Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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Münek
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#1151 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 18:45

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der historische Jesus hat sich im Übrigen nie selbst als "Sohn Gottes" bezeichnet, sondern als Menschensohn.
Direkt gesagt hat er es wohl nicht, aber indirekt bestätigt.
Johannes 10:30
Ich und der Vater sind eins.
Das heißt, mein Vater und ich sind uns in allen Dingen einig. Unabhängig davon. Dieser Ausspruch steht im Johannes-Evangelium. Dieses gilt - soweit Reden Jesu betroffen sind - als Erfindung/Eigenkomposition des Evangelisten, die mit dem historischen Jesus nichts zu tun hat.

Ska`ara hat geschrieben:Matthäus 16,16-17
Skaàra hat geschrieben: Petrus scheint seinen Rabbi in der Tat für den jüdischen endzeitlichen Heilsbringer gehalten zu haben. Nach der herrschenden Meinung in der neutestamentlichen Forschung hat sich Jesus NICHT für den Messias gehalten, der im Übrigen nach jüdischer Auffassung kein himmlisches Wesen, sondern ein auserwählter MENSCH war.

Die Hohepriester haben ganz bestimmt nicht den "Menschensohn" zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Genauso wenig wie die Jünger Jesu, obwohl Jesus ihnen dieses grandiose Ereignis noch zu ihren Lebzeiten zugesichert hatte.

closs
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#1152 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 11. Nov 2016, 19:52

sven23 hat geschrieben:Und warum nimmt man die Hilfe nicht an?
Macht sie doch - aber nicht, was die geistigen Kernaussagen angeht. Für sie hat die HKM eine zwar wichtige Nebenfunktion - nicht mehr und nicht weniger.

sven23 hat geschrieben:Sie haben kein Problem damit, dass z. b. das Johannesevangelium eine weitgehend freie Erfindung des Schreibers ist?
Sie haben kein Problem damit, dass der Text des Johannis-Evangeliums nicht von Johannis geschrieben ist. - Ansonsten prüfen sie, ob der Text - egal vom wem - dem Geist Jesu entspricht, wie er aus ihrer Sicht der Fall war.

sven23 hat geschrieben:Es reicht, wenn Kanoniker und Glaubensdogmatiker mit unsauberen Methoden arbeiten.
Das sind unsaubere Sottisen, die nicht durch Wiederholung wahr werden.

sven23 hat geschrieben: Der historische Jesus ist ein anderer, als man posthum aus ihm gemacht hat.
In Bezug auf das, was bei seinen geistigen Aussagen der Fall ist, wird dies bestritten - und da kann auch die HKM nicht dagegenhalten, weil sie sich um solche Fragen nach Euren Aussagen nicht bekümmert. - Was biografistische Abläufe angeht, wirst Du recht haben.

sven23 hat geschrieben:Es ist keine urban legend, sondern Tatsache.
Höchstens insofern, dass sich die theologische Exegese mehr um das kümmert, was Jesus gemeint hat, und die HKM mehr um das, was die Leute geglaubt haben. - Aber da denke ich, ist der theologische Ansatz ursprünglicher, weil er direkt auf Jesus zielt.

Münek hat geschrieben:Erstens befragt die Dogmatik die HKM nicht.
Was rein historisch-kritische "Sachleistungen" angeht, tut sie das nicht - sie interessiert sich nicht dafür, ob die Quelle x aus 80 n.Chr. oder 150 n.Chr. ist - sie prüft geistig.

Münek hat geschrieben:Und zweitens braucht die Dogmatik auch keine Hilfe für "ihre" Auslegung, weil die Auslegung biblischer Texte überhaupt nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehört.
Unterm Strich stimmt das NICHT - denn die Dogmatik könnte nicht Dogmatik sein, wenn sie nicht vorher die Bibel geistig auslegt. - Dazu braucht sie aber die HKM nicht, weil das nicht das Terrain der HKM ist.

