Neuzeitliche Exegese der Bibel

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#221 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Do 1. Jan 2015, 21:04

Münek hat geschrieben:Die Verfasser der Bibel gehen von der Existenz eines personalen Gottes aus.
Stimmt - ist aus dialektischen Gründen auch aus meiner Sicht gar nicht anders möglich. - WENN es den EINEN Gott gibt, muss er aus dialektischer Logig Person sein - wenn es ontotlogisch verschiedene "Götter" gäbe, wäre es wurscht.

Münek hat geschrieben:Gott als Person lehnte Kant strikt ab.
Das kann sein (müsste ich recherchieren) - man müsste ihn fragen, warum er dann das Wort "Gott" verwendet.

Münek hat geschrieben:die Frage der Naherwartung Jesu ist in der Theologenschaft nicht strittig.
Doch - Deine Aussage kann richtig sein in Bezug auf eine historisch-kritische Linie, die aus Gründen der Ergebnisoffenheit spirituelle Zusammenhänge ausblendet.

Münek hat geschrieben: haben persönliche Glaubensvorstellungen keine Rolle zu spielen, sonst kann von Wissenschaftlichkeit der Exegese keine Rede mehr sein. Ist das so schwer zu verstehen?
Und Du scheinst nicht zu verstehen, dass ein rein reduktives Vorgehen ohne geistigen Kontext intellektueller Dadaismus ist.

Münek hat geschrieben:Das Volk hätte ihn dieserhalb überhaupt nicht verstanden.
Wahrscheinlich hat es Jesus deshalb gelassen - er sagt, dass etwas nahe ist, und weiss gleichzeitig, dass sein Publikum nicht kapiert, WAS nahe ist. - Auch heute sind Sätze wie "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" schwer vermittelbar.

Sein Publikum hat genauso wenig wie heute verstanden, dass mit der Erlösung das Reich Gottes greifbar wird - somit kann jeder (theoretisch) zu Lebzeitein begreifen, dass es so ist. - Begriffen wurde es offensichtlich aber von vielen/den meisten so, dass das Reich Gottes ein Reich auf Erden sei - "der Erbe Davids fegt demnächst die Römer weg" (oä) - ein komplettes Missverständnis. - Warum sollen die Leute damals mehr gecheckt haben als sie es heute tun?

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sven23
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#222 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 07:51

closs hat geschrieben: Damit ist doch das Reich Gottes gemeint und nicht ein irdisches Reich. - Wer hätte den der König sein sollen? Jesus? - Dann wäre die Kreuzigung ein Betriebsunfall gewesen? - Oder wie meinst Du das?

Ja eben, das Reich Gottes war gemeint, das Gegenstand der Naherwartung war.
q.e.d.


closs hat geschrieben: Benedikt hat an anderer Stelle einmal rhetorisch gefragt, ob denn die historisch-kritische Methode das Christentum weitergebracht habe? Er meint also, dass diese Methode das Christentum NICHT weitergebracht habe. - Wenn er das Historisch-Kritische lobt, dann als Methode innerhalb der Grenzen dessen, was es als Methode bewirken kann.

Kommt drauf an, wie man "weiterbringen" definiert. Wenn man an Glaubensdogmen unbedingt festhalten will, dann ist die h.k.M. natürlich eine Gefahr.
Will man dagegen wissen, was der Fall ist, dann ist sie unabdingbar.

closs hat geschrieben: Nee - das waren in diesem Fall Theologen, die einen Überblick über diverse theologische Richtungen haben - auch die historisch-kritische Richtung ist ihnen natürlich bekannt. - Aber sie sehen sie als Hilfswissenschaft zur weiteren Texterschließung (sehe ich genauso) - und sonst nichts.

Es geht der h.k.M. nicht nur um Texterschließung für Glaubensfragen, sondern um den historischen Kontext.
- wer sind die Verfasser
- wann wurden die Texte erstellt
- von wem wurden sie adapiert
- wurden sie verändert/gefälscht
- gab es interessengesteuerte Gründe für Fälschungen
- gibt es außerbiblische Quellen usw.

