Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#161 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von sven23 » So 13. Sep 2015, 07:57

Zur Frage: Welches Bild vermittelt die Bibel, genauer gesagt: welches Gottesbild vermittelt die Bibel?
Münek hatte dazu ja schon geschrieben:
"Der selbstverliebte tyrannische, launische Gott des AT ist gewiss nicht mit dem Gott des NT kompatibel."

Diese große Diskrepanz zwischen AT und NT ist auffällig und nicht weg zu leugnen, auch wenn der Gott des NT immer noch gewisse Schwächen hat. So ist z. B. Toleranz gegen Andersgläubige nicht gerade seine Stärke.
Wie aber fällt das Gesamturteil aus?
Ich will es mal an einem Beispiel verdeutlichen.
Hitler hatte ein liebevolles Verhältnis zu seiner Mutter, vermutlich auch zu Eva Braun und seinem Schäferhund.
Andererseits war er ein millionenfacher Massenmörder, der kein Erbarmen mit Frauen und Kindern kannte.
Wie fällt das Gesamturteil über den Menschen Hitler aus?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#162 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von sven23 » So 13. Sep 2015, 08:33

Teile des NT können auch als "Kampfschriften" angesehen werden, wie Gerd Lüdemann es formuliert:

Aus einem Spiegelinterview:
"Lüdemann: Viel mehr, schon deshalb, weil die Bibel von Menschen ganz verschiedener Herkunft zu ganz verschiedenen Zeiten geschrieben worden ist. Der älteste Teil des Alten Testaments entstand 1200, der jüngste 165 Jahre vor Christi Geburt.

Beim Thema Widersprüche sind wir am Ausgangspunkt all meiner Überlegungen. Die Texte des Neuen Testaments sind nicht nur, wie es oft heißt, Zeugnisse des Glaubens, sie sind weithin auch Kampfschriften, gerichtet nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen Christen, die anders denken. Deshalb widersprechen sich die Evangelien und Briefe an vielen Stellen. Da schlagen sich im "Wort Gottes" Richtungskämpfe nieder, bei denen auch vor Verleumdungen und zumindest in einem Fall vor einer massiven Fälschung nicht zurückgeschreckt wurde."


Im weiteren geht Lüdemann auf diese Fälschung ein:

"Lüdemann: Es gibt zwei Briefe an die Thessalonicher. Nicht nur steht im zweiten etwas ganz anderes als im ersten, mehr noch: Der Autor des zweiten Briefes behauptet, der erste Brief sei gefälscht, und er stelle das nun klar. Dabei ist es genau umgekehrt: Er selbst ist der Fälscher. Der erste Brief stammt von Paulus, der zweite nicht. Dessen Autor gibt sich als Paulus aus und bekräftigt dies noch: Er habe den Brief geschrieben "mit meiner, des Paulus, Hand". Alles gelogen.

SPIEGEL: Darin, daß der zweite Brief nicht von Paulus stammt, stimmen fast alle Fachkollegen mit Ihnen überein, aber die meisten gehen mit dem Pseudo-Paulus nicht so hart ins Gericht wie Sie. Die Kirchgänger wissen von all dem nichts, sie glauben, daß Paulus beide Briefe geschrieben hat, weil es so in der Bibel steht.

Lüdemann: Es ist ein Skandal, daß man das Kirchenvolk, das evangelische wie das katholische, noch immer in dem Irrglauben läßt, das Neue Testament sei von Aposteln oder Apostelbegleitern geschrieben worden - alle 27 Teile, also die 4 Evangelien, 21 Briefe, die Apostelgeschichte und die Johannes-Offenbarung. Dabei stammen nur 7 Briefe von einem Apostel, nämlich von Paulus. Kein einziger Autor hat Jesus gekannt und sozusagen aus erster Hand berichtet. Paulus wurde ja erst nach Jesu Tod zum Christen."


Somit werden Aussagen, daß die Ergebnisse der historisch kritischen Forschung in der Kirche nicht publik gemacht werden, durchaus berechtigt.
Die Kirche verfährt nach dem Motto: warum schlafende Hunde wecken?
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Zeus
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#163 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Zeus » So 13. Sep 2015, 09:08

Andreas hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn man ganz ehrlich ist, ist in der Tat in der jüdischen "Hebräischen Bibel" und im christlichen "Neuen
Testament" von völlig gegensätzlichen Göttern die Rede.

