sven23 hat geschrieben: Alles nur Spekulation, das aus einem Wunschdenken heraus geboren ist.
Das ist kein Wunschdenken, sondern Schlussfolgerung aus Setzungen, die ich als genuin christlich verstehe.
sven23 hat geschrieben:Wenn er keine sexuelle Orientierung hatte, dann war er nur ein unvollständiger Mensch.
Stimmt - da korrigiere ich. - Er hat sicherlich um sexuelle Orientierung gewusst, aber diese seiner geistigen Sendung untergeordnet.
Naqual hat geschrieben:Zum Beispiel könnte ich jetzt entgegenhalten, dass auch der Homosexuelle eine Vereinigung vornimmt.
Aber keine geistige Vereinigung im Sinne des Christentums. - Natürlich können sich auch Gleichgeschlechtliche emotional über Sexualität vereinigen - aber das ist etwas anderes. - Allerdings (und jetzt mag es kompliziert werden): Nachdem sich Heterosexuelle in allgemeiner Auffassung ebenfalls nicht mehr als emotional vereinigen, hast Du wieder recht.
Das eigentliche Problem scheint zu sein, dass sich der durchschnittliche Heterosexuelle des 21. Jh. sexuell nicht anders vereint als der Homosexuelle - und damit wird Dein Argument plötzlich richtig.
Naqual hat geschrieben: Körperlich wie geistig.
Mit "geistig" meinst Du wahrscheinlich ausschließlich die Ich-Du-Ebene.
Naqual hat geschrieben:Der Geschlechtsakt wird in Deinen Ausführungen beschränkt auf die Notwendigkeit grundsätzlich Kinder zu wollen.
Das bezieht sich aber nicht auf den konkreten Geschlechtsakt selbst, sondern auf den Grund, warum man ein Paar ist - konkret: Wenn ein 35jähriges Paar seine Familien-Planung abgeschlossen hat, kann man noch 50 Jahre vergnügt das Bett teilen, ohne auf neue Kinder auszusein. - Es geht in erster Linie um die Voraussetzung der Verbindung.
Naqual hat geschrieben: sondern auch z.B. Petting (sogar in der Ehe)
Meines Erachtens aus christlicher Sicht kein Problem, wenn die Voraussetzung der Bindung stimmig ist.
Naqual hat geschrieben: ob Ehefrauen nach altersbedingtem Verlust der Fruchtbarkeit mit ihren Männern noch schlafen dürfen
Das ist nicht das Problem - sie dürfen - siehe oben.
Naqual hat geschrieben:Künstliche Befruchtung wird in konsequenter Weiterentwicklung dieser Grundlagen sogar etwas Widernatürliches
Das wäre die moderne Version der Hagar.

- Ja - das ist problematisch.
Spätestens hier erschiene der Hinweis zum Unterschied zwischen fundamental-geistiger und pastoraler Bewertung angebracht.
Fundamental-geistig sollte bekannt sein, was aus welchen Gründen geistig gewollt ist. - WENN das bekannt ist, weiss man automatisch auch, was Abweichungen davon sind. - WENN man aber weiß, was Abweichungen sind, kann man mit ihnen lockerer umgehen - und so wird es oft auch in der Praxis gemacht: Das Paar, das aufgrund von Unfruchtbarkeit einen Weg über künstliche Befruchtung geht, wird von jedem vernünftigen Priester (falls er gefragt wird) ein "Go!" bekommen.
Allerdings gibt es andere Umstände, für die es kein "Go!" geben wird - Beispiele:
* Entbindung nach eigenem Terminplan: Das Kind bestimmt nicht selber, wann es kommt, sondern wird vom Termin-Kalender der Mutter zur Geburt genötigt (scheint heute eher die Regel als die Ausnahme zu sein).
* Leihmutterschaft zur Schonung des eigenen Bindegewebes
* etc.
Naqual hat geschrieben:All dies zeigt, wie schnell man im Christentum sexualneurotische Konstellationen entwickelt.
Das liegt aber eher an der (unzulässigen) Verschmelzung von fundamental-geistiger Erkenntnis mit pastoralem Verhalten - also der Verschmelzung vom "Geist, der willig" und dem "Fleisch, das schwach" ist. - Denn es ist christlich ja vorgesehen, dass das Fleisch ab und zu schwach ist - WENN man weiss, wozu es im Gegensatz ist. - Und da gibt es zwei unerbittliche Gegenspieler, von denen einer so schmimm wie der andere ist:
* Da "stalinistische" Deutung des Christentums: "Du darfst nur mit Deinem Partner in die Heia, wenn Du unmittelbar Nachwuchs planst - ansonsten hast Du Dich bei sexuellen Dingen abzuwenden" - das ist in der Tat hartherzig und dogmatisch, und führt zu kollektiven Neurosen (da gibt es diesbezüglich einige Staaten in den USA, in denen sogar gesetzlich (!) geregelt ist, was im Ehe(!)-Bett passieren darf und vor allem, was nicht).
* Dort eine umfassende Orientierungslosigkeit bezüglich des geistigen Urgrunds der Sexualität, dernach es Sex aus rein emotionalen oder Fun-Gründen zu geben scheint. - Da scheint keiner zu fragen, warum die die "Fun-Körperteile" auch für Vermehrung zuständig sind - diese Funktion scheint eher als Kollateralschaden verstanden zu werden.
Es gibt den Begriff "Pecca fortiter" (modern übersetzt: "Wenn schon, denn schon"):
Martin Luther in einen Brief an Philipp Melanchthon vom August 1521:
„Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi!“
„Sei ein Sünder und sündige kräftig, aber vertraue noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!“
Luther führt dann weiter aus:
„Wir müssen sündigen, so lange wir hier sind. Dieses Leben ist nicht eine Wohnung der Gerechtigkeit. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt.“
Das kann man natürlich als Freibrief für jegliche Untat verstehen - aber im Zusammenhang ist es so nicht gemeint. - Gemeint ist, dass der Mensch sich seines Sündigseins bewusst ist. - Aber das geht eben nur dann, wenn er begriffen hat, was Sünde ist. - Genau das ist heute abhanden gekommen.
Denn der HS (um den Bogen zum Thema zurückzufinden) sagt ja nach moderner Lesart NICHT: "Ich bin mit einer Veranlagung geboren, die mich in ein Spannungsverhältnis zu fundamental-geistigen Dingen bringt". - Vielmehr sagt er: "Es GIBT diesbezüglich keine fundamental-geistigen Dinge".
Das heißt: Der Mensch kann nicht mehr sündigen, weil er nicht weiß, was Sünde ist - er nimmt sich das "Pecca Fortiter".