Pluto hat geschrieben:Naqual hat geschrieben:Die Persönlichkeitsrechte sind im Rechtssystem so hoch bewertet, dass man sich manchmal schon fragen kann, ob dies noch vertretbar ist
Im heutigen System sind die Gefahren wohl überschaubar, aber D. ist wohl immer noch durch die Geschehnisse vor 80 Jahren beeindruckt.
Im Laufe der Jahrzehnte ist es aber diesbezüglich schon rationaler geworden. z.B. in der Euthanasiefrage. Die Würde des Sterbenden hat heute einen erheblich größeren Stellenwert in der Rechtsprechung als noch vor 20 Jahren. In dieser Frage muss man wohl sicher die Schweizer loben, auch wenn die entsprechenden Regeln nicht ganz gefahrlos sind. Aber rechtlich allgemeingültig zu regeln ohne Gefahren im Einzelfall ist schlicht nicht möglich und das Risiko muss man bis zu einem gewissen Grad immer eingehen.
Gefahr des Missbrauchs durch den Staat hin oder her.
Die Demokratie ist eben empfindlich, um nicht zu sagen wehrlos, gegenüber polemisch wirkenden charismatischen Extremisten.
Naja, wehrlos nicht. Je mehr bestimmte Werte traditionell in der Bevölkerung verankert sind, desto stabiler ist eine Demokratie auch. Das Dritte Reich war eigentlich ein Phänomen nicht vorhandener traditioneller demokratischer Werte. Ein Hitler wäre in Großbritannien z.B. nicht möglich gewesen, weil hier eine gewachsene Demokratie politisch vorlag.
Grundsätzlich gilt aber, dass eine formale Demokratie für sich noch nicht allzu viel besagt. Es bleibt immer ein Balanceakt, von etwas, das nicht so völlig stabil und konstant ist.
Andererseits sehe ich es schon wie du, man müsse Mittel und Wege der Früherkennung finden. Hier kann man nur auf die Neurwissenschaft hoffen, dass sei eindeutige Analyseverfahren entwickeln. Das gibt es ja schon in Teilbereichen, so wird z. Bsp. ein Lügendetektor Test in manchen Staaten (USA) als Indiz vor Gericht zugelassen.
Schmunzel. Lügendetektoren sind für Dich als Naturwissenschaftler und materialistisch Denkender sicher attraktiv.
Ich bin da skeptisch (jedenfalls beim jetzigen Stand der Wissenschaft).
Allerdings sind auch psychiatrische Gutachten nur bedingte Wahrheitsfindung.
Ich hatte mal einen neurologischen Gutachter angerufen, der für das Gericht eine Stellungnahme abgeben musste.
Im Gespräch erläuterte ich ihm, dass er NIX merken wird bei dem zu Begutachtenden. Dieser sei absolut vernünftig, gelassen und verständig. Er wird sich fragen, wie jemand überhaupt auf die Idee kommt, bei dem ein Gutachten zu beauftragen.
Dann gab ich ihm den Tipp, wenigstens eins von zwei ganz bestimmten Themen anzusprechen, aber dann in Deckung zu gehen, weil der Betroffene dann schlagartig die Fäuste ballt und zu ihm über den Tisch springt und sich im folgenden sehr irrational verhalten wird. Es war dann auch so.

Also ohne meinen Anruf wäre keine gerichtliche Maßnahme möglich gewesen trotz Gutachten.
Andererseits gibt es Dinge, da ist es sonnenklar und trotzdem kann man rechtlich nichts machen. Das ist oft bitter, wenn man das mitbekommt. Also da würde auch eine bessere Früherkennung nichts helfen. Z.B. bei stark Schizophrenen, die auf Medikamente angewiesen sind und diese nicht nehmen, weiß man genau es ist eine Frage von Wochen oder Monaten bis etwas passiert. Es gibt aber rechtlich keine Möglichkeit der ambulanten Zwangvorführung bei einem Arzt, damit er eine Spritze gesetzt bekommt, die einen Monat hält. Es gibt nur die Möglichkeit der Zwangsunterbringung, die gesetzlichen Bedingungen hierfür sind dann aber gleich so hoch, dass etwas schon passiert ist oder kurz vorher.
Bei schweren Alkoholikern ist es ähnlich. Die sterben schließlich in der Regel an Multiorganversagen auf der Intensiv.
Dieses ist aber schlecht im zeitlichen Nahbereich vorherzusagen (das wäre jedoch erforderlich für unterbringungsrechtliche Maßnahmen bei Selbstgefährdung). So geht es den Betroffenen Jahr für Jahr schlechter, sie sind auf einer Spur, die jeder Fachmann kennt, aber nichts passiert.