Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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Münek
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#1311 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » So 27. Nov 2016, 14:24

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Meines Wissens stützt sich die katholische Kirche nach wie vor auf die göttlich inspirierten Worte Pauli einschließlich des Begriffs des "Sündenfall".
Natürlich - weil Paulus offensichtlich den Kopf auf den Nagel trifft, was sein Verständnis der Genesis angeht.
Nochmals - Paulus nahm (wie auch Jesus) die Paradiesgeschichte wortwörtlich als historisches Ereignis - der hatte mit Chiffren nix am Kopp. Das kannst Du in seinen Briefen nachlesen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Deine "dialektische Gottesthese" wird erkennbar von niemandem geteilt.
Die Theologie sagt es anders, aber es ist im Wesentlichen dasselbe.
Inwiefern?

closs hat geschrieben:Wenn die Kirche von "Sündenfall" spricht, handelt es sich um dasselbe Grundmotiv wie bei Heidegger, wenn er vom "Hineingeworfensein ins ungewollte Sein" spricht - und letzterer argumentiert säkular.
Jesus soll doch für die Sünden der Menschheit den Sühnetod erlitten haben. Damit war laut Paulus die Sünde gemeint, die mit Adams Ungehorsam und Gebotsübertretung in die Welt kam. Oder liege ich da falsch? Spricht die Kirche nicht von "Erbsünde"?

closs
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#1312 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 27. Nov 2016, 15:42

sven23 hat geschrieben:Theißen und auch ein Kubitza weisen immer wieder auf die Grenzen einer Methode hin.
Dem Theißen nehme ich es ab, dem Kubitza nicht - dazu ist er zu offensiv ideologisch. - Egal wie: Was nützen all die Lippenbekenntnisse, wenn dann doch wieder de facto ein Universal-Anspruch auf Gültigkeit und Redlichkeit gepredigt wird? - Was zur Reaktion führt wie: "Nix gelernt".

Münek hat geschrieben:Nochmals - Paulus nahm (wie auch Jesus) die Paradiesgeschichte wortwörtlich als historisches Ereignis - der hatte mit Chiffren nix am Kopp.
Und mindestens doppelt so viel "nochmals": Auch Historie ist Chiffre, wenn sie etwas Geistiges transportiert.

Münek hat geschrieben:Inwiefern?
Es ist Grundlage der Theologie, dass Gott DAS Eine ist, das durch den Sündenfall aufgetrennt wird. - "Satan" (= Scheitan) ist Chiffre für das Trennende. - Ohne Trennung keine Dialektik. - Bei Trennung immer Dialektik.

Münek hat geschrieben:Oder liege ich da falsch? Spricht die Kirche nicht von "Erbsünde"?
Gar nicht. - Im Grunde ist "Sünde" durchaus vergleichbar mit "Hineingeworfensein". - "Sünde" ist ein Begriff, der aus verschiedenen Gründen unterschiedlich verstanden wird - auch das wäre ein Thema. - Gemeinsam ist allen Definitionen, dass es sich um "Un-Heil" handelt - als etwas, das nicht "heil" ist, also nicht "ganz" ist - also auch hier wieder das Motiv des Getrenntseins.

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sven23
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#1313 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » So 27. Nov 2016, 16:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theißen und auch ein Kubitza weisen immer wieder auf die Grenzen einer Methode hin.
Dem Theißen nehme ich es ab, dem Kubitza nicht - dazu ist er zu offensiv ideologisch.
Sagen wir mal so: Kubitza kann als nicht Mitglied des klerikalen Establishments viel leichter Klartext reden. Ein Theißen weiß auch, dass der mythologisch verklärte Bibeljesus auf sehr dünnem Eis unterwegs ist, nur so offensiv kann er das natürlich nicht sagen.
Deshalb beschränkt er sich auf Sätze wie:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Aber auch Glaubensdogmatiker können mal einen lichten Moment haben. So schreibt der Dogmatiker Trillhaas:

„Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht
identisch. Ob Jesus sich selbst verkündigt hat, ist zum mindesten sehr fraglich. Die
christologischen Würdenamen sind ihm von der Gemeinde beigelegt worden. Jesus ist im
Wesentlichen eschatologischer Prophet gewesen. Jesu Wirken ist mit seinem Tode zu Ende.
Hat Jesus die nahe Parusie verkündigt und sie zur Basis seiner Forderung nach Umkehr und
seiner rigorosen Ethik gemacht, so gilt, dass diese Voraussetzung nicht eingetreten ist, dass
er also gescheitert ist. In der Geschichte dieses historischen Jesus kommt Ostern nicht
vor.”
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1314 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 27. Nov 2016, 16:52

sven23 hat geschrieben:„Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht identisch".
Richtig. - Die ewige Frage ist, welche Version den WIRKLICHEN Jesus authentischer trifft. - Diese Fragen können wir weder per HKM noch im Forum objektiv klären.

