Was genau ist denn Geist?

Rund um Bibel und Glaube
Samantha

#231 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Samantha » Fr 21. Nov 2014, 10:13

Münek hat geschrieben:Da bin ich diesbezüglich sehr gerne Außenseiter - und bediene mich meines Verstandes, wie es
unser lieber Königsberger Philosoph Kant seinen Landsleuten schon vor Jahrhunderten dringend
geraten hat.
Wer sich zu sehr auf seinen Verstand verlässt, weiß auch nicht mehr. Denn wenn dies jeder tut, gibt es so viele verschiedene Meinungen, die erst mal miteinander verglichen werden müssen, um eine kollektives Ergebnis zu erzielen, dass keiner mehr anzweifelt. Da bleibt dann nicht mehr viel (Verstand) übrig. :mrgreen:

Samantha

#232 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Samantha » Fr 21. Nov 2014, 10:22

Münek hat geschrieben:Wenn Du als alte Frau mit 90 Jahren im Bett eines Altenpflegeheims liegen solltest, wird
es Dir am Arsch vorbeigehen, dass Du nicht den Kilimandscharo erklommen oder die Nia-
garafälle besuchst hast oder...

Ich wette mit Dir um 100 Flaschen Champagner! :) :) :)
Im Angesichts des Todes oder bei Schmerzen bringen einem die Niagarafälle gar nichts. Wen man mit 90 aber noch fit ist (wie ich auch schon einige erleben durfte), dann hat man auch noch Wünsche und Bedürfnisse. Ansonsten wäre das "ganze" Leben ein sinnloses Unterfangen, Sinn in etwas Sinnloses hinein zu bringen - also Illusion.

Denn was ich später nicht als schön/interessant/wunderbar bewerten kann, kann auch heute nichts bedeuten. Füllst Du Deine Leere mit Illusion? :mrgreen:

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#233 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 21. Nov 2014, 10:35

Pluto hat geschrieben: und zweitens ohnehin sehr nah an der Realität
Puhh - das wäre das ultimative Argument, seine Wahrnehmung als Maßstab zu nehmen.

Wie wäre es, wenn man (in geistigen Dingen) seine Wahrnehmung als Ist-Zustand versteht, den man an einem vermuteten Soll-Zustand misst? - Dann kann es sehr wohl sein, dass Ist (Wahrnehmung) und Soll (Realität) NiCHT nahe beieinander sind.

Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#234 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Rembremerding » Fr 21. Nov 2014, 10:49

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Zu erkennen ist jeden gegeben und möglich.
Widerspricht mein gesamten Lebenserfahrung. Ich gehe im Gegenteil davon aus, dass die meisten der heutigen Sünden subjektiv als solche NICHT erkannt werden, sondern sogar nach bestem Wissen und Gewissen geschehen.
Diese Deine Aussage habe ich noch nie verstanden (man kennt sich ja :lol: ). Als ob jemand nicht fähig ist zu wissen, dass etwa Mord, Diebstahl, Ehebruch etwas ist, was Beziehungen zerstört, Menschen entwürdigt und gegen die Liebe zielt. Ich scheine ein weitaus besseres Menschenbild zu besitzen, als Du. Ich glaube an das Gute (theologisch: den göttlichen Funken) im Menschen.
Jeder ist für sein Handeln allein verantwortlich. Jeder kann sein Wissen und Gewissen dahingehend bilden, dass er Sünde erkennt. Im günstigsten Fall braucht er nur einen Christen fragen oder dessen Leben beachten.
Sich hinter das sündhafte Menschsein zu verstecken ist wie Verstecken zu spielen, indem man die Hände vor seine Augen legt.

Servus :wave:
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 5148
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

#235 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Andreas » Fr 21. Nov 2014, 11:01

Pluto hat geschrieben:Doch. Was wir wahrnehmen und empinden ist erstens entscheidend für unser Überleben und dem Wohlsein, und zweitens ohnehin sehr nah an der Realität — dafür hat die Evolution gesorgt.
Es sei denn, es geht um religiöse Wahrnehmung und spirituelles Empfinden ... Fliegendes Spaghettimonster, persönliche Anekdoten ohne Relevanz und so ... Was denn nun?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#236 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 21. Nov 2014, 11:23

Savonlinna hat geschrieben: dass man Deine "Metatheorie" vielleicht als "Erkenntnistheorie" titulieren könnte. Deckt das alles ab, was Dir vorschwebt?
Wahrscheinlich ja. - Allerdings mit dem Vorbehalt, dass auch der Begriff "Erkenntnis-Theorie" inzwischen irgendwie einseitig besetzt ist. - Ich meine es also unschuldig wörtlich: Eine Theorie, wie der Mensch erkennt.

Am nähesten dran sind hier nach meinem Dafürhalten Hegel und Heidegger - einerseits die hegelsche Dialektik, die eigentlich so einfach ist, aber irgendwie nicht in die heutigen Köpfe zu passen scheint - andererseits die heideggersche Ontologie, für die dasselbe gelten könnte.