Im "Alten Testament" dominiert ein tyrannischer, launischer, selbstverliebter Despot, im "Neuen Testament"
dagegen ein den Menschen liebevoll zugeneigter Vater, der von Jesus den Menschen nahegebracht worden ist.

Allerdings passt die blutige Opferung seines Sohnes zu Heilszwecken hier auch nicht hin.

Kompatibel scheinen mir die beiden Götter auf jeden Fall nicht zu sein...
Wenn man ganz ehrlich ist, ist das wieder diese dröge Hysterisch-Kitschige-Bibeltreue-Neo-Atheistische-Ohne-Theo-Logie der Hysterisch-Kitschigen-Bibeltreuen-Neo-Atheistischen-Gegen-Theo-Loge. Mit einem Wort: Bashing. Meine Meinung.
Eine "faire sachliche" Antwort im Stil von Andreas, die den Spruch bestätigt:
Bild
Quelle
Wer in Glaubensfragen den Verstand befragt, kriegt unchristliche Antworten. - Wilhem Busch.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#164 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Rembremerding » So 13. Sep 2015, 09:26

Savonlinna hat geschrieben: Ich habe von "psychologisch" gar nicht gesprochen, und ganz sicher auch nicht gemeint.
Wir sind als Menschen nicht fertig. Selbstverständlich ist die gängige Psychologie nicht in der Lage, das zu beschreiben, wovon wir hier reden.
Nichtsdestotrotz kann das, was manche Christen als "Ebenbildlichkeit Gottes" formulieren, so formuliert werden, dass diese Ebenbildlichkeit im anthropos angelegt ist, als Keim, wenn man so will, als Ahnung, als Erlebnis in Kunst und anderem.
Du wirst nicht umhin kommen etwas was Du aus dem Geschöpf, der Materie schöpfst, wissenschaftlich erklären zu müssen. Dazu gibt es wissenschaftliche Termini. Freud und vor allen Jung versuchten diese tiefere Schicht des Menschen zu erkennen und auszuformulieren. So kam es zum "Über-Ich", zum "Es" etc.
Die Wiege der Kunst liegt in der Umwandlung von Natur in Kultur. Und der Antrieb dafür war Spiritualität, Transzendenzfähigkeit. Wo ist diese im Menschen angelegt und warum?
Das Geschehen wird auch nicht klarer dadurch, dass man das schwer zu Erklärende mit einem Begriff bezeichnet, in dem Fall "Gott".
Natürlich müssen neue Termini gefunden werden für etwas, das das normale Leben transzendiert.
Oder man muss auch keine Wörter dafür finden unbedingt. Aber es wären jedenfalls nicht die normalen psychologischen Termini, die ja für andere Zielsetzungen geschaffen wurden.
Ich denke, da übersiehst Du eine wichtige Anlage im Menschen: Was er benennt, kann er ergreifen (nicht unbedingt begreifen!). Be-griffe werden und wurden besetzt, in Anspruch genommen, aber nicht nur aus böser Absicht, sondern aus diesem tiefen menschlichen Bedürfnis heraus.
Gott ist bei den Juden so groß, dass sie ihn nicht aussprechen. Der Name ist sein Wesen und das ist unbegreifbar und unaussprechlich. Jesus Christus ließ Gott begreifbar werden, das Wesen Gottes wurde im Menschen sichtbar. Jesus ist der Anthropos, der Keim im Menschen, der Wahrheit und Schönheit ersehnt. Begreife den Christus und du begreifst den Menschen.

Außerdem ist in Christus noch etwas außergewöhnliches angelegt: Gnade. Das Geschenk als Mensch Da-sein zu können, ohne Abspaltung von Teilen seines Wesens, als vollkommenes und gewolltes Ich. Gnade nimmt das Überflüssige und gibt das Fehlende. Sie versöhnt und vereint. Im Menschen kann diese Gnade nicht angelegt sein, die Geschichte zeigt es, aus sich heraus kann er sie nicht schöpfen. Aber er kann sie außerhalb erkennen und annehmen wollen, damit sie inner-halb wird und er damit ganz.
Ohne Gnade keine Menschenwürde, ohne Gnade eine Leistungsgesellschaft, ohne Gnade ein Sozialdarwinismus.
Ohne Gott musst Du einen anderen Begriff für Gnade finden und den Ort entdecken, wo sie im Menschen biologisch angelegt ist. Und diese göttliche Gnade ist eigentlich unlogisch, ungerecht, aber die Liebe und wahr.

