Homosexualität und Christsein

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#401 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von closs » So 16. Feb 2014, 01:53

Naqual hat geschrieben:Das gäbe nur Sinn, wenn Paulus innerhalb seiner Generation den Untergang der Welt erwartet hätte.
Das wird auch oft so gesehen - Paulus hat dazu auch Munition geliefert.

Naqual hat geschrieben:Aber es bleibt interessant, dass Homosexuelle Kinder kriegen sollen, sonst sei es Sünde und Paulus empfiehlt die Ehelosigkeit (womit die Kinderlosigkeit zwingend mit dazu gehört).
Da kommen wir eigentlich wieder zum Kernpunkt: Was ist ein Kind? - Die Antwort wäre (in diesem Kontext): Prinzipiell von Gott gewolltes Ergebnis einer ebenbildlichen Vereinigung - und das geht halt nur zwischen Mann und Frau. - Alternative dazu ist der Zölibat - die ebenbildliche Vorwegnahme der Vereinigung mit Gott ("Alles in Einem").

Das wäre die geistige Architektur, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen Hetero und Homo begründet. - Diese geistige Architektur ist NICHT dadurch außer Kraft gesetzt, dass es Gründe für Geburten-Kontrolle gibt - anders gesagt: Es geht um den prinzipiellen Kinderwunsch, den die Hetero-Sexualpartner für die Zukunft erfüllt haben WOLLEN bzw. in der Vergangenheit erfüllt haben - konkret:

Das Paar, das zusammengeht, UM eine Familie zu gründen, oder das Paar, das bereits eine Familie gegründet hat, ist nicht verpflichtet, auf Verhütung zu verzichten. - Allerdings würde umgekehrt Sexualität für Heteros, die als Mingels (= Mi<xed S>ingels) lediglich sexuelle Lebensabschnitts-Erfüllung suchen, wie auch für Homos, die gar nicht vom Grundsatz her in der Lage sind, eine Familie zu gründen, tabu sein.

Zwei Anmerkungen wären dazu nötig:
1) Das versteht heute keine Sau mehr, weil unsere Zeit komplett anders formatiert ist UND diese ihre Formatierung auch noch als Fortschritt versteht. - Da kann man nichts machen - das sind Symptome einer Kultur, die über dem Zenit ist.

2) Wäre ich selber HS, wüsste ich ganz und gar nicht, ob ich mich an meine obigen schlauen Sprüche halten würde. - Aber ich würde um den geistigen Konflikt wissen, der darin steckt - genau DAS aber wird gar nicht mehr gewusst.

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sven23
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#402 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von sven23 » So 16. Feb 2014, 08:05

closs hat geschrieben:
2) Wäre ich selber HS, wüsste ich ganz und gar nicht, ob ich mich an meine obigen schlauen Sprüche halten würde. - Aber ich würde um den geistigen Konflikt wissen, der darin steckt - genau DAS aber wird gar nicht mehr gewusst.

Als Beispiel mögen die alten Griechen gelten, die einen viel entspannteren Umgang mit Homosexualität praktizierten. Erst das Christentum brandmarkte die HS als Sünde und schaffte damit neue künstliche Konfllikte. Und das ausgerechnet von einer Religion, deren irdischer Protagonist Jesus von den Bibelschreibern als sexuelles Neutrum dargestellt wird, man also gar nichts um seine sexuelle Orientierung weiß, ähnlich wie das bei Paulus der Fall ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#403 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von closs » So 16. Feb 2014, 09:33

sven23 hat geschrieben:Erst das Christentum brandmarkte die HS als Sünde und schaffte damit neue künstliche Konfllikte.
Wenn man den geistigen Hintergrund kennt, ist das nicht mehr künstlich.

sven23 hat geschrieben: Und das ausgerechnet von einer Religion, deren irdischer Protagonist Jesus von den Bibelschreibern als sexuelles Neutrum dargestellt wird,
Das passt doch exakt auf das, was ich vorher geschrieben habe: Entweder Erfüllung in Wieder-Schöpfung "ad maiorem gloriam Dei", oder Zölibat.

sven23 hat geschrieben: man also gar nichts um seine sexuelle Orientierung weiß
Vermutlich gar keine. - Wenn trotzdem vorhanden, dann hetero.

