Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#1001 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Do 3. Nov 2016, 21:47

Münek hat geschrieben:Was "Gott" wesensmäßig "ist", ist nicht erkennbar und nicht erfassbar.
Genau so ist es - das Äußerste, was der Mensch tun kann, ist sein Wesen aus seinen Offenbarungen heraus zu erahnen. - "Wissenschaftlich" im klassischen Sinne geht das nicht.

Münek hat geschrieben:Nein - in nahezu allen Fällen agiert Gott (Elohim) oder Gott der Herr (Jahwe Elohim) höchstpersönlich
Das tut er in seinen Offenbarungen auch.

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Münek
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#1002 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 4. Nov 2016, 00:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was "Gott" wesensmäßig "ist", ist nicht erkennbar und nicht erfassbar.
Genau so ist es - das Äußerste, was der Mensch tun kann, ist sein Wesen aus seinen Offenbarungen heraus zu erahnen.
"Erahnen" (= undeutlich vermuten) bedeutet so gut wie nichts. Wenn Gottes Wesen weder erkennbar noch erfassbar ist, ist es nicht möglich, Aussagen über sein Wesen zu machen - wie Du es aber tust.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - in nahezu allen Fällen agiert Gott (Elohim) oder Gott der Herr (Jahwe Elohim) höchstpersönlich
Das tut er in seinen Offenbarungen auch.
Jahwe Elohim tritt aber im "Alten Testament" - und das ist der Punkt - nahezu nie in einer seiner ihm unterstellten trinitarischen "Offenbarungsformen" in Erscheinung, sondern er selbst als Gott. Deswegen ist es falsch zu behaupten, dass Gott sich auf Erden
nur in einer seiner Trinitätsformen präsentierte.


Weder der Vater noch der Sohn noch der Heilige Geist führten das Volk Israel aus Ägypten oder gaben den Kindern Israel am Berg Sinai
die zehn Gebote oder schlossen einen Bund mit Noah, Abraham und dem Volk Israel etc. etc. Der Agierende war immer Gott selbst.

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#1003 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 4. Nov 2016, 06:56

Münek hat geschrieben:Wenn Gottes Wesen weder erkennbar noch erfassbar ist, ist es nicht möglich, Aussagen über sein Wesen zu machen - wie Du es aber tust.
Vielleicht finden wir noch ein richtiges Wort für den Umstand, dass man erkennt, wo's lang geht, ohne es genau benennen zu können.

Münek hat geschrieben:Jahwe Elohim tritt aber im "Alten Testament" - und das ist der Punkt - nahezu nie in einer seiner ihm unterstellten trinitarischen "Offenbarungsformen" in Erscheinung
Sehe ich genauso - "Trinität" macht erst im NT so richtig Sinn.

Münek hat geschrieben: Deswegen ist es falsch zu behaupten, dass Gott sich auf Erden nur in einer seiner Trinitätsformen präsentierte.
Stimmt - wer sagt so etwas?

Münek hat geschrieben:Der Agierende war immer Gott selbst.
Nochmal: Gott ist auch in der Trinität immer der Agierende. - Und auch im AT kriegt man nicht weg, dass der Mensch Gott nur durch dessen Selbst-Offenbarungen wahrnehmen kann.

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sven23
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#1004 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 4. Nov 2016, 17:49

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Man darf natürlich nicht den Fehler machen und die späteren christlichen Begriffe in die Zeit Jesu zurück zu projizieren.
Eben - aber das passiert halt ständig, wenn man die Bibel säkular bewertet.
Nein, das ist das, was die Schreiber praktiziert haben. Die am weitesten zurückreichenden Projektionen findet man im AT. Aber auch das NT ist voll davon.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aus dem nicht Vorhandensein eine konsistenten Theorie keine Wissenschaftlichkeit zu folgern ist übrigens definitiv kein Zirkelschluss.
So gedreht stimmt es wieder - nur: Wer sagt denn, dass die Theologie keinen Plan (alias "Theorie") hat, was in der Bibel steht?

