PeB hat geschrieben: ↑Sa 9. Mär 2019, 09:42
Papias schreibt hier, dass er Nachfolger nach den Aussagen der Presbyter gefragt hat; im letzten Satz erklärt er, dass er (wen auch immer) danach gefragt hat, was Ariston und Johannes sagen (Präsenz). Er KÖNNTE sie also selbst befragt haben, statt nur ihr Umfeld. Und hätte er hier etwas Falsches gesagt, könnten Ariston und Johannes noch zu Lebzeiten widersprechen.
Über Aristion (Ariston?) bin ich nicht recht im Bilde. Da müsste ich recherchieren. Was "den Johannes" bei Papias angeht, blicke ich auch nicht so recht durch, weil bei Papias von zwei unterschiedlichen "Johannes" die Rede ist, und der Begriff "Presbyter" sowohl für Apostel (Jünger des Herrn) als auch für "normale" Älteste Verwendung findet. Weißt du da diesbezüglich mehr?
Manchmal ist eindeutig der Apostel Johannes gemeint, wie an diesen beiden Stellen:
Pap 20,1 Argumentum secundum Iohannem hat geschrieben:Das Johannesevangelium ist den Gemeinden von Johannes, als er noch am Leben war, offenbart und gegeben worden, wie Papias, genannt der Hierapolitaner, ein lieber Schüler des Johannes, in seinen exoterischen, das heißt in den allerletzten fünf Büchern berichtet hat. Er schrieb sogar das Evangelium nach dem Diktat des Johannes fehlerfrei auf. Indessen ist der Ketzer Marcion, der von ihm [= Papias?] verworfen wurde, weil er die Gegensätze wahrnahm, [auch] durch Johannes widerlegt worden. Er [= Marcion?] hat ihm [= Johannes?] nämlich Schriften oder Briefe von den Brüdern mitgebracht, die in Pontus lebten.
Pap 21,2 Catena Patr. Graec. in S. Iohannem, Prooemium hat geschrieben:Als letzter von ihnen hat Johannes mit dem Beinamen Donnersohn, als er schon in recht hohem Alter war, wie uns sowohl Irenäus als auch Eusebius und andere glaubwürdige Historiker, die in der [apostolischen] Sukzession stehen, berichten, da zu jener Zeit entsetzliche Ketzereien aufkamen, das Evangelium seinem redlichen Schüler Papias, dem Hierapolitaner, diktiert, um diejenigen zu ergänzen, die vor ihm das Wort den Völkern auf der ganzen Erde verkündigt hatten.
Der Beiname Boanerges (Donnersöhne) wird nur im MkEv für die Söhne des Zebedäus Johannes und Jakobus erwähnt.
Pap 5,5-9 Euseb v. Cäsarea, HE III 39 hat geschrieben:Hier ist beachtenswert, daß er den Namen Johannes zweimal aufzählt; den ersten zählt er mit Petrus und Jakobus und Matthäus und den übrigen Aposteln auf, womit er offenbar den Evangelisten bezeichnen will, den anderen Johannes rechnet er in einem neuen Satzteil zu anderen, von den Aposteln verschiedenen [Männern], stellt ihm den Aristion voran und bezeichnet ihn ausdrücklich als Presbyter.
Und daher ist schon hierdurch erwiesen, daß der Bericht derer zutreffend ist, die erzählt haben, es habe in Asien zwei mit dem gleichen Namen [Johannes] gegeben, auch seien zwei Gräber in Ephesus, und jedes werde bis heute [Grab] des Johannes genannt. Auch darauf hat man seine Aufmerksamkeit zu richten, denn es ist wahrscheinlich, daß der zweite, oder wenn man will, der erste, die Offenbarung geschaut hat, die unter dem Namen des Johannes in Umlauf ist.
Auch erklärt der soeben von uns vorgestellte Papias, die Lehren der Apostel zwar von denen empfangen zu haben, die ihnen gefolgt sind, er habe aber, so sagt er, Aristion und den Presbyter Johannes selbst gehört. In seinen Büchern führt er deshalb Überlieferungen von ihnen an, wobei er sie häufig mit Namen erwähnt.
Auch das Folgende sei von uns nicht nutzlos erzählt. Es ist angebracht, den angeführten Aussprüchen des Papias andere seiner Ausführungen anzuschließen, in denen er gewisse merkwürdige Dinge und anderes, was ihm gewissermaßen aus der Überlieferung zugekommen ist, erzählt.
Daß sich Philippus der Apostel zusammen mit seinen Töchtern in Hierapolis aufgehalten habe, wurde bereits oben erwähnt. Nun ist noch anzumerken, daß Papias, der zu ihren Zeiten lebte, erwähnt, er habe von den Töchtern des Philippus eine wunderbare Erzählung empfangen. Er erzählt nämlich, daß zu seiner Zeit eine Totenauferstehung stattgefunden habe, und ferner eine andere merkwürdige Begebenheit von Justus mit dem Beinamen Barsabas. Er habe nämlich ein offenkundiges Gift getrunken, aber durch die Gnade des Herrn keinen Schaden davon zurückbehalten.
Interessant sind auch die Töchter des Philippus, denn auf diese beriefen sich die Prophetinnen Prisca und Maximilla die mit Montanus als Gründer der häretischen Bewegung des Montanismus gelten. Dem Montanismus schloss sich Tertullian später an, weil ihm "die Kirche" zu lasch erschien. Ich erwähne das deshalb, weil das wieder so ein Beispiel dafür ist, wie hierarchische Strukturen und Autoritäten maßgeblich unsere Theologie beeinflusst haben. Tertullian ist christlich, solange er sich gegen den Häretiker Marcion und dessen Kanon des NT wendet, wird aber zum Kirchenfeind wenn er von anderen Autoritäten einen in der Praxis konsequenteren Glauben einfordert, sich aber damit nicht durchsetzen kann. "Christliche" Schriften von Tertullian in denen er sich gegen viele Häresien wendet sind überliefert, "häretische" Schriften die er wohl als Montanist verfasste sind mir zumindest unbekannt, vermutlich sind sie "verschwunden". Unwahrscheinlich, dass er das Schreiben als Herätiker aufgegeben hat.
Man sieht jedenfalls immer wieder in der
alten Kirche, dass sich unterschiedliche theologische Schulen mit Berufung auf dieselben Quellen gebildet haben und autoritäre Strukturen dabei eine große Rolle spielten - so, wie heute eben auch. Ich nehme dieses Phänomen ganz wertfrei zur Kenntnis. Das sind Dinge, die man wissen kann.
Welche Schlüsse man für den Glauben aus solchem Wissen zieht, ist nicht mehr die Sache der Wissenschaft, die sich der historisch-kritischen Methode bei der Textanalyse bedient. Ab da sind dann andere theologische Disziplinen mit anderen Methoden dran, ihre jeweiligen Dogmatiken, Glaubensbekenntnisse und Lehren zu vertreten. Die einen versuchen die wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre Lehre zu integrieren, andere ignorieren oder bekämpfen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse, und machen ihr Ding auf andere Weise. Alle Seiten leben in diesem theologischen Pluralismus, sollten in der Lage sein, diesen auszuhalten, in einem einigermaßen fairen und anständigen Dialog miteinander zu bleiben und sich nicht gegenseitig zu verteufeln.