Aber wir sind exakt am Punkt:
closs hat geschrieben: Das versteht heute keine Sau mehr, weil unsere Zeit komplett anders formatiert ist UND diese ihre Formatierung auch noch als Fortschritt versteht.

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Naqual
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#404 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von Naqual » So 16. Feb 2014, 09:35

closs hat geschrieben:Da kommen wir eigentlich wieder zum Kernpunkt: Was ist ein Kind? - Die Antwort wäre (in diesem Kontext): Prinzipiell von Gott gewolltes Ergebnis einer ebenbildlichen Vereinigung - und das geht halt nur zwischen Mann und Frau. - Alternative dazu ist der Zölibat - die ebenbildliche Vorwegnahme der Vereinigung mit Gott ("Alles in Einem").

Das wäre die geistige Architektur, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen Hetero und Homo begründet. - Diese geistige Architektur ist NICHT dadurch außer Kraft gesetzt, dass es Gründe für Geburten-Kontrolle gibt - anders gesagt: Es geht um den prinzipiellen Kinderwunsch, den die Hetero-Sexualpartner für die Zukunft erfüllt haben WOLLEN bzw. in der Vergangenheit erfüllt haben ,...

Erschreckend finde ich immer die begleitenden zwingenden Implikationen. Vorab muss man feststellen, dass wir hier nicht mehr die Bibel als Grundlage interpretieren, sondern assoziativ Konstellationen kreieren. Das muss nicht grundsätzlich schlecht sein, lässt aber die unterschiedlichsten Möglichkeiten zu. Zum Beispiel könnte ich jetzt entgegenhalten, dass auch der Homosexuelle eine Vereinigung vornimmt. Körperlich wie geistig. Spätestens auf der geistigen Ebene möchte auch er/sie (im guten Fall, außer es ist rein körperliche Mechanik) mit dem Partner/der Partnerin verschmelzen.
Aber zu den Implikationen:
Der Geschlechtsakt wird in Deinen Ausführungen beschränkt auf die Notwendigkeit grundsätzlich Kinder zu wollen. Allenfalls in "liberalisierter Fassung", muss man nicht bei jedem GV (deswegen die Zulässigkeit von Verhütungsmitteln) die praktische Umsetzung wollen. Ganz zu schweigen davon, dass man sonst von "Hardliner-Seite" nicht nur die Homosexualität ächten müsste, sondern auch z.B. Petting (sogar in der Ehe) und man gar das diskutieren anfangen könnte, ob Ehefrauen nach altersbedingtem Verlust der Fruchtbarkeit mit ihren Männern noch schlafen dürfen (es ist bezeichnend, dass diese konsequente Spielart von der männerdominierten christlichen Vorstellungswelt nicht aufgeworfen wird).
Künstliche Befruchtung wird in konsequenter Weiterentwicklung dieser Grundlagen sogar etwas Widernatürliches, das man gar religiös meiden müsste.

All dies zeigt, wie schnell man im Christentum sexualneurotische Konstellationen entwickelt. Ja, selbst Onanie bzw. Masturbation werden auf einmal teuflische Dinge.
Manchmal bin ich geneigt, die hartherzige Konsequenz im dogmatischen Schlussfolgern an diese Richtung (nicht Dir) zurückzugeben: In der Bibel steht, man soll Gott über alles lieben! Wer beim Orgasmus Gott nicht lieber hat wie die Frau an sich, sollte auf GV verzichten, da es ihn von Gott wegtreibt! Und das wäre ja teuflisch!

Die Haltung in der christlichen Welt zur Homosexualität ist eine mögliche Äußerungsform eigentlich recht neurotischer Grundlagen.
Und den neurotischen Grundkonflikt dahinter bekommt man m.E. nur heraus, wenn man Sex als natürlich sieht auch ohne zwingend damit verbundenen Wunsch Kinder zu kriegen, sonst wäre es Sünde.

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sven23
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#405 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von sven23 » So 16. Feb 2014, 09:48

closs hat geschrieben:Das passt doch exakt auf das, was ich vorher geschrieben habe: Entweder Erfüllung in Wieder-Schöpfung "ad maiorem gloriam Dei", oder Zölibat.