Und weiterhin: Deine Aussage stimmt nur dann, wenn man Wissenschaft als Ableger des Kritischen Rationalismus versteht - das geht bei Naturwissenschaften, nicht aber bei Geistes-Wissenschaften (es sei denn, man ist mit kritisch-rationalem Gekratze in geistesgeschichtlichen Fragen zufrieden).
Vielleicht sollte man mal endlich Geisteswissenschaften von Geisterwissenschaften trennen. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#1005 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 4. Nov 2016, 17:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Agierende war immer Gott selbst.
Nochmal: Gott ist auch in der Trinität immer der Agierende. - Und auch im AT kriegt man nicht weg, dass der Mensch Gott nur durch dessen Selbst-Offenbarungen wahrnehmen kann.
Selbstoffenbarung ist auch so ein irreführender Begriff. Es impliziert, dass Gott sich selbst offenbart habe. Dabei haben wir es immer mit subjektiven Phantasievorstellungen menschlicher Schreiber zu tun. Das wird nur allzu gerne immer wieder vergessen.
Kant wußte schon, warum er nichts von Offenbarungsreligionen hielt.
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#1006 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 4. Nov 2016, 18:32

sven23 hat geschrieben:Nein, das ist das, was die Schreiber praktiziert haben.
Selbst das ist vermutlich nicht richtig. - Ich habe mal was von M.Buber gelesen, wo er sich als ausgewiesener Alt-Hebräiker extrem über das moderne Verständnis der damaligen Zeit beschwert hat - wir dürfen nicht vergessen, dass eine Zeit immer ihre eigenen Vorstellungen mit transportiert, wenn sie zurückschaut und bewertet.

Oder nimm 2Lena: Ihre Ausführungen sind unserer modernen Denkweise komplett fremd. - Ob sie recht hat (in Bezug auf die alt-hebräische Zeit), kann ich nicht beurteilen - aber sie KÖNNTE recht haben. - Und WENN sie recht hat, geht dies volle Pulle an den modern-formatierten Ansichten der HKM vorbei.

sven23 hat geschrieben:Vielleicht sollte man mal endlich Geisteswissenschaften von Geisterwissenschaften trennen.
Nützt nix - es ist ein prinzipielles Problem, das man nicht kosmetisch lösen kann.

sven23 hat geschrieben:Selbstoffenbarung ist auch so ein irreführender Begriff. Es impliziert, dass Gott sich selbst offenbart habe.
Natürlich.

sven23 hat geschrieben:Dabei haben wir es immer mit subjektiven Phantasievorstellungen menschlicher Schreiber zu tun. Das wird nur allzu gerne immer wieder vergessen.
"Vergessen" wird es nicht - im Gegenteil. - Es gibt genug Bibel-Stellen, die vom falschen Licht sprechen, das von der "anderen Seite" kommt - dazu gehört auch das anthropozentrische Licht. - Es gibt IMMER Kontaminierung.

sven23 hat geschrieben:Kant wußte schon, warum er nichts von Offenbarungsreligionen hielt.
Da solltest Du seine Begründung nachreichen.

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#1007 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 4. Nov 2016, 19:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, das ist das, was die Schreiber praktiziert haben.
Selbst das ist vermutlich nicht richtig. - Ich habe mal was von M.Buber gelesen, wo er sich als ausgewiesener Alt-Hebräiker extrem über das moderne Verständnis der damaligen Zeit beschwert hat - wir dürfen nicht vergessen, dass eine Zeit immer ihre eigenen Vorstellungen mit transportiert, wenn sie zurückschaut und bewertet.
Das ist seit Albert Schweitzer zu den Akten gelegt. Es ist natürlich ein fataler Fehler, die Ethik- und Wervorstellungen der eigenen Zeit in die Zeit Jesu zu projizieren.

