Rembremerding hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:
Ich habe von "psychologisch" gar nicht gesprochen, und ganz sicher auch nicht gemeint.
Wir sind als Menschen nicht fertig. Selbstverständlich ist die gängige Psychologie nicht in der Lage, das zu beschreiben, wovon wir hier reden.
Nichtsdestotrotz kann das, was manche Christen als "Ebenbildlichkeit Gottes" formulieren, so formuliert werden, dass diese Ebenbildlichkeit im anthropos angelegt ist, als Keim, wenn man so will, als Ahnung, als Erlebnis in Kunst und anderem.
Du wirst nicht umhin kommen etwas was Du aus dem Geschöpf, der Materie schöpfst, wissenschaftlich erklären zu müssen.
Wissenschaft muss nichts
erklären. Sie muss beschreiben, Zusammenhänge aufzeigen. Ich bin nicht einmal sicher, dass Naturwissenschaften erklären müssen oder erklären können.
Rembremerding hat geschrieben:Dazu gibt es wissenschaftliche Termini. Freud und vor allen Jung versuchten diese tiefere Schicht des Menschen zu erkennen und auszuformulieren. So kam es zum "Über-Ich", zum "Es" etc.
Genau.
Aber Erklärungen sind das nicht, sondern Benennen von Wahrnehmungsschichten, die im Menschen wirksam sind.
Ich habe DARUM geschrieben, dass die Psychologie nicht ausreicht, um das, was als "Gotteserleben" bezeichnet wird, zu erkunden, weil ich zum einen von der heute gängigen Psychologie ausgegangen bin, zum anderen, weil es die Individualpsychologie sprengt. Es würde auch andere Wissenschaften hinzuziehen müssen. Jungs "kollektives Unbewusste" - unabhängig davon, ob er damit umfassend Recht hat - ist letztendlich kein psychologischer Begriff mehr; Jung hat dazu Märchen und Zeichnungen hinzugezogen, und wir können nicht wirklich wissen, ob gewisse Archetypen, die Jung für allgemeinmenschlich hält, nicht durch den Einfluss abendländischen Denkens in unsere Träume gekommen sind.
Die Spur selber aber halte ich für fruchtbar.
Ich hätte auch nichts dagegen, das als Teil einer erweiterten Psychologie zu bezeichnen; das würde meinem Bedürfnis nach Erforschen des Menschen entsprechen. Psychologie ist ja auch Teil der Anthropologie.
Rembremerding hat geschrieben:Die Wiege der Kunst liegt in der Umwandlung von Natur in Kultur. Und der Antrieb dafür war Spiritualität, Transzendenzfähigkeit. Wo ist diese im Menschen angelegt und warum?
Worin die Wiege der Kunst liegt, wissen wir nicht wirklich.
Ich kann das auch genauso gut anders beschreiben: da unsere Psyche - und damit unser Unbewusstes - in Form von Bildern arbeitet, versucht die Kunst, diese Bilder einzufangen und mit Hilfe des Bewusstseins zu repräsentieren.
Wenn Du auch "Psyche" als "Natur" bezeichnest, dann könnte ich Deinem obigen Satz zustimmen. Aber ich glaube, Du meintest das anders.
Jedenfalls wäre der Antrieb zur Kunst in dem Fall das, was eben im Menschen angelegt ist und nach Ausdruck verlangt.
Das kann man als Transzendenzfähigkeit und als Spiritualität bezeichnen.
Was meinst Du mit dem "Wo"? Also wo sie angelegt ist? Wo im Gehirn sie angelegt ist?
Ich weiß nicht, ob sich das im Gehirn lokalisieren lassen muss, um als "existierend" akzeptiert zu werden.
Ist die Eigenschaft des Projizierens - man projiziert seine eigenen negativen Seiten auf andere (oft zu Unrecht) und geißelt sie DORT anstatt bei sich -, die ja von der Psychlogie anerkannt ist, im Gehirn lokalisierbar? Oder eben die Archetypenbildung im Traum?
Rembremerding hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Das Geschehen wird auch nicht klarer dadurch, dass man das schwer zu Erklärende mit einem Begriff bezeichnet, in dem Fall "Gott".
Natürlich müssen neue Termini gefunden werden für etwas, das das normale Leben transzendiert.
Oder man muss auch keine Wörter dafür finden unbedingt. Aber es wären jedenfalls nicht die normalen psychologischen Termini, die ja für andere Zielsetzungen geschaffen wurden.
Ich denke, da übersiehst Du eine wichtige Anlage im Menschen: Was er benennt, kann er ergreifen (nicht unbedingt begreifen!). Be-griffe werden und wurden besetzt, in Anspruch genommen, aber nicht nur aus böser Absicht, sondern aus diesem tiefen menschlichen Bedürfnis heraus.