Daneben ist natürlich auch interessant, wo kommt der christliche Kult überhaupt her, wo sind die Wurzeln der Mythen zu finden?
Dazu haben wir in einem anderen Thread gesehen, daß womöglich dem historischen Wanderprediger Jesus fertige Myten aus anderen Kulten und Mythen übergergestülpt wurden.
Das Drehbuch war praktisch schon vorhanden, man brauchte nur noch einen Hauptdarsteller. Paulus meinte wohl, in Jesus den passenden gefunden zu haben.

http://www.bibelkritik.ch/bibel/g1.htm
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Münek
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#223 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Münek » Fr 2. Jan 2015, 08:50

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: haben persönliche Glaubensvorstellungen keine Rolle zu spielen, sonst kann von Wissenschaftlichkeit der Exegese keine Rede mehr sein. Ist das so schwer zu verstehen?
Und Du scheinst nicht zu verstehen, dass ein rein reduktives Vorgehen ohne geistigen Kontext intellektueller Dadaismus ist.

Du hast es nicht kapiert. Was ist der Grund für Deine Borniertheit?

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#224 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von Martinus » Fr 2. Jan 2015, 09:00

sven23 hat geschrieben:
Es geht der h.k.M. nicht nur um Texterschließung für Glaubensfragen, sondern um den historischen Kontext.
- wer sind die Verfasser
- wann wurden die Texte erstellt
- von wem wurden sie adapiert
- wurden sie verändert/gefälscht
- gab es interessengesteuerte Gründe für Fälschungen
- gibt es außerbiblische Quellen usw.


Die Mitarbeiter im BKZSJZ forschen weiter, :clap: Die Welt wartet auf neue Erkenntnisse :angel:
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sven23
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#225 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 09:04

Martinus hat geschrieben:
Die Mitarbeiter im BKZSJZ forschen weiter, :clap: Die Welt wartet auf neue Erkenntnisse :angel:

Die neuen Erkenntnisse liegen schon lange vor. Man muß sie auch sehen wollen.
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#226 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Fr 2. Jan 2015, 09:12

sven23 hat geschrieben:Ja eben, das Reich Gottes war gemeint, das Gegenstand der Naherwartung war. q.e.d.
Mit dem "Reich Gottes" meint Jesus NICHT ein irdisches Reich, Du Witzbold. - Allerdings gibt es christliche Glaubensgemeinschaften, die das glauben.

sven23 hat geschrieben:Kommt drauf an, wie man "weiterbringen" definiert.
Benedikt würde wahrscheinlich antworten: "Gott näherkommen".

sven23 hat geschrieben:Es geht der h.k.M. nicht nur um Texterschließung für Glaubensfragen, sondern um den historischen Kontext.
OK - Deine Auflistung ist absolut ok - so verstehe ich das Historisch-Kritische auch. - Allerdings sollte all das auch ein Ziel haben - nämlich eben der Inhalts-Erschließung/Text-Erschließung näher zu kommen - also nicht l'art pour l'art.

sven23 hat geschrieben:Dazu haben wir in einem anderen Thread gesehen, daß womöglich dem historischen Wanderprediger Jesus fertige Myten aus anderen Kulten und Mythen übergergestülpt wurden.
Jetzt verbindest Du eine wirklich neutrale wissenschaftliche Disziplin (historisch-kritische Methode) mit einer eigenen Weltanschauung - als sei das Christentum irgendein "Mythos" - statt es vollkommen wertfrei zu belassen.

Münek hat geschrieben:Du hast es nicht kapiert.
Möglicherweise doch. - Hier treffen zwei vollkommen unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander, die wissenschaftliche ERgebnisse vollkommen unterschiedlich verwerten.

Der Christ ist interessiert, Themen wie von Sven aufgeführt ....
sven23 hat geschrieben:- wer sind die Verfasser
- wann wurden die Texte erstellt
- von wem wurden sie adapiert
- wurden sie verändert/gefälscht
- gab es interessengesteuerte Gründe für Fälschungen
- gibt es außerbiblische Quellen usw.
.... in die Theologie zu integrieren.

Der Agnostiker scheint interessiert zu sein, aus diesen Themen das Christentum zu falsifizieren. - Das sind komplett unterschiedliche Perspektiven.

Der Christ denkt holistisch in spiritueller Bindung an Gott und interessiert sich für neues Wissen, evt. auch Korrekturen innerhalb der Theologie. - Der Agnostiker scheint daran interessiert zu sein, über reduktive Wahrnehmung ein atomistisch zusammengesetztes Weltbild (in Bezug aufs Christentum) schaffen zu wollen - er nennt dies "ergebnisoffen".