closs hat geschrieben: Oder nimm 2Lena: Ihre Ausführungen sind unserer modernen Denkweise komplett fremd. - Ob sie recht hat (in Bezug auf die alt-hebräische Zeit), kann ich nicht beurteilen - aber sie KÖNNTE recht haben. -
Kann ich auch nicht beurteilen, weil ich sie meist überhaupt nicht verstehe.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Vielleicht sollte man mal endlich Geisteswissenschaften von Geisterwissenschaften trennen.
Nützt nix - es ist ein prinzipielles Problem, das man nicht kosmetisch lösen kann.
Die überfällige Herauslösung der Theologie aus den Geisteswissenschaften wäre mehr als eine kosmetische Lösung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbstoffenbarung ist auch so ein irreführender Begriff. Es impliziert, dass Gott sich selbst offenbart habe.
Natürlich.
Natürlich nicht, denn die Vielzahl der höchst unterschiedlichen und widersprüchlichen "Selbstoffenbarungen" würde einen höchst verwirrten und zerrissenen Gott nahe legen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dabei haben wir es immer mit subjektiven Phantasievorstellungen menschlicher Schreiber zu tun. Das wird nur allzu gerne immer wieder vergessen.
"Vergessen" wird es nicht - im Gegenteil. - Es gibt genug Bibel-Stellen, die vom falschen Licht sprechen, das von der "anderen Seite" kommt - dazu gehört auch das anthropozentrische Licht. - Es gibt IMMER Kontaminierung.
Eben, die Bibel ist voll davon.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kant wußte schon, warum er nichts von Offenbarungsreligionen hielt.
Da solltest Du seine Begründung nachreichen.

Kant vertrat eine "natürliche" bzw. "Vernunftreligion", als Gegenmodell zur Offenbarungsreligion.

"Natürliche Religion sei diejenige Religion, in der – wie auch bei Tindal – nur die religiösen Sätze anerkannt werden, die rational erschlossen wurden.[3] Dem stehe die geoffenbarte Religion und der statuarische Glauben gegenüber, die mit der natürlichen Religion identisch sein könne,[4] zumindest aber einen Teil von ihr enthalten müsse, um als Offenbarung gelten zu können.[5] Darüber hinaus enthalten die vorhandenen Religionen jedoch einen Anteil von nicht rational einsichtigen Statuten, welche als Selbstzweck befolgt werden.[6] Der Glaube an diese Prinzipien sei ein Religionswahn und ihre Befolgung ein unnötiger, ja gar moralisch falscher „Afterdienst“."
Quelle: Wikipedia

"Wir haben hier einen ähnlichen Fall wie beim Gedanken der Offenbarung. Die Religionen und auch
die christliche Religion behaupten, Gott habe sich offenbart oder wolle sich offenbaren. Doch was
dann als Beweis angeführt wird, sind jahrtausendealte Legenden aus dem Alten Testament von
brennenden Büschen und sprechenden Schlangen. Es sind fragwürdige Gottes- und
Engelserscheinungen vor nomadisierenden Hirten, sind Himmelsstimmen oder von Propheten
überbrachte Gottesworte, die ihre Herkunft aus sehr menschlichem und interessegeleitetem Denken
nurschwer verbergen können. Und die auch oft genug mit ihrem „Gotteswort“ falsch liegen. Nichts ist
von Dauer, keiner der „Beweise“ überprüfbar, schon die allerersten Gläubigen sollen und müssen
sich auf fragwürdige Zeugnisse Dritter verlassen. Hat ein Gott, wenn er sich denn wirklich offenbaren
will – und die Kirchen betonen dies doch ständig, – hat ein Gott dann nicht mehr zu bieten als diese
bunte Ansammlung von Geschichtchen, die schon von der literarischen Form her klar als Legenden
erkennbar sind?"