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Savonlinna
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#165 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Savonlinna » So 13. Sep 2015, 09:39

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:hier ging es mir darum, den Akt des Transzendierens - als allgemeinmenschlich - irgendwie zu bezeichnen. Ohne dass man sagen muss: ich hatte ein Gotteserlebnis. Verstehst Du? Oder: Ich habe Gott erfahren.
So würde ich das nie bezeichnen können.
Viele kennen es vielleicht, ohne auf die Idee zu kommen, es zu benennen.
Verstehe ich deine Intention? Du willst bei Null anfangen.
Nein, ich habe gar nicht vor, bei irgend etwas anzufangen.

Interessant finde ich aber, dass Du Folgendes schreibst:

Andreas hat geschrieben:Ich fürchte nur, dass daraus eine neue Religion wird - nur mit anderen Begriffen.
Falls also jemand mal auf die Idee kommen würde, an der Pschychologie oder an der Kulturanthropologie anzudocken, oder eine Tiefenpsychologie oder Ähnliches zu entwickeln, dann werden da fachliche Termini entwickelt, aber alles andere als eine Religion.
Würde sie zur Religion werden, dann, Hilfe! Das wäre dann ja so, als würde die Neurologie zur Religion werden. Es geht einfach darum, den Menschen etwas besser auszuloten und nicht, an irgend etwas zu glauben.

Ich bin nie auf die Idee gekommen, da selber zu forschen. Sondern ich wollte auf dem Recht bestehen, nicht automatisch ins Christentum "eingemeindet" zu werden, wenn man zum Beispiel die Rezeptionsgeschichte der Christusgestalt im Laufe der zwei Jahrtausende beschreibt und da auf einen Archetyp stößt, der offenbar in die Realität dringen will.

Oder wenn man "abhebt" im Konzertsaal, im Hochgebirge, beim literarischen Schreiben, in der Kirche.
Das Beschreiben eines solchen "Abhebens" kann als anthropologisches Merkmal erkannt und beschrieben werden und muss nicht als "Gotteserlebnis" bezeichnet werden.

Vielleicht geht es mir teilweise darum, die Überheblichkeit, die da mitunter im Christentum durchscheint, auf ein menschliches Maß zurückzuschrauben.

Der Theaterpädagoge Stanislawski benutzt, wenn er beschreibt, wie ein Schauspieler lernen kann, die eigene Person mit der Rolle sowohl zu verbinden als auch zu überschreiten, hausgemachte Begriffe; solche, die auf dem Theater üblich sind und die jeder Schauspieler versteht.

Ein Krimi-Schriftsteller unserer Tage hat mal ein Interview gegeben, wie er schreibt, also wie der Schreibprozess abläuft.
Da sagt er das, was so manche Schrifststeller sagen: dass er ab einem bestimmten Punkt das Gefühl hat, ihm werde etwas diktiert. Er könne da eigentlich nur noch zuschauen und aufschreiben.

Zu biblischen Zeiten hätte man daraus vielleicht eine Riesennummer gemacht und von "Offenbarung" und "Gotteserlebnis" gesprochen.
Aber das Gleiche läuft im Kleinen ab, und die Künstler machen daraus kein Tamtam.
Und doch zeigt es mir, dass der Prozess des "Transzendierens" - also des Überschreitens dessen, was wir nomal als "Wesen des Menschen" auffassen - ebenfalls zum Menschen gehört.

Das Menschenbild, das wir haben, ist zu eng. Darum machte man - zu Recht - den Gegenbegriff "Gott".
Aber mit diesem Begriff "Gott" wird nun so hantiert, als sei er "unerkennbar", als sei er "das Dominante", als könnte der Mensch "das nie erreichen" usw.
Da liegt in meinen Augen soviel Missbrauch drin, soviel künstliches Kleinhalten des Menschen, dass es schon eine große Hilfe wäre, wenn man die alltäglichen Erfahrungen der Menschen überhaupt erst einmal zur Kenntnis nehmen würde.

