Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Rund um Bibel und Glaube
ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#31 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von ThomasM » Do 10. Sep 2015, 14:00

Andreas hat geschrieben: Nutzt Gott den Zufall um in das Weltgeschehen "unsichtbar" einzugreifen?
Ich würde das so formulieren:
Die "Zufälligkeit" des Weltgeschehens, d.h. unsere Unfähigkeit, alle Ursachen für die Geschehnisse in Natur und Welt festzustellen, verbirgt das Handeln Gottes.
Das heißt, wir sind nicht fähig genau zu zeigen, da hat Gott gehandelt oder da hat Gott nicht gehandelt.
Das heißt, wir haben nach wie vor die Freiheit des Glaubens oder Nicht-Glaubens.

Andreas hat geschrieben: Spart Gott sich ein Eingreifen, weil er die Schöpfung so genial "anschubste", dass die ganze Schose ab da, seinem heilsgeschichtlichen Plan gemäß fortschreitet und ihm der Zufall keinen Strich durch die Rechnung machen kann?
Diese Frage sehe ich als sinnlos, da die Schöpfung nix von alleine macht, gar nix. Gott "schiebt" sozusagen die ganze Zeit. Ob er das willkürlich tut oder nicht, kann aus dem Geschehen heraus nicht abgelesen werden.
Es ist unser Gottesbild, das sagt, ob Gott willkürlich handelt oder nicht. Aber mit so einem Bild kann man ja auch schiefliegen.

Andreas hat geschrieben: Hat Gott die Verantwortung für die Erde in unsere Hände gelegt und wir müssen mit den Zufälligkeiten der Welt irgendwie klarkommen?
Wir müssen auf jeden Fall mit den zufälligkeiten zurechtkommen. Wir müssen akzeptieren, dass wir die Geschehnisse im Universum niemals vollständig werden beschreiben können.
Aber es gibt ja das mächtige Werkzeug der Statsitik, mit dem lassen sich zufällige Ereignisse modellieren.

Andreas hat geschrieben: Ist der Zufall der Lückenbüßergott der Naturwissenschaft?
Nein.
Aber der der Atheisten
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#32 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 14:17

Andreas hat geschrieben: in meinen ersten drei Fragen war von Fügung keine Rede
Zu Ende gedacht meiner Ansicht nach schon.

Andreas hat geschrieben:Außerdem ist es eine Frechheit, mich noch so lange warten zu lassen.
Da wiederum sind wir uns einig. :lol:

Naqual hat geschrieben:Damit ist Gott eigentlich aus unserer Sicht in der bedauernswerten Lage, sich genau genommen gar nicht entscheiden zu können.
Bis auf das "können" stimme ich Dir zu. - Dem "können" deshalb nicht, weil es aus Sicht Gottes gar nicht nötig ist, entscheiden zu können. - Ent-scheiden kann man nur, wenn man an einem Scheide-Weg steht - so etwas gibt es bei Gott nicht.

Naqual hat geschrieben:Wobei diese Zufälle auch wieder einkalkuliert sein müssen, wenn Gott Menschen (in Raum und Zeit begrenzten Wesen) die Möglichkeit gibt, sich frei zu entscheiden.
Nicht nur kalkuliert, sondernsogar bekannt.

Savonlinna hat geschrieben:So legt sich das, nach meinem Verstehen, der "abendländisch denkende Mensch" zurecht.
Du machst mir das Abendland immer attraktiver. ;)

Savonlinna hat geschrieben:Für ihn gibt es, wie es scheint, unüberwindbar die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Für den Menschen schon - für das Überzeitliche nicht. - Welche Chiffren würdest Du nutzen, um Zeit zu beschreiben?

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#33 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Pluto » Do 10. Sep 2015, 14:26

ThomasM hat geschrieben:Gott "schiebt" sozusagen die ganze Zeit. Ob er das willkürlich tut oder nicht, kann aus dem Geschehen heraus nicht abgelesen werden.
Ich sage mal bewusst trotzig: Ich WILL keinen willkürlichen Gott.

ThomasM hat geschrieben:Es ist unser Gottesbild, das sagt, ob Gott willkürlich handelt oder nicht. Aber mit so einem Bild kann man ja auch schiefliegen.
Das ist das Problem welches schon Spinoza auffiel als er schreib deus sive natura.

Merke: Die Natur darf willkürlich sein; Gott aber (IMO) nicht!

ThomasM hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Ist der Zufall der Lückenbüßergott der Naturwissenschaft?
Nein.
Aber der der Atheisten
Das Problem hier ist, dass der Mensch immer Gott für die Dinge verantwortlich gemacht hat, die er nicht verstand. So auch Newton der die Planetenbahnen so genau berechnete, dass er herausfand, dass sie instabil sind. Netwon glaubte, dass Gott sie hin und wieder auf die richtigen Bahnen "schubste".
Heute wissen wir, dass das nicht stimmt, und sich das Planetensystem eines Tages selbst zerstören wird (es ist nur eine Frage der Zeit).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#34 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 14:38

Pluto hat geschrieben:Merke: Die Natur darf willkürlich sein; Gott aber (IMO) nicht!
Absolute Zustimmung - das ist im Grunde auf den Punkt gebracht das, was Schönborn meint.

