Neuzeitliche Exegese der Bibel

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closs
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#31 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 09:23

Münek hat geschrieben:Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden?
Im profanen Sinne (also so, wie es Otto-Normal-Verbraucher spontan versteht), hat Bultmann recht. - Wenn er es theologisch/philosophisch nicht versteht, hat er ein Problem. - Ich mag mir nicht vorstellen, dass der das selbst nicht verstanden hätte. - Wenn er es im didaktischen Sinne gemeint hat (wie sag ich's meinem Kinde), ist es nachvollziehbar.

Salome23
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#32 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Salome23 » So 28. Dez 2014, 09:23

Edit: erledigt ;)

closs
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#33 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 10:05

sven23 hat geschrieben:Die Kontaminierung fängt ja schon beim angeblichen Geburtsort an.
Kann sein - das wäre ein Hinweis darauf, dass man sich nicht frei machen konnte vom AT. - Wahrscheinlich hat man das bezogen auf Jesu Ansage, er sei die Erfüllung des AT. - Unter "Erfüllung" könnte man aber auch verstehen, dass das Alte in ein Neues aufgehoben wird - so hat man das nicht verstanden (Ich denke, dass es jedoch Jesus so verstanden hat).

sven23 hat geschrieben:Jesus selbst erlag diesem Naherwartungirrtum.
Wäre ich bei meinem Lesen nie draufgekommen, weil ich die Aussagen Jesu immer geistig verstanden habe UND weil es genug Aussagen gibt, die sich auf längere Zeiträume beziehen - persönlich schließe ich das auch. - Wäääääre es so, würde das ganze NT zusammenkrachen - denn seit wann wüsste Gott nicht, was er meint?

sven23 hat geschrieben:"In seinem Glauben an das nahe Reich Gottes erweist sich Jesus eben nicht als göttliches Wesen, sondern viel mehr als Kind seiner Zeit".
Das wäre die richtige Schlussfolgerung aus einer falschen Interpretation.

sven23 hat geschrieben:„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
Ich weiss wirklich nicht, wer da Bultmann geritten hat. - Wie kann er einerseits ein Anhänger der Dialektischen Theologie sein und andererseits solche Sachen von sich geben?

Ich sehe eher das Motiv, dass die Jünger ihre Wahrnehmungs-Defizite schriftlich festgehalten haben. - Man kann das durchaus thread-konform verstehen:

Jesus ist die Ursache und der Beweger von allem - in dem Moment aber, in dem er den Mund zumacht, ist sein Gesagtes in der Deutungs-Hoheit des Menschen. - Soweit zu denken, sollte man Bultmann zumuten dürfen.

sven23 hat geschrieben:Das Grundkonstrukt ist derart unlogisch
Es ist sogar sehr logisch - aber offensichtlich vom modernen Denken nicht erfassbar - aber das wäre jetzt wirklich ein anderes Thema.

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Münek
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#34 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 10:07

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden?
Im profanen Sinne (also so, wie es Otto-Normal-Verbraucher spontan versteht), hat Bultmann recht. - Wenn er es theologisch/philosophisch nicht versteht, hat er ein Problem. - Ich mag mir nicht vorstellen, dass der das selbst nicht verstanden hätte. - Wenn er es im didaktischen Sinne gemeint hat (wie sag ich's meinem Kinde), ist es nachvollziehbar.

Bultmann hat klar und eindeutig und äußerst kritisch zur "Opfertheologie"
Stellung bezogen. Der große Theologe wusste genau, was er schrieb. Er hat
Recht. Ich kann jeden seiner Sätze unterstreichen.

Wenn Du das nicht kannst, ist das Dein Problem, aber eigentlich ohne Belang.

closs
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#35 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 10:12

Münek hat geschrieben:. Der große Theologe wusste genau, was er schrieb.
Das glaube ich aufs Wort - die Frage ist, ob es schlüssig ist. - So, wie er hier zitiert wird, eher nicht - aber ich kenne ihn selber zu wenig, um mir ein von Zitaten unabhängiges Bild zu machen.

Nun war Bultmann ja offensichtlich auch Christ - ist Dir (oder einem anderen Foristen) bekannt, was Bultmann unter Christentum versteht? (Vielleicht löst sich damit manches auf)

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#36 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 10:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
Ich weiss wirklich nicht, wer da Bultmann geritten hat. - Wie kann er einerseits ein Anhänger der Dialektischen Theologie sein und andererseits solche Sachen von sich geben?

