Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

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Hemul
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#291 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Hemul » So 27. Jul 2014, 00:03

Pluto hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Frage an Pluto: Wie bezeichnest du denn die sinnlosen Brandbombenabwürfe auf Dresden, wo nachweislich zig tausende unschuldiger Menschen (auch viele Kinder) erbärmlich umkamen? Ist das für dich töten oder morden? :roll:
Eine typisch Hemul'sche Frage — Völlig irrelevant fürs Thema Wehrdienstverweigerung oder den heutigen Aufgaben unserer Armee in Friedenszeiten.
Die Zeiten ändern sich...
Klar, sie werden noch mörderischer von den "SOLDATEN" geführt:
http://www.matthes-seitz-berlin.de/arti ... riegs.html
Die gezielte Tötung per Mausklick gleicht immer mehr einer Menschenjagd, die sogar brutaler und rücksichtsloser ist als Jagd von Wild. In der Jägersprache bedeutet das »Ansprechen« die Identifizierung des Tieres nach Alter, Geschlecht und Gesundheit. Man »spricht« das Wild gezielt »an«, bevor man es tötet. Tötung ohne Ansprache ist Mord. Selbst in der Jagd gibt es also ein ethisches Minimum. Fällt es ganz weg, pervertiert sie zu einer blinden Tötung. Es gilt z. B. als verwerflich, den Kitzen die Geiß wegzuschießen. Die Jäger sprechen von der »Ansprechskunst« oder vom »Ansprechskünstler«. Der Ausdruck »Ansprechen« weist ferner darauf hin, dass der Jäger erst eine Beziehung zum Tier aufnehmen muss, bevor er es tötet. Ist es überhaupt möglich, aus so großer Distanz eine Beziehung mit dem Gegner aufzubauen? Auch im Krieg ist die Tötung ohne Ansprache ein Mord. Die Drohnen oder Kampfroboter, die bald per Algorithmen autonom Entscheidungen treffen werden, sind nicht in der Lage, Menschen anzusprechen. Allein aus diesem Grund wären sie zu verbieten. Mit zunehmender Bequemlichkeit der Tötung und zunehmender Distanz, aus der sie erfolgt, nimmt die ethische Verantwortung ab.
Es ist pervers, vor einem Bildschirm sitzend die ganze Region, die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist moralisch verwerflich, vom bequemen Sessel aus per Joystick Menschen zu töten. Joy heißt Freude. Der Habitus des Videospiels überträgt sich unweigerlich auf die Tötung per Joystick. Selbst der Ego-Shooter kann getötet werden, ein Drohnenpilot befindet sich dagegen außer jeder Gefahr. Der digitale Habitus, der allgemein zur Erosion des Verantwortungsgefühls führt, ist bei dieser Arbeit am Töten nicht ganz abzuschütteln. Er überzieht die Tötung außerdem mit dem Schein des Virtuellen. Sie ist nur noch als unscharfes Bild erfahrbar, was ihr jede existenzielle Dringlichkeit nimmt. Die Drohnenpiloten arbeiten in Schichten. Die Tötung ist für sie also eine Arbeit, nach der man womöglich auf die Party geht. Ihnen entzieht sich die ganze Schwere der Tötung eines Menschen. Die vereinzelten Berichte über die psychischen Schäden der Drohnenpiloten sind noch kein Gegenbeweis. Nur wenige äußern sich ja tatsächlich darüber. Tele-Traumata werden wohl zu vernachlässigen sein.
Und wenn es dann selbst im Zinksarg Go-Home geht, jammern und weinen die Mütter.
Zuletzt geändert von Hemul am So 27. Jul 2014, 00:15, insgesamt 1-mal geändert.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Naqual
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#292 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Naqual » So 27. Jul 2014, 00:15

Pluto hat geschrieben:
Christof hat geschrieben:Zur Drecksarbeit: Der Zivildienst war viel mehr Drecksarbeit als der Dienst bei der Bundeswehr. ALso erkläre bitte genauer was Du mit Drecksarbeit meinst.
Mit Drecksarbeit meine ich, in Situationen zu geraten, für die man nicht vorbereitet ist.
Im zivilen Einsatz heißt das oft Sandsäcke durch den Schlamm zu schleppen, bis man vor Müdigkeit fast umfällt.
Im Kriegsfall gibt es aber noch viel Schlimmeres, z. Bsp. einem sterbenden Freund hilflos in die Augen schauen zu müssen.

