Was genau ist denn Geist?

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closs
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#271 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 21. Nov 2014, 18:57

Andreas hat geschrieben:Da gibt es zwei Möglichkeiten.
Vielen Dank. :Herz: - Wahrscheinlich ist das die Stelle.

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Savonlinna
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#272 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 11:33

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: dass man Deine "Metatheorie" vielleicht als "Erkenntnistheorie" titulieren könnte. Deckt das alles ab, was Dir vorschwebt?
Wahrscheinlich ja. - Allerdings mit dem Vorbehalt, dass auch der Begriff "Erkenntnis-Theorie" inzwischen irgendwie einseitig besetzt ist. -
Das einseitige Besetztsein war allerdings nicht mein Gegenargument, warum ich "Ontologie" als von vornherein weltanschaulich betrachte. Bei mir würde die Ontologie als Metawissenschaft sofort assoziieren: da werden Werte bereits als Prämissen gesetzt. Fast genauso, als wenn man "Religion" als Metawissenschaft auffassen würde. Auch das wäre bereits "tendenziös".

Allerdings ist das auch nur mein Empfinden bezüglich "Ontologie". Ich würde mich von denen, die meinen Lieblingsbegriff bezüglich Metawissenschaft anzweifeln wollen, nicht abhalten lassen, ihn zu wählen, wenn ich dabei ein Gefühl der Richtigkeit habe.

closs hat geschrieben:Ich meine es also unschuldig wörtlich: Eine Theorie, wie der Mensch erkennt.
Ja, genau. Das habe ich dann offenbar richtig verstanden. Da schon die Geschichte der Erkenntnistheorie sehr lang ist und sehr unterschiedliche Sichtweisen zur Erkenntnis hat, besteht eigentlich kein Grund, da nicht anzudocken und noch weitere Bereiche einzubeziehen:
also auch die Frage, wie der gewöhnliche Mensch erkennt.

Die hehre Literaturwissenschaft hat sich wahrscheinlich auch nicht träumen lassen, dass sie eines Tages die "Trivialliteratur" mit literaturwissenschaftlichen Mitteln untersucht und begreifen wird, dass man auf diese Weise vieles vom Menschen versteht, das man nicht einfach mehr nur noch verachten kann.

closs hat geschrieben:Am nähesten dran sind hier nach meinem Dafürhalten Hegel und Heidegger - einerseits die hegelsche Dialektik, die eigentlich so einfach ist, aber irgendwie nicht in die heutigen Köpfe zu passen scheint - andererseits die heideggersche Ontologie, für die dasselbe gelten könnte.
Nicht von ungefähr habe ich beide Autoren im Studium mehr oder weniger links liegen lassen. Ich konnte mit ihnen nichts anfangen, sie waren mir zu spekulativ. Oder unsympathisch, was weiß ich.
Kann aber in beiden Fällen ein Vorurteil sein.

Das dialektische Moment allerdings fesselte mich sehr, habe es aber bei den Schriften des jungen Karl Marx referiert gefunden - da waren jede Menge Extrakte von Hegel.

closs hat geschrieben:Dazu gehört - und da sind Augustinus und Descartes zu nennen - , dass man überhaupt erstmal kapiert, dass Wahrnehmung eine andere Kategorie ist als Realität/Sein, und jegliche Wahrnehmung unter Vorbehalt des gewählten Systems steht.
Das sehe ich auch so.
Mich wundert eigentlich, dass in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten dieses Bewusstsein dafür in so vielen Bereichen wieder verloren gegangen zu sein scheint. Zumindest seit Kant wähnte ich das fest verankert in den Köpfen, klare Voraussetzung sämtlicher Wissenschaften.

Ich erlebte das als einen starken Rückgang, wieder zurück zu der Zeit vor Kant, wo, wie im Mittelalter, sogar die Begriffe als eine reale göttliche Existenz aufgefasst wurden.


- Praktisch heisst das:

Ein sogenannter "bibeltreuer Christ" müsste wissen, dass die Bibel nicht die Wahrheit/die Realität/das Sein "ist", sondern eine Chiffre, also eine Wahrnehmungs-Hilfe dazu ist. - Dasselbe gälte dann auf der anderen Seite auch für den Naturwissenschaftler, der wissen müsste, dass seine Methodik ebenfalls kategorial "nur" eine Wahrnehmungs-Hilfe ist, nicht aber die Realität selbst. -
Zumindest der Naturwissenschaftler müsste es wissen, ja.
Aber es würde mit zu einer Metawissenschaft dieser Art gehören, dass man heute so gerne wieder zeitlich hinter Kant zurückgeht - in mehreren Bereichen.

