach dieser Erkenntnis die Gattung der Theologie des Alten Testaments gebildet, die sich darum bemüht, die eigene theologische Aussage der hebräischen Bibel zu beschreiben."
Quelle: Bibelwissenschaft

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Historisch-kritisch geht das schon mal gar nicht.
So ist es - was doch der Grund ist, dass die HKM innerhalb der Theologie keine maßgebliche Rolle spielen kann. - Ihr Ansatz ist in sich schlüssig, aber für geistige Fragestellungen komplett untauglich.
Will sagen, die Forschung hat genau das Gegenteil erwiesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ebenso ist die "geistige" Verbundenheit von AT und NT ein künstlich herbeigeführte.
"Künstlich" ist sie sicherlich NICHT herbeigeführt, aber eine historisch-kritische ist es sicherlich ebenfalls keine. - Und, ich wiederhole mich, es ist aus meiner Sicht den Theologen als Stockfehler anzulasten, wenn sie eine historisch-kritische Kontinuität postulieren wollen - Themaverfehlung. - Das ist so ähnlich, als wollte man die Genesis naturwissenschaftlich erklären.
Aber genau das ist der kanonische Ansatz und das Anliegen der "biblischen Theologie".

closs hat geschrieben: Andererseits: So doof sind "sogar" die Katholiken nicht
Da wäre ich mir nicht so sicher. :lol: Sie behaupten sogar, Jesus habe die christliche Kirche gegründet.

closs hat geschrieben: - bei deren intellektuellen Köpfen höre ich eigentlich immer nur, dass es um die Festklopfung geht, dass Jesus und dessen Erlösung um einen historischen und nicht nur metaphorischen Akt geht - das wiederum kann ich zustimmend nachvollziehen. - Hinwiederum: Es gibt bestimmt noch genug Theologen, die es "wörtlicher" über "leibliche" Stammbäume versuchen - das muss sich die Theologie halt noch abgewöhnen. - Die sind wie alles andere auch genauso im Fluss.
Die mißglückten Stammbäume wird wohl niemand mehr verteidigen, der seine Sinne noch einigermaßen beisammen hat. Man schweigt sie lieber tot, wie so manches aus den sog.heiligen Schriften.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Ska'ara
Beiträge: 2912
Registriert: Mi 24. Aug 2016, 00:12

#656 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 1. Okt 2016, 21:00

sven23 hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben: Die Kirche selbst kann doch eine Teufelslösung sein, um die Menschheit zu verwirren. Zumindest hat die Kirche ziemlich teuflisch gehandelt.
Interessanter Ansatz.
Das Dumme ist nur, die Kirche verstand sich von Anfang an als legitime Nachfolgerin Jesu und begründete dies mit der Bibel.
Ja genau. Gute Botschaften lassen sich verzerren und benutzen, um Menschen zu täuschen. Die Kirche ist damit nicht der legitime Nachfolger.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#657 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 1. Okt 2016, 21:15

Ska'ara hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben: Die Kirche selbst kann doch eine Teufelslösung sein, um die Menschheit zu verwirren. Zumindest hat die Kirche ziemlich teuflisch gehandelt.
Interessanter Ansatz.
Das Dumme ist nur, die Kirche verstand sich von Anfang an als legitime Nachfolgerin Jesu und begründete dies mit der Bibel.
Ja genau. Gute Botschaften lassen sich verzerren und benutzen, um Menschen zu täuschen. Die Kirche ist damit nicht der legitime Nachfolger.
Dann wären die katholischen Dogmen ja illegitim. Sind wir da einem Skandal auf der Spur?

137. Die den Aposteln verliehenen hierarchischen Gewalten sind auf die Bischöfe übergegangen.
138. Christus hat den Apostel Petrus zum ersten aller Apostel und zum sichtbaren Haupt der ganzen Kirche bestellt, indem er ihm unmittelbar und persönlich den Jurisdiktionsprimat verlieh.
139. Nach der Anordnung Christi soll Petrus im Primat über die gesamte Kirche für alle Zeiten Nachfolger haben.
140. Die Nachfolger des Petrus im Primat sind die römischen Bischöfe.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#658 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 1. Okt 2016, 21:42

sven23 hat geschrieben:Rochus ist Professor für Systematische Theologie, also der Abteilung der Theologie, der du ja durchaus wissenschaftliches Arbeiten zubilligst.
Korrekt.