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sven23
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#227 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 09:29

closs hat geschrieben:Mit dem "Reich Gottes" meint Jesus NICHT ein irdisches Reich, Du Witzbold. - Allerdings gibt es christliche Glaubensgemeinschaften, die das glauben.

Wo habe ich das behauptet? Natürlich ist das Reich Gottes gemeint.
q.e.d.

closs hat geschrieben: Jetzt verbindest Du eine wirklich neutrale wissenschaftliche Disziplin (historisch-kritische Methode) mit einer eigenen Weltanschauung - als sei das Christentum irgendein "Mythos" - statt es vollkommen wertfrei zu belassen.

Das Christentum völlig isoliert zu betrachten wäre in dem Fall doch reduktionistisch gedacht.
Nur im Kontext einer historischen Entwicklung ist das Christentum zu verstehen und da spielen die aufgeführten Kulte mit ihren mythischen Elementen, die das Christentum adaptiert hat, eine wichtige Rolle. Wie könnte man das bei einer ergebnisoffenen Betrachtung ignorieren?
Die h.k.M. will keine Glaubensinhalte auf ihre spirituelle Bedeutung hin beurteilen. Sie kann höchstens untersuchen, ob Glaubensinhalte und Vorhersagen eingetroffen sind, wie im Falle der Naherwartung.
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#228 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Fr 2. Jan 2015, 09:56

sven23 hat geschrieben:Das Christentum völlig isoliert zu betrachten wäre in dem Fall doch reduktionistisch gedacht.
Es ist auch reduktionistisch, wenn man das Christentum zwar im historischen Kontext anderer Kulturen, nicht aber im spirituellen Kontext versteht.

sven23 hat geschrieben:Die h.k.M. will keine Glaubensinhalte auf ihre spirituelle Bedeutung hin beurteilen.
Das gibt sie vor und meint es wahrscheinlich auch. - Aber sie greift dann doch massiv in Glaubensinhalte ein, wenn sie Bibelstellen reduktionistisch interpretiert, hier: nicht spirituell kapiert.

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#229 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 10:23

closs hat geschrieben:Es ist auch reduktionistisch, wenn man das Christentum zwar im historischen Kontext anderer Kulturen, nicht aber im spirituellen Kontext versteht.

Und wo kommen die spirituellen Kontexte her? Auch das ist wichtig zu erkennen.
Die Kirchen haben lange genug (sie tun es eigentlich heute noch) auf das Alleinstellungsmerkmal, auf das Einzigartige, das Neue des Christentums verwiesen. Die h.k.M. hat nun gezeigt, daß dies so nicht stimmt, sondern daß das meiste aus anderen Kulten und Mythen geklaut (adaptiert) ist, die viel älter sind. Das neue war lediglich, daß man mit dem Wanderprediger Jesus einen Hauptdarsteller glaubte gefunden zu haben, der sich in die Mythologien einfügen ließ.

Solche Erkenntnisse können natürlich nicht ohne Folgen bleiben, wie Dr. Kubitza richtigerweise bemerkt.
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#230 Re: Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von closs » Fr 2. Jan 2015, 10:37

sven23 hat geschrieben:Und wo kommen die spirituellen Kontexte her?
Gestaltet wurden sie natürlich von der Kirche - aber sie kommen nicht von der Kirche. - Ein die Bibel studierender Buddhist oder Moslem würde aus seinem Glauben heraus den spirituellen Kontext genauso verstehen, weil Spiritualität ein universales Phänomen ist.

sven23 hat geschrieben: Die h.k.M. hat nun gezeigt, daß dies so nicht stimmt, sondern daß das meiste aus anderen Kulten und Mythen geklaut (adaptiert) ist, die viel älter sind.
Das wissen christliche Theologen doch ebenfalls. - Das Alleinstellungs-Merkmal ist doch nicht, dass das Christentum tabula rasa entstanden sei (so einen Unfug wirst Du von keinem christlichen Dogmatiker hören), sondern dass mit Jesus eine Figur in die Weltgeschichte tritt, in dem die Trennung zwischen Gott und Mensch überwunden wird - das gibt es in anderen Religionen nicht.

sven23 hat geschrieben:Solche Erkenntnisse können natürlich nicht ohne Folgen bleiben, wie Dr. Kubitza richtigerweise bemerkt.
Kalter Kaffee. - Kubitza hat offensichtlich die Grundlagen des Christentums nicht erkannt und stilisiert historisch-kritische Felder zu Kampffeldern hoch, die sie nie waren.

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