Hallo Cratz3r
Cratz3r hat geschrieben:
Achtung, jetzt kommt eine ganz böse Aussage: ich bin gerne Soldat. Für mich ist das kein Beruf, es ist ein Lebensstil. Die Bundeswehr ist für mich fast einer Art Parallelgesellschaft, die neben unserer normalen existiert. Dort zählen ganz andere Werte, die gefordert und gefördert werden. Disziplin, Leistungsbereitschaft, Verantwortungsbewusststein. Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, körperliche Leistungsfähigkeit. Zusammenhalt, Zurückhaltung, Zielorientierung. Vorbildhaftigkeit, Gerechtigkeit, Vertrauenswürdigkeit. Und noch vieles mehr. Das ist ein krasser Gegenpol zu unserer verweichlichten, konsumorientierten Ellenbogen-Gesellschaft, in der jeder an sich selbst denkt, immer fetter wird und möglichst viel Geld anhäufen will.
in einem andern Leben wärst du eventuell Mönch geworden. Ich kann verstehen, dass das Aufgehoben-Sein in einer stark strukturierten Gemeinschaft seine Reize hat.
Das Problem der Zivilgesellschaft ist ja nicht so sehr Verweichlichung und Verfettung - es ist die Orientierungslosigkeit, die Unsicherheit, der Mangel an gemeinsam akzeptierten und durchgesetzten Werten, die Einsamkeit, der Zerfall der traditionellen Gesellschaftsstrukturen
Verdienstmöglichkeiten in Form von Geld sind im Militär sicher nicht ganz so hoch wie in den privilegierten (!) Ecken der Privatwirtschaft - andererseits, in der Privatwirtschaft wird man kaum noch Stellen finden, die dir plausibel zusichern, während mehr als zehn Jahren zur Verfügung zu stehen. Da ist man auch in hoher verantwortlicher Position schnell raus, im Falle eines Falles.
Aber man muss nicht jeden Tag auf Pappkameraden schießen.
Wird bei euch als Teil der Ausbildung darüber gesprochen, was das Töten von Menschen mit einem Menschen tut?
Des weiteren bin ich stolz, meinem Vaterland dienen zu können. Ich weiß, dass sich das nun nach Gutmenschentum anhört und einige gleich wieder die Naivität-Keule rausholen werden. Aber glaubt ihr mir, dass es wirklich noch Menschen gibt, die so etwas aus tiefster Überzeugung sagen?
Sicher.
Die Frage ist, im Falle eines Falles, wie viel davon übrig bleiben wird - übrig bleiben kann.
Wenn ich zB sehe, wie die USA ihre Veteranen wie heisse Kartoffeln fallen lässt... nicht schön.
Während des kalten Krieges musste der Wehrdienstleistende wirklich damit rechnen, im Ernstfall ausrücken zu müssen. Heute ist das - Gott sei dank - aber nicht mehr so.
Wenn ich mir den Zustand der Welt ansehe: bete drum, dass es so bleibt. Kriegsgeschrei scheint im Moment ja grad wieder sehr in zu sein, nicht zuletzt in den Medien, die im Fall Ukraine/Putin nach Konsequenz, harten Händen und allem möglichen andern Unsinn schreien, die Idioten.
Nur eine Anmerkung am Rande: bei der Bundeswehr wird niemand als Feigling erschossen. Wir sind nicht mehr im 19. Jahrhundert.
Sobald wieder ernsthaft Krieg ist, werden auch wieder ernsthaft Deserteure erschossen werden. Wie in allen Kriegen. Das hat nichts mit dem Jahrhundert zu tun, sondern mit der globalen politischen Situation eines Landes. Ich nehm an, du hast den Clauswitz gelesen und weisst, dass du ein Soldat ein Werkzeug der Politik bist?
Wir haben schon längst die Mittel, um Ziele auf Entfernungen von bis zu mehreren hundert Kilometern wirkungsvoll zu bekämpfen - mit einem Knopfdruck und ohne eigene Kräfte zu gefährden. ...... Kollateralschäden ....
Wenn's nach mir ginge, sollte dieser militärische objektivierende Euphemisten-Sprech abgeschafft werden. "Ziele" sind Menschen, und ihre Häuser, und ihre Arbeitsorte. Aber es trifft natürlich auch andere Lebewesen - Tiere, Pflanzen - Landschaften, die womöglich Hunderte von Jahren benötigten, um ihre Einzigartigkeit zu gestalten. Es sind Mütter, Söhne, Freunde, Cousinen, Chefs, Fussballtrainer, Pianistinnen die umgebracht werden im Krieg. Subjekte.
Der Einsatz von Drohnen dient dem Schutz von Menschenleben. So ironisch das jetzt für viele auch klingen mag.
nein, Drohnen werden dazu benutzt, um Menschen zu töten. Und wie du sicher weisst, oft auch Zivilisten, Unbeteiligte, Leute, die überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun haben. alles andere ist eine Rationalisierung.
Gehört es nicht zum militärischen Ehrenkodex, dass ein Soldat, der einen andern umbringt, sich wenigstens so sehr selbst in Gefahr bringt, dass auch er im Falle eines Falles umgebracht werden könnte? Dass es eine gewisse Gleichheit der Chancen gibt?
Ich gehe schwer davon aus, dass die Drohnenpiloten für die Militärpsychologen noch die eine oder andere üble Überraschung bereit halten werden. Wenn sie nicht heute schon nur voll medikamentiert (weil, man könnte ja sonst Empathie fühlen) ihre Arbeit ausführen.
Die Verwendung dieses Begriffs ist reine Polemik, im besten Falle eine aus Unwissenheit erwachsene grobe sprachliche Ungenauigkeit.
Mord ist im juristischen Sinne wie folgt definiert:
Wie man an der Ukraine sieht, oder an Syrien, oder an irgend einem andern der zahlreichen stattfindenden Kriege, dauert es nicht lang in den Krieg hinein, bis Morden ein Problem wird. Gerade bei Vietnam ist das gut dokumentiert.
Es mag ja in der Tat Menschen geben, die den Spagat schaffen; die als Soldaten töten können, und das im vollen Bewusstsein dessen, was sie tun, und ihren Frieden damit finden.
Meist ist die Wahl militärischer Führung allerdings: man muss, wie du sagst, eine Parallelgesellschaft schaffen und Reflexe konditionieren, udn womöglihc auch noch durch gewisse Formen von Konsum so nachhelfen, sodass der Soldat nicht denkt und auch nicht fühlt, was er da tut; oder man kriegt entfesselte Killer. Siehe zB Odessa 2014.
gruss, barbara