Ich finde Detlefs Bewertung nicht richtig. Es handelt sich bei der von ihm beschriebenen Aktiv-/ Passivrolle um ein rein sprachliches Problem. Der Bejaher ist demnach in der aktiven, der Verneiner in der passiven Rolle. Abgesehen davon, was das hinsichtlich der Prämissen bedeuten soll, könnte man die Vorzeichen auch umdrehen, indem man beispielsweise sagt:Andreas hat geschrieben:Dieses Argument mit dem Zweifel finde ich jetzt sehr spannend. Die Frage ist nur, was man voraussetzt an dem gezweifelt wird. Das ist unter Umständen so eine Huhn und Ei Problematik.Detlef hat geschrieben:Aus diesem Grund ist diese Darstellung
als Gleichsetzung nicht korrekt, denn aus dem puren Skeptizismus bezüglich einer Gottesexistenz ergibt sich noch längst nicht automatisch die Gewissheit:"Es gibt keinen Gott". Dir ist offensichtlich entgangen, dass die "Ausgangsprämisse": "Es gibt einen Gott" die aktive Position ist, während der Zweifel daran grundsätzlich erst mal eine passive Position ist.PeB hat geschrieben:Es geht ausschließlich um zwei unterschiedliche Ausgangsprämissen:
- Deine: es gibt keinen Gott
- Unsere: es gibt einen Gott
1. Prämisse: die Welt ist ausschließlich dinglich
2. Prämisse: die Welt ist nicht ausschließlich dinglich
(oder andere Formulierungen)
Dann wäre der Atheist in der aktiven Rolle, der Gläubige in der passiven.
Ich halte diese landläufige Interpretation nicht für richtig. Der "Herr Wissenschaftler", wie ich gerne abfällig hier tituliert werde, ist Prähistoriker und Archäologe, also Geisteswissenschaftler. Ich habe Kenntnis über zumindest die materielle Kultur der Menschen vor Jahrtausenden und wenigstens diese spricht keinesfalls dafür, dass die früheren Menschen fellbehangene Volldeppen waren, die sich die Natur nicht besser als durch "Märchen mit sprechenden Tieren" erklären konnten. Vielmehr ist mein Eindruck ein völlig anderer:Andreas hat geschrieben:Mir erscheint es plausibel, dass die Idee von Göttern aus dem Zweifel daran entstanden ist, dass es in der Umwelt des urzeitlichen Menschen mit (ge-)rechten Dingen zugeht.
der Mensch hat sich im Laufe seiner Existenzgeschichte in den vergangenen paarhunderttausend Jahren sehr tiefsinnige und hintergründige philosophische Gedanken über sich selbst, die Umwelt und seine Rolle darin gemacht. Was uns bei der schriftlichen Überlieferung so scheinbar naiv anmutet, ist der Umstand, dass in vergangenen Zeiten Ideen und Gedanken zunächst mündlich tradiert werden mussten, da es noch keine Schrift gab. Mündliche Tradition ist sehr stark, sie bedarf aber einer starken bildhaften und einprägsamen Sprache, damit sie möglichst vollständig erinnert werden kann.
Ein Beipiel ist das Nibelungenlied: eine sagenhafte Erzählung mit Drachen und Zwergen, aber sie überliefert - nicht nur im Kern, sondern sehr vollständig - historisch belegbare Ereignisse, sofern man die bildhafte Sprache lesen kann.
Der Mensch in der Vergangenheit war nicht dumm; er war nicht dümmer als wir heute. Und wir sind schon gar nicht in den vergangenen knapp 300 Jahren schlagartig auf quasi magische Weise klüger geworden durch den Rationalismus - nach vorherigem mutmaßlich 100000jährigem intellektuellem Stillstand. Das wäre eine grenzenlos überhebliche Mutmaßung.
Am Rande: der (wissenschaftliche) Rationalismus war ein geeignetes Instrument, um die Erkenntnisgebiete sauber voneinander zu trennen. Dummheit ist hingegen zu glauben, dass das Abgetrennte deshalb nicht existiert.
Oder bildhaft: die Naturwissenschaften haben zunächst die Randsteine des Puzzles zusammengelegt, um einen Rahmen zu bekommen. Die übrigen Steine liegen noch unberührt in der Kiste. Nur Dumme behaupten, dass sie nicht existieren, weil sie nicht am Rand abgelegt werden können.
Dabei gebe ich dir recht, obwohl du es vielleicht anders meinst als ich. Rationalität erschließt einen Teil der Wirklichkeit, aber ein anderer Teil bleibt ihr verschlossen und öffnet sich nur anderweitig. Wenn ich verliebt bin, kann das völlig irrational sein - aber trotzdem wahr und richtig.Andreas hat geschrieben:Ich sehe keine vernünftigen Gründe dafür, das Irrationale im Menschen zu verurteilen.
Das ist genau mein Plädoyer hier: wir brauchen Beides. Diejenigen, die eines zugunsten des anderen ablehnen, schränken sich selbst unnötig ein.Andreas hat geschrieben:So unlogisch Allmacht, Allwissenheit, Allgüte und die daraus abgeleiteten Eigenschaften Gottes, wie beispielsweise die Schöpfung aus seiner Überzeitlichkeit auch sein mögen - in solch religiöser und poetischer Sprache, die sich dem Verstand entziehen muss, stecken der Trost und die Geborgenheit, die der Mensch - neben aller Vernunft - braucht. Ohne Glaube, Hoffnung und Liebe kann der Mensch im Angesicht einer wert- und sinnfreien Natur verzweifeln. Ich meine, der Mensch sollte beides respektieren