Dogmen

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#231 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Sa 20. Aug 2016, 12:07

sven23 hat geschrieben:Also wieder mal die Forderung nach dem Glaubensentscheid.
Diese Glaubensentscheidung fällt doch in erster Linie bei der säkular beschräünkten Forschung - siehst Du das nicht?

sven23 hat geschrieben:Es geht nicht nur um Verständnisfragen. Wenn die Evangelien gar nicht von Aposteln stammen, ...
Wenn bspw. die RKK behauptet, dass eine vorliegende Schrift vom Evangelisten stammen muss, obwohl sie auf das Jahr 120 n.Chr. sicher datierbar ist, kritisiere ich dies auch. Aus meiner Sicht definiert sie die Notwendigkeit der Historizität zu eng - und was dazu kommt: Wenn man genauer nachfragt, differenziert sich das auch. - Also nicht alles, was aus säkularer Sicht "so" verstanden wird, ist auch so gemeint. - Aber das wäre ein eigenes Thema.

sven23 hat geschrieben:Vom Irrtum der Naherwartung ganz zu schweigen.
Das wiederum ist ein Bsp. dafür, dass eine säkulare Sicht überhaupt nicht versteht, was das NT eigentlich ist. Man interpretiert nach seinen Möglichkeiten und liegt damit nach meiner festen Überzeugung ganz einfach falsch. Blöd gelaufen.

sven23 hat geschrieben:Doch, genau darum geht es. Genauer gesagt, um Wissenschaft contra Glaubensdogmatik. Deshalb ist Ratzinger ja auf den Glaubensentscheid angewiesen.
Hier ist der Knackpunkt. Denn "Deine" Fraktion weigert sich zu erkennen, dass sie selber einen Glaubensentscheid getroffen hat, bevor sie zu ihrem Ergebnis kommt. Das ist doch gerade diese unheilvolle Selbst-Immunisierung.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger-Exegese war die Schnapsidee, Wissenschaft mit Glaubensdogmatik zu verbinden. So etwas muss immer scheitern.
Es war der Versuch, Wissenschaft zum Geistigen hin zu öffnen. Ob das gelingen kann, weiss ich nicht - jedenfalls müsste es dann gar nicht gelingen, wenn Wissenschaft bei ihren Leisten bleiben würde und sich rein als Informations-Lieferant von objektiv Beobachtbarem OHNE Interpretation desselben verstehen würde.

Deshalb nochmal: Ratzi hat RE-agiert auf eine De-facto-Ideologisierung der HKM innerhalb der Theologie.

sven23 hat geschrieben:Und warum dann immer der Hinweis, es gäbe noch irgendeine andere Art von Wissenschaft, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehme?
Genau formuliert müsste es heißen:

Es gibt eigentlich nur EINE Wissenschaft, die aber nur dann ihre Einheit behalten kann, wenn sie nicht weltanschaulich unterminiert wird. Dann aber kann sie nur Hilfskraft in der Theologie sein und nicht Deutungshoheit beanspruchen. Die substantielle Deutungs-Hoheit kann nur auf geistiger Seite sein.

Was heisst das? Entweder die Wissenschaft öffnet sich zum Geistigen hin und hat dann auch eine Deutungs-Hoheit (allerdings ist dann die Schisma-Gefahr innerhalb der Wissenschaft tatsächlich recht hoch, weil "Deutung" ja immer "Weltanschauung" heisst. - Oder sie bleibt diszipliniert eine Hilfskraft innerhalb der Theologie. - Beides gleichzeitig geht nicht.

Pluto
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#232 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Sa 20. Aug 2016, 12:24

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Vom Irrtum der Naherwartung ganz zu schweigen.
Das wiederum ist ein Bsp. dafür, dass eine säkulare Sicht überhaupt nicht versteht, was das NT eigentlich ist. Man interpretiert nach seinen Möglichkeiten und liegt damit nach meiner festen Überzeugung ganz einfach falsch.
Wie kann man falsch liegen, wenn folgende Worte Jesus zugesprochen werden?
Matthäus 10,23: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird.
bei Markus 13,30: Diese Generation wird nicht vergehen, bis dieses alles geschehen sein wird.