Du scheinst es wirklich nicht zu kapieren. :o

Nochmals: Es besteht Konsens in der neutestamentlichen wissenschaftlichen
Forschung, dass sich Jesus diesbezüglich geirrt hat. Nimm doch einfach mal
diese Tatsache zur Kenntnis. Jesu Irrtum ist ja nicht nur Bultmanns Auffassung.

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Münek
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#37 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 10:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:. Der große Theologe wusste genau, was er schrieb.
Das glaube ich aufs Wort - die Frage ist, ob es schlüssig ist. - So, wie er hier zitiert wird, eher nicht - aber ich kenne ihn selber zu wenig, um mir ein von Zitaten unabhängiges Bild zu machen.

Also mir stellt sich die Frage nach der Schlüssigkeit der Bultmann´schen Bewertung
nicht. Im Gegenteil. Jeder Satz stimmt.

Wenn Du damit ein Problem hast, wird dieses wohl in Deiner höchstpersönlichen Glau-
bensvorstellung wurzeln ("Dein Baby"). ;)

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sven23
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#38 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 12:18

closs hat geschrieben:Kann sein - das wäre ein Hinweis darauf, dass man sich nicht frei machen konnte vom AT. - Wahrscheinlich hat man das bezogen auf Jesu Ansage, er sei die Erfüllung des AT. - Unter "Erfüllung" könnte man aber auch verstehen, dass das Alte in ein Neues aufgehoben wird - so hat man das nicht verstanden (Ich denke, dass es jedoch Jesus so verstanden hat).

Dagegen spricht aber folgende Bibelstelle:
"Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen."
Mt 5,17


closs hat geschrieben: Wäääääre es so, würde das ganze NT zusammenkrachen - denn seit wann wüsste Gott nicht, was er meint?

Jetzt hast du es begriffen. :thumbup:
Aber genau das ist der Grund, warum die meisten das - bewußt oder unbewußt - leugnen.

closs hat geschrieben: Ich weiss wirklich nicht, wer da Bultmann geritten hat. - Wie kann er einerseits ein Anhänger der Dialektischen Theologie sein und andererseits solche Sachen von sich geben?


Vielleicht weil der die Größe hatte, sich von ideologischen Scheuklappen zu befreien und einen historisch kritischen Blick auf die Bibel warf.

closs hat geschrieben: Ich sehe eher das Motiv, dass die Jünger ihre Wahrnehmungs-Defizite schriftlich festgehalten haben. - Man kann das durchaus thread-konform verstehen:

Welcher Jünger hat denn überhaupt was aufgeschrieben? Selbst die Petrusbriefe stammen vermutlich nicht von Petrus.

closs hat geschrieben: Es ist sogar sehr logisch - aber offensichtlich vom modernen Denken nicht erfassbar - aber das wäre jetzt wirklich ein anderes Thema.

Das hat nicht mal was mit modernem Denken zu tun. Schon Augustinus kamen begründete Zweifel.

"Wahrlich, wäre es nicht wegen der Autorität der katholischen Kirche, so würde ich dem Evangelium keinen Glauben schenken!"
Augustinus (354 – 430)

Auch Goethe waren die Evangelien suspekt.

"Du hältst das Evangelium, wie es steht, für die göttliche Wahrheit. Mich würde eine vernehmliche Stimme vom Himmel nicht überzeugen, dass das Wasser brennt und dass das Feuer löscht, dass ein Weib ohne Mann gebiert und dass ein Toter aufersteht. Vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur".
(Goethe, an Lavater, 9.8.1782)

Der evangelische Theologe Gerd Lüdemann, der sich seit 40 Jahren mit dem Neuen Testament befaßt, schreibt:
"Der allergrößte Teil des Neuen Testaments ist gefälscht."

