SilverBullet hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Das Hohelied der Liebe scheint mir der passende Bibeltext zu sein.
Nein, so passend scheint der Text nicht zu sein.
Trotzdem ist diese Situation interessant:
1.
Ich werde gefragt, was die „Liebe“ sein soll und ich gebe eine Antwort aus der deutlich wird, dass es sich um einen physikalisch (weltlichen) Zusammenhang aus dem aktiven Gehirn handelt (kurz: neuronale Bewusstseinsberechnung).
Dadurch kann ich meiner Meinung nach gut einschätzen, worum es geht:
Es ist ein Vorgang, ein Prozess, es ist „normal“ und es funktioniert nach Regeln, die im Gehirn verankert sind.
Wie ich aufgezeigt habe, ist der Vorgang extrem kompliziert, aber ich gehe davon aus, dass man Methoden entwickeln wird, um Schritt für Schritt eine Analyse aufzubauen.
Begriffe wie „Übernatürlich“, „Metaphysik“, „Gott“, „Wesen“, „Kraft“ sind nicht notwendig, nicht sinnvoll.
Nun, es gibt verschiedene Perspektiven, von denen man einen Sachverhalt betrachten kann. Eine Sinfonie könnte man natürlich naturwissenschaftlich als Luftdruckkurve kleiner Druck- und Dichteschwankungen beschreiben, doch damit bleibt uns die künstlerische Dimension der Musik verborgen. Ähnliches gilt für Bilder.
Die Naturwissenschaft vermag uns nicht alles über Dinge zu sagen, was Menschen im Allgemeinen interessiert. Wenn Du magst, nehme Dir doch 5 Minuten und 26 Sekunden Zeit und zu hören, was Prof. Lesch zum Themenfeld "Gott/Sinn/(vor)letzte Fragen" zu sagen hat.
SilverBullet hat geschrieben:2.
Die Bibel liefert einen Text, der als das „Hohelied der Liebe“ (vermutlich der beste Text zu diesem Thema) bezeichnet wird und präsentiert die Liebe als eine poetische Person (?) mit Charakterzügen, die anscheinend vieles nicht macht, hoch geschätzt zu sein scheint und positiv auf Wahrheit reagiert (?). Liebe soll auch dann noch vorhanden sein, wenn alles andere vergangen ist (vermutlich kommt daher die Idee „Gott ist die Liebe“).
Am Ende stellt sich für mich wiederum die Anfangsfrage: „und was soll jetzt Liebe sein?“
Aus meiner Sicht wird schemenhaft ein universelles Ewigkeits-Konzept angedeutet, das in meiner Welt, ja in mir vorhanden sein soll.
„Was“ soll das sein und „wie“ soll das gehen?
Begriffe wie „Übernatürlich“, „Metaphysik“, „Gott“, „Wesen“, „Kraft“ könnten durchaus als Reaktion auftauchen.
Der Mensch wird in der Bibel als vergänglich beschrieben. Was das „Hohelied der Liebe“ angeht, so bedient sich Paulus hier eine fictio personae, um die Liebe zu beschreiben. Genaugenommen beschrieb er die ἀγάπη (AgápÄ“)², das selbe Wort wie in
1. Joh. 4:16³.
Im Griechischen gibt es vier Wörter für Liebe, mit unterschiedlichen Bedeutungen:
1. ἀγάπη (AgápÄ“): uneigennützige Liebe, Nächstenliebe
2. φιλÃα (philÃa): Freundesliebe, Zuneigung
3. á¼”Ïως (érÅs): Erotische Liebe, „Begehren“
4. στοÏγή (storgÄ“): familiäre Liebe, natürliche Zuneigung
Éros wird im NT nirgends gebraucht, verschiedene Fromen von
PhilÃa (Zuneigung) werden selten verwendet, noch seltender
StorgÄ“ (familäre Zuneigung). Am häufigsten ist der Audruck
AgápÄ“ für Liebe. Dabei handelt es sich um eine uneigennützige Liebe [s.
Mat. 5:44, dort wird das Verb ἀγαπάω (
agapáÅ) gebraucht], die nicht romantischer Natur Art ist.
Paulus glaubte an eine Auferstehung im Himmel. Wenn sich alle Hoffnungen und alles, woran geglaubt wurde erfüllt haben werden, sind
Glauben und
Hoffnung nicht mehr notwendig, doch die
Liebe zwischen Gott und seinen Geschöpften ist ewig. In diesem Sinne verstehe ich Pauli Gedanken.
Da Dir das Hohelied der Liebe nicht genügte, verlinke ich hier den ersten von drei Teilen einer Dikussion über den Begriff
Liebe zwischen Prof. Dr. Harald Lesch und Prof. Dr. Thomas Schwartz.
²
In der King James Bible mit charity übersetzt.
³
In der King James Bible mit love übersetzt.