Welche Dokumente, stellen dies diese Aussagen Jesus' in Frage?

closs hat geschrieben:Hier ist der Knackpunkt. Denn "Deine" Fraktion weigert sich zu erkennen, dass sie selber einen Glaubensentscheid getroffen hat, bevor sie zu ihrem Ergebnis kommt. Das ist doch gerade diese unheilvolle Selbst-Immunisierung.
Das ist doch schlichter Unsinn! Folgt man dieser Argumentation wäre das Nicht Sammeln von Briefmarken ein Hobby.

Wenn man KEINEN Glaubensentscheid trifft, legt man sich doch nicht fest. Genau das sollte man erwarten dürfen, wenn man ergebnisoffen an die Bibel herangeht.

closs hat geschrieben:Es gibt eigentlich nur EINE Wissenschaft, die aber nur dann ihre Einheit behalten kann, wenn sie nicht weltanschaulich unterminiert wird.
Warum tut die kanonische Exegse das dan andauernd mit ihrem Glaubensentscheid?

closs hat geschrieben:Die substantielle Deutungs-Hoheit kann nur auf geistiger Seite sein.
Das weise ich entschieden zurück, weil es eine ideologische Glaubensbehauptung ist.

closs hat geschrieben:Entweder die Wissenschaft öffnet sich zum Geistigen hin und hat dann auch eine Deutungs-Hoheit (allerdings ist dann die Schisma-Gefahr innerhalb der Wissenschaft tatsächlich recht hoch, weil "Deutung" ja immer "Weltanschauung" heisst. - Oder sie bleibt diszipliniert eine Hilfskraft innerhalb der Theologie. - Beides gleichzeitig geht nicht.
Warum geht das nicht? Die HKM ist eine unabhängige Disziplin innerhalb der Theologie. Als solche hat sie den Auftrag ergebnisoffen zu forschen und ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen.
Wenn das manchen dogmatischen Exegeten ncht passt, kann man das der (disziplinierten) HKM nicht ankreiden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#233 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Sa 20. Aug 2016, 13:11

Pluto hat geschrieben:Wie kann man falsch liegen, wenn folgende Worte Jesus zugesprochen werden?
Hatten wir schon tausendfach. - Das erste Zitat ist in der Tat ein starkes Argument - woanders steht, dass das Gottesreich in einem selbst ist - also 1:1. - Beim 2. Zitat sollte es nicht "Generation", sondern "Geschlecht" bzw. "Volk" heißen - so findest Du es in Bibelübesetzungen genauso. - Also komplett offen.

Es gibt ganz einfach Widersprüche in der Jesus-Rezeption, die in den uns vorliegenden Texten abgebildet ist. Damit müssen wir leben.

Pluto hat geschrieben:Wenn man KEINEN Glaubensentscheid trifft, legt man sich doch nicht fest. Genau das sollte man erwarten dürfen, wenn man ergebnisoffen an die Bibel herangeht.
Die HKM geht NICHT ergebnisoffen vor, bezieht man ihre methodischen Grundlagen mit ein. - Eine Methodik, die geistige Antworten nicht vorsieht, ist INNERHALB ihrer Methodik ergebnisoffen, aber doch nicht absolut ergebnisoffen.

Pluto hat geschrieben:Warum tut die kanonische Exegse das dan andauernd mit ihrem Glaubensentscheid?
Sie sagt: "Wenn Du wissenschaftlich innerhalb der Theologie arbeiten willst, solltest Du die geistigen Grundlagen des Christentums verstanden haben". - Wie gesagt: Mir wäre lieber, wenn man Wissenschaft auf das fokussieren würde, was sie ist: Informations-Beschaffer für die Theologie, aber nicht innerhalb der Theologie. - Insofern sehe ich die Kanonische Exegese auch nicht als das Gelbe vom Ei.

Pluto hat geschrieben:Das weise ich entschieden zurück, weil es eine ideologische Glaubensbehauptung ist.
Was ist die Alternative? Eine methodisches System-Objektivität, die bauartbedingt nur an der Oberfläche kratzen kann?