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sven23
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#1315 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » So 27. Nov 2016, 16:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:„Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht identisch".
Richtig. - Die ewige Frage ist, welche Version den WIRKLICHEN Jesus authentischer trifft. - Diese Fragen können wir weder per HKM noch im Forum objektiv klären.
Die wichtige Information ist jedenfalls, dass der historische Jesus eben anders war, als der verkündete und mythologisierte Jesus von Bibel und Kirche.
Eher ein unspektakulärer Wanderprediger von vielen, der zeitgenössischen Chronisten keine Erwähnung wert war, bis auf einen Nebensatz bei Tacitus.
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#1316 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 27. Nov 2016, 17:07

sven23 hat geschrieben:Die wichtige Information ist jedenfalls, dass der historische Jesus eben anders war, als der verkündete und mythologisierte Jesus von Bibel und Kirche.
Moment - Trillhaas sagt etwas anderes:
sven23 hat geschrieben:„Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht identisch".
Richtig wäre auch: "Der historisch-kritische Jesus ist ein anderer als der verkündete Jesus".

Wenn man aber "historisch" mit "wirklich" gleichsetzt (also nicht auf eine Wahrnehmungs-Methodik, sondern auf Jesus selbst bezieht), bleibt vollkommen offen, welche beider Jesus-Bilder authentischer zu Jesu Wirklichkeit, somit auch zu dessen Historizität, ist.

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sven23
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#1317 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » So 27. Nov 2016, 17:23

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die wichtige Information ist jedenfalls, dass der historische Jesus eben anders war, als der verkündete und mythologisierte Jesus von Bibel und Kirche.
Moment - Trillhaas sagt etwas anderes:
sven23 hat geschrieben:„Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht identisch".
Richtig wäre auch: "Der historisch-kritische Jesus ist ein anderer als der verkündete Jesus".

Wenn man aber "historisch" mit "wirklich" gleichsetzt (also nicht auf eine Wahrnehmungs-Methodik, sondern auf Jesus selbst bezieht), bleibt vollkommen offen, welche beider Jesus-Bilder authentischer zu Jesu Wirklichkeit, somit auch zu dessen Historizität, ist.
Trillhaas sagt nichts anderes. Der historische Jesus ist der vermeintlich echte Jesus, was sonst?
Wenn wir doch etwas gelernt haben, dann, dass die Gemeindebildung und die Evangelien und deren Veränderung ein wechselseitiger Prozess war. In diesem Prozess entfernte man sich immer mehr vom unspektaklären Wanderprediger hin zum verklärten, mythologisierten Gottessohn.
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Münek
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#1318 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » So 27. Nov 2016, 18:25

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theißen und auch ein Kubitza weisen immer wieder auf die Grenzen einer Methode hin.
Dem Theißen nehme ich es ab, dem Kubitza nicht - dazu ist er zu offensiv ideologisch. - Egal wie: Was nützen all die Lippenbekenntnisse, wenn dann doch wieder de facto ein Universal-Anspruch auf Gültigkeit und Redlichkeit gepredigt wird? - Was zur Reaktion führt wie: "Nix gelernt".
Du stellst mal wieder die Tatsachen auf den Kopf. Einen universalen Wahrheitsanspruch erhebt nur die katholische Kirche, die historisch-kritische Bibelforschung begnügt sich mit mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeiten historischen Geschehens.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nochmals - Paulus nahm (wie auch Jesus) die Paradiesgeschichte wortwörtlich als historisches Ereignis - der hatte mit Chiffren nix am Kopp.
Und mindestens doppelt so viel "nochmals": Auch Historie ist Chiffre, wenn sie etwas Geistiges transportiert.
Die Paradiesgeschichte ist aber NICHT historisch. Jesus und Paulus haben nur fest daran geglaubt, dass sie ein wirkliches (und kein "geistiges") Geschehen schildert. Wie hätten sie auch auf einen solchen absurden Gedanken "chiffrierter Geistigkeit" verfallen sollen?

"Wie durch einen Menschen", schreibt Paulus in Römer 5, "die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde".... "Denn gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viele Gerechte."

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Inwiefern?
Es ist Grundlage der Theologie, dass Gott DAS Eine ist, das durch den Sündenfall aufgetrennt wird. - "Satan" (= Scheitan) ist Chiffre für das Trennende.
Satan hat nichts mit dem "Sündenfall" zu tun. Der Satan ist erst durch die dämonen- und teufelsgläubigen Urchristen zum "Gott dieser Welt", zum "Widerpart Gottes" aufgewertet worden. Im "Alten Testament" tritt Satan an keiner Stelle als Feind Gottes auf, sondern ist diesem brav untergeordnet.

closs hat geschrieben:Ohne Trennung keine Dialektik. - Bei Trennung immer Dialektik.
Das ist der Grund, warum sich so viele Paare trennen. Die wollen endlich mal die DIALEKTIK kennenlernen. :lol:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Oder liege ich da falsch? Spricht die Kirche nicht von "Erbsünde"?
Gar nicht.
Doch doch - wirf mal trotz Deiner Lesephobie einen Blick in den "Katechismus der Katholischen Kirche" (Nr. 404). Da werden Sie geholfen.

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#1319 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 27. Nov 2016, 22:08

sven23 hat geschrieben:Trillhaas sagt nichts anderes.
Sorry - DU hast ihn zitiert. Und da steht etwas anderes, als Du daraus interpretierst.

