Neuzeitliche Exegese der Bibel

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Martinus
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#41 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Martinus » So 28. Dez 2014, 13:30

sven23 hat geschrieben: Welcher Jünger hat denn überhaupt was aufgeschrieben? Selbst die Petrusbriefe stammen vermutlich nicht von Petrus.
Gibt es neue Erkenntnisse bei deiner Erforschung alter Schriften? Wer hat es denn vermutlich geschrieben?
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Halman
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#42 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Halman » So 28. Dez 2014, 13:34

Pluto hat geschrieben:Im Grunde wollte Bultmann dasselbe wie du, nämlich die Botschaft der Bibel verstehen.
Zeit seines Lebens versuchte Bultmann den Mythos und die Legende aus der Bibel zu verbannen, um damit an den Kern ihrer Bedeutung zu gelangen.
Womit er ihr ihres wesendlichen Kerns beraubte.

Zitat von Klaus Berger:
Im Gegensatz zu Schweitzer und besonders zu von Harnack schien Bultmann eine Befreiung zu wahrhaft theologischer Rede zu garantieren. Doch das war eine Mogelpackung, denn bis heute entstand lediglich ein neues Theologen-​Kauderwelsch auf den Schultern Bultmanns.
Zitatquelle: http://www.blauenarzisse.de/index.php/a ... aus-berger

Die Exegese ist voller Hypthesen und sollte wirklich nicht einfach nur abgenickt, sondern vielmehr kritisch reflektiert werden.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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sven23
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#43 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 13:46

closs hat geschrieben: Insofern wiederhole ich gerne noch einmal meine Frage: Was WILL Bultmann (stellvertretend für andere) eigentlich? - Spiritualität durch Historizität ersetzen? (glaube ich nicht) - oder eine Dialektische Theologie = die strikte Trennung von Historizität und Spiritualität? (das glaube ich eher) - Oder will er das Christentum an sich pulverisieren? (möchte ich nicht unterstellen).


Nein, die historische Methode ist ein Werkzeug, um alte Texte, die ja angeblich auch in einem historischen Kontext stattfinden, auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Auf Glaubensinhalte können sie dabei keine Rücksicht nehmen oder sie gar inhaltlich überprüfen. Das hat Bultmann ganz klar betont.

„Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. … Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“ (Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)

Beispiel:
Wenn die Evangelisten von einer Volkszählung berichten, um die Vorraussetzung zu schaffen, daß Jesus gem. einer Prophezeiung in Bethlehem geboren werden kann, dann kann man mit der historisch kritischen Methode überprüfen, ob so eine Zählung zum angebenen Zeitpunkt an angebenen Ort stattgefunden hat. Im vorliegenden Fall muß das verneint werden.

http://www.bibelkritik.ch/bibel/g9.htm

Ob Jesus der Sohn Gottes ist, darüber kann die historisch kritische Methode keine Aussagen treffen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#44 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 13:51

sven23 hat geschrieben:"Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen."
Mt 5,17
Bei Schlachter:
"17 Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen.4 Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen!". - Dialektisch wäre "aufheben" dasselbe wie "erfüllen". - Unkompliziert wäre also gemeint: "Ich will Euch Euer AT nicht madig machen, sondern ich hebe es (dialektisch) im NT auf". -Luther übersetzt ähnlich. - Deine Übersetzung ermöglicht ein Missverständnis ins Gegenteil.

sven23 hat geschrieben:Jetzt hast du es begriffen.
Da sollte die andere Seite aber auch etwas selbstkritischer sein - denn: Es gibt genug Fälle in der Bibel, in denen Jesus etwas sagt, und seine Umgebung checkt nicht, was er meint. - Stichwort: Rezeptions-Kontaminierung. - Mit anderen Worten: Was die Jünger meinen, verstanden zu haben, ist nicht der Maßstab. Da muss man auch mal seinen eigenen geistigen Instinkt einschalten - eben dieser ist aber bei bottom-up Argumentation nicht vorgesehen. - Siehst Du das ganze Elend?

sven23 hat geschrieben:Vielleicht weil der die Größe hatte, sich von ideologischen Scheuklappen zu befreien und einen historisch kritischen Blick auf die Bibel warf.
Damit kann man Fehlentwicklungen der historischen Exegese bereinigen, aber nicht die Substanz selbst in Frage stellen. - Denn diese Substanz gibt es auch ohne Bibel.

sven23 hat geschrieben:Welcher Jünger hat denn überhaupt was aufgeschrieben?
Wurscht - wer halt geschrieben hat.

sven23 hat geschrieben:Der evangelische Theologe Gerd Lüdemann
Hier werden reihenweise evangelische Theologen zitiert, als wären sie atheistische Kuckuckseier innerhalb des Christentums - ist das so gemeint?