Münek hat geschrieben:Auch die Kirche und die Dogmatik haben NICHTS anderes als die schriftlichen Quellen, die für sie bekanntlich das "Wort Gottes" sind.
Ja - aber sie interpretieren sie in einem anderen Kontext. - Das habe ich jetzt an die 100 Mal geschrieben - ich kann's doch auch nicht ändern. :lol:

Münek hat geschrieben:Es geht überhaupt nicht um das Verständnis oder Unverständnis "von irgendwelchen Leuten" (Rezeptionen), sondern um die überlieferten ureigenen Worte Jesu, die sowohl von der Kirche als auch von der neutestamentlichen Exegese als authentisch angesehen werden.
Ja - auch die RKK sieht im "nahen Gottesreich" den Kern des NT, hält also diese Aussage für authentisch. - Aber sie interpretiert dies doch ganz anders - ist das wirklich nicht verständlich?

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Münek
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#1153 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 20:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Erstens befragt die Dogmatik die HKM nicht.
Was rein historisch-kritische "Sachleistungen" angeht.
Nein - die Exegese als "Anwältin der Schrift" wird von der Dogmatik NICHT befragt. Wie kommst Du denn darauf?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Und zweitens braucht die Dogmatik auch keine Hilfe für "ihre" Auslegung, weil die Auslegung biblischer Texte überhaupt nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehört.
Unterm Strich stimmt das NICHT - denn die Dogmatik könnte nicht Dogmatik sein, wenn sie nicht vorher die Bibel geistig auslegt.
Für die Auslegung biblischer Texte ist aber - leider, leider - ausschließlich die "Exegese" zuständig. Die Dogmatik kümmert sich nur um die kirchliche Glaubenslehre, legt also keine biblischen Texte aus.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Auch die Kirche und die Dogmatik haben NICHTS anderes als die schriftlichen Quellen, die für sie bekanntlich das "Wort Gottes" sind.
Ja - aber sie interpretieren sie in einem anderen Kontext.
Der Kontext sind immer die biblischen Quellen, die sie nicht wie Du als bloße Rezeptionen abwerten. Sie sind für die Kirche das "Wort Gottes". Sonst gibt es nichts an weiteren Erkenntnisquellen. Ein heißer Draht zwischen Vatikan und Gott als zusätzliche primäre Erkenntnisquelle existiert nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es geht überhaupt nicht um das Verständnis oder Unverständnis "von irgendwelchen Leuten" (Rezeptionen), sondern um die überlieferten ureigenen Worte Jesu, die sowohl von der Kirche als auch von der neutestamentlichen Exegese als authentisch angesehen werden.
Ja - auch die RKK sieht im "nahen Gottesreich" den Kern des NT, hält also diese Aussage für authentisch. - Aber sie interpretiert dies doch ganz anders - ist das wirklich nicht verständlich?
DU bist derjenige, der immer wieder darauf hinweist, dass die überlieferten Texte bloß Rezeptionen von Leuten sind, die Jesus nicht verstanden haben. Jesu authentische Worte - das trifft auch auf die paulinischen Briefe zu - sind aber nunmal keine Rezeptionen. Da-
mit kannst Du Deinen Rezeptionsansatz knicken. Er ist schlicht falsch.


Wie interpretiert denn die katholische Kirche das von Jesus verkündigte nahe "Reich Gottes"? Kannst Du diese Frage beantworten? Jetzt bin ich aber mal gespannt.

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#1154 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 11. Nov 2016, 21:11

Münek hat geschrieben: Wie kommst Du denn darauf?
Weil es kein Dogma gibt, das nicht Folge des Bibel-Verständnisses ist. - Und Bibel-Verständnis geht ja wohl nur, wenn man vorher die Bibel ausgelegt hat, oder nicht?

Münek hat geschrieben:Für die Auslegung biblischer Texte ist aber - leider, leider - ausschließlich die "Exegese" zuständig.
Ja - aber doch nicht nur die historisch-kritische Exegese. - Es muss doch auch jemand auslegen, wie Texte geistig gemeint sind.

Münek hat geschrieben:Jesu authentische Worte - das trifft auch auf die paulinischen Briefe zu - sind aber nunmal keine Rezeptionen.
Aber deren Wiedergabe - im besten Fall ist es eine wortgetreue Rezeption, was aber wahrscheinlich eher selten ist. - Rezeptionen sind in aller Regel Interpretationen.

