closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben: dass man Deine "Metatheorie" vielleicht als "Erkenntnistheorie" titulieren könnte. Deckt das alles ab, was Dir vorschwebt?
Wahrscheinlich ja. - Allerdings mit dem Vorbehalt, dass auch der Begriff "Erkenntnis-Theorie" inzwischen irgendwie einseitig besetzt ist. -
Das einseitige Besetztsein war allerdings nicht mein Gegenargument, warum ich "Ontologie" als von vornherein weltanschaulich betrachte. Bei mir würde die Ontologie als Metawissenschaft sofort assoziieren: da werden Werte bereits als Prämissen gesetzt. Fast genauso, als wenn man "Religion" als Metawissenschaft auffassen würde. Auch das wäre bereits "tendenziös".
Allerdings ist das auch nur mein Empfinden bezüglich "Ontologie". Ich würde mich von denen, die meinen Lieblingsbegriff bezüglich Metawissenschaft anzweifeln wollen, nicht abhalten lassen, ihn zu wählen, wenn ich dabei ein Gefühl der Richtigkeit habe.
closs hat geschrieben:Ich meine es also unschuldig wörtlich: Eine Theorie, wie der Mensch erkennt.
Ja, genau. Das habe ich dann offenbar richtig verstanden. Da schon die Geschichte der Erkenntnistheorie sehr lang ist und sehr unterschiedliche Sichtweisen zur Erkenntnis hat, besteht eigentlich kein Grund, da nicht anzudocken und noch weitere Bereiche einzubeziehen:
also auch die Frage, wie der gewöhnliche Mensch erkennt.
Die hehre Literaturwissenschaft hat sich wahrscheinlich auch nicht träumen lassen, dass sie eines Tages die "Trivialliteratur" mit literaturwissenschaftlichen Mitteln untersucht und begreifen wird, dass man auf diese Weise vieles vom Menschen versteht, das man nicht einfach mehr nur noch verachten kann.
closs hat geschrieben:Am nähesten dran sind hier nach meinem Dafürhalten Hegel und Heidegger - einerseits die hegelsche Dialektik, die eigentlich so einfach ist, aber irgendwie nicht in die heutigen Köpfe zu passen scheint - andererseits die heideggersche Ontologie, für die dasselbe gelten könnte.
Nicht von ungefähr habe ich beide Autoren im Studium mehr oder weniger links liegen lassen. Ich konnte mit ihnen nichts anfangen, sie waren mir zu spekulativ. Oder unsympathisch, was weiß ich.
Kann aber in beiden Fällen ein Vorurteil sein.
Das dialektische Moment allerdings fesselte mich sehr, habe es aber bei den Schriften des jungen Karl Marx referiert gefunden - da waren jede Menge Extrakte von Hegel.
closs hat geschrieben:Dazu gehört - und da sind Augustinus und Descartes zu nennen - , dass man überhaupt erstmal kapiert, dass Wahrnehmung eine andere Kategorie ist als Realität/Sein, und jegliche Wahrnehmung unter Vorbehalt des gewählten Systems steht.
Das sehe ich auch so.
Mich wundert eigentlich, dass in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten dieses Bewusstsein dafür in so vielen Bereichen wieder verloren gegangen zu sein scheint. Zumindest seit Kant wähnte ich das fest verankert in den Köpfen, klare Voraussetzung sämtlicher Wissenschaften.
Ich erlebte das als einen starken Rückgang, wieder zurück zu der Zeit vor Kant, wo, wie im Mittelalter, sogar die Begriffe als eine reale göttliche Existenz aufgefasst wurden.
- Praktisch heisst das:
Ein sogenannter "bibeltreuer Christ" müsste wissen, dass die Bibel nicht die Wahrheit/die Realität/das Sein "ist", sondern eine Chiffre, also eine Wahrnehmungs-Hilfe dazu ist. - Dasselbe gälte dann auf der anderen Seite auch für den Naturwissenschaftler, der wissen müsste, dass seine Methodik ebenfalls kategorial "nur" eine Wahrnehmungs-Hilfe ist, nicht aber die Realität selbst. -
Zumindest der Naturwissenschaftler müsste es wissen, ja.
Aber es würde mit zu einer Metawissenschaft dieser Art gehören, dass man heute so gerne wieder zeitlich hinter Kant zurückgeht - in mehreren Bereichen.
Gerade wenn ich das dialektische Element ernst nehme - und ich nehme es ernst, weil ich glaube, dass der Mensch so funktioniert und immer Gegenbewegungen zu gerade herrschenden Auffassungen entwirft -, wäre in so einer Metawissenschaft die Frage zu erörtern, warum ein so starkes Bedürfnis besteht, die eigene Wahrnehmung für die einzig mögliche Realität zu halten.
closs hat geschrieben:Und darüber würde ich gerne ein Erkenntnis-System (Meta-System) setzen, das sagt: Jeder braucht ein System der Wahrnehmung - ohne geht nicht. -
Jetzt Vorsicht! Ein Metasystem hat nicht den Auftrag, zu belehren, wie man zu erkennen habe. Ein Metasystem verfolgt keine Mission, was richtig und was falsch ist. Du hast selber irgendwo die Wertfreiheit betont.
Der Punkt ist: Wenn man sich über bestimmte Arten des Denkens aufregt und sich dann hinsetzt, um diese verschiedenen Denkweisen zu sammeln, dann geht dieses Aufregen darüber nämlich weg. Dann fängt man an zu verstehen, was eigentlich dahinter stehen könnte und dass es - dialektisch gesehen - eine Gegenreaktion auf etwas ist, was übertrieben als einzig mögliches Denken vorrherrschte.
Das heißt, man kommt weg davon, einzelne Symptome zu benörgeln, sondern man sucht nach einem Metasystem, das diese Symptome einbegreift als Teil dessen, was sich entwickelt oder entwickeln will.