Neuzeitliche Exegese der Bibel

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#21 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 00:13

Münek hat geschrieben:Er ist auch KEIN himmlisches Wesen.
Darauf hatte ich mich bezogen: Jesus erscheint im Jüdischen wie bei einigen christlichen Glaubensgemeinschaften als Nur-Mensch.

Münek hat geschrieben:Verstehst Du mich jetzt absichtlich falsch?
Nee - ich habe wirklich kapiert, wo Du raus willst.

Münek hat geschrieben:Für Christen, die die biblischen Schriften als göttlich inspirierte, unfehlbare Wahrheiten betrachten - und zwar in allen Belangen -, sind die Ergebnisse der "historisch-kritischen Forschung" wie Stacheln im Fleisch.
Für wörtliche Bibel-Versteher trifft das zu - ich hatte mich mehr auf das universale Gottesbild des Christentums bezogen. - Du hast insofern wirklich recht, dass die Heilsgeschichte der offiziellen Exegesen noch nicht an ihrem Ende ist (das war jetzt sehr mild ausgedrückt). - Insofern sind mir persönlich historisch-kritische Korrekturen willkommen. - Aber sie betreffen halt nicht das, was ich als Substanz des Christentums verstehe.

Pluto
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#22 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Pluto » So 28. Dez 2014, 00:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Soweit ich weiß wendet Kubitza die historsche kritische Exegese an und interpretiert diese entsprechend.
Wenn die historisch-kritische Exegese zum Ergebnis kommt, dass es aus ihrer Sicht nicht genug Hinweise gibt, dass Jesus wirklich gelebt hat, ist das voll in Ordnung.
Mehr tut doch Kubitza nicht, oder habe ich da was übersehen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#23 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 00:45

Pluto hat geschrieben:Mehr tut doch Kubitza nicht, oder habe ich da was übersehen?
Er wird so interpretiert (wie tendenziell er tatsächlich ist, weiss ich nicht), als sei dies eine Aussage gegen die Grundlagen des Christentums.

SciLogs schreibt in einer Rezension: "Er <Kubitza> findet, dass ein Mensch, der die wissenschaftlichen Befunde gerade auch der aktuellen Theologie(n) kennt, jeden religiösen Glauben aufgeben sollte". - Wenn SciLogs damit Kubitza richtig einordnet, hat sich Kubitza damit disqualifiziert - denn:

Die magere Ausbeute historisch-kritischer Untersuchungen sagt in der Regel nichts über religiösen Glauben aus - die Ausnahme dieser Regel wäre, dass man positiv nachweisen könnte, dass Jesus nicht gelebt hat - wie sollte das gehen?

Und hier sind auch meine erwähnten Befürchtungen mehr als bestätigt: Da arbeitet jemand wissenschafliche sauber (was ich unterstellen möchte) und rekrutiert daraus eine derart dämliche Schlussfolgerung ("Weil unsere Befunde für eine positive Bestätigung biblischer Aussagen nicht befriedigend sind, sollte man jeden religiösen Glauben aufgeben"), dass man sich wirklich fragen möchte, ob er noch alle Tassen im Schrank hat.

Nein - verboten soll es ihm nicht sein. - Das wäre eine Sache, die inner-wissenschaftlich zu bereinigen wäre.

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Münek
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#24 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 01:32

Der berühmte Theologe Hans Conzelmann, ehemals Professor für Neues Testament der
Universität Göttingen gehörte zu jenen prostestantischen Theologen, die in den fünfzi-
ger und sechziger Jahren die bahnbrechenden Forschungen des Marburger Neutestament-
lers Rudolf Bultmann verbreiteten und in Details fortschrieben.

So steht auch im Mittelpunkt von Conzelmanns Hauptwerken die Erkenntnis, dass in den
Schriften des Neuen Testaments nicht vom historischen Jesus die Rede ist, sondern von
einer theologischen Kunstfigur der biblischen Autoren. Schärfer noch als Bultmann em-
pfand Conzelmann die Kluft zwischen der modernen Bibelauslegung und der kirchlichen
Realität:

"Die Kirche lebt praktisch davon, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-
Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind.
"

(Quelle: DER SPIEGEL 27/1989)

closs
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#25 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von closs » So 28. Dez 2014, 03:09

Münek hat geschrieben:So steht auch im Mittelpunkt von Conzelmanns Hauptwerken die Erkenntnis, dass in den Schriften des Neuen Testaments nicht vom historischen Jesus die Rede ist, sondern von einer theologischen Kunstfigur der biblischen Autoren.
Warum hätten sich die biblischen Autoren überhaupt auf einen historischen Jesus bezogen, wenn man diesen für eine theologische Kunstfigur nicht braucht?