Aus meiner (top-down) Sicht sind die biblischen Schriften "gottgewollt" - was nicht heisst, dass jedes Wort gott-gemäß ist, sondern dass wir anhand der Bibel lernen, Falsches von Wahrem zu unterscheiden. - Wie bei anderer Gelegenheit erwähnt, ist das AT aus meiner Sicht ein Meer der Dunkelheit, in dem ab und zu Lichter aufleuchten, die in der Vogelschau tatsächlich eine Linie zum NT ergeben. - Auch im NT sind dunkle Stellen (sei es durch falsche Rezeption der Jünger/Textverfasser, durch falsche Übersetzungen, durch falsche Exegese, durch macht-orientierter Vereinnahmung der Kirche, etc.).

Wenn nun die historisch-kritischen Wissenschaften diese Stellen aufdecken, ist das super - ABER: Das geht nur, wenn man eine grundlegende geistige Autorisierung für das Ganze hat - konkret: Wenn man nicht den Charakter der Schriften erkennt sowie die Lichtspur nicht erkennt, ist man als Theologe (!) nicht bevollmächtigt die Bibel bottom-up zu beurteilen. - Bottom-up geht nur, wenn man vorher top-down begriffen hat.

Etwas andereres ist es, wenn die Untersuchenden Atheisten sind und die Bibel genauso neutral angehen wie man an ein Telefonbuch herangeht - aber dann darf man sich nicht "Theologe" nennen. - Also was jetzt? Ist Bultmann Theologe oder nicht? (Ich möchte nach wie vor annehmen dürfen, JA).

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Halman
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#45 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Halman » So 28. Dez 2014, 13:51

sven23 hat geschrieben:Beispiel:
Wenn die Evangelisten von einer Volkszählung berichten, um die Vorraussetzung zu schaffen, daß Jesus gem. einer Prophezeiung in Bethlehem geboren werden kann, dann kann man mit der historisch kritischen Methode überprüfen, ob so eine Zählung zum angebenen Zeitpunkt an angebenen Ort stattgefunden hat. Im vorliegenden Fall muß das verneint werden.
Nein, muss sie nicht. - Vielleicht werde ich später was dazu schreiben.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#46 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Halman » So 28. Dez 2014, 14:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der evangelische Theologe Gerd Lüdemann
Hier werden reihenweise evangelische Theologen zitiert, als wären sie atheistische Kuckuckseier innerhalb des Christentums - ist das so gemeint?
Prof. Gerd Lüdemann sieht sich selbst nicht mehr als Christ und ist ein recht bekannter Kirchen- und Religionskritiker in der Tradition Ludwig Feuerbachs.

Insbesondere die evangelische Kirche ist sehr bunt.
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#47 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 14:01

Pluto hat geschrieben:Zeit seines Lebens versuchte Bultmann den Mythos und die Legende aus der Bibel zu verbannen, um damit an den Kern ihrer Bedeutung zu gelangen.
Das ist wahrscheinlich den Gaul von hinten aufgezäumt. - Mehr Sinn macht, das Historische der Bibel als notwendiges Beiwerk zu verstehen und den Wahrheits-Kern im Mythischen zu finden (das ja durchaus auch in historischem Gewand offenbart sein kann).

"Im traditionellen religiösen Mythos wird durch den Mythos das Dasein der Menschen mit der Welt der Götter verknüpft" (wik).

sven23 hat geschrieben: "Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft".
Spontan würde ich sagen: Genau umgekehrt. - Die Bibel kann nicht ausgelegt werden ohne den geistigen Entwurf, aus dem die Bibel entstanden ist.

ES SEI DENN, man versteht "Exegese" als neutralen Begriff, der sich auch auf säkulare oder wissenschaftliche Texte bezieht ("Exegese des Grundgesetzes"/"Exegese einer Dissertation zum Thema Unterwassertunnel") - dann hat Bultmann recht. - Da haben wir jetzt aber ein Sprachproblem, denn "Exegese" wird im allgemeinen Sprachgebrauch auf theologische Texte beschränkt.

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#48 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 14:01

Halman hat geschrieben:Insbesondere die evangelische Kirche ist sehr bunt.
Sieht so aus - vielen Dank für den Hinweis. :Herz:

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#49 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 14:10

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nochmals: Es besteht Konsens in der neutestamentlichen wissenschaftlichen Forschung, dass sich Jesus diesbezüglich geirrt hat.
In 20 Jahren ist vielleicht das Gegenteil Konsens - mach' Dich doch mal unabhängig von solchen Geläuften und geh' grundsätzlich ran.

Der von Dir erwähnte Konsens ist nachvollziehbar, wenn man folgendermaßen vorgeht: ...

Ob für Dich der Konsens der wissenschaftlich arbeitenden Theologen
nachvollziehbar ist oder nicht, ist völlig ohne Belang. Es wird gewich-
tige Gründe dafür geben, weshalb dieses Einvernehmen besteht

Ich weise in meiner Argumentation nur darauf hin, dass dieser Konsens
besteht. Wenn Du der Ansicht bist, dass den Experten der Durchblick fehlt
und sie allesamt zu falschen Forschungsergebnissen gelangt sind, musst Du
Dich mit ihnen selbst auseinandersetzen.

Ich bezweifle allerdings in höchstem Maße, dass Du als theologisch-wissen-
schaftlicher Laie dafür über die notwendige Fachkompetenz verfügst.

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sven23
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#50 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 14:26

closs hat geschrieben: Bei Schlachter:
"17 Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen.4 Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen!". - Dialektisch wäre "aufheben" dasselbe wie "erfüllen". - Unkompliziert wäre also gemeint: "Ich will Euch Euer AT nicht madig machen, sondern ich hebe es (dialektisch) im NT auf". -Luther übersetzt ähnlich. - Deine Übersetzung ermöglicht ein Missverständnis ins Gegenteil.

Was du immer rausliest, ist unglaublich. Aufheben und auflösen sind Synonyme, die als Gegenpol zu erfüllen bezeichnet werden. Jesus bekennt sich also als Jude zum AT.
Wie er allerdings die Brücke schlagen will vom "Tötet eure Feinde" zur Feindesliebe, darüber schweigt er (bez. die Schreiber) sich aus. Insofern sehe ich die von dir postulierte "Aufhebung" im NT als mißglückte Interpretation.

closs hat geschrieben: Es gibt genug Fälle in der Bibel, in denen Jesus etwas sagt, und seine Umgebung checkt nicht, was er meint. -

Vielleicht hat er auch zuviel chiffriert. :lol:


closs hat geschrieben: Denn diese Substanz gibt es auch ohne Bibel.

Stimmt, die "Substanz" ist ein Plagiatekonglomerat aus den unterschiedlichsten Kulturen und Religionen und Epochen. Das oft behauptete neue am Christentum war gar nichts neues. Neu war lediglich, daß man die vorhandenen Mythen mit der Person des Wanderpredigers verknüpfte.

closs hat geschrieben: Wurscht - wer halt geschrieben hat.

Genau das ist das Mißverständnis. Es ist eben nicht wurscht, ob Augenzeugen etwas geschrieben haben oder Unbeteiligte, die sich Jahrzehnte später auf Hörensagen und Legenden berufen.
Welche Motivation hatten die Schreiber usw. Das kann man nicht alles außer Acht lassen.

closs hat geschrieben: Hier werden reihenweise evangelische Theologen zitiert, als wären sie atheistische Kuckuckseier innerhalb des Christentums - ist das so gemeint?

Nein, die Konfession ist doch wurscht.

closs hat geschrieben: - Also was jetzt? Ist Bultmann Theologe oder nicht? (Ich möchte nach wie vor annehmen dürfen, JA).

Ich denke schon, daß er sich als Theologe verstanden hat. Was ja nicht heißt, daß man seinen kritischen Verstand zu Hause lassen muß.
Zuletzt geändert von sven23 am So 28. Dez 2014, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
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