Pluto hat geschrieben:Das Problem hier ist, dass der Mensch immer Gott für die Dinge verantwortlich gemacht hat, die er nicht verstand.
So ist es - deshalb: Man muss die Kategorie "Natur" und die Kategorie "Gott" streng trennen.

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#35 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 15:03

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:So legt sich das, nach meinem Verstehen, der "abendländisch denkende Mensch" zurecht.
Du machst mir das Abendland immer attraktiver. ;)
Das wäre auch kein Wunder. Denn in der Denkart der eigenen Kultur fühlen sich viele am wohlsten.
Jedenfalls können wir uns dann auch leichter verständigen, wenn Du vielleicht mal versucht sein wirst, das abendländische Denken mit dem absoluten Denken zu verwechseln. :)

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Für ihn gibt es, wie es scheint, unüberwindbar die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Für den Menschen schon - für das Überzeitliche nicht.
Du unterscheidest zwischen dem, was es für den Menschen gibt und dem, was es für das Überzeutliche gibt.
Dann erklär mir also bitte als Nicht-Mensch, was es für das Überzeitliche gibt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#36 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 15:34

Savonlinna hat geschrieben:Du unterscheidest zwischen dem, was es für den Menschen gibt und dem, was es für das Überzeutliche gibt. Dann erklär mir also bitte als Nicht-Mensch, was es für das Überzeitliche gibt.
Persönlich könnte ich das nur dialektisch (im Sinne Hegels) erklären. - Das Über-Zeitliche ist das, aus dem Zeit kommt und in das es aufhebbar ist.

Zur Erklärung fällt mir eigentlich nur das alte Beispiel mit "Kugel" und "Kugel-Schatten" ein. - Der Kugel-Schatten ist die authentische Abbildung der Kugel in niederer Dimension - die Zeit ist authentische Abbildung der Über-Zeitlichkeit in niederer Dimension. - Der Kugel-Schatten(also die 2D-Fläche) ist aufhebbar in die Kugel (man muss nur eine Melone aufschneiden, dann sieht man die 2D-Fläche) - die Zeit ist aufhebbar in der Über-Zeitlichkeit. - Und: Die 2-D-Abbildung der Kugel (Schatten)/die Zeit "ist" nicht die Kugel/die Über-Zeitlichkeit selbst, da unterschiedlichen Dimensionen zugehörig.

Eigentlich müsste dieser Gedanke auch nicht-abendländisch nachvollziehbar sein. . - Was eine Kugel ist, wissen wir, weil ihr 3-D-Charakter innerhalb unserer Wahrnehmung erkennbar ist. - Was Über-Zeitlichkeit ist, wissen wir nicht, weil sie NICHT innerhalb unserer Wahrnehmung erkennbar ist - trotzdem lässt sie sich funktional erschließen.

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#37 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Ruth » Do 10. Sep 2015, 15:54

NIS hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Ich betone nochmals: Alle, aber wirklich auch alle Vorgänge in diesem Universum, beruhen ohne Ausnahme auf Zufall.

Zufall ist die Willkür Gottes! :thumbup:

Ich denke, Beides ist vorhanden: Der Zufall (in der Schöpfung) und die Willkür (von Gott)

Dass die Schöpfung gewissen Naturgesetzen unterworfen ist, weiß man ja. Die Naturgesetze funktionieren zufällig.

Dass es (außergewöhnliche) Dinge gibt, welche keinen nachweisbaren Ursprung haben, davon hat man zumindest schon vielfach gehört oder gelesen - wenn nicht selbst erlebt. Ich meine solches, wenn ein kleines Kind aus dem Fenster fällt und unversehrt ist, oder ein Auto die Böschung runterfällt, total zerquetscht aussieht - aber der Fahrer nur leicht verletzt aussteigt ... u.a.

Mir fällt dazu die Geschichte aus der Bibel ein, wo Jesus den Sturm stillt.
Die Jünger auf dem Boot haben das ganz normale Naturgesetz verstanden und daraus geschlossen, dass sie untergehen werden. Sie haben sich aufgeregt über Jesus (für den die Situation scheinbar keine Gefahr bedeutete) dass er weiter schlief auf dem scheinbar untergehendem Boot.

Jesus hat, im Namen Gottes, dem Sturm ein Ende gesetzt. Das war ein willkürliches Eingreifen Gottes in den Zufall des natürlichen Fortgangs.

Ich denke, dass Gott der ganzen Schöpfung eine gewisse Zufälligkeit eingefügt hat. Nach dem Gesetz der Ursache und Wirkung. Dass er aber, wenn er will (und manchmal, wenn Menschen ihn um Hilfe anrufen) in die Zufälligkeit eingreift und diese für einen Moment unterbricht - um sie danach ungehindert weiter laufen zu lassen.

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#38 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 16:20

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du unterscheidest zwischen dem, was es für den Menschen gibt und dem, was es für das Überzeutliche gibt. Dann erklär mir also bitte als Nicht-Mensch, was es für das Überzeitliche gibt.
Persönlich könnte ich das nur dialektisch (im Sinne Hegels) erklären. - Das Über-Zeitliche ist das, aus dem Zeit kommt und in das es aufhebbar ist.
"Überzeitlich" möchte ich das nicht nennen.

Aber nimm doch einfach die Musik. Sie läuft in der Zeit ab, aber alle einzelnen Teile des Gehörten sind in einem anderen Zusammenhang als dem "Vorher" und "Nachher".

Das wäre aber kein abendländischer Gedanke - hinzufügen muss ich:
das abendländische Denken hatte IMMER auch eine nicht-abendländische Unterströmung; dazu gehörte zum Beispiel die Mystik des Mittelalters und die Epoche der Romantik.

Nach Kant ist die zeitliche Wahrnehmung der Dinge unserer Vernunft geschuldet, die zwanghaft alles als Zeit (und Raum) sieht: das verstehe ich als abendländisches Denken.
Ich habe Kant lange geglaubt; denn es war für mich schon eine Erleichterung, zu begreifen, dass die Zeit nicht in der Natur liegt, sondern im menschlichen Interpretationssystem.

Dann aber realisierte ich, dass ICH ALS MENSCH ebenfalls ständig Nichtzeitliches sah.
Ich glaube fast, die Musik war da der Augenöffner.
Dann sah ich es auch in anderen Zusammenhängen.

Für mich also sind beides menschliche Wahrnehmungsapparate. Nur dass das zeitliche in unserer Kultur so ausgeprägt ist, dass wir die andere nicht mehr deutlich sehen.


closs hat geschrieben:Was Über-Zeitlichkeit ist, wissen wir nicht, weil sie NICHT innerhalb unserer Wahrnehmung erkennbar ist - trotzdem lässt sie sich funktional erschließen.
Wenn wir nicht wüssten, was Überzeitlichkeit ist, kämen wir ja gar nicht auf die Idee, davon zu reden.
In unserer Wahrnehmung kommt sie vor.

Funktional erschließen könnte man höchstens, dass wir selber die Uhren und Lineale hergestellt haben, mit denen wir Raum und Zeit messen.
In der Natur gibt es keine Zentimeter und keine Stunde.
Und dass wir eine Stunde höchst unterschiedlich erleben, weiß fast jeder:
Eine Stunde unter starken Schmerzen ist sehr viel länger als eine Stunde zusammen mit einem geliebten Menschen.

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#39 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von ThomasM » Do 10. Sep 2015, 16:47

Savonlinna hat geschrieben: Wenn wir nicht wüssten, was Überzeitlichkeit ist, kämen wir ja gar nicht auf die Idee, davon zu reden.
In unserer Wahrnehmung kommt sie vor.

Funktional erschließen könnte man höchstens, dass wir selber die Uhren und Lineale hergestellt haben, mit denen wir Raum und Zeit messen.
In der Natur gibt es keine Zentimeter und keine Stunde.
Und dass wir eine Stunde höchst unterschiedlich erleben, weiß fast jeder:
Eine Stunde unter starken Schmerzen ist sehr viel länger als eine Stunde zusammen mit einem geliebten Menschen.
Das ist eigentlich off topic, aber
Überzeitlichkeit ist eine aus dem relativen Zeitempfinden abgeleitetes Abstraktum.
Relatives Zeitempfinden kann man wahrnehmen.
Überzeitlichkeit nicht.

Es gibt auch ganz gute Gründe, warum Überzeitlichkeit logisch in sich widersprüchlich ist. Daher ist es schon die Frage, ob man diese Abstraktion machen darf.

Physikalisch ist die Zeit eine inhärente Eigenschaft unseres Universums. Die natürlichen Abläufe definieren diese.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#40 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 16:55

ThomasM hat geschrieben: Überzeitlichkeit ist eine aus dem relativen Zeitempfinden abgeleitetes Abstraktum.
Ich sagte darum auch zu Beginn, dass ich das nicht "'überzeitlich" nennen würde.

ThomasM hat geschrieben:Relatives Zeitempfinden kann man wahrnehmen.
Überzeitlichkeit nicht.
Aber Nicht-Zeitliches kann man wahrnehmen.

ThomasM hat geschrieben:Physikalisch ist die Zeit eine inhärente Eigenschaft unseres Universums.
Wie die Physik das inner-physikalisch definiert, weiß ich nicht.
Ich selber sehe nichts Zeitliches in der Natur, wohl aber Wandel und Veränderung.

Antworten