Damit es aber nicht zu abgehoben klingt: Es geht eigentlicht darum, wie der Mensch am freiesten von Einzelsystemen erkennt, wie er zur Realität/zum Sein steht. - Dazu gehört - und da sind Augustinus und Descartes zu nennen - , dass man überhaupt erstmal kapiert, dass Wahrnehmung eine andere Kategorie ist als Realität/Sein, und jegliche Wahrnehmung unter Vorbehalt des gewählten Systems steht. - Praktisch heisst das:

Ein sogenannter "bibeltreuer Christ" müsste wissen, dass die Bibel nicht die Wahrheit/die Realität/das Sein "ist", sondern eine Chiffre, also eine Wahrnehmungs-Hilfe dazu ist. - Dasselbe gälte dann auf der anderen Seite auch für den Naturwissenschaftler, der wissen müsste, dass seine Methodik ebenfalls kategorial "nur" eine Wahrnehmungs-Hilfe ist, nicht aber die Realität selbst. - Beide müssten weiterhin wissen, dass es immer das gibt, was Heidegger "ontologische Differenz" genannt hat - sei es horizontal zwischen Wahrnehmung und Daseins-Objekt, sei es vertikal zwischen Dasein und Jenseits/Seins-Objekt.

Diese "ontologische Differenz" scheint sowohl von sog. "bibeltreuen Christen" als auch von Naturwissenschaftler gelegentlich kritisch gesehen zu werden - denn man gewinnt manchmal in beiden Fällen den Eindruck, dass das jeweilige Wahrnehmungs-System ("Bibel" oder "Kritischer Rationalismus") ÜBER die Realität/das Sein gestellt werden - im Sinne von: "Steht nicht in der Bibel, also irrelevant"/"Nicht nachweisbar, also irrelevant". - Als sei also Realität (!) irrelevant, wenn sie nicht mit dem eigenen System greifbar ist. - Dies nenne ich anthropozentrische Vorgehensweise.

Und darüber würde ich gerne ein Erkenntnis-System (Meta-System) setzen, das sagt: Jeder braucht ein System der Wahrnehmung - ohne geht nicht. - ABER: Es ist immer nur ein Behelf, der selber keinen Eigenrang in puncto Realität/Sein hat. - Denn es könnte theoretisch sein, dass die Bibel von vorne bis hinten gefälscht ist - es könnte ebenfalls sein, dass unsere sogenannte objektivierte Wahrnehmung nichts anderes als ein Streich unseres Gehirns ist. - Ich glaube, dass dem NICHT so ist - aber es ist eben ein Glaube und kein Wissen.

Mit anderen Worten: Man muss bei aller Überzeugung in Bezug auf das eigene Erkenntnis-System das Sein auch unbekannterweise darüber stellen - also als letzte Relevanz erkennen - und nicht als Irrelevanz, weil es im eigenen System nicht vorkommt.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#237 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » Fr 21. Nov 2014, 11:42

Savonlinna hat geschrieben:Für mich also ist wahrnehmbar: Ausdehnung und Veränderung. Der Rest ist menschliche Messtechnik.
Damit triffst du ins Schwarze. :)
Für Einstein war/ist Zeit einfach der Abstand zwischen zwei oder mehreren Ereignissen auf der von ihm postulierten Zeitachse. So kann (laut dieser Definition) Zeit nur existieren (vergehen) wenn etwas passiert.

Zeitlosigkeit bedeutet für mich dann Ereignislosigkeit. Ein zeitloser Gott wäre somit starr und Handlungsunfähig. Wenn in der Bibel aber von einem Anfang und von der Schöpfung der Welt die Rede ist, dann kann ich nicht erkennen, wie Gott zeitlos sein kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#238 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 21. Nov 2014, 11:54

Savonlinna hat geschrieben:"Zeit" entpuppt sich also für mich als ein praktischer Begriff, der letztlich nur die Tatsache meinen kann, dass für unsere Augen und Ohren sich ohne Unterlass alles verändert.
Aber die Zeit ist doch trotzdem keine Hilfs-Erfindung des Menschen? - Mit anderen Worten: Selbst wenn man die Zeit nicht in Tage und Stunden einteilt, geht die Sonne auf und unter.

Ich würde Zeit also nicht als erkenntnis-theoretischen Hilfsbegriff verstehen, sondern tatsächlich als Realität im Dasein. - Will heißen: Auch unabhängig von unserer Wahrnehmung geht die Sonne auf und unter.