Beides sind keine besonders angenehme Aufgaben. Ich glaube kaum, dass der Zivildienst ähnliches fordert.

Kommt darauf an, ich hatte auf einer Station gearbeitet im Krankenhaus, wo ich nach dem 15. Toten das Zählen aufgegeben hatte. Im Zivildienst in Friedenszeiten. Das innerliche Problem dabei war, dass ich im Alter von 20 Jahren mit Tod weder Erfahrung hatte, noch mir jemals groß darüber Gedanken gemacht hatte. Im Gespräch mit Sterbenden (war selten möglich, bei dem Arbeitsdruck) fühlte ich mich irgendwie hilflos, war unangenehm.

Ansonsten muss ich hier Christof Recht geben, man muss dann schon Zivildienst auch zu Kriegszeiten vergleichen mit dem Soldatendienst und nicht den Soldatendienst zu Kriegszeiten mit dem Zivildienst in Friedenszeiten.
Trotzdem ist das Argument "Drecksarbeit" richtig gegen die Kriegsdienstverweigerung. Allerdings in einem anderen Zusammenhang. Der Kriegsdienstverweigerer kann letztlich nicht rational begründen, wie er sich mit seinen moralisch so anspruchsvollen Haltungen im Angriffsfall verteidigen kann gegen Aggressoren ohne die moralisch wackelige Drecksarbeit der Soldaten, die dann auch für ihn da sind.
Mir persönlich - vom Gefühlsleben her - ist es allerdings unheimlich, zu einem Apparat zu gehören wie der Bundeswehr, bei dem eine rigide Befehlsstruktur zum Funktionieren unerlässlich ist (vor allem in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen).
Gleichzeitig kann man aber nicht immer nachvollziehen, ob die Vorgaben von "Oben" wirklich richtig sind. Wobei man heute sicherlich auch als Otto-Normal-Bürger leichter feststellen und werten kann, ob es sich um einen Angriffs- oder Verteidigungskrieg handelt.
Allerdings ist heute nicht ALLES einfach besser wie früher. Auch heute noch wird teilweise ziemlicher Schwachsinn geredet, auch in militärpolitischen Angelegenheiten, z.B. die "Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch" ("Friedenseinsätze in Afghanistan). Feststellbar ist auch, dass die politischen Eliten der Bundesrepublik gezielt und strategisch das Deutsche Volk auf immer weiter gehende Einsätze der Bundeswehr vorbereitet, bzw. "gewöhnt" hat. Schritt für Schritt. (Und zwar ohne von Anfang an Klartext zu reden, was die langfristige Absicht ist.) Zumindest seit der Deutschen Wiedervereinigung. Erst waren es nur ein paar Sanitäter in allenfalls ein wenig unruhigen Gebieten, schließlich "nur" das zur Verfügung stellen von Awacs, stationiert in der Türkei. Und heute sind es sehr viele Soldaten (vergleichsweise mit der Zeit des "Kalten Krieges") die im Ausland im Einsatz sind und die Befugnisse sind um einiges umfassender als noch vor 2 Jahrzehnten. Deutschland will auch geo- und militärpolitisch eine größere Rolle spielen als bislang und am besten noch einen Dauersitz im UN-Sicherheitsrat. Das hat mit reinem Verteidigungsdenken erst einmal gar nichts zu tun und erhöht nicht unerheblich die Chance, dass deutsche Soldaten auch in ganz anderen Dingen eingesetzt werden als bei der Verteidigung Deutschlands. Bereits der Begriff "Verteidigung deutscher Interessen" ist eine Epoche weiter als die Verteidigungsabsicht im Falle eines ausländischen Angriffs.
Aus meiner Sicht gäbe es deswegen heute sogar mehr Gründe des Kriegsdienst zu verweigern, als zur Zeit des Kalten Krieges!