Eine Beschreibung dieses "Transzendierens" würde schon an die Psychologie andocken, denke ich, sie erweitern.
Der Begriff "das Unbewusste" hat ja auch zu keiner Religion geführt.
Im Gegenteil, er hat die Theologie befruchtet, sie ein wenig auf menschliches Maß zurückgeschraubt.

Nachtrag:
Mein post hat sich mit dem von Rem überschnitten.

Novas
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#166 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Novas » So 13. Sep 2015, 10:00

Savonlinna hat geschrieben:Es geht einfach darum, den Menschen etwas besser auszuloten und nicht, an irgend etwas zu glauben. Ich bin nie auf die Idee gekommen, da selber zu forschen. Sondern ich wollte auf dem Recht bestehen, nicht automatisch ins Christentum "eingemeindet" zu werden, wenn man zum Beispiel die Rezeptionsgeschichte der Christusgestalt im Laufe der zwei Jahrtausende beschreibt und da auf einen Archetyp stößt, der offenbar in die Realität dringen will.

Oder wenn man "abhebt" im Konzertsaal, im Hochgebirge, beim literarischen Schreiben, in der Kirche.
Das Beschreiben eines solchen "Abhebens" kann als anthropologisches Merkmal erkannt und beschrieben werden und muss nicht als "Gotteserlebnis" bezeichnet werden.

Ja, kann. Niemand "muss" an etwas glauben.

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Savonlinna
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#167 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Savonlinna » So 13. Sep 2015, 10:03

sven23 hat geschrieben:Zur Frage: Welches Bild vermittelt die Bibel, genauer gesagt: welches Gottesbild vermittelt die Bibel?
Münek hatte dazu ja schon geschrieben:
"Der selbstverliebte tyrannische, launische Gott des AT ist gewiss nicht mit dem Gott des NT kompatibel."
Dann haben die Juden also tatäschlich einen tyrannischen Gott? Bis heute?

2Lena
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#168 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von 2Lena » So 13. Sep 2015, 10:05

Wie fällt das Gesamturteil ...[aus]
Je nach vorplapperter Meldungen wird eine Summe gezogen ...
Das ist bei euch hier zu beobachten, Sven23 und Münek.
Die Inforumationssumme entspricht nicht immer der vollen Wahrheit. Wer kann schon wissen, wie viele Lücken in den Informationen waren, welche Gründe verschwiegen wurden, welche Vorsummen unberücksichtigt blieben, welche Sollstände falsch oder richtig angepeilt waren, etc. Schau bloß mal deine "Schrägrechnungen" an, Svenilein. Münek macht sich in der Ecke auch "stark". Ihr kämpft dann ganz stur um euer "Recht", müsst aber jemand erst einmal in eure verbogene Situation bringen. Es gelingt so schlecht, jemand von einem falschen Ergebnis "logisch zu überzeugen", der andere Rechnungen hat. Ne, danke, sagt der andere zu dem "Gewinn".

closs Aus Gründen der Ergebnis-Offenheit sind solche Fragen nicht wissenschaftliche behandelbar, aber eben die Grundlage dazu, überhaupt anzufangen. - Wie man diesen Teufelskreis durchbrechen soll, weiss ich auch nicht.
Was Münek ansprach (Verschiedenheit Gott AT von NT) so ist die Lösung sprachlich eine Kleinigkeit, mit vervollständigten Angaben, AT und NT zu vereinen. Der strengen Logik des AT (z.B. unverstanden Opferhandlungen (statt Ziegen schlachten hätten sie Stärken entwickeln sollen) folgt aber im NT ein gewaltigeres Wissen an Göttlichem. Mit materiellem Denken geht nichts zu verstehen, als das bisschen Historik. Die Mischung war, dass bei etwas mehr Kenntnissen es aus der Bibel mehr Wissen gab. Die Bewegung entstand durch Einiges an Verständnis für die Götterwelt und deren Unsterblichkeit. Teile dieser Mysteriem waren auch in Rom zu finden, und wo jene herstammen, sowie in Indien. Es verband sich mit der von Jesus verstandenen Lehre die bewahrte Überlieferung und Möglichkeiten im Leben. Auch das AT ist nicht allein das "Judentum". Sie bewahrten das alles als einziges Volk.