Nein, das übersehe ich nicht. Ich habe es in dem Fall nur nicht erwähnt, weil es mir an der Stelle nicht notwendig schien.
Aber das ist eine meiner wichtigsten Argumente dafür, dass die Gottesvorstellung vom Menschen "geschaffen" wird.
Nicht nur die konkrete. Da immer Sprache im Spiel ist, wird - da übernehme ich jetzt mal Deine obige Aussage - Natur in Kultur verwandelt; in dem Fall beziehe ich "Psyche" in die "Natur" mit ein.
Auch wenn bildende Kunst oder Musik unbewusstes Geschehen - sei es im Individualmenschen, sei es im zwischenmenschlichen Bereich, sei es im gesellschaftlichen Bereich - formuliert, ist es eine Umsetzung durch Medien und wird dadurch zur Kultur.
Rembremerding hat geschrieben:Im Menschen kann diese Gnade nicht angelegt sein, die Geschichte zeigt es, aus sich heraus kann er sie nicht schöpfen.
Die Geschichte zeigt nicht nur die Verletzung der "Geschwisterlichkeit" zwischen Menschen, sondern auch die Sehnsucht nach Realisierung dieser Geschwisterlichkeit.
Gerade weil diese Sehnsucht vorhanden ist, ist sie im Menschen angelegt.
Es hängt vielleicht einfach nur damit zusammen, wie man "Mensch" definiert.
Für mich fängt der Mensch nicht da an, wo er seine inneren Ziele verrät oder diese ihn in Untiefen stürzen.
Ich nehme ALLE seine Bestrebungen als Teil von ihm an.
Seine Zerrissenheit ist Teil von ihm, und seine Sehnsucht nach Aufheben dieser Zerrissenheit ebenfalls.
Der Mensch ist von vornherein durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet:
er ist Invidiuum, das sich von der Gemeinschaft abhebt, und er ist Teil der Gemeinschaft.
Diese Tatsache erklärt mir letztlich alles ->
Er ist darum einerseits empfänglich für Ideologien, die darauf setzen: "Du bist ein Teil der Gemeinschaft."
In dem Fall löscht er seine individuellen Impuse aus und marschiert mit der Gemeinschaft mit, denkt wie sie, empfindet wie sie.
Gut gehen kann das auf die Dauer nicht, weil ihn das seelisch krank machen wird, denn er ist nun einmal AUCH Inviduum.
Und umgekehrt ist er andererseits empfänglich für Ideologien, die nur auf das Individuelle setzen: "Die Gemeinschaft ist dein Feind, sie will dich unterdrücken."
In dem Fall bekämpft er die Gemeinschaft, und auch das kann auf die Dauer nicht gut gehen und muss ihn seelisch krank machen, denn er ist auch Teil der Gemeinschaft, trägt dieses in sich.
Darum muss der Spagat geschafft werden:
BEIDES muss im individuellen Menschen entwickelt werden.
Im normalen Entwicklungsprozess des Individuums ist das auch vorgesehen: es gibt die Trotzphase, es gibt die Pubertät, es gibt die Lebenskrise um die 30 etc. Und es gibt die Überwindung dieser Phasen.
Nichts davon darf unterdrückt werden zugunsten einer der beiden oben erwähnten Ideologien.
Eine Abspaltung eines der beiden Teile als "Gott" oder "Satan" halte ich für grundfalsch.
Nehme ich es als bildhaft, als zwei Kräfte im Menschen, mag es angehen, aber es verfehlt noch immer, dass beides ein und dieselbe Energie im Menschen ist, welcher im Laufe des Lebens - oder im Laufe der Jahrtausende - gleichzeitig sowohl "völlig" Individuum als auch "völlig" Gesamtmensch werden möchte. In der Sprache des Neuen Testamentes: "ganz Mensch und ganz Gott". Nie nur das eine.
Rembremerding hat geschrieben:Ohne Gott musst Du einen anderen Begriff für Gnade finden und den Ort entdecken, wo sie im Menschen biologisch angelegt ist.
BIOLOGISCH angelegt ist?
Da bin ich jetzt platt. Der Mensch ist doch keine Sekunde nur biologisch.
Wir wissen weder, woher die Physis des Menschen stammt noch woher die Psyche des Menschen stammt.
Wir wissen also nicht, WARUM der Mensch so ist, wie er ist.
Aber wir versuchen zu erforschen, WIE er ist.
Wir erforschen das, damit der Mensch - als Individuum und als Gemeinschaftswesen - nicht kaputt geht und damit wir dem, was wir als Teil von ihm erkannt haben, Raum geben können.