closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Darum taugt Ontologie für mich nicht als Metawissenschaft, denn sie ist stark weltanschaulicher Natur.
Wörtlich übersetzt als "Lehre vom Sein" finde ich das nicht - begriffs-historisch vielleicht schon. - Was wäre eine Alternativ-Benennung für eine Metawissenschaft?
Erst mal vielleicht zum "Sein". Von den Philosophen wird ja oft gefragt: Wenn es "Sein" gibt - was ist dann "Nicht-Sein"?
Kant hat irgendwo mal von den "blinden Kästen" oder so ähnlich gesprochen, die nur besetzt werden, damit die Logik bedient wird.
Ich habe viel von dem Sprachwissenschaftler Ferdinand der Saussure gelernt, der - in meinen Augen Kant weiterführend - aufgezeigt hat, dass die Sprache in Gegensätzen denkt, weil unser Verstand in Gegensätzen denkt. Vielleicht war es auch Chomsky, der das gesagt hat, aber egal.
Wir teilen die Welt auf in "Fisch" und "Nicht-Fisch", in "Haus" und "Nicht-Haus" usw.
Das eine
ist, das andere
ist nicht, in dem Sinne: von dem einen rede ich, von dem anderen nicht.
Für mich ist bei sowas elementar wichtig, für mich zu klären, was mit "Da
ist die Maus" oder "Das ist ein Tisch" ausgesagt wird, in der Umgangsprache, und möglicherweise ursprünglich.
Ich vermute, dass es eine ganz simple Notwendigkeit war, die das Wort "ist" eingeführt hat. Einmal als eine Art Gleichheitszeichen: 'Das, worauf ich zeige, gleich Tisch.' Also eine Benennung.
Genauso eine Benennung: Ich = Savonlinna. 'Ich bin Savonlinna.' Nicht etwa als Beschreibung meines kompletten Wesens, sondern nur als Etikett, damit man mich rufen kann. Man hätte mir auch eine Nummer aufkleben können.
Ähnlich bei "Da
ist die Maus". Das "ist" drückt eine Wahrnehmung aus, in dem Falle eine visuelle. Die Maus - Tier - flutscht immer im Raum rum, und nun ist sie in den sichtbaren Bereich geraten. 'Da ist sie.'
Ich sehe das Wort "ist, "bin", "sind" etc. also ursprünglich als Verb, und ursprünglich bezogen auf Sichtbarkeit, Hörbarkeit etc., also auf unsere Sinne.
Später wurde das leicht abstrakter. "Das
ist ein Problem." "Problem" ist schon sehr abstrakt, aber ich zeige das besser am Begriff "Geist" etc. nachher.
„ist“ oder der Infinitiv dazu „Ich möchte ein Hase sein“ ist ein Verb, das ist wichtig.
Ich vermute, der nächste Schritt war die Adjektivierung: "seiend". Dann kam die Substantiv ierung des Adjektivs: „das Seiende“.
Und schlussendlich abstrahierten sie den harmlosen Infinitiv „sein“ noch mehr und erfanden das Wort „Sein“.
Aber damit nicht genug: Da das Wort „Sein“ nun schon mal da war, musste es ja auch – weil die Sprache zu allem auch ein Gegenwort hat – ein „Nicht-Sein“ geben.
Man bildet Abstrakta, weil die Sprache das zulässt, und dann fragt man erschrocken, was das denn überhaupt ist, "Sein".
Die Sprache lässt auch zu, dass ich das Wort "gorbelos" bilde. Aber frage ich erschrocken, was das ist? Nein.
Das ist die eine Schiene. Die entsteht, so meine ich, wenn man nicht sorgfältig überprüft, ob die Bildung von Abstrakta überhaupt eine Basis in der Wahrnehmung hat. Ob der Scheck also gedeckt ist.
Mit Wahrnehmung meine ich jegliche Wahrnehmung, nicht nur die sinnliche. Einfach alles, was sich in uns regt, wenn wir auf die Dinge dieser Welt stoßen und uns, weil wir so gebaut sind, fragen, was das ist, was sich da in uns regt.
Und weil wir alles benennen, benennen wir auch hauchzarte Empfindungen, von denen man kaum weiß, wo sie herkommen und auch kaum bemerkbar sind.
So werden Wahrnehmungs-Gefühle benannt, ohne doch so genau zu wissen, ob die Wörter wirklich passen. Aber wenn sie mal da sind, dann nimmt man sie. „Liebe“, „Sympathie“, „Abneigung“, „Hassliebe“ – und sie finden Akzeptanz, weil solche Erfahrungen bei den meisten vorkommen. Diese Begriffe sind „gdeckte“ Schecks, sie beruhen auf konkret Wahrgenommenem.
Das wäre also die zweite Schiene.
Im Laufe der Zeit können die Produkte der beiden Schienen sich aber verändern. Aus den ursprünglich „gedeckten Checks“ können ungedeckte werden, weil man die Basis der Wahrnehmungen vergessen hat: man handelt nur noch mit Papier.
Und umgekehrt vielleicht auch: Bei Begriffen, die man rein spekulativ gebildet hat – weil man mit der Sprache das machen kann – und darum bei ihrer Entstehung ungedeckt sind, kann sich mit der Zeit eine „Deckung“ einschleichen; sie werden mit einer bestimmten Erfahrung unterfüttert.
Genauso wie ich "gorbelos" in eine Geschichte einbauen kann, in der das Wort einen Sinn bekommt und es vielleicht irgendwann in unsere Alltagsrealität schafft.
Das als Vorrede zu so schwierigen Begriffen wie „Geist“, „Gott“, „Heiliger Geist“. Um das letzte zu nehmen:
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass menschliche Erfahrungen, die im Leben gemacht wurden, mit „Auswirkungen des Heiligen Geistes“ bezeichnet werden.
Zu klären wäre da für mich keineswegs der Begriff – der wäre dann in der Tat begriffshistorisch und rezeptionsgesichichtlich klärbar -, sondern das, was diesem Begriff an konkreter Wahrnehmung zugrunde liegt.
Möchte ich also wissen, was Menschen mit dem „Heiligen Geist“ wahrnehmungstechnisch verbinden, dann müsste ich die Menschen, die ihn erfahren haben, fragen: wie sich diese Erfahrung geäußert hat.
Solche Erfahrungen sind schwer greifbar, zumal sie fast dichterische Fähigkeiten fordern, wollte man sie halbwegs verstehbar kommunizieren.
Aber das wäre für mich das A & O, um festzustellen, ob diese Erfahrungen Substanz haben, oder eben doch vor allem ungedeckte Schecks sind.