Zölibat passt aber so gar nicht mit "wachset und mehret Euch" zusammen.


closs hat geschrieben: Vermutlich gar keine. - Wenn trotzdem vorhanden, dann hetero.

Wenn er keine sexuelle Orientierung hatte, dann war er nur ein unvollständiger Mensch. Hatte er sexuelle Kontakte, gleich ob hetero oder homo, dann ist es sicher der Sexualmoral von Paulus zu verdanken, daß darüber nichts berichtet wird, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

So denkt auch closs, wenn er ganz selbstverständlich auf hetero schließt, obwohl er darüber nicht das geringste wissen kann. Alles nur Spekulation, das aus einem Wunschdenken heraus geboren ist.
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#406 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von Naqual » So 16. Feb 2014, 10:24

sven23 hat geschrieben: Wenn er keine sexuelle Orientierung hatte, dann war er nur ein unvollständiger Mensch. Hatte er sexuelle Kontakte, gleich ob hetero oder homo, dann ist es sicher der Sexualmoral von Paulus zu verdanken, daß darüber nichts berichtet wird, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
So denkt auch closs, wenn er ganz selbstverständlich auf hetero schließt, obwohl er darüber nicht das geringste wissen kann. Alles nur Spekulation, das aus einem Wunschdenken heraus geboren ist.

Es gibt eine Stelle, bei der die Interpretation möglich ist, dass Paulus impotent oder zumindest erheblich lustreduziert ist:
1. Kor 7,7ff: Ich (Paulus) wollte zwar lieber, alle Menschen wären, wie ich bin, aber jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so. 8 Den Ledigen und Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. 9 Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren.

Aus meiner Sicht dreht Paulus die jüdische Sexualmoral seiner Zeit geradezu 180 Grad herum:
Vorher: Seid fruchtbar und mehret Euch (als Regelfall, Ausnahmen zulässig)
Nachher: Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. (1. Kor 7,1) (Abweichungen wegen nichtkontrollierbarer Triebhaftigkeit ganz pragmatisch zulässig).
Der Grund für die Aussage: Die Frau will dann ihrem Mann gefallen und ist von Gott abgelenkt. Ergänzend 1. Kor 7,35:
Das sage ich zu eurem eigenen Nutzen; nicht um euch einen Strick um den Hals zu werfen, sondern damit es recht zugehe und ihr stets und ungehindert dem Herrn dienen könnt.

Wie schwer das Christentum sich tut merkt man ja auch bei der Jungfrauenschaft Marias. Ursprünglich nur als Illustration genommen für die Besonderheit des Gottessohnes wurde es später zur "unbefleckten Empfängnis". Also der dreckige Fleck ist das sündige Treiben des Mannes an seiner Frau. Neurotischer kann man es nicht mehr konstruieren. Da wird die eigene von Gott gegebene Biologie ja völlig negiert.

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sven23
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#407 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von sven23 » So 16. Feb 2014, 10:31

Wie schon erwähnt, ist die Homosexualität im Tierreich so weit verbreitet, daß man sie als selbstverständlichen Teil der Evolution ansehen muß. Bei über 1500 Tierarten wurde sie beobachtet, aber auch Bisexualtität und Lesbianismus. Die Zeitschrift Nature berichtet über eine Feldstudie über männliche Giraffen, daß 94% der sexuellen Aktivitäten homosexuell waren. Trotzdem gefährdet das die Erhaltung der Art weniger als der menschliche Einfluß durch Vernichtung des Lebensraumes.

Der Mensch kann nun mal seine tierische Vergangenheit nicht leugnen und rein biologisch betrachtet ist er auch nur ein Tier.
Auffällig ist aber auch, daß die Bibel Homosexualität weitaus schärfer verurteilt als Lesbianismus. Das erklärt sich möglicherweise dadurch, daß Männerphantasien in einer homophoben patriarchalischen Gesellschaft eher beflügelt werden, wenn Frauen miteinander rummachen als Männer, obwohl es de facto genau so eine gleichgeschlechtliche Handlung ist.
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#408 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von sven23 » So 16. Feb 2014, 10:46

Naqual hat geschrieben: Also der dreckige Fleck ist das sündige Treiben des Mannes an seiner Frau. Neurotischer kann man es nicht mehr konstruieren. Da wird die eigene von Gott gegebene Biologie ja völlig negiert.