In seinem "Brief an Jesus" schreibt er:

„Auf Projektionen, Wünschen und Visionen kann keine echte Religion aufgebaut werden, auch dann nicht, wenn sie so gewaltig auftritt wie die christliche Kirche, die Dich sogar zum Weltenherrn und kommenden Richter erhoben hat. Du aber bist nicht der Weltenherr, als den Dich Deine Anhänger infolge Deiner Auferstehung erklärt haben, und Du wolltest es auch nicht sein. Du hast das zukünftige Reich Gottes verkündigt, gekommen aber ist die Kirche. Du hast Dich getäuscht, und Deine Botschaft ist von Deinen Anhängern zu ihren eigenen Gunsten gegen die historische Wahrheit verfälscht worden. Deine Lehre war ein Irrtum, denn das messianische Reich ist ausgeblieben.“
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#39 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 13:22

Münek hat geschrieben:Nochmals: Es besteht Konsens in der neutestamentlichen wissenschaftlichen Forschung, dass sich Jesus diesbezüglich geirrt hat.
In 20 Jahren ist vielleicht das Gegenteil Konsens - mach' Dich doch mal unabhängig von solchen Geläuften und geh' grundsätzlich ran.

Der von Dir erwähnte Konsens ist nachvollziehbar, wenn man folgendermaßen vorgeht:

ERSTENS
a) In der Bibel steht folgendes (ich gehe jetzt auf zum Teil katastrophale Übersetzungs-Interpretationen nicht ein)
b) Was hier steht, ist gleichzusetzen mit dem, was Jesus tatsächlich meint.
OK - passt. - So kann man auf Deinen obigen Konsens kommen.

ZWEITENS
Dieser Konsens ist NICHT nachvollziehbar, wenn man folgendermaßen vorgeht:
a) Wer ist eigentlich Jesus, damit es überhaupt Sinn macht, das Wort "Theologie" in den Mund zu nehmen?
b) Was sagt Jesus insgesamt?
c) Was davon wird von den Jüngern verstanden?

ERSTENS ist bottom-up (also ohne geistigen Entwurf a priori - man könnte genauso gut das Telefonbuch analysieren) - ZWEITENS ist top-down (ein Gottes-Entwurf ist vorhanden, mit dem in der Bibel Gesagtes verglichen wird).

Natürlich kann jetzt folgendes passieren: Die historisch-kritische Methode stellt fest, dass es sich bei Jesus & Co um ein in seiner Zeit historisches Rand-Phänomen handelt, das sich aus interessanten Gründen zu einem Welt-Phänomen ausgewachsen hat, aber theologisch (!) von keinerlei Belang ist. - Und es wäre dann nicht theologisch von Belang, wenn Jesus irgendein Wanderprediger gewesen wäre, der der unverdienterweise zu historischer Weltgeltung gekommen wäre ("wie kommt Scheiße aufs Dach").

WENN dies von der historisch-kritischen Methode nachgewiesen werden KÖNNTE (ich wüsste echt nicht, wie), dann wäre in der Tat Jesus ein Schuss in den Ofen gewesen - also eine schein-theologische Größe und somit sogar ein irreführendes und somit satanisches Phänomen. - DAS muss man wissen, wenn man historisch-kritisch arbeitet UND sich dabei als Theologe bezeichnet. - Alles andere ist weder Fleisch noch Fisch.

Insofern wiederhole ich gerne noch einmal meine Frage: Was WILL Bultmann (stellvertretend für andere) eigentlich? - Spiritualität durch Historizität ersetzen? (glaube ich nicht) - oder eine Dialektische Theologie = die strikte Trennung von Historizität und Spiritualität? (das glaube ich eher) - Oder will er das Christentum an sich pulverisieren? (möchte ich nicht unterstellen).

Pluto
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#40 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Pluto » So 28. Dez 2014, 13:29

closs hat geschrieben:Insofern wiederhole ich gerne noch einmal meine Frage: Was WILL Bultmann (stellvertretend für andere) eigentlich? - Spiritualität durch Historizität ersetzen? (glaube ich nicht) - oder eine Dialektische Theologie = die strikte Trennung von Historizität und Spiritualität? (das glaube ich eher) - Oder will er das Christentum an sich pulverisieren? (möchte ich nicht unterstellen).
Im Grunde wollte Bultmann dasselbe wie du, nämlich die Botschaft der Bibel verstehen.
Zeit seines Lebens versuchte Bultmann den Mythos und die Legende aus der Bibel zu verbannen, um damit an den Kern ihrer Bedeutung zu gelangen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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