Davon abgesehen:
Was nützte es, wenn Jesu Worte zweifelsfrei original vorlägen, aber dann weltanschaulich unterschiedlich interpretiert werden würden. - Man sieht es doch deutlich an unserer Naherwartungs-Sache: Alle stimmen darin überein, dass "die Nähe des Gottesreichs" eine Kernaussage der jesuanischen Botschaft ist, intepretieren es aber ganz unterschiedlich. - Das Original nützt also nichts, wenn's danach auseinander-fleddert.

Münek hat geschrieben:Wie interpretiert denn die katholische Kirche das von Jesus verkündigte nahe "Reich Gottes"? Kannst Du diese Frage beantworten? Jetzt bin ich aber mal gespannt.
Wurde hier schon x-mal gemacht - deshalb nur Stichworte zu Deiner Erinnerung:
a) Kreuzes-Tod = Nähe für alle Zeit
b) Jesus = Verinnerlichung (innere statt äußere Beschneidung)
c) Sogar der Bezug auf die Verklärung passt auf eines der berüchtigten Zitate.

Wie gesagt: Das haben wir 500 Seiten lang durchgekaut - da mache ich nicht mehr mit. - Das Problem liegt woanders, nämlich im weltanschaulichen Zugang zu geistigen Texten.

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fin
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#1155 Re: Theodizee

Beitrag von fin » Fr 11. Nov 2016, 23:03

-- Menschensohn & Sohn Gottes --

Münek hat geschrieben:Der historische Jesus hat sich im Übrigen nie selbst als "Sohn Gottes" bezeichnet, sondern als Menschensohn.

Die Schriften des NT sagen etwas anderes:

34 Jesus erwiderte ihnen: Heißt es nicht in eurem Gesetz: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter? 35 Wenn er jene Menschen Götter genannt hat, an die das Wort Gottes ergangen ist, und wenn die Schrift nicht aufgehoben werden kann, 36 dürft ihr dann von dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat, sagen: Du lästerst Gott - weil ich gesagt habe: Ich bin Gottes Sohn? - Joh (10:34-36)

-

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Ska'ara
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#1156 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Fr 11. Nov 2016, 23:31

Münek hat geschrieben: Die Hohepriester haben ganz bestimmt nicht den "Menschensohn" zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Genauso wenig wie die Jünger Jesu, obwohl Jesus ihnen dieses grandiose Ereignis noch zu ihren Lebzeiten zugesichert hatte.
Du brauchst noch mehr?

„Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt
und wir haben seine Herrlichkeit gesehen,
die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,
voll Gnade und Wahrheit.“
Joh. 1:14

„Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.“
Joh. 5:19

In Bezug auf das AT sagte Jesus oft: Ich aber sage euch ... Jesus fühlte sich eindeutig bevollmächtigt.
Er vergab Sünden, was bekanntlich nur Gott kann.
Die Auferstehung bestätigt ihn.
In Jesaja wurde die Heilung Blinder vorausgesagt.
Jesus wusste um einen Verrat und ließ ihn zu. Ein Betrüger hätte anders gehandelt.

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sven23
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#1157 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 12. Nov 2016, 07:10

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und warum nimmt man die Hilfe nicht an?
Macht sie doch - aber nicht, was die geistigen Kernaussagen angeht. Für sie hat die HKM eine zwar wichtige Nebenfunktion - nicht mehr und nicht weniger.
Das ist der große Irrtum. Die Forschung versucht sogar, authentische von nicht authentischen Aussagen Jesu zu unterscheiden, im Gegensatz zur kanonischen Exegese. Sie kann noch nicht mal die Widersprüche innerhalb der Schriften erklären.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie haben kein Problem damit, dass z. b. das Johannesevangelium eine weitgehend freie Erfindung des Schreibers ist?
Sie haben kein Problem damit, dass der Text des Johannis-Evangeliums nicht von Johannis geschrieben ist. - Ansonsten prüfen sie, ob der Text - egal vom wem - dem Geist Jesu entspricht, wie er aus ihrer Sicht der Fall war.
Dass sie nicht von Johannes stammen, ist ja noch mal was anderes. Aber selbst das wird nicht offen kommuniziert (Conzelmann läßt grüßen). Hier geht es darum, dass das Johannesevangelium als weitgehende Erfindung eines unbekannten Schreibers um das Jahr 100 n. Ch. gilt. Er hat hier sein eigenes Ding durchgezogen.