Ja, da stimme ich dir zu. Wenn man an einen Gott glaubt, sollte man auch ja zum Gesamtpaket sagen, und das schließt die Sexualtität mit ein.
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#409 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von closs » So 16. Feb 2014, 10:54

sven23 hat geschrieben: Alles nur Spekulation, das aus einem Wunschdenken heraus geboren ist.
Das ist kein Wunschdenken, sondern Schlussfolgerung aus Setzungen, die ich als genuin christlich verstehe.

sven23 hat geschrieben:Wenn er keine sexuelle Orientierung hatte, dann war er nur ein unvollständiger Mensch.
Stimmt - da korrigiere ich. - Er hat sicherlich um sexuelle Orientierung gewusst, aber diese seiner geistigen Sendung untergeordnet.

Naqual hat geschrieben:Zum Beispiel könnte ich jetzt entgegenhalten, dass auch der Homosexuelle eine Vereinigung vornimmt.
Aber keine geistige Vereinigung im Sinne des Christentums. - Natürlich können sich auch Gleichgeschlechtliche emotional über Sexualität vereinigen - aber das ist etwas anderes. - Allerdings (und jetzt mag es kompliziert werden): Nachdem sich Heterosexuelle in allgemeiner Auffassung ebenfalls nicht mehr als emotional vereinigen, hast Du wieder recht.

Das eigentliche Problem scheint zu sein, dass sich der durchschnittliche Heterosexuelle des 21. Jh. sexuell nicht anders vereint als der Homosexuelle - und damit wird Dein Argument plötzlich richtig.

Naqual hat geschrieben: Körperlich wie geistig.
Mit "geistig" meinst Du wahrscheinlich ausschließlich die Ich-Du-Ebene.

Naqual hat geschrieben:Der Geschlechtsakt wird in Deinen Ausführungen beschränkt auf die Notwendigkeit grundsätzlich Kinder zu wollen.
Das bezieht sich aber nicht auf den konkreten Geschlechtsakt selbst, sondern auf den Grund, warum man ein Paar ist - konkret: Wenn ein 35jähriges Paar seine Familien-Planung abgeschlossen hat, kann man noch 50 Jahre vergnügt das Bett teilen, ohne auf neue Kinder auszusein. - Es geht in erster Linie um die Voraussetzung der Verbindung.

Naqual hat geschrieben: sondern auch z.B. Petting (sogar in der Ehe)
Meines Erachtens aus christlicher Sicht kein Problem, wenn die Voraussetzung der Bindung stimmig ist.

Naqual hat geschrieben: ob Ehefrauen nach altersbedingtem Verlust der Fruchtbarkeit mit ihren Männern noch schlafen dürfen
Das ist nicht das Problem - sie dürfen - siehe oben.

Naqual hat geschrieben:Künstliche Befruchtung wird in konsequenter Weiterentwicklung dieser Grundlagen sogar etwas Widernatürliches
Das wäre die moderne Version der Hagar. :) - Ja - das ist problematisch.

Spätestens hier erschiene der Hinweis zum Unterschied zwischen fundamental-geistiger und pastoraler Bewertung angebracht.

Fundamental-geistig sollte bekannt sein, was aus welchen Gründen geistig gewollt ist. - WENN das bekannt ist, weiss man automatisch auch, was Abweichungen davon sind. - WENN man aber weiß, was Abweichungen sind, kann man mit ihnen lockerer umgehen - und so wird es oft auch in der Praxis gemacht: Das Paar, das aufgrund von Unfruchtbarkeit einen Weg über künstliche Befruchtung geht, wird von jedem vernünftigen Priester (falls er gefragt wird) ein "Go!" bekommen.

Allerdings gibt es andere Umstände, für die es kein "Go!" geben wird - Beispiele:
* Entbindung nach eigenem Terminplan: Das Kind bestimmt nicht selber, wann es kommt, sondern wird vom Termin-Kalender der Mutter zur Geburt genötigt (scheint heute eher die Regel als die Ausnahme zu sein).
* Leihmutterschaft zur Schonung des eigenen Bindegewebes
* etc.