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#293 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Pluto » So 27. Jul 2014, 00:20

Christof hat geschrieben:ich schrieb ja schon, dass ich den Dienst unser Soldaten respektiere.
[...]
Ich muss aber für mich entscheiden, ob ich an einem Krieg als Soldat an einem Krieg teilnehmen kann...
Ja. Das ist das Dilemma in dem wir stecken.
Entwder man hilft mit, oder nicht.

Wir können eientlich froh sein, dass wir uns heute den Luxus leisten können diese Wahl zu haben. Das ist für mich längst keine Selbststverständlichkeit.
Für mich ist das ein Zeichen, das wir auf dem Weg in Richtung Frieden sind.

Zum Slogan "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin". Dabei ist zu beachten, dass der Spruch so gemeint ist, dass es keinen mehr gibt der in den Krieg geht - also auch keine Gegner mehr gibt. Das wäre ja wohl dann auch der Idealfall - von dem sind wir aber noch ein gutes STück weg, aber dass der mal eintritt sollte sich eigentlich jeder wünschen.
Der Slogan ist was für Idealisten.
Ich denke schon, dass wir auf dem Weg zu diesem Ideal sind, aber den Slogan finde heute noch verfrüht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#294 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Hemul » So 27. Jul 2014, 00:28

Pluto hat geschrieben: Wir können eientlich froh sein, dass wir uns heute den Luxus leisten können diese Wahl zu haben. Das ist für mich längst keine Selbststverständlichkeit.
Für mich ist das ein Zeichen, das wir auf dem Weg in Richtung Frieden sind.
Wann hast du das letzte mal Nachrichten gehört oder gelesen? :roll:
http://www.cosmiq.de/qa/show/103972/In- ... ent-Krieg/
PS: Die neuesten Kriege werden hier sogar noch gar nicht erwähnt.
Zuletzt geändert von Hemul am So 27. Jul 2014, 00:33, insgesamt 1-mal geändert.
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#295 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Christof » So 27. Jul 2014, 00:29

Lieber Pluto,

deswegen beginnt es ja mit "Stell dir vor", Es ist also etwas idealistisch Visionäres gefragt.. :)

In Liebe
Christof
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#296 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Hemul » So 27. Jul 2014, 00:34

Pluto hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Frage an Pluto: Wie bezeichnest du denn die sinnlosen Brandbombenabwürfe auf Dresden, wo nachweislich zig tausende unschuldiger Menschen (auch viele Kinder) erbärmlich umkamen? Ist das für dich töten oder morden? :roll:
Eine typisch Hemul'sche Frage — Völlig irrelevant fürs Thema Wehrdienstverweigerung oder den heutigen Aufgaben unserer Armee in Friedenszeiten.
Die Zeiten ändern sich...
Klar, sie werden noch mörderischer von den "SOLDATEN" geführt:
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Die gezielte Tötung per Mausklick gleicht immer mehr einer Menschenjagd, die sogar brutaler und rücksichtsloser ist als Jagd von Wild. In der Jägersprache bedeutet das »Ansprechen« die Identifizierung des Tieres nach Alter, Geschlecht und Gesundheit. Man »spricht« das Wild gezielt »an«, bevor man es tötet. Tötung ohne Ansprache ist Mord. Selbst in der Jagd gibt es also ein ethisches Minimum. Fällt es ganz weg, pervertiert sie zu einer blinden Tötung. Es gilt z. B. als verwerflich, den Kitzen die Geiß wegzuschießen. Die Jäger sprechen von der »Ansprechskunst« oder vom »Ansprechskünstler«. Der Ausdruck »Ansprechen« weist ferner darauf hin, dass der Jäger erst eine Beziehung zum Tier aufnehmen muss, bevor er es tötet. Ist es überhaupt möglich, aus so großer Distanz eine Beziehung mit dem Gegner aufzubauen? Auch im Krieg ist die Tötung ohne Ansprache ein Mord. Die Drohnen oder Kampfroboter, die bald per Algorithmen autonom Entscheidungen treffen werden, sind nicht in der Lage, Menschen anzusprechen. Allein aus diesem Grund wären sie zu verbieten. Mit zunehmender Bequemlichkeit der Tötung und zunehmender Distanz, aus der sie erfolgt, nimmt die ethische Verantwortung ab.
Es ist pervers, vor einem Bildschirm sitzend die ganze Region, die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist moralisch verwerflich, vom bequemen Sessel aus per Joystick Menschen zu töten. Joy heißt Freude. Der Habitus des Videospiels überträgt sich unweigerlich auf die Tötung per Joystick. Selbst der Ego-Shooter kann getötet werden, ein Drohnenpilot befindet sich dagegen außer jeder Gefahr. Der digitale Habitus, der allgemein zur Erosion des Verantwortungsgefühls führt, ist bei dieser Arbeit am Töten nicht ganz abzuschütteln. Er überzieht die Tötung außerdem mit dem Schein des Virtuellen. Sie ist nur noch als unscharfes Bild erfahrbar, was ihr jede existenzielle Dringlichkeit nimmt. Die Drohnenpiloten arbeiten in Schichten. Die Tötung ist für sie also eine Arbeit, nach der man womöglich auf die Party geht. Ihnen entzieht sich die ganze Schwere der Tötung eines Menschen. Die vereinzelten Berichte über die psychischen Schäden der Drohnenpiloten sind noch kein Gegenbeweis. Nur wenige äußern sich ja tatsächlich darüber. Tele-Traumata werden wohl zu vernachlässigen sein.
Und wenn es dann selbst im Zinksarg Go-Home geht jammern und weinen die Mütter.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#297 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Pluto » So 27. Jul 2014, 00:39

Hemul hat geschrieben:http://www.matthes-seitz-berlin.de/arti ... riegs.html
Die Drohnenpiloten arbeiten in Schichten. Die Tötung ist für sie also eine Arbeit, nach der man womöglich auf die Party geht. Ihnen entzieht sich die ganze Schwere der Tötung eines Menschen. Die vereinzelten Berichte über die psychischen Schäden der Drohnenpiloten sind noch kein Gegenbeweis. Nur wenige äußern sich ja tatsächlich darüber. Tele-Traumata werden wohl zu vernachlässigen sein.
Und wenn es dann selbst im Zinksarg Go-Home geht, jammern und weinen die Mütter.
Du widersprichst deinem Zitat, Hemul.
Der Pathos deines Zitats ist wirksam und wahr.
Aber...
Wen gilt es zu beweinen, wenn der Soldat von morgen, aus sicherer Entfernung von seiner Kaserne aus, den Krieg führt?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#298 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Naqual » So 27. Jul 2014, 00:42

Hemul hat geschrieben:http://www.matthes-seitz-berlin.de/arti ... riegs.html
Die gezielte Tötung per Mausklick gleicht immer mehr einer Menschenjagd, die sogar brutaler und rücksichtsloser ist als Jagd von Wild. In der Jägersprache bedeutet das »Ansprechen« die Identifizierung des Tieres nach Alter, Geschlecht und Gesundheit. Man »spricht« das Wild gezielt »an«, bevor man es tötet. Tötung ohne Ansprache ist Mord. Selbst in der Jagd gibt es also ein ethisches Minimum. Fällt es ganz weg, pervertiert sie zu einer blinden Tötung. Es gilt z. B. als verwerflich, den Kitzen die Geiß wegzuschießen. Die Jäger sprechen von der »Ansprechskunst« oder vom »Ansprechskünstler«. Der Ausdruck »Ansprechen« weist ferner darauf hin, dass der Jäger erst eine Beziehung zum Tier aufnehmen muss, bevor er es tötet. Ist es überhaupt möglich, aus so großer Distanz eine Beziehung mit dem Gegner aufzubauen? Auch im Krieg ist die Tötung ohne Ansprache ein Mord. Die Drohnen oder Kampfroboter, die bald per Algorithmen autonom Entscheidungen treffen werden, sind nicht in der Lage, Menschen anzusprechen. Allein aus diesem Grund wären sie zu verbieten. Mit zunehmender Bequemlichkeit der Tötung und zunehmender Distanz, aus der sie erfolgt, nimmt die ethische Verantwortung ab.
Es ist pervers, vor einem Bildschirm sitzend die ganze Region, die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist moralisch verwerflich, vom bequemen Sessel aus per Joystick Menschen zu töten. Joy heißt Freude.