"Doch schon der Vergleich der Evangelien hat für die Forschung deutlich gemacht, dass es die
Evangelisten mit der Wahrheit nicht ganz so genau nahmen. Denn es gibt in den synoptischen
Evangelien Hunderte von Stellen, wo die Evangelisten mit oft klarer Absicht Worte Jesu in anderen
Kontext stellen, weglassen oder an vielen Stellen sogar hinzuerfinden. Das Johannesevangelium gilt
fast vollständig als eine Erfindung des Evangelisten. Die Evangelisten waren keine Historiker, sie
wollten von vornherein keine Biographie schreiben, sondern sie waren Exponenten der Gemeinden,
für die sie schrieben. Sie waren selbst gläubig und wollten Glauben wecken, und sie taten dies u. a.
auch dadurch, dass sie Worte und Taten Jesu einfach hinzuerfanden. Der Zweck heiligte für sie die
Mittel. Weil dieser Umstand heute ein Allgemeinplatz in der neutestamentlichen Forschung ist,
sprechen Theologen in ihren Kommentaren schon lange nicht mehr von der Wahrheitsliebe der
Verfasser, sondern von deren Glauben."

Kubitza, Der Dogmenwahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es reicht, wenn Kanoniker und Glaubensdogmatiker mit unsauberen Methoden arbeiten.
Das sind unsaubere Sottisen, die nicht durch Wiederholung wahr werden.
Man kann es gar nicht oft genug wiederholen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der historische Jesus ist ein anderer, als man posthum aus ihm gemacht hat.
In Bezug auf das, was bei seinen geistigen Aussagen der Fall ist, wird dies bestritten - und da kann auch die HKM nicht dagegenhalten, weil sie sich um solche Fragen nach Euren Aussagen nicht bekümmert. - Was biografistische Abläufe angeht, wirst Du recht haben.
Wie oft denn noch? :roll:
Nicht nur biografisches, auch die "geistigen" Aussagen betrifft dies. Sebstverständlich beschreibt die Forschung geistige Aussagen, sofern sie zum Glaubenkonstrukt gehören. Wo hast du nur diesen Blödsinn her?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist keine urban legend, sondern Tatsache.
Höchstens insofern, dass sich die theologische Exegese mehr um das kümmert, was Jesus gemeint hat, und die HKM mehr um das, was die Leute geglaubt haben. - Aber da denke ich, ist der theologische Ansatz ursprünglicher, weil er direkt auf Jesus zielt.
Was Jesus "gemeint" hat, läßt sich nur an den Quellen ablesen. Du meinst eher, was er gemeint haben könnte, abseits der Quellen. Das hat dann aber nichts mehr mit wissenschaftlicher Exegese zu tun. Die Quellen sind nun mal die Basis, was anderes haben wir nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Erstens befragt die Dogmatik die HKM nicht.
Was rein historisch-kritische "Sachleistungen" angeht, tut sie das nicht - sie interessiert sich nicht dafür, ob die Quelle x aus 80 n.Chr. oder 150 n.Chr. ist - sie prüft geistig.
Was und wie "prüft" sie denn? Welche Aussagen Jesu hat sie denn verworfen?


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es geht überhaupt nicht um das Verständnis oder Unverständnis "von irgendwelchen Leuten" (Rezeptionen), sondern um die überlieferten ureigenen Worte Jesu, die sowohl von der Kirche als auch von der neutestamentlichen Exegese als authentisch angesehen werden.
Ja - auch die RKK sieht im "nahen Gottesreich" den Kern des NT, hält also diese Aussage für authentisch. - Aber sie interpretiert dies doch ganz anders - ist das wirklich nicht verständlich?
Sagen wir mal so: sie verfälscht die Texte ganz anders, denn der Jude Jesus meinte es ganz anders. Wie Theißen richtig sagt, muss Jesus im jüdischen Kontext gesehen werden, nicht im nachträglichen christlichen Rezeptionsumfeld, das schon völlig mit Legenden und Mythen kontaminiert ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1158 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 12. Nov 2016, 09:13

sven23 hat geschrieben:Das ist der große Irrtum. Die Forschung versucht sogar, authentische von nicht authentischen Aussagen Jesu zu unterscheiden
Sie kann das quellentechnisch probieren - aber der Ansatz geistiger Auslegung der Bibel ist auch heilsgeschichtlich beeinflusst im Sinne von: Welche Aussagen der Bibel passen in den gesamt-kanonischen Kontext. Das ist ein ganz anderer Ansatz.

sven23 hat geschrieben: Aber selbst das wird nicht offen kommuniziert
Weil es um Echtheit im NT-Sinne geht - "Johannis" ist ein Statthalter.