Auch hier wieder:
Es gäbe diese Diskussion nicht, wenn man Wissenschaft als beobachtende und diese Beobachtungen BESCHREIBENDE, ABER NICHT INTERPRETIERENDE Disziplin verstehen würde. Dann ist alles andere ein inner-theologischer, aber kein historisch-kritischer Diskurs.

Pluto hat geschrieben: Die HKM ist eine unabhängige Disziplin innerhalb der Theologie.
Was wäre dann Theologie? Eine religions-wissenschaftliche Disziplin ohne inneren Bezug ("Wir stellen fest, dass Hottentotten im 19. Jh. sich vor dem Essen gegen Norden verneigt haben und Moslems dies nach Osten tun") oder eine Insider-Disziplin, die von Menschen betrieben wird, die innerlich die Substanz des Christentums begriffen haben?

Im übrigen spricht nichts dagegen, wenn die HKM innerhalb der Theologie arbeitet, aber dann halt bitte ohne Mandat zu weltanschaulicher Deutung, die ja - wir wir hoffentlich inzwischen alle Wissen - immer nur säkulare Deutung sein kann im Sinne von "Was bedeutet die Bibel, wenn es Gott NICHT gibt?".

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#234 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Sa 20. Aug 2016, 16:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie kann man falsch liegen, wenn folgende Worte Jesus zugesprochen werden?
Hatten wir schon tausendfach.
Weiß ich. :angel:
closs hat geschrieben:Das erste Zitat ist in der Tat ein starkes Argument - woanders steht, dass das Gottesreich in einem selbst ist - also 1:1.
Nix. 1:1
Meinst du vielleicht Lukas 9,27
Es sind etliche unter denen, die hier stehen, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes sehen.

Fakt ist: Die Evangelien sind voll von Aussagen zur Naherwartung Jesus'. Erst viel später, als man merkte, dass Gottes Reich nicht eintraf, haben Leute wie Paulus zurückgerudert und die Naherwartung in die Ferne gerückt.

closs hat geschrieben:Es gibt ganz einfach Widersprüche in der Jesus-Rezeption, die in den uns vorliegenden Texten abgebildet ist. Damit müssen wir leben.
Was ist Rezeption, wenn sie nicht den Aussagen der Bibel folgt?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn man KEINEN Glaubensentscheid trifft, legt man sich doch nicht fest. Genau das sollte man erwarten dürfen, wenn man ergebnisoffen an die Bibel herangeht.
Die HKM geht NICHT ergebnisoffen vor, bezieht man ihre methodischen Grundlagen mit ein.
Das weise ich als reine Erfindung zurück. Oder kannst du es begründen?

closs hat geschrieben:Eine Methodik, die geistige Antworten nicht vorsieht, ist INNERHALB ihrer Methodik ergebnisoffen, aber doch nicht absolut ergebnisoffen.
Auch wieder eine Behauptung.
Entweder die Forschung ist ergebnisoffen, oder nicht.
Was ganz sicher NICHT ergebnisoffen ist, ist wenn zunächst ein Glaubensentscheid gefordert wird. Das ergibt keinen Sinn!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum tut die kanonische Exegse das dan andauernd mit ihrem Glaubensentscheid?
Sie sagt: "Wenn Du wissenschaftlich innerhalb der Theologie arbeiten willst, solltest Du die geistigen Grundlagen des Christentums verstanden haben".
Ist es denn ergebnisoffen wenn man der Forschung Fesseln anlegt, in dem man ihr Bedingungen stellt?

closs hat geschrieben:Wie gesagt: Mir wäre lieber, wenn man Wissenschaft auf das fokussieren würde, was sie ist: Informations-Beschaffer für die Theologie
Die HK tut doch nichts anderes.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das weise ich entschieden zurück, weil es eine ideologische Glaubensbehauptung ist.
Was ist die Alternative? Eine methodisches System-Objektivität, die bauartbedingt nur an der Oberfläche kratzen kann?
Die Alternative ist, die Ergebnisse der HKM nicht zu einer Unterdisziplin herabzustufen, wie das die kanonische Exegese tut, sondern die Ergebnisse anzuerkennen.