Theologisch/spirituell gesprochen glaube ich, dass der "Sündenfall" eine Chiffre für den Fall in den Zeit-Raum ist, da der Baum der Erkenntnis gleichzusetzen ist mit dem Baum der Bewusstseins-Entwicklung - und dazu bedarf es der Zeit und somit des Daseins. Dieser Gedanke kann so weit führen, dass die Zeit erschaffen wurde, um den Menschen geistiges Bewusstsein entwickeln lassen zu können - und genau das ging im sog. Paradies NICHT, das aus meiner Sicht keine körperliche Welt beschreibt, sondern in seiner Idylle Chiffre ist für das geistige Sein vor dem materiellen Dasein. - Der Löwe, der dort neben dem Schaf ruht, weil er sich von Früchten und Samen ernährt, erscheint als der Versuch, das unbeschreibbare Sein der geistigen Idylle zu verbildlichen - eine Visio Beatifica, nur eben ohne eigenes Bewusstsein.

ThomasM hat geschrieben:In unserer Diskussion wäre zu fragen: Was ist Geist oder gar Gottes Geist in diesem Bild.
Aus meiner Sicht das, aus dem Zeit als Schöpfung kommt, das aber selbst über der Zeit ist. - Ich glaube persönlich, dass es im Göttlichen weder Vergangenheit noch Zukunft, sondern ausschließlich Gegenwart gibt - die sich allerding aus UNSERER Daseins-Wahrnehmung auf verschiedene Zeiten verteilt - konkret: Ob ein Soldat Alexanders des Großen im Jahr 333 v.Chr. bei Issos erstochen wurde oder heute in Syrien, "ist" genauso gegenwärtig für Gott. - Es gibt also kein Vergangenes und Zukünftiges - außer in unserer beschränkten Wahrnehmung.

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#239 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von ThomasM » Fr 21. Nov 2014, 12:08

closs hat geschrieben: Ich glaube persönlich, dass es im Göttlichen weder Vergangenheit noch Zukunft, sondern ausschließlich Gegenwart gibt - die sich allerding aus UNSERER Daseins-Wahrnehmung auf verschiedene Zeiten verteilt - konkret: Ob ein Soldat Alexanders des Großen im Jahr 333 v.Chr. bei Issos erstochen wurde oder heute in Syrien, "ist" genauso gegenwärtig für Gott. - Es gibt also kein Vergangenes und Zukünftiges - außer in unserer beschränkten Wahrnehmung.
Dann wäre mit deiner Einstellung Gott also kein handelnder Gott. Dass er handelt ist eine Illusion von uns.
Es gab nie eine Schöpfung, denn alles nicht-Schöpfung und Schöpfung, Anfang und Ende, Sündenfall und Erlösung, Himmel und Feuersee, war immer schon da und ändert sich nie.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#240 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 21. Nov 2014, 12:12

Rembremerding hat geschrieben: Ich scheine ein weitaus besseres Menschenbild zu besitzen, als Du.
Das ist die Frage - denn mein Bild ist frei von persönlicher Verurteilung, da ich den Menschen mehr als Opfer denn als Täter sehe.

Rembremerding hat geschrieben:Ich glaube an das Gute (theologisch: den göttlichen Funken) im Menschen.
Da sind wir uns einig. - Allerdings muss dieser Funke etwas haben, an dem er zündet. - Konkret:

Wir haben eine Gasheizung in unserem Wohnwagen, die nicht ansprang, obwohl der Zündfunken wunderbar funktioniert hat. - Meine Frau hat mich dann daran erinnert, dass man vielleicht mal schauen sollte, ob die Gasflasche angedreht ist. - War sie natürlich NICHT. :lol: - Wenn wir in diesem Bild bleiben: Nach meiner Beobachtung nützt der göttliche Funke nichts, wenn in der Gasflasche Wasser ist.

Rembremerding hat geschrieben: Als ob jemand nicht fähig ist zu wissen, dass etwa Mord, Diebstahl, Ehebruch etwas ist, was Beziehungen zerstört, Menschen entwürdigt und gegen die Liebe zielt.
Der Mensch weiß es (bei entsprechender Konditionierung) nur, wenn es säkular-gesetzlich verboten ist - ansonsten NICHT. - Beispiele:

Wenn Töten als säkular-gerecht dargestellt wird, wird es NICHT als böses Tun verstanden - Krieg, Todesstrafe, etc.

Wenn Diebstahl als säkular-gerecht dargestellt wird und mit einem anderen Begriff versehen wird, wird er NICHT als böses Tun verstanden - Börsen-Gewinnler, Ein-Euro-Jobs, etc.

Wenn man einen verheirateten Menschen mit dessen Einverständnis zu Beischlaf gewinnt, wird dies NICHT als böses Tun verstanden.

Und jetzt kommt der Gag: Nachdem viele substantielle Atheisten sich als Christen bezeichnen, legen sie wert darauf, dass Töten und Stehlen unter bestimmten Gesichtspunkten erlaubt ist - man immunisiert sich also gegen den von Dir erwähnten "göttlichen Funken", indem man ihn kontrolliert einvernimmt - wie bei einer Impfung.

Und damit spätestens wären wir bei der Brillanz des Luziferischen, Diabolischen, Satanischen.

Antworten