Der sachliche Kern der Sache ohne die rhetorischen Stilmittel ist doch hier:
Der Pilot eines Kampfflugzeuges sieht seine Opfer nicht persönlich, er kann sie nicht persönlich ansprechen. Er ist hier in genau der gleichen Situation wie der Bediener einer Drohne. Nur der Bediener der Drohne ist selbst in Sicherheit während des Einsatzes. Das ist eigentlich wünschenswert (sofern die Ziele des Einsatzes ethisch-moralisch vertretbar sind).
Mit den Drohnen hat sich hier nichts verschlimmert. Dem Opfer kann es auch ziemlich egal sein, ob er per Joystick umgelegt wird oder per Abzug am Gewehr. Das klingt jetzt hart, aber so sind die Fakten.

Im übrigen muss man hier auch die Soldaten selbst differenzierter sehen. Es gibt nunmal solche und solche - wie bei jedem anderen Beruf.
Durch die Presse gegangen ist so z.B. genau das Gegenteil des Arguments gegen die Kampfdrohnen. Da hat die Besatzung eines US-Hubschraubers (nicht zu vergleichen mit der Situation eines Kampfflugzeuges) im Tiefflug dem Feind quasi in die Augen schauen können, die hätten sogar die Möglichkeit gehabt diese mittels bordeigenen Megaphonen anzusprechen. Gleichwohl wurden sie abgeknallt wie die Hasen (einschließlich "Zielobjekte", die nicht als Soldaten identifizierbar waren) und dabei stieß der Bordschütze noch Jubelschreie aus und lästerte über die Reaktionen der Sterbenden am Boden.
Aber auch das ist nicht unbedingt eine neue Qualität: z.B. bei der Eroberung Jerusalems (Kreuzug) wurden die Einwohner ziemlich wahllos in Mann-zu-Mann-Aktionen blutig geschlachtet wie Vieh. Zu Tausenden. Auch Frauen, auch Kinder, auch Juden, selbst Christen, die einfach das Pech hatten in Jerusalem zu wohnen.

Der wesentliche Unterschied zu früher ist: die Effizienz und das Schadensausmass immer "besserer" Waffentechnologien. Das ist beängstigend. Allerdings gebessert hat sich auch die ethische Entwicklung. Früher dachte man naturrechtlich: Der Stärkere hat Recht und Gott steht auf seiner Seite (der hat ihm ja auch die Stärke gegeben). Deswegen fanden die das nicht weiter illegitim, z.B. Sklaven (=schwach) zu haben. Heute sind zudem Angriffskriege in sehr weitem Umfang moralisch verpönt. Das war noch im letzten Jahrhundert anderes, etc.

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#299 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Pluto » So 27. Jul 2014, 00:52

Naqual hat geschrieben:Deutschland will auch geo- und militärpolitisch eine größere Rolle spielen als bislang und am besten noch einen Dauersitz im UN-Sicherheitsrat.
Nein. Ich glaube nicht, dass die deutsche Regierung das unbedingt will.
Als drittgrößte Wirtschaftkraft wird aber von Deutschland eine größere militärpolitische Präsenz erwartet.
Das ist IMO auch gut so, denn neben den Rechten, gibt es auch Pfichten gegenüber den Mitgliedern im Verbund, die wir nicht unter den Teppich kehren dürfen.
Das ist das Dilemma, in dem sich jede Regierung befindet. So willigt man widerwillig ein und unterstützt sich gegenseitig.

Naqual hat geschrieben:Bereits der Begriff "Verteidigung deutscher Interessen" ist eine Epoche weiter als die Verteidigungsabsicht im Falle eines ausländischen Angriffs.
Es ist ein wahrlich saurer Apfel in den wir da beißen.
Bei der heutigen Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, erscheint mir diese Verteidigung deutscher Interessen als unumgängliche Notwendigkeit.
Leider sehe ich keine Alternative als eben andere unsere "Drecksarbeit" machen zu lassen. Die Frage ist: wollen wir das wirklich?
Ich habe da meine Entscheidung getroffen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#300 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Hemul » So 27. Jul 2014, 00:54