Man hat den Eindruck, als würde der Kreis um Bultmann so vermittelt, als wollten sie das Christentum pulversieren - das passt aber überhaupt nicht zu Bultmanns Bekenntnis zur sogenannten "Dialektischen Theologie", die nach heutigem Wort-Verständnis alles andere als "aufgeklärt" genannt werden könnte, sondern im Gegenteil als neo-orthodox verstanden wird (und im englischen Sprachraum in der Tat "neoorthodoxy"genannt wird). -

Das passt nicht zur religions-kritischen Attitüde, in der Bultmann ständig zitiert wird - wie auch nicht zu folgendem Zitat (ex wik): „Keineswegs will er <Bultmann>, wie der Begriff ‘Entmythologisierung’ anzeigen könnte und wie man ihn oft mißverstanden hat, den Mythos eliminieren; der Mythos müsse vielmehr interpretiert, also verstanden, der biblische Mythos also auf die in ihm intendierten Glaubensgedanken hin verstanden werden.“ (Walter Schmithals).

Gleichzeitig sagt Bultmann - und das passt wieder nicht zu diesem Zitat von Schmithals "„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“ (ex wik)

Mein Eindruck ist, dass Bultmann versucht hat, das NT säkular-wissenschaftlich zu vermitteln UND gleichzeitig im Sinne der von ihm favorisierten Dialektischen Theologie eine Theologie „von oben“ betrieben hat, die ein menschliches Erkennenkönnen Gottes strikt ablehnte und so jedwede Annäherung des Gläubigen der vorausgehenden Offenbarung Gottes unterordnete. (wik) - Beides KANN nicht zusammengehen - man muss es getrennt halten.

Entweder Bultmann hat das unterschätzt und ist diesbezüglich gescheitert - oder er hat es gewusst und würde sich verwahren, so verwendet zu werden, wie dies heute die Regel zu sein scheint. - Im letzteren Fall wäre er mir besonders sympathisch, weil er dann Glaubens-Substanz und historisches Nebenwerk strikt getrennt sehen wollte. - Ich habe meine Zweifel, ob dies alles von seinen Zitierern so reflektiert wird.

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Münek
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#26 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Münek » So 28. Dez 2014, 05:14

Ein bekanntes Zitat von Rudolf Bultmann ("Neues Testament und Mythologie", 1941, 20):

"Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen
überhaupt reden darf) gesühnt werden? Welche primitiven Begriffe von Schuld und Gerech-
tigkeit liegen einer solchen Vorstellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff? Soll die
Anschauung vom sündentilgenden Tode Christi aus der Opfervorstellung verstanden werden:
welch primitive Mythologie, dass ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die
Sünden der Menschen sühnt!"

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#27 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 08:34

Flavius hat geschrieben: Untern Strich ist die Bilanz des Christentums (Bitte beachte: nicht unbedingt der Kirche !!) doch POSITIV! - (Die Welt wäre heute in einem anderem Zustand- will sagen eher Schlimmerem).

Weiß ich nicht, müßte man mal die Geschädigten fragen.

Flavius hat geschrieben: Albert Schweitzer, Kolping, nimm die Väter der sozialen Absicherung u. Rechte der Arbeiter im 18 Jahrhundert, dann Henri Dunat u. VIELE ![/b]! Andere haben Großes geleistet! (Natürlich haben auch Humanisten, Aufklärer, Menschenrechtskämpfer aus allen Lagern u. Hintergrund .. Großes geleistet).

Na ja, Albert Schweitzer hat aber auch gesagt:
"Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werke die Weihe zu geben, hat nie existiert. Es ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde".
(Albert Schweitzer, dt. Theologe, Mediziner & Philosoph, 1875-1965)


Flavius hat geschrieben: Frage: Wer regt sich eigentlich darüber auf, dass der Kommunismus im 20. Jahrhundert 125 Millionen Menschenleben forderte... über den erlangten (doch eher wohl bescheidenen) Erfolg dieses immensen (meist unfreiwilligen !!) Blutzolls für eine "Idee" oder Lehre kann man sich gerne auch mal unterhalten.