Gerade wenn ich das dialektische Element ernst nehme - und ich nehme es ernst, weil ich glaube, dass der Mensch so funktioniert und immer Gegenbewegungen zu gerade herrschenden Auffassungen entwirft -, wäre in so einer Metawissenschaft die Frage zu erörtern, warum ein so starkes Bedürfnis besteht, die eigene Wahrnehmung für die einzig mögliche Realität zu halten.

closs hat geschrieben:Und darüber würde ich gerne ein Erkenntnis-System (Meta-System) setzen, das sagt: Jeder braucht ein System der Wahrnehmung - ohne geht nicht. -
Jetzt Vorsicht! Ein Metasystem hat nicht den Auftrag, zu belehren, wie man zu erkennen habe. Ein Metasystem verfolgt keine Mission, was richtig und was falsch ist. Du hast selber irgendwo die Wertfreiheit betont.

Der Punkt ist: Wenn man sich über bestimmte Arten des Denkens aufregt und sich dann hinsetzt, um diese verschiedenen Denkweisen zu sammeln, dann geht dieses Aufregen darüber nämlich weg. Dann fängt man an zu verstehen, was eigentlich dahinter stehen könnte und dass es - dialektisch gesehen - eine Gegenreaktion auf etwas ist, was übertrieben als einzig mögliches Denken vorrherrschte.
Das heißt, man kommt weg davon, einzelne Symptome zu benörgeln, sondern man sucht nach einem Metasystem, das diese Symptome einbegreift als Teil dessen, was sich entwickelt oder entwickeln will.

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#273 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 12:37

Savonlinna hat geschrieben: Bei mir würde die Ontologie als Metawissenschaft sofort assoziieren: da werden Werte bereits als Prämissen gesetzt.
Kann sein, dass das begriffs-historisch möglich ist. - Hier ist mit "ontologisch" ganz wörtlich gemeint: "Was IST?" - unabhängig von Weltanschauungen, Systemen, Methoden (= Wahrnehmung).

Dass man also Wahrnehmung und "Realität" kategorial trennt und die menschliche Wahrnehmung immer nur als "Berührens des Rockzipfels Gottes" (hat mal irgendeiner gesagt) begreift - mit anderen Worten: Dass man auch Sein gedanklich zulässt, das man nicht erkennt, gar erkennen kann.

Savonlinna hat geschrieben:Das dialektische Moment allerdings fesselte mich sehr, habe es aber bei den Schriften des jungen Karl Marx referiert gefunden - da waren jede Menge Extrakte von Hegel.
Da muss man aber aufpassen - der Hauptunterschied ist:

Marx entwickelt seine Dialektik ohne teleologischen Endpunkt im Dasein hin ("horizontale" Dialektik) - Hegel sieht in der Dialektik sozusagen das Gerüst, auf dem man über die eigentliche Wahrnehmungs-Weite gedanklich Richtung Gott klettern kann ("vertikale" Dialektik) - also zu einem Schlussstein der Dialektik (Telos - siehe auch "Phänomenologie des Geistes" - habe ich aber NICHT primär gelesen - sehr aufwendig).

Savonlinna hat geschrieben:Mich wundert eigentlich, dass in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten dieses Bewusstsein dafür in so vielen Bereichen wieder verloren gegangen zu sein scheint.
Das empfinde ich auch so.

Savonlinna hat geschrieben: Zumindest seit Kant wähnte ich das fest verankert in den Köpfen, klare Voraussetzung sämtlicher Wissenschaften.
Kant wird schon noch zitiert, aber vereinnahmend im Sinne einer agnostischen Weltanschauung - dass Kant seine logischen Schriften ausdrücklich als "Unterabteilung" der Metaphysik verstanden hat, wird ignoriert.

Savonlinna hat geschrieben:warum ein so starkes Bedürfnis besteht, die eigene Wahrnehmung für die einzig mögliche Realität zu halten.
Das ist aus meiner Sicht eine Folge dessen, was man als Chiffre "Sündenfall" nennt: Die Selbst-Orientierung anstelle der Seins-Orientierung. - Man kann das gut am Begriff "BEwusstsein" ablesen: Früher verstand man darunter "con-scientia" - also "Mit-Wissen" an der Realität - heute versteht man darunter Selbst-Bewusstsein. - Interessant mag dabei sein, dass diese wörtliche Übersetzung von "con-scientia = Mit-Wissen" im Gotischen zum Wort "mit-wizzei" geführt hat, aus dem althochdeutsch "ge-wizzeni" wurde.

Mit anderen Worten: Das "Gewissen" war ursprünglich verstanden als göttliche Exklave im Menschen (= HG) und damit zum Schlüssel für Bewusstsein - davon ist die heutige Definition weit weg, da ego-zentriert.

Savonlinna hat geschrieben: Ein Metasystem hat nicht den Auftrag, zu belehren, wie man zu erkennen habe.
Naja - aber vielleicht zu belehren, dass jegliches System-Wissen ein perspektivisches Für-Wahr-Halten ist - also keinen absoluten Charakter hat. - Deshalb mag ich Hermeneutik - immer unterwegs, aber auch immer demütig im Wissen ums Nicht-Wissen.