SilverBullet hat geschrieben:(ich finde das Gehirn gerade sehr sympathisch)
Dann wird Dir hoffentlich der vierseitige* Artikel
Das Gehirn – ein Orchester ohne Dirigent (PDF-DOKUMENT), der auf einen Festvortrag (2005) von Prof. Wolf Singer basiert, gefallen.
In diesem
Beitrag hatte ich mich auf den Singer-Artikel bezogen.
*
Die erste Seite enthält nur eine Cover-Grafik und wurde von mir daher nicht mitgezählt. Es handelt sich um vier Textseiten (2 Doppelseiten und eine Seite).
SilverBullet hat geschrieben:Es wirkt auf mich komisch:
In Zeiten höchster Gefahr entwirft man Psalme, lernt sie auswendig, sagt sie auf, spielt sie vor, verbreitet sie mündlich und schreibt sie schliesslich auf.
(irgendwie hatten die damals bei Gefahr, totaler Verzweiflung und knochenschlatternder Sorge um die Familie, sehr viel Zeit, Ruhe und Muse)
Vermutlich wurden die Psalmen nach den Erfahrungen komponiert. Dies scheint damals in der altjüdischen Kultur so üblich gewesen zu sein.
SilverBullet hat geschrieben:Vermittelt die Bibel ab und zu Bilder, deren Kontext sehr frei erfunden ist?
Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
SilverBullet hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Vielleicht kannst Du damit mehr anfangen.
Ich denke, es wäre falsch von mir, wenn ich annehmen würde, dass dort die Antwort auf meine „was-soll-Gott-sein“-Frage stehen könnte
Wir haben, zusammen mit den Theologen, im Grunde bereits festgestellt, dass das religiöse Umfeld keine Antwort auf meine Frage geben kann.
Worauf zielt Deine Frage ab: Aus welcher "Substanz" Gott besteht? Da muss ich Dich leider enttäuschen, denn dies würde darauf hinauslaufen, sich ein "Bild" von Gott zu machen und dies sollte man gar nicht versuchen.
Was können wir also sagen? Christen glauben, dass Gott ein gewaltiges und hochintelligentes Geistwesen ist, welches der Schöpfer des Universums ist.
Für mich ist es doch viel wichtiger zu erkennen, dass Du intelligent bist. Dass Du zu ca. 70% aus Wasser bestehst, dass Du größtenteils aus den Elementen Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff bestehst, ist sicher biochemisch interessant, aber für mich hier unwichtig, um Dich als menschliche Person wahrzunehmen.
Darf ich Dir mal eine Frage stellen? Was ist Materie?
SilverBullet hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Viele machen den Fehler (so meine Meinung), die Bibel wortwörtlich wie Gottes direktes Wort zu lesen. Ein Freund von mir umschrieb die Bibel als "Gottes Wort in Menschen Schrift", was bedeutet, dass die menschliche Komponente sich natürlich in der Bibel niederschlug (altertümlicher Kulturkreis, antike soziokultureller Hintergrund, historischer Kontext).
Das vermittelt mir ein wenig das Bild, das man bekommt, wenn man durch „amorph gewelltes Milchglas“ schaut. Man sieht zwar, dass da etwas ist, aber man muss sich die verzerrten Tupfer selbst zu einer Vorstellung zusammensetzen.
Heraus kommt dabei genau das, was man fantasievoll reinsteckt.
D.h. vor diesem Hintergrund würde die Bibel gar kein Bild vermitteln, denn es ist im Grunde ja nur der eigene Entwurf der Leser.
Was Du beschreibst, bezeichnet man als Eisegese, eine Textauslegung, in der etwas in den Text hineininterpretiert wird, was dieser gar nicht zum Ausdruck bringt.
Mit qualifizierter Bibelhermenteutik und Exegese (Auslegung) ist es aber sehr wohl möglich, den biblischen Texten Aussagen zu entnehmen, die auch anhand des zugrundeliegenden Textes begründbar sind, auch innertextliche Aussagen.
Es sei hier angemerkt, dass ich hier keinerlei Glauben deinerseits voraussetze. Es geht mir an dieser Stelle lediglich darum, was die Bibel meiner Meinung nach aussagt.
Ein Beispiel: Der Koran ist gem. Selbstzeugnis verbalinspiriertes Wort Gottes. Dies kann ich als innertextliche Aussage entnehmen, ohne auch nur eine Spur daran zu glauben.
SilverBullet hat geschrieben:Die Bezeichnung „Gottes Wort in Menschenschrift“ ist lediglich wieder die unvollständige Handlungsvermutung vom Anfang.
Man könnte hinter sämtlichen Lebenssituationen die „Lenkung eines Etwas“ vermuten und würde doch nie auch nur die geringste Ahnung haben, was „es“ sein soll.
Die Bezeichnung „Gottes Wort in Menschenschrift“ ist natürlich eine Glaubensaussage, sozusagen eine Position oder Sichtweise. Aus skeptischer Sicht könnte man die göttliche Komponente ausklammern.
Gemeint ist mit "Gott" eine sehr machtvolle, schöpferische Intelligenz, die selbst der Forschung nicht zugänglich ist.