Naqual hat geschrieben:All dies zeigt, wie schnell man im Christentum sexualneurotische Konstellationen entwickelt.
Das liegt aber eher an der (unzulässigen) Verschmelzung von fundamental-geistiger Erkenntnis mit pastoralem Verhalten - also der Verschmelzung vom "Geist, der willig" und dem "Fleisch, das schwach" ist. - Denn es ist christlich ja vorgesehen, dass das Fleisch ab und zu schwach ist - WENN man weiss, wozu es im Gegensatz ist. - Und da gibt es zwei unerbittliche Gegenspieler, von denen einer so schmimm wie der andere ist:

* Da "stalinistische" Deutung des Christentums: "Du darfst nur mit Deinem Partner in die Heia, wenn Du unmittelbar Nachwuchs planst - ansonsten hast Du Dich bei sexuellen Dingen abzuwenden" - das ist in der Tat hartherzig und dogmatisch, und führt zu kollektiven Neurosen (da gibt es diesbezüglich einige Staaten in den USA, in denen sogar gesetzlich (!) geregelt ist, was im Ehe(!)-Bett passieren darf und vor allem, was nicht).

* Dort eine umfassende Orientierungslosigkeit bezüglich des geistigen Urgrunds der Sexualität, dernach es Sex aus rein emotionalen oder Fun-Gründen zu geben scheint. - Da scheint keiner zu fragen, warum die die "Fun-Körperteile" auch für Vermehrung zuständig sind - diese Funktion scheint eher als Kollateralschaden verstanden zu werden.

Es gibt den Begriff "Pecca fortiter" (modern übersetzt: "Wenn schon, denn schon"):

Martin Luther in einen Brief an Philipp Melanchthon vom August 1521:
„Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi!“
„Sei ein Sünder und sündige kräftig, aber vertraue noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!“

Luther führt dann weiter aus:
„Wir müssen sündigen, so lange wir hier sind. Dieses Leben ist nicht eine Wohnung der Gerechtigkeit. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt.“

Das kann man natürlich als Freibrief für jegliche Untat verstehen - aber im Zusammenhang ist es so nicht gemeint. - Gemeint ist, dass der Mensch sich seines Sündigseins bewusst ist. - Aber das geht eben nur dann, wenn er begriffen hat, was Sünde ist. - Genau das ist heute abhanden gekommen.

Denn der HS (um den Bogen zum Thema zurückzufinden) sagt ja nach moderner Lesart NICHT: "Ich bin mit einer Veranlagung geboren, die mich in ein Spannungsverhältnis zu fundamental-geistigen Dingen bringt". - Vielmehr sagt er: "Es GIBT diesbezüglich keine fundamental-geistigen Dinge".

Das heißt: Der Mensch kann nicht mehr sündigen, weil er nicht weiß, was Sünde ist - er nimmt sich das "Pecca Fortiter".

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#410 Re: Homosexualität und Christsein

Beitrag von Naqual » So 16. Feb 2014, 10:57

Die patriarchalische Struktur der Sexualmoral in der Bibel sieht man auch an einem anderen Punkt, der heutzutage im Christentum vollständig ausgeblendet wird. Die Monogamie ist NICHT biblische Vorschrift. Ein Mann darf eine oder mehrere Frauen haben, aber nicht umgekehrt eine Frau mehrere Männer. Das führt dann z.B. dazu, dass Frauen, die geschieden sind nicht mehr heiraten dürfen, aber für Männer eine entsprechende Regelung im NT schlicht fehlt (gäbe auch keinen Sinn, denn Mann darf ja öfters bzw. mehrere Frauen heiraten). Interessant auch folgende Regelung: ein Diakon oder Bischof sollte Mann EINER EINZIGEN Frau sein (!). (1. Tim 3,2) Also nicht mehrerer Frauen. Und die anderen Nichtdiakone und Nichtbischöfe? :devil:
Im Christentum werden diese Abschnitte dann teils ausweichend so gelesen, als solle ein Diakon oder Bischof verheiratet sein. Ergibt aber beim Autor Paulus keinen Sinn, da er die Ehelosigkeit als ablenkungsfreiere Art um Gott zu dienen beschrieb.

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