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#274 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 13:11

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das dialektische Moment allerdings fesselte mich sehr, habe es aber bei den Schriften des jungen Karl Marx referiert gefunden - da waren jede Menge Extrakte von Hegel.
Da muss man aber aufpassen - der Hauptunterschied ist:

Marx entwickelt seine Dialektik ohne teleologischen Endpunkt im Dasein hin ("horizontale" Dialektik)
In den Schriften des frühen Karl Marx entwarf er eine Utopie: das Reich der Freiheit. Angelpunkt war die "Arbeit", die nicht mehr eine Entfremdung des Menschen bewirken solle, sondern im Gegenteil eine freie Entwicklung aller Möglichkeiten in ihm; wozu er ausdrücklich und mehrmals die künstlerische Entwicklung zählte.

So, wie er es beschrieb - dass es ohne reales Mitwirken aller Beteiligten nicht entstehen kann - ist es für mich kompatibel mit einigen Theologen in ihrer Vorstellung vom "Reich Gottes", das hier auf Erden etabliert werden solle. Ich schrieb es irgendwo wahrscheinlich schon mal:
Der Satz "Gott hat nur unsere Hände" - der in meiner Erinnerung von Dorothee Sölle stammt - entspricht diesem Marxschen Grundgedanken.
Dass Marx keine isolierte Selbstverwirklichung im Sinn hatte, sondern immer in Einbeziehung des Wohles der anderen, ist auch leicht in seinen Frühschriften auffindbar.

Gerade schon in seinem Frühwerk schrieb er den Satz, er wolle Hegel vom Kopf auf die Füße stellen:
also nicht die Welt einfach anders interpretieren, sondern sie verändern.

Für mich wäre beides wichtig.

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#275 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Christof » So 23. Nov 2014, 22:10

closs hat geschrieben:Geist als Weisungsbevollmächtigter des Körpers

Das müßte dann aber ein Menschengeist sein, denn Gottes Heiliger Geist hat sich mir noch nie als befehlend gezeigt - überreden und überzeugen auf freiwilliger Basis kann er aber ganz gut :D

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#276 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Hemul » So 23. Nov 2014, 22:11

Wenn Gott seinen Lebensatem oder Geist von seinen irdischen Geschöpfen nimmt, erlöscht gem. Psalm 104:29+30 augenblicklich
sämtliches Leben auf der Erde:
29 Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. 30 Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen und du erneuerst das Antlitz der Erde.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#277 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Christof » So 23. Nov 2014, 22:17

Lieber Hemul,

sind Lebensatem und Heiliger Geist nicht zwei verschiedene Dinge? Also ich habe in meiner unbekehrten Zeit gelebt auch ohne den Heiligen Geist.

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#278 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Hemul » So 23. Nov 2014, 22:28

Christof hat geschrieben:Lieber Hemul,
sind Lebensatem und Heiliger Geist nicht zwei verschiedene Dinge? Aslo ich habe in meiner unbekehrten Zeit gelebt auch ohne den Heiligen Geist.
Aus 1.Mose 1:2 geht folgendes hervor:
2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Im hebräischen steht hier für den Geist Gottes der Begriff "Ruach". Ruach wird gem. Wiki wie folgt wiedergegeben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruach
Ruach
Lebensodem
Das hebräische Wort rûaḥ (רוח) kommt im Alten Testament (AT) 378 mal vor. An bestimmten Stellen im AT wird das Wort mit „Geist“ übersetzt. Die Grundbedeutung von „rûaḥ“ ist „Wind“ und „Atem“.
Zuletzt geändert von Hemul am So 23. Nov 2014, 23:55, insgesamt 1-mal geändert.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#279 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Christof » So 23. Nov 2014, 22:33

wikipedia hat geschrieben:Die Grundbedeutung von „rûaḥ“ ist „Wind“ und „Atem“.

... aber doch nicht "Heiliger Geist". Also für mich sind das zwei vershiedene Dinge...auch wenn „rûaḥ“ im AT an manchen Stellen als Geist zu verstehen ist.
Zuletzt geändert von Christof am So 23. Nov 2014, 22:36, insgesamt 1-mal geändert.
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#280 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Hemul » So 23. Nov 2014, 22:35

Christof hat geschrieben:
wikipedia hat geschrieben:Die Grundbedeutung von „rûaḥ“ ist „Wind“ und „Atem“.

... aber doch nicht "Heiliger Geist".
Gottes Geist oder Atem ist immer heilig. Er kann seinen Geist-Atem-Kraft-Ruach auf die verschiedenste Weise einsetzen.
Gem.1.Mose 1:2 schwebte sein Geist über der Wasseroberfläche:
2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Zuletzt geändert von Hemul am So 23. Nov 2014, 22:41, insgesamt 2-mal geändert.
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