Es ist wirklich wahnsinnig schwer zu erklären. - Stell Dir vor, dass es seit der Genesis eine klare geistige Entwicklung gibt (nicht unbedingt chronologisch, aber eben heilsgeschichtlich). - Diese Entwicklung ist geistig/ontologisch/philosophisch/theologisch hart begründbar, aber halt auch nur, wenn man sich auf diesen geistigen Ansatz einlässt. - Um es mal salopp zu sagen: Als ich vor gut 10 Jahren erstmal die Bibel gelesen habe, war für mich ab dem sogenannten "Sündenfall" klar, wohin die Reise geht - nämlich zu dem, was man "Erlösung" nennt.

Wenn man das spürt, fallen einem die Texte sozusagen freihändig zu - und das hat nichts, aber auch gar nichts mit HKM-Exegese zu tun. - Jetzt kommt Jesus, was wie die Faust aufs Auge passt (die Juden sehen es anders, aber sie verstehen, dass es so ist) - und da stehen von Schreibern Texte, die derart brutal genial als geistige Fortsetzung des AT geeignet sind, dass es nicht Zufall sein kann.

Und jetzt kommt die HKM und interpretiert die ganze Sache geradezu provokativ ahnungslos, was das innere Gespür für Texte und deren spirituellen Inhalte angeht, weil sie methodisch gar nicht anders kann - das geht ja noch. - Aber irgendwann wird es zuviel, wenn die HKM sagt "Wir sind DIE Auslegungs-Disziplin der Bibel", wo dann jeder halbwegs vom HG Geküsste sagen muss: "Oberflächlich, historisch, kulturwissenschaftlich habt Ihr wahrscheinlich recht - aber spürt Ihr denn wirklich nicht, was da insgesamt vorgeht?". - Und dann sagt die HKM: "Das ist auch nicht unsere Aufgabe - aber trotzdem sind wir der Boss". :)

So, darfst Du verstehen, ist das Verhältnis zwischen HKM und Theologie - zumindest der traditionellen Theologie.

sven23 hat geschrieben:Kubitza
Vergleich das mal mit dem, was Kubitza sagt - und möglicherweise gilt das auch für Bultmann und Conzelmann (kenne ich aber nicht gut genug).

sven23 hat geschrieben:Man kann es gar nicht oft genug wiederholen.
Ein Selbstbewusstsein, das sich aus einseitigem Zugang erklärt.

sven23 hat geschrieben:Nicht nur biografisches, auch die "geistigen" Aussagen betrifft dies. Sebstverständlich beschreibt die Forschung geistige Aussagen, sofern sie zum Glaubenkonstrukt gehören. Wo hast du nur diesen Blödsinn her?
Von der Realität. - Wie kann eine Disziplin, die methodisch Geistiges ausschließt, geistig beurteilen?

Natürlich kann sie sagen "Da ist was Geistiges" - aber beurteilen. - Du hast nur dann recht, wenn man inhaltlich das Wort "geistig" so gegenüber den Sinn "Ableger von HG" verändert, dass es passend gemacht ist - aber das löst das Problem nicht.

sven23 hat geschrieben:Was Jesus "gemeint" hat, läßt sich nur an den Quellen ablesen.
Lassen wir es so stehen - aber es macht dann nur Sinn, wenn man es geistig ablesen KANN. - Und Du siehst doch, dass dieselben (!!!) biblischen Aussagen zur Naherwartung historisch-kritisch ganz anders INTERPRETIERT werden, als wenn man es "geistig" (im traditionellen Sinne) tut.

sven23 hat geschrieben:Das hat dann aber nichts mehr mit wissenschaftlicher Exegese zu tun.
In Deinem Sinne richtig - aber das bringt doch keine Tiefe.

sven23 hat geschrieben:Was und wie "prüft" sie denn?
Im geistigen Kontext - also auf einer Ebene, die in der spirituellen Bedeutung des Wortes "geistig" der HKM fremd ist.

sven23 hat geschrieben:Welche Aussagen Jesu hat sie denn verworfen?
Da stimme ich Dir wirklich zu. - Die kirchlichen Theologien haben aus meiner Sicht den Kardinalfehler gemacht, Aussagen, die Jesus zugesprochen werden, als "wahr" zu verstehen, weil es vom HG so eingegeben sei. - Dies ist ein Stück weit nachvollziehbar, aber nicht generell - da ist eine Flanke, in die Du zurecht hineinstoßen kannst.

Aus meiner Sicht gilt fürs NT dasselbe, was aus meiner Sicht im AT ganz offensichtlich ist: Es gibt eine Mischung aus Irrtum und Wahrheit in den Texten, die man sowohl einzeln als auch im geistigen Kontext prüfen muss. - Aber das ist keine historisch-kritische, sondern eine geistige Prüfung. - Es kommt also etwas anderes heraus, als wenn es die HKM tut.

sven23 hat geschrieben:sie verfälscht die Texte ganz anders, denn der Jude Jesus meinte es ganz anders.
Falsch - hier bricht bei Dir wieder mal der Triumph durch, den die HKM aufgrund ihrer sauberen Methodik in sich selbst spürt, der aber oft genug an der Sache vorbeigeht.

sven23 hat geschrieben: Wie Theißen richtig sagt, muss Jesus im jüdischen Kontext gesehen werden, nicht im nachträglichen christlichen Rezeptionsumfeld
Das ist sowohl richtig als auch falsch. - Natürlich ist Jesus Jude und will das AT evolutionär erfüllen - hätte er es geschafft, gäbe es jetzt ein reformiertes Judentum. - Mit den Inhalten dessen, was man heute "christlich" nennt.

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#1159 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 12. Nov 2016, 09:18

sven23 hat geschrieben: Dass sie nicht von Johannes stammen, ist ja noch mal was anderes. Aber selbst das wird nicht offen kommuniziert (Conzelmann läßt grüßen). Hier geht es darum, dass das Johannesevangelium als weitgehende Erfindung eines unbekannten Schreibers um das Jahr 100 n. Ch. gilt. Er hat hier sein eigenes Ding durchgezogen.

Wer behauptet, dass der Johannestext erfunden wurde? Warum sollte dies so sein? Dies sind doch nur Annahmen. Oder ist es so: wenn ein Text nicht zu verstehen ist oder scheinbar nicht passt zum momentanen eigenen Denken, muss er falsch sein? Vielleicht sollte man da Zusammenhänge zum Rest der Bibel suchen, statt von vornherein aufgrund einer vagen Vermutung Fehler hineinzuinterpretieren. Ich bin da vorurteilsfreier.

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sven23
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#1160 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 12. Nov 2016, 09:55

Ska'ara hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Dass sie nicht von Johannes stammen, ist ja noch mal was anderes. Aber selbst das wird nicht offen kommuniziert (Conzelmann läßt grüßen). Hier geht es darum, dass das Johannesevangelium als weitgehende Erfindung eines unbekannten Schreibers um das Jahr 100 n. Ch. gilt. Er hat hier sein eigenes Ding durchgezogen.

Wer behauptet, dass der Johannestext erfunden wurde? Warum sollte dies so sein? Dies sind doch nur Annahmen. Oder ist es so: wenn ein Text nicht zu verstehen ist oder scheinbar nicht passt zum momentanen eigenen Denken, muss er falsch sein? Vielleicht sollte man da Zusammenhänge zum Rest der Bibel suchen, statt von vornherein aufgrund einer vagen Vermutung Fehler hineinzuinterpretieren. Ich bin da vorurteilsfreier.
Du kannst natürlich jederzeit sagen, dass dich die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung nicht interessieren, weil du einfach nur glaubst, was du glauben willst. Aber du willst ja sicher auch nicht wie closs den Wissenschafts-TÜV Stempel haben. Insofern ist das ein Glaubensentscheid, den ich respektiere.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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