closs hat geschrieben:Es gäbe diese Diskussion nicht, wenn man Wissenschaft als beobachtende und diese Beobachtungen BESCHREIBENDE, ABER NICHT INTERPRETIERENDE Disziplin verstehen würde. Dann ist alles andere ein inner-theologischer, aber kein historisch-kritischer Diskurs.
Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen:
Es gäbe diese Diskussion nicht, wenn die Wissenschaft Methodik als die geeignetste Disziplin zur Wahrheitsfindung betrachten würde.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die HKM ist eine unabhängige Disziplin innerhalb der Theologie.
Was wäre dann Theologie? Eine religions-wissenschaftliche Disziplin ohne inneren Bezug
Eine Disziplin die ergebnisoffen ist, muss sich zunächst von Dogmen, Ideologien und Glaubensentscheiden befreien. Erst dann kann sie von sich behaupten, ergebnisoffen zu arbeiten. So lange wie die Theologie auf den Glauben an Gott beharrt, kann sie nicht anders als zu den Ergebnissen kommen, die uns bekannt sind.

closs hat geschrieben:("Wir stellen fest, dass Hottentotten im 19. Jh. sich vor dem Essen gegen Norden verneigt haben und Moslems dies nach Osten tun") oder eine Insider-Disziplin, die von Menschen betrieben wird, die innerlich die Substanz des Christentums begriffen haben?
Nee. Wie wärs mit etwas subastanziellerem: Wir stellen fest, dass die Evangelien über die Naherwartung von Jesus berichten.
Das wäre zumindest redlich.

closs hat geschrieben:Im übrigen spricht nichts dagegen, wenn die HKM innerhalb der Theologie arbeitet, aber dann halt bitte ohne Mandat zu weltanschaulicher Deutung, die ja - wir wir hoffentlich inzwischen alle Wissen - immer nur säkulare Deutung sein kann im Sinne von "Was bedeutet die Bibel, wenn es Gott NICHT gibt?".
Nun... Die HKM geht nicht davon aus, dass es Gott nicht gibt. Sie versucht uns wertfrei und interessenlos der Wahrheit näher zu bringen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#235 Re: Dogmen

Beitrag von closs » Sa 20. Aug 2016, 20:40

Pluto hat geschrieben:Meinst du vielleicht Lukas 9,27
Nein:
Lukas 17:21: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“.

Pluto hat geschrieben:Fakt ist: Die Evangelien sind voll von Aussagen zur Naherwartung Jesu
Stimmt - aber durchmischt in "äußerem" und "innerem" Verständnis.

Pluto hat geschrieben:Erst viel später, als man merkte, dass Gottes Reich nicht eintraf, haben Leute wie Paulus zurückgerudert und die Naherwartung in die Ferne gerückt.
Stimmt - diejenigen, die sich bei ihrer ursprünglichen Interpretation am Zeitgeist orientiert hatten, haben ihre Meinung geändert. - Die entscheidende exegetische Frage ist nun:
a) Haben sie sich damit von Jesu persönlicher Haltung entfernt?
b) Oder haben sie sich damit dessen Haltung angenähert?

Die säkular-exegetische Fraktion sagt a), die kirchlich-exegetische Fraktion sagt b).

Pluto hat geschrieben:Was ist Rezeption, wenn sie nicht den Aussagen der Bibel folgt?
Mit "Rezeption" meine ich die Bibel selbst, deren Texte ÜBER Gott/Jesus sind, aber nicht VON Gott/Jesus. - Wie rezipieren die Evangelisten Jesus?

Pluto hat geschrieben:Das weise ich als reine Erfindung zurück. Oder kannst du es begründen?
X-mal passiert. Gerne für Dich noch einmal im Schnelldurchlauf:

1) Die historisch-kritische Methodik basiert auf dem kritischen Rationalismus.
2) Kritischer Rationalismus beachtet nichts, was nicht intersubjektiv nachweisbar ist.
3) Da intersubjektiv nicht nachweisbar ist, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, ist dieses somit irrelevant.
4) Somit kann die HKM nur so interpretieren, als sei Jesus nur Mensch, weil dies nachweisbar ist.
5) Interpretiert sie aber so, präjudiziert sie Interpretations-Spielräume. Damit ist sie nicht mehr ergebnisoffen.