Ich möchte einfach mal eine Geschichte erzählen, um die Verbindung von Geist und Leben zu erklären. In den Kirchen wurde gemahnt, Buße zu tun, rechtschaffen zu sein und zu beten. Ich schreibe "wurde". Man findet das heute kaum noch. Im Gottesdienst werden Riten vorgeführt und Leute, wie im Showgeschäft wirkend, als komme es auf die äußere Sicht an. Buße erinnert an die wahren Gesetze, die Riten stellen Erinnerungen an sie. Beten schafft die Verbindung. Die innere Beziehung wird nicht gesehen. Äußerlich wird gesehen, z.B. Gesetze als Buchstaben oder Wirkungen.

Nun aber endlich der Versuch einer Erklärung, warum das "opfern" und beten zu Gott wichtig ist. Im Vergleich zeige ich meine Verantwortung für ein paar Tiere. Ich pflege einige Enten und habe zu ihnen eine besondere Beziehung. Es ist, als ob sie mich kommen "fühlen". Das geschieht, wenn ich an sie denke und weiß, dass es an dem und dem Platz (z.B. durch meinen gärtnerischen Eingriff) verschiedene Leckerbissen geben wird. Sie hatten viele Junge, mit denen ich kaum eine "persönliche Beziehung" habe, denn ich habe schon Mühe, sie alle durchzuzählen. Vor Tagen schätzte ich, dass ein paar fehlen. Erst glaubte ich, sie wären auf einem Ausflug, dann dass sie sich im Heu verstecken. Vielleicht wollten sie in "freier Natur" eine eigene Gruppe gründen? Nach einiger Zeit zählte ich wirklich ordentlich durch. Ich fragte die Alten, ob sie was wissen. Zu den Voreltern habe ich eine telepatische Beziehung. Sie machten einen Blick, den ich nicht deuten konnte. Etwas im Hirn ging bei mir nicht "durch". Auf dem Heimweg fühlte ich "schwammig", war wie benommen. Ich blieb, im Tal schon, mit den Blicken unerklärlich an einem großen Silo hängen und erinnerte mich, dass etliche Enten auf die Scheune geflogen waren. Was ich dachte waren nicht "meine" Gedanken, denn persönlich wusste ich gar nichts. Da saß eine Frage. Da war ein ungeklärter Gedanke. Er war so unangenehm, dass ich den langen Weg noch einmal zurück lief, um mir Gewissheit zu verschaffen. Eigentlich konnte ich das nicht glauben was mir aufgedrängt wurde. Wie sollen Enten in ein hausgroßes Silo kommen, das ringsum gesperrt ist? Ich öffnete mit Mühe die schon eingerostete Luke auf halber Höhe. Da saßen die vier, ganz unten am Turm am Boden - und lebten - noch. Wegen begehrtem Moos waren die von der Spitze heruntergesegelt. Sie waren aber nicht mehr herausgekommen aus dem Turm. Schreien können sie nicht. Da halfen keine Flügel mehr, sondern nur eine sehr lange und steile Leiter. Immerhin sehen die vier mich jetzt dankbar an. Es scheint, dass sie jetzt wissen, dass ich sie vor dem sicheren Tod, mit auch für mich gefährlichem Einsatz gerettet habe.

Der Rückbezug wieder zum Glauben, samt Mechanismen:
Auch wenn von Jesu nicht alles verstanden wird, sollte doch wenigstens minimalste religiöse Kenntnisse da sein. Sein Werk ist zum Teil die Erneuerung der Gesetze. Aber Philosophiegesetze allein sind nicht alles. Für Enten gab es kein Gesetz: Segle nicht in ein Loch. Man kann nicht alles über Bestimmungen und Gesetze lösen. Gelehrt wurde im Christentum auch die Zusammenarbeit und die Bindung an den "Vater". Dazu haben die Menschen ihre Köpfe und das Herz, das ist der Verstand und viel Gefühl. Über diese beiden Bindungen kommt mit der Anbindung an den "Vater" - die Rettung und zusammen geht's dann auf gradem Weg.

Rembremerding
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#169 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Rembremerding » So 13. Sep 2015, 10:18

Savonlinna hat geschrieben:
Vielleicht geht es mir teilweise darum, die Überheblichkeit, die da mitunter im Christentum durchscheint, auf ein menschliches Maß zurückzuschrauben.