Naqual hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:http://www.matthes-seitz-berlin.de/arti ... riegs.html
Die gezielte Tötung per Mausklick gleicht immer mehr einer Menschenjagd, die sogar brutaler und rücksichtsloser ist als Jagd von Wild. In der Jägersprache bedeutet das »Ansprechen« die Identifizierung des Tieres nach Alter, Geschlecht und Gesundheit. Man »spricht« das Wild gezielt »an«, bevor man es tötet. Tötung ohne Ansprache ist Mord. Selbst in der Jagd gibt es also ein ethisches Minimum. Fällt es ganz weg, pervertiert sie zu einer blinden Tötung. Es gilt z. B. als verwerflich, den Kitzen die Geiß wegzuschießen. Die Jäger sprechen von der »Ansprechskunst« oder vom »Ansprechskünstler«. Der Ausdruck »Ansprechen« weist ferner darauf hin, dass der Jäger erst eine Beziehung zum Tier aufnehmen muss, bevor er es tötet. Ist es überhaupt möglich, aus so großer Distanz eine Beziehung mit dem Gegner aufzubauen? Auch im Krieg ist die Tötung ohne Ansprache ein Mord. Die Drohnen oder Kampfroboter, die bald per Algorithmen autonom Entscheidungen treffen werden, sind nicht in der Lage, Menschen anzusprechen. Allein aus diesem Grund wären sie zu verbieten. Mit zunehmender Bequemlichkeit der Tötung und zunehmender Distanz, aus der sie erfolgt, nimmt die ethische Verantwortung ab.
Es ist pervers, vor einem Bildschirm sitzend die ganze Region, die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist moralisch verwerflich, vom bequemen Sessel aus per Joystick Menschen zu töten. Joy heißt Freude.

Der sachliche Kern der Sache ohne die rhetorischen Stilmittel ist doch hier:
Der Pilot eines Kampfflugzeuges sieht seine Opfer nicht persönlich, er kann sie nicht persönlich ansprechen. Er ist hier in genau der gleichen Situation wie der Bediener einer Drohne. Nur der Bediener der Drohne ist selbst in Sicherheit während des Einsatzes. Das ist eigentlich wünschenswert (sofern die Ziele des Einsatzes ethisch-moralisch vertretbar sind).
Mit den Drohnen hat sich hier nichts verschlimmert. Dem Opfer kann es auch ziemlich egal sein, ob er per Joystick umgelegt wird oder per Abzug am Gewehr. Das klingt jetzt hart, aber so sind die Fakten.

Im übrigen muss man hier auch die Soldaten selbst differenzierter sehen. Es gibt nunmal solche und solche - wie bei jedem anderen Beruf.
Durch die Presse gegangen ist so z.B. genau das Gegenteil des Arguments gegen die Kampfdrohnen. Da hat die Besatzung eines US-Hubschraubers (nicht zu vergleichen mit der Situation eines Kampfflugzeuges) im Tiefflug dem Feind quasi in die Augen schauen können, die hätten sogar die Möglichkeit gehabt diese mittels bordeigenen Megaphonen anzusprechen. Gleichwohl wurden sie abgeknallt wie die Hasen (einschließlich "Zielobjekte", die nicht als Soldaten identifizierbar waren) und dabei stieß der Bordschütze noch Jubelschreie aus und lästerte über die Reaktionen der Sterbenden am Boden.
Aber auch das ist nicht unbedingt eine neue Qualität: z.B. bei der Eroberung Jerusalems (Kreuzug) wurden die Einwohner ziemlich wahllos in Mann-zu-Mann-Aktionen blutig geschlachtet wie Vieh. Zu Tausenden. Auch Frauen, auch Kinder, auch Juden, selbst Christen, die einfach das Pech hatten in Jerusalem zu wohnen.

Der wesentliche Unterschied zu früher ist: die Effizienz und das Schadensausmass immer "besserer" Waffentechnologien. Das ist beängstigend. Allerdings gebessert hat sich auch die ethische Entwicklung. Früher dachte man naturrechtlich: Der Stärkere hat Recht und Gott steht auf seiner Seite (der hat ihm ja auch die Stärke gegeben). Deswegen fanden die das nicht weiter illegitim, z.B. Sklaven (=schwach) zu haben. Heute sind zudem Angriffskriege in sehr weitem Umfang moralisch verpönt. Das war noch im letzten Jahrhundert anderes, etc.
Kannst du für jedermann verständlich erklären was die Quintessenz deiner obigen Aussage sein soll? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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