sven23 hat geschrieben:Seine Einschätzung ist ja auch begründet.
Auch korrekt - aber aus der Art seiner Begründung merkt man, wo sein geistiger Ausgangspunkt ist, der aus meiner Sicht nicht ausreichend ist.

sven23 hat geschrieben:Und vor allem zeigt er Widersprüche ein und desselben Theologen in ein und derselben Abhandlung auf.
Das müsste man überprüfen. - Denn es ist ein Unterschied, ob man beim anderen Widersprüch aus seiner eigenen Perspektive sieht oder ob es Widersprüche aus Sicht dessen Perspektive sind, von dem die angeblichen Widersprüche stammen.

sven23 hat geschrieben:Der kanonische Ansatz einer "biblischen" Theologie ist jedoch nicht mehr haltbar.
Erstens: Der Abschnitt aus "bibelwissenschaft" ist gut - wobei ich nicht weiss, was man daraus macht. - Zweitens: Warum sollten sich heilsgeschichtliche Bedeutung und Position eines AT-Textes aus kanonischer Sicht mit "eigener Aussageabsicht" des AT widersprechen?

Ein interessantes Thema ist das übrigens, mit dem ich mich vor Jahren lange beschäftigt habe - mit dem Ergebnis, dass die Texte Unterschiedliches sagen (können), ob man sie versteht aus Sicht
* des Schreibers
* der handelnden Person (also bspw. David), oder
* der "Vogelschau" (= Heilsgeschichte alias Kanonik).

Das ist vollkommen normal - und es gibt dazu endlos viele Beispiele.

sven23 hat geschrieben:Will sagen, die Forschung hat genau das Gegenteil erwiesen.
Gar nicht - sie kann nichts über ihr Mandat hinaus nachweisen.

sven23 hat geschrieben:Aber genau das ist der kanonische Ansatz und das Anliegen der "biblischen Theologie".
Da bin ich jetzt nicht tief genug drin - ich kann nur weitergeben, dass es anders klingt, wenn man mit Systematischen Theologen spricht. - Erfahrungsgemäß ist es differenzierter, als es kubitziert wird.

sven23 hat geschrieben: Sie behaupten sogar, Jesus habe die christliche Kirche gegründet.
Da ist einiges dabei, was "pro domo" ist - ganz bestimmt. - Aber wenn man "Kirche" reduziert auf den Grundgedanken von "gleichgesonnener Gemeinschaft", stimmt es ja wieder.

Nimm einfach zur Kenntnis, dass die agnostische/atheistische Bewertung geistiger Dinge zwar ab und zu mal einen Treffer landen kann, aber vom Wesen her erst mal vom Grunde her versteht, worum es geht.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#659 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 1. Okt 2016, 22:07

closs hat geschrieben: Das müsste man überprüfen. - Denn es ist ein Unterschied, ob man beim anderen Widersprüch aus seiner eigenen Perspektive sieht oder ob es Widersprüche aus Sicht dessen Perspektive sind, von dem die angeblichen Widersprüche stammen.
Hat Kubitza an vielen Beispielen getan. Die Widersprüche sind eklatant und man kann nur mit dem Kopf schütteln ob dieser theologischen Vernebelungskerzen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der kanonische Ansatz einer "biblischen" Theologie ist jedoch nicht mehr haltbar.
Erstens: Der Abschnitt aus "bibelwissenschaft" ist gut - wobei ich nicht weiss, was man daraus macht. -
Man nimmt zur Kenntnis, dass es die behauptete Einheit von AT und NT gar nicht gibt.