Damit ist im Grunde das ganze Elend der HKM skizziert - sie kann nur a-theologisch interpretieren. Und dementsprechend sind die Ergebnisse - in sich zwar sauber entwickelt, aber dann falsch, wenn Jesus wirklich (also historisch) "Gottes Sohn"/Gott ist.

Pluto hat geschrieben:Entweder die Forschung ist ergebnisoffen, oder nicht.
Wie Du siehst, ist es nicht so einfach. Die HKM ist innerhalb ihres methodischen Spielraums ergebnis-offen, darüber hinaus aber eben NICHT.

Pluto hat geschrieben:Ist es denn ergebnisoffen wenn man der Forschung Fesseln anlegt, in dem man ihr Bedingungen stellt?
Nein, im Gegenteil: Sie sollte sich ihrer methodischen Fesseln entledigen, indem sie wenigstens ihre Beobachtungen auch für den Fall interpretiert, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist.

Pluto hat geschrieben:Die HK tut doch nichts anderes.
Sie interpretiert darüber hinaus säkular, also weltanschaulich.

Pluto hat geschrieben:Die Alternative ist, die Ergebnisse der HKM nicht zu einer Unterdisziplin herabzustufen, wie das die kanonische Exegese tut, sondern die Ergebnisse anzuerkennen.
Die reinen Sacherkenntnisse werden doch ernst genommen, nicht aber die säkularen Interpretationen, die über Aussagen zu den Quellen/Verfassern selbst hinaus gehen.

Die HKM kann sagen "Es gibt deutliche Hinweise, dass Paulus zeitweise an eine Naherwartung glaubte", aber nicht "Jesus hatte eine Naherwartung". Tut sie es doch, agiert sie wissenschaftlich undiszipliniert und weltanschaulich.

Pluto hat geschrieben:Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen:Es gäbe diese Diskussion nicht, wenn die Wissenschaft Methodik als die geeignetste Disziplin zur Wahrheitsfindung betrachten würde.
Sie sollte aber das Präjudizierende dieser Methodik erkennen.

Pluto hat geschrieben:So lange wie die Theologie auf den Glauben an Gott beharrt, kann sie nicht anders als zu den Ergebnissen kommen, die uns bekannt sind.
Eben - die Leute haben sich ja was dabei gedacht. Wiewohl es auch da Entwicklungen gibt.

Aber prinzipiell hast Du recht: Glaube an Gott führt wissenschaftlich zu anderen Interpretationen als Glaube an ein säkulares Weltbild.

Pluto hat geschrieben:Wie wärs mit etwas subastanziellerem: Wir stellen fest, dass die Evangelien über die Naherwartung von Jesus berichten.
Das tun beide Seiten. - Wobei die eine Seite die Frage "Was ist Naherwartung überhaupt und woran macht sie sich fest?" anders beantwortet/interpretiert als die andere Seite. Aus obigen Gründen.

Pluto hat geschrieben: Die HKM geht nicht davon aus, dass es Gott nicht gibt.
De facto doch - darauf ist ihre Methodik aufgebaut.

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#236 Re: Dogmen

Beitrag von Halman » Sa 20. Aug 2016, 22:57

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Der Begriff "intellektuelle Redlichkeit" ist zum inhaltslosen Kampfbegriff geworden - das bringt nix.
Du magst darüber spotten. Aber für viele Menschen ist intellektuelle Redlichkeit ein Synonym für Ehrlichkeit.
Hier muss ich Kurt zustimmen. Hier im Forum wird der Begriff "intellektuelle Redlichkeit" in der Tat als Kampfbegriff verwendet.