Ist dies tatsächlich gerade hier in Europa so zu spüren? Ich nehme eher wahr, dass sich Christen unterheben, ja verstecken, damit sie nicht ständig herabgewürdigt werden. Überheblichkeit und Christsein schließen sich eigentlich aus, es ist traurig, wenn Christen so sind und wahrgenommen werden. Es sind eben Menschen.
Ich nehme allerdings an, du verbindest Überheblichkeit nicht damit, dass Christen andere sittliche und moralische Maßstäbe besitzen und diese leben. Dann liegt das Problem aber bei den Nichtchristen.
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Novas
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#170 Re: Welches Bild vermittelt uns die Bibel?

Beitrag von Novas » So 13. Sep 2015, 10:19

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zur Frage: Welches Bild vermittelt die Bibel, genauer gesagt: welches Gottesbild vermittelt die Bibel?
Münek hatte dazu ja schon geschrieben:
"Der selbstverliebte tyrannische, launische Gott des AT ist gewiss nicht mit dem Gott des NT kompatibel."
Dann haben die Juden also tatäschlich einen tyrannischen Gott? Bis heute?

Natürlich nicht. Der jüdische Glaube ist der Glaube an einen barmherzigen Gott, er sei „barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte“(z. B. 2. Mose 34,6; Jona 4,2)

Juden haben sich immer gefreut, wenn Menschen aus anderen Völkern zum Glauben an den barmherzigen Gott gekommen sind. Wie sie aus aller selbstgemachten Sklaverei in die von Gott geschenkte Freiheit geschritten sind. Wie sie der Barmherzigkeit in ihrem Leben Raum gegeben haben und auf diese Weise dem einen wahren Gott die Ehre geben haben. Dem Gott Israels, der immer schon auch der Gott der anderen Völker war.

Dafür mussten die Menschen aus anderen Völkern nicht Juden werden, nicht ihre Religion und Kultur aufgeben, und zu einer neuen Religion, dem Judentum, konvertieren. Die jüdische Bibel ist voll von Geschichten, die erzählen, wie Menschen anderer Religionen in Israel den Einen wahren Gott erkannt haben und dann umkehrten in ihre Heimat, um den einen Gott in der ihnen eigenen Religion zu verehren. Etwas überspitzt ausgedrückt: sie sind zurück zu ihren Schamanen und Medizinmännern, zurück in ihre Tempel, Pagoden, Moscheen und Schwitzhütten und sind dort der Weisung des barmherzigen Gottes, der Weisung in die Freiheit und ins Leben gefolgt.

Ich denke z.B. an die Sterndeuter, die dem neugeborenen Jesus ihre Aufwartung machen(Matthäus 2). Sie werden dadurch in ihrem Glauben gestärkt, ohne Juden oder gar Christen zu werden.

Oder die Königin von Saba, die Afrikanerin, die den berühmten König Salomo besuchte, um von seiner Weisheit zu lernen (1. Könige 10). Am Ende ist sie nicht Jüdin geworden, sondern mit der Erkenntnis des Einen unverfügbaren Gottes zurückgekehrt in ihre ostafrikanische Heimatreligion.

Das Judentum hat nie Mission getrieben. Es hat niemanden eingeladen, jüdisch zu werden. Aber es hat eingeladen, die vielfältigen Formen von Sklaverei und Tod zu verlassen und sich auf den Weg der Freiheit und des Lebens zu begeben. So hat das Judentum die ihm anvertraute Tora, Gottes Weisung zum Leben, zu den Völkern gebracht und für sie ausgelegt. So ist das Judentum seinem Auftrag nachgekommen, „Licht für die Völker“ zu sein (Jesaja 49,6).

Eine orthodoxe Jüdin hat mich im letzten Jahr zugleich gerührt und beschämt. Sie sagte: „Wir als Juden hatten es manchmal schwer mit den Christen. Und heute haben wir es schwer mit vielen Muslimen. Aber ich bin Christen und Muslimen von Herzen dankbar, dass sie den Glauben an den einen wahren Gott in der ganzen Welt verbreitet haben.“

Wir Christen können von dieser jüdischen Gelassenheit und Toleranz lernen. Jesus hat den Seinen nicht befohlen: „Macht zu Christen alle Völker!“ Er hat vielmehr gesagt (Matthäus 28,19-20): „Macht zu Jüngern, zu Schülern, alle Völker! Lehrt sie die Tora, die Weisung Gottes zum Leben, wie ich sie euch ausgelegt habe, die Weisung des Barmherzigen zur Barmherzigkeit!“
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