"Die Frage, auf welche Weise man Altes und Neues Testament als Einheit verstehen kann,
beschäftigt die Theologen immer noch. Sie muss sie auch künftig beschäftigen, denn als „Vater“ Jesu
Christi wird eben der alttestamentliche Gott Jahwe behauptet. Die Frage der Einheit ist jedoch ein
Scheinproblem, das sich auflöst, wenn man auf die dogmatische Nötigung einer Zusammengehörigkeit
verzichtet. Es gibt keine gemeinsame innere theologische Verbindung zwischen AT und NT,
jedenfalls keine, die über natürliche überlieferungsgeschichtliche Bedingungen hinausgeht. Keine
Heilsgeschichte, kein Geschichtsschema von Verheißung und Erfüllung, von Gesetz und Evangelium,
kein Christusereignis als Mitte der Zeit; all dies sind Scheinlösungen für ein Scheinproblem.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts denkt man in der Theologie auch religionsgeschichtlich. Noch
länger betrachtet man auch die biblischen Texte historisch-kritisch. Altes wie Neues Testament sind
religionsgeschichtliche Dokumente bzw. Dokumentensammlungen und sind als solche zu untersuchen.
Ein Orientalist, der indische Texte aus verschiedenen Epochen analysiert, macht sich unglaubwürdig,
würde er (etwa weil er selbst Hindu ist) neben überlieferungsgeschichtlichen Aspekten auch
religiöse Prämissen mit einbauen, und statt die Texte kritisch zu scheiden, sie dogmatisch zu
verklammern. Dabei kommt Religion, aber keine Wissenschaft heraus. Persönliche Glaubensfragen
und aus der religiösen oder politischen Dogmatik aufgenötigte Geschichtskonstruktionen haben in der
Wissenschaft nichts verloren. Auch deshalb ist die Theologie keine Wissenschaft.
Zum Ideal der Vorurteilslosigkeit und einer religiös ausgenüchterten Forschung bekennen sich
vorderhand zwar auch unsere Theologen. So schreibt Joest sehr deutlich und richtig:
„Das Alte Testament ist zu lesen als Dokument der Religionsgeschichte seiner Zeit, nicht als
verschlüsselte Vorausdarstellung einer künftigen Zeit.“ Und einige Seiten weiter: „Dass
Jesus das Wort Gottes, die Selbstzusage des Gottes Israels in Person ist, ist aus dem
alttestamentlichen Zeugnis nicht ableitbar.“
Für solche Sätze wäre er im Mittelalter möglicherweise noch verbrannt worden. Heute formulieren
solche Sätze Ergebnisse der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, zu der sich auch Theologen
bekennen können."

Kubitza, Der Dogmenwahn


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Will sagen, die Forschung hat genau das Gegenteil erwiesen.
Gar nicht - sie kann nichts über ihr Mandat hinaus nachweisen.
Forschung ist unabhängig und nicht mandatsabhängig. Das mag bei Kanonikern ja anders sein.


sven23 hat geschrieben:Aber genau das ist der kanonische Ansatz und das Anliegen der "biblischen Theologie".
Da bin ich jetzt nicht tief genug drin - ich kann nur weitergeben, dass es anders klingt, wenn man mit Systematischen Theologen spricht. - Erfahrungsgemäß ist es differenzierter, als es kubitziert wird.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sie behaupten sogar, Jesus habe die christliche Kirche gegründet.
Da ist einiges dabei, was "pro domo" ist - ganz bestimmt. - Aber wenn man "Kirche" reduziert auf den Grundgedanken von "gleichgesonnener Gemeinschaft", stimmt es ja wieder.
Mit Kirche ist die hierarchische, institutionelle Kirche gemeint.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Ska'ara
Beiträge: 2912
Registriert: Mi 24. Aug 2016, 00:12

#660 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 1. Okt 2016, 22:22

sven23 hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:... Die Kirche ist damit nicht der legitime Nachfolger.
Dann wären die katholischen Dogmen ja illegitim. Sind wir da einem Skandal auf der Spur?
Die Kirche ist doch nur ein politisches Konstrukt mit Weihrauchmäntelchen. Es ging immer nur um Macht und Kontrolle, und dafür eigenen sich verdrehte Geschichten per Angstmache nun mal gut.


137. Die den Aposteln verliehenen hierarchischen Gewalten sind auf die Bischöfe übergegangen.
138. Christus hat den Apostel Petrus zum ersten aller Apostel und zum sichtbaren Haupt der ganzen Kirche bestellt, indem er ihm unmittelbar und persönlich den Jurisdiktionsprimat verlieh.
139. Nach der Anordnung Christi soll Petrus im Primat über die gesamte Kirche für alle Zeiten Nachfolger haben.
140. Die Nachfolger des Petrus im Primat sind die römischen Bischöfe.
Die kirchlichen Bischöfe erhielten nichts von den Aposteln. Sie maßten sich an, in die Fußstapfen der Apostel treten zu können. Jesus hat Petrus als Fels bezeichnet, aber ihn bestimmt nicht zum Papst ernannt.

Antworten