Bezogen auf so manche christliche User hier ist die Einforderrung von intellektueller Redlichkeit zwar angebracht, dies räume ich ein, aber er wird doch großzügig, hoch zu Ross, als Keule gebraucht gegen all jene, welche nicht zur Bultmann-Schule Beifall klatschen (als wenn man dies hier erwarten dürfte). Dagegen hilft nur der Helm "Dickes Fell".
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#237 Re: Dogmen

Beitrag von Pluto » Sa 20. Aug 2016, 23:49

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Meinst du vielleicht Lukas 9,27
Nein:
Lukas 17:21: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“.
Du übersiehst Lukas 9,27.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Fakt ist: Die Evangelien sind voll von Aussagen zur Naherwartung Jesu
Stimmt - aber durchmischt in "äußerem" und "innerem" Verständnis.
Hä?

closs hat geschrieben:Die entscheidende exegetische Frage ist nun:
a) Haben sie sich damit von Jesu persönlicher Haltung entfernt?
b) Oder haben sie sich damit dessen Haltung angenähert?

Die säkular-exegetische Fraktion sagt a), die kirchlich-exegetische Fraktion sagt b).
Und ich sage (c):
Sie haben versucht Jesus zu schützen in dem sie die Parusie verschoben.

closs hat geschrieben:Wie rezipieren die Evangelisten Jesus?
Er predigte die kurz bevorstehende Parusie, ZU LEBZEITEN seiner Zuhörer.
Das ist biblischer Fakt.

closs hat geschrieben:Damit ist im Grunde das ganze Elend der HKM skizziert - sie kann nur a-theologisch interpretieren. Und dementsprechend sind die Ergebnisse - in sich zwar sauber entwickelt, aber dann falsch, wenn Jesus wirklich (also historisch) "Gottes Sohn"/Gott ist.
Woher weißt du, dass es so sein könnte?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Entweder die Forschung ist ergebnisoffen, oder nicht.
Wie Du siehst, ist es nicht so einfach.
Doch es ist so einfach.

closs hat geschrieben:Die HKM ist innerhalb ihres methodischen Spielraums ergebnis-offen, darüber hinaus aber eben NICHT.
Welchen Spielraum denn?

closs hat geschrieben:Sie sollte sich ihrer methodischen Fesseln entledigen, indem sie wenigstens ihre Beobachtungen auch für den Fall interpretiert, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist.
Das soll

Pluto hat geschrieben:Die HK tut doch nichts anderes.
Sie interpretiert darüber hinaus säkular, also weltanschaulich.

Pluto hat geschrieben:Die Alternative ist, die Ergebnisse der HKM nicht zu einer Unterdisziplin herabzustufen, wie das die kanonische Exegese tut, sondern die Ergebnisse anzuerkennen.
Die reinen Sacherkenntnisse werden doch ernst genommen, nicht aber die säkularen Interpretationen, die über Aussagen zu den Quellen/Verfassern selbst hinaus gehen.

Die HKM kann sagen "Es gibt deutliche Hinweise, dass Paulus zeitweise an eine Naherwartung glaubte", aber nicht "Jesus hatte eine Naherwartung". Tut sie es doch, agiert sie wissenschaftlich undiszipliniert und weltanschaulich.

Pluto hat geschrieben:Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen:Es gäbe diese Diskussion nicht, wenn die Wissenschaft Methodik als die geeignetste Disziplin zur Wahrheitsfindung betrachten würde.
Sie sollte aber das Präjudizierende dieser Methodik erkennen.

closs hat geschrieben:Aber prinzipiell hast Du recht: Glaube an Gott führt wissenschaftlich zu anderen Interpretationen als Glaube an ein säkulares Weltbild.
Die Wahrheit kann aber nicht vom Weltbild abhängig gemacht werden.

closs hat geschrieben:Wobei die eine Seite die Frage "Was ist Naherwartung überhaupt und woran macht sie sich fest?" anders beantwortet/interpretiert als die andere Seite. Aus obigen Gründen.
Geht nicht. Die Bibel ist das einzige Beweismittel, und was in den Evangelien steht ist eindeutig.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die HKM geht nicht davon aus, dass es Gott nicht gibt.
De facto doch - darauf ist ihre Methodik aufgebaut.
Da irst du dich gewaltig.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#238 Re: Dogmen

Beitrag von closs » So 21. Aug 2016, 00:07

Pluto hat geschrieben:Er predigte die kurz bevorstehende Parusie, ZU LEBZEITEN seiner Zuhörer.
Er predigte natürlich das nahe Gottesreich - hier sind die Rezeptionen sicherlich unbestritten richtig: Aber doch nicht notwendigerweise in dem Sinne, in dem es heute weitgehend in der HKM vertreten wird. - Es ist doch nicht bestritten, dass Jesus das nahe Gottesreich gepredigt hat - das ist eine Kernaussage des NT.