Die menschliche Wahrnehmung ist eben oft gestört. Anders kann man sich ja nicht erklären, daß es selbst heute noch Anhänger von Stalin und Hitler gibt. Ich sehe hier übrigens Parallelen zu dem totalitären Gottesbild im AT. (siehe entsprechenden Thread).
Auch diesem grausamen totalitären Gott hängen viele ja heute noch an. Die monotheistischen Religionen haben diesen Hang zur Durchsetzung mit Gewalt. (siehe auch ISIS im Islam)

Flavius hat geschrieben: Was bietest Du, siehst DU als lebenswerte Alternative ? - - Interessiert mich ehrlich.

Ich habe nichts gegen Religionsausübung, die von der Verfassung garantiert ist, plädiere jedoch für einen entspannteren Umgang mit ihr. Der Absolutheitsanspruch der Fundamentalisten geht mir gewaltig auf die Nerven.
Die Bibel selbst weist große ethische Defizite auf:
http://www.bibelkritik.ch/gott/d11.htm

Ich bin immer skeptisch, wenn einige mit fertigen Rezepten ankommen, deshalb mache ich auch keine Lebensberatung.
Nimm dir z. B. einfach nicht gläubige Ärzte zum Vorbild, die ihren Urlaub opfern, um Menschen in Entwicklungsländern zu helfen. Sie erwarten keinen Lohn im Himmel, sondern ihr Lohn ist die Dankbarkeit der Menschen und die strahlenden Kinderaugen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#28 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Martinus » So 28. Dez 2014, 08:41

sven23 hat geschrieben: Die Bibel selbst weist große ethische Defizite auf:
http://www.bibelkritik.ch/gott/d11.htm

du hast anscheinend "Deine Bibel" gefunden. :thumbup: :thumbup:
Angelas Zeugen wissen was!

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#29 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 08:56

closs hat geschrieben:Auf diesem Ohr bin ich eh taub - meines Wissens ist sogar der AT-Stammbaum fehlerhaft. - Ich gehe insgesamt davon aus, dass das NT unmittelbar mit den Jüngern Jesu seine ersten Kontaminierungen erhält.

Die Kontaminierung fängt ja schon beim angeblichen Geburtsort an. Seltsamerweise sind die Jünger gar nicht die treibenden Kräfte. Sie waren wohl zu sehr enttäuscht, daß ihr Guru nun tot war und sie einem falschen Propheten nachgelaufen sind.

"Der Grund, warum Jesus bei Lukas unbedingt in Bethlehem zur Welt kommen musste, liegt in der Absicht, die Geburt ideologisch mit den Schriften im Alten Testament zu verwurzeln. Dort prophezeite nämlich der Prophet Micha (Mi 5,1): "Und du, Bethlehem Efrata (...) aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei."

http://www.bibelkritik.ch/bibel/g9.htm


closs hat geschrieben: Das merkt man daran, dass die Jünger oft Jesus nicht verstehen - auch die Parusie-Erwartung gehört hier hinein. - Jesus sagt etwas zeitlos Geistiges - der Mensch gestaltet es zu etwas für ihn Verständlichen. - Umgekehrt heisst das: Fehler (die ja noch nachgewiesen werden müssten - nur mal nebenbei) im NT sind allein aus heilsgeschichtlichen Gründen zu erwarten.

Jesus selbst erlag diesem Naherwartungirrtum.

Kubitza schreibt:
"In seinem Glauben an das nahe Reich Gottes erweist sich Jesus eben nicht als göttliches Wesen, sondern viel mehr als Kind seiner Zeit. Die Vorstellung von einer endzeitlichen Königsherrschaft Jahwes war im Judentum präsent und gehörte zum allgemeinen Glaubensgut in vielen jüdischen Schriften um die Zeitenwende, aber auch schon im Buch Daniel, welches Eingang in den alttestamentlichen Kanon gefunden hat."
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#30 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von sven23 » So 28. Dez 2014, 09:12

closs hat geschrieben:Warum hätten sich die biblischen Autoren überhaupt auf einen historischen Jesus bezogen, wenn man diesen für eine theologische Kunstfigur nicht braucht?

Die Frage, ob Jesus eine historische Figur ist oder eine rein mythologische, läßt sich auf Grund der mageren Qellenlage nicht abschließend klären. Auch sog. außerbiblischen Zeugen wie Tacitus können sich nur auf Hörensagen berufen, es gibt keine Augenzeugen.

http://www.bibelkritik.ch/bibelkritik/c9.htm


closs hat geschrieben: Entweder Bultmann hat das unterschätzt und ist diesbezüglich gescheitert

Da sollte man Bultmann nicht unterschätzen, er wußte genau, was er tat.

Auch Kubitza zitiert Bultmann
"Rudolf Bultmann fasst so stellvertretend für die neutestamentliche Forschung zusammen: „Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“ (Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S.22)"
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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