Münek hat geschrieben:die historisch-kritische Bibelforschung begnügt sich mit mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeiten historischen Geschehens.
Das entspricht NICHT dem, als was hier die HKM ständig dargestellt wird.

Münek hat geschrieben:Jesus und Paulus haben nur fest daran geglaubt, dass sie ein wirkliches (und kein "geistiges") Geschehen schildert.
Wie kommst Du darauf, dass "historisch" und "geistig" Gegensätze wären? Das ist in sich schräg.

Richtig wäre: Egal, ob die Genesis historisch ist oder nicht (was meine Meinung ist), ist sie entweder geistig valent oder nicht. - Es ist vollkommen egal, ob geistige Valenz historisch oder mythisch geoffenbart wird.

Münek hat geschrieben:Wie hätten sie auch auf einen solchen absurden Gedanken "chiffrierter Geistigkeit" verfallen sollen?
Das haben sie doch sinngemäß, indem sie das Paradies-Geschehen als geistig relevant erkannt haben.

Münek hat geschrieben:Satan hat nichts mit dem "Sündenfall" zu tun.
Im Sinne der literarischen Entwicklung ist das korrekt - da ist "die Schlange" und nicht "der Satan". - Aber auch das ist irrelevant, weil es nicht um Worte, sondern um Inhalte geht.

Inhalt von "Schlange"/"Luzifer"/"Satan", etc. ist, dass dadurch das Von-Gott-Trennende (bzw. Getrennte) personalisiert wird - auch bei "Hiob". - Ob man nun "Satan" als eigenständigen Widersacher Gottes oder als Widersacher im Auftrag Gottes versteht, ist zwar ein Unterschied, aber prinzipiell nicht relevant.

Mit anderen Worten: Der "Sündenfall" ist das "Von-Gott-Trennende", das mit einem Wort benannt wird - das einmal "Satan", dann "Schlange", dann "Luzifer" und sonst noch was genannt wird. - Es ist substantiell dasselbe.

Münek hat geschrieben:Die wollen endlich mal die DIALEKTIK kennenlernen.
Die sollen erst mal richtig Deutsch lernen, bevor sie Dialekte lernen. :geek:

Münek hat geschrieben:Doch doch
Natürlich spricht die Kirche davon - ich weiß nicht mehr, was der Kontext für mein "Gar nicht" war.

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#1320 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Mo 28. Nov 2016, 02:47

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:die historisch-kritische Bibelforschung begnügt sich mit mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeiten historischen Geschehens.
Das entspricht NICHT dem, als was hier die HKM ständig dargestellt wird.
Erstens stimmt dies nicht. Und zweitens ist es völlig irrelevant, wie Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibelforschung von Dritten rezipiert werden.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesus und Paulus haben nur fest daran geglaubt, dass sie ein wirkliches (und kein "geistiges") Geschehen schildert.
Wie kommst Du darauf, dass "historisch" und "geistig" Gegensätze wären? Das ist in sich schräg.
Historisches ist wirklich passiert. Das "Geistige" spielt sich nur als Glaube in Deinem Kopf ab. Ein gewaltiger Unterschied.

closs hat geschrieben:Richtig wäre: Egal, ob die Genesis historisch ist oder nicht (was meine Meinung ist), ist sie entweder geistig valent oder nicht. - Es ist vollkommen egal, ob geistige Valenz historisch oder mythisch geoffenbart wird.
Mit dieser erfundenen Sündenfall-Geschichte wird nichts "offenbart". Das heißersehnte Paradies hat es in der Menschheitsgeschichte nie gegeben. Nur ein schöner Traum.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wie hätten sie auch auf einen solchen absurden Gedanken "chiffrierter Geistigkeit" verfallen sollen?
Das haben sie doch sinngemäß, indem sie das Paradies-Geschehen als geistig relevant erkannt haben.
Nee - mit Chiffren hatte Paulus absolut nichts am Hut. Der ging sogar davon aus, dass tatsächlich eine sprechende Schlange Adams Frau verführt hat. Da ist nix mit geistig.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Satan hat nichts mit dem "Sündenfall" zu tun.
Im Sinne der literarischen Entwicklung ist das korrekt - da ist "die Schlange" und nicht "der Satan". - Aber auch das ist irrelevant, weil es nicht um Worte, sondern um Inhalte geht. Inhalt von "Schlange"/"Luzifer"/"Satan", etc. ist, dass dadurch das Von-Gott-Trennende (bzw. Getrennte) personalisiert wird - auch bei "Hiob". - Ob man nun "Satan" als eigenständigen Widersacher Gottes oder als Widersacher im Auftrag Gottes versteht, ist zwar ein Unterschied, aber prinzipiell nicht relevant.
Das ist substanzloses leeres Geschwurbel.

closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Der "Sündenfall" ist das "Von-Gott-Trennende", das mit einem Wort benannt wird - das einmal "Satan", dann "Schlange", dann "Luzifer" und sonst noch was genannt wird. - Es ist substantiell dasselbe.
Blödsinn. Satan bedeutet schlicht Widersacher und zwar auch im durchaus säkularen Sinn.

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