Pluto hat geschrieben:Woher weißt du, dass es so sein könnte?
"Wissen" tun wir gar nichts - aber nur unter dieser Annahme macht die Bibel Sinn. Davon abgesehen, dass man das automatisch herausliest, wenn man die Bibel geistig verstanden hat.

Pluto hat geschrieben:Welchen Spielraum denn?
Des methodischen Spielraums. Dessen, was die methodischen Setzungen ermöglichen.

Pluto hat geschrieben:Die Wahrheit kann aber nicht vom Weltbild abhängig gemacht werden.
Das gilt doch für das säkulare Weltbild genauso!!!

Pluto hat geschrieben:Die Bibel ist das einzige Beweismittel, und was in den Evangelien steht ist eindeutig.
Wenn, dann steht es dort für BEIDE Seiten eindeutig. - Das führt nicht weiter.

Pluto hat geschrieben:Da irst du dich gewaltig.
Dann durchdenke nochmals die Grundlagen des Kritischen Rationalismus.

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#239 Re: Dogmen

Beitrag von Münek » So 21. Aug 2016, 02:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also wieder mal die Forderung nach dem Glaubensentscheid.
Diese Glaubensentscheidung fällt doch in erster Linie bei der säkular beschräünkten Forschung - siehst Du das nicht?
Kurt - DER Witz war gut - Du überrascht mich mit Deinem (unfreiwilligen) Humor immer wieder aufs Neue. :thumbup: :lol:

Dass die säkular beschränkte historische Forschung den Glauben an Geister, Götter und Dämonen und himmlisch geschmiedete Heilsplä-
ne sowie an ein ewiges Leben in nie endender Glückseligkeit etc. bei ihrer seriösen Tätigkeit außen vor lässt, sollte man ihr nicht übel nehmen.


Eine solche professionelle Einstellung kann nur dem Gebot der NÜCHTERNHEIT und INTELLEKTUELLEN REDLICHKEIT geschuldet sein. Ehrlichkeit
- sonst nichts - ist wichtig.

Ratzingers Forderung, Exegeten hätten sich für den Gottes- und Christusglauben zu entscheiden und diesen Glauben zwingend ihrer wissenschaftlich-historischen Arbeit zu Grunde zu legen, ist nicht nur naiv, sondern schlicht blödsinnig - dieser alte Mann ist Gefan-
gener seiner Illusionen.

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#240 Re: Dogmen

Beitrag von Münek » So 21. Aug 2016, 02:42

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht nicht nur um Verständnisfragen. Wenn die Evangelien gar nicht von Aposteln stammen, ...
Wenn bspw. die RKK behauptet, dass eine vorliegende Schrift vom Evangelisten stammen muss, obwohl sie auf das Jahr 120 n.Chr. sicher datierbar ist, kritisiere ich dies auch.
Die neutestamentliche Exegese befasst sich mit historischen Fragen. Wenn sie beispielsweise einvernehmlich die Geburtsgeschichten Jesu als Legenden entlarvt, kann Ratzinger nicht von der Historizität der Überlieferungen ausgehen (Band 3 seines Jesusbuches), ohne sich mit den Gegenargumenten der Wissenschaft ernsthaft auseinanderzusetzen.

Die widersprüchlichen Geburtsgeschichten (mit Stammbäumen und Jungfrauengeburt) sind ja nur ein Beispiel unter vielen, bei dem die wissenschaftliche Exegese mit guten Gründen festgestellt hat: So wie es von den Evangelisten überliefert wurde, kann es nicht gewesen sein.

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