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1008 Re: Theodizee

Beitrag von 2Lena » Fr 4. Nov 2016, 19:19

Sven23 hat geschrieben:Kann ich auch nicht beurteilen, weil ich sie meist überhaupt nicht verstehe.
Wie solltest du auch, wenn du deinen Ast nie verlässt?

Sven23 hat geschrieben: zu Kant:
"Natürliche Religion sei diejenige Religion, in der – wie auch bei Tindal – nur die religiösen Sätze anerkannt werden, die rational erschlossen wurden.[3]
Wenn sich einem Gehörlosen Töne nicht erschließen - ist deshalb die Welt der Töne rational unerschlossen?

Und wider mal Kubitza: "Wir haben hier einen ähnlichen Fall wie beim Gedanken der Offenbarung. Die Religionen und auch die christliche Religion behaupten, Gott habe sich offenbart oder wolle sich offenbaren. Doch was dann als Beweis angeführt wird, sind jahrtausendealte Legenden aus dem Alten Testament von brennenden Büschen und sprechenden Schlangen.

Dass der "brennende Dornbusch" die Lehre darstellt, wie Gott verletzte Herzen heilen könnte (wenn die Leute die "Schuhe ausziehen" - im übertragenen Sinn) weiß Kubitza natürlich nicht.
So wird - bei fehlendem Entgegenkommen - auch Gott nie erfahren - die Liebe auch nicht.

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#1009 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 4. Nov 2016, 19:39

2Lena hat geschrieben:
Sven23 hat geschrieben:Kann ich auch nicht beurteilen, weil ich sie meist überhaupt nicht verstehe.
Wie solltest du auch, wenn du deinen Ast nie verlässt?
Könnte aber auch an dir liegen. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1010 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 4. Nov 2016, 20:10

sven23 hat geschrieben: Es ist natürlich ein fataler Fehler, die Ethik- und Wervorstellungen der eigenen Zeit in die Zeit Jesu zu projizieren.
Die Anwendung der HKM zur Erleuchtung der Wirklichkeit Jesu ist genau eine solche Projektion - wenn da etwas zu Akten gelegt wurde, dann pro domo.

sven23 hat geschrieben:Die überfällige Herauslösung der Theologie aus den Geisteswissenschaften wäre mehr als eine kosmetische Lösung.
Anders: Nach Deiner Philosophie müsste man die gesamten Geisteswissenschaften aus den Wissenschaften herauslösen - hierin sind sich Theologie und Geisteswissenschaften sehr ähnlich.

sven23 hat geschrieben:Natürlich nicht, denn die Vielzahl der höchst unterschiedlichen und widersprüchlichen "Selbstoffenbarungen" würde einen höchst verwirrten und zerrissenen Gott nahe legen.
Das ist doch nicht das Problem der Offenbarungen, sondern unserer Wahrnehmung.

sven23 hat geschrieben:Eben, die Bibel ist voll davon.
Auch das - vor allem im AT. - Aber es ist nicht besser in einer wissenschaftlich-anthropozentrischen Annäherung heute.

sven23 hat geschrieben:"Natürliche Religion sei diejenige Religion, in der – wie auch bei Tindal – nur die religiösen Sätze anerkannt werden, die rational erschlossen wurden".
Fundamental-theologisch ist das meines Erachtens möglich. - Es wird nur nicht verstanden.

sven23 hat geschrieben: Darüber hinaus enthalten die vorhandenen Religionen jedoch einen Anteil von nicht rational einsichtigen Statuten, welche als Selbstzweck befolgt werden.[6] Der Glaube an diese Prinzipien sei ein Religionswahn und ihre Befolgung ein unnötiger, ja gar moralisch falscher „Afterdienst“."
Da würde mich interessieren, ob Kant das noch am Ende seines Lebens gesagt hätte, als er zum ERgebnis kam, dass es Trans-Rationales jenseits der Vernunft gibt. - So wie es hier darsteht, ist es ziemlich anthropozentristisch - wäre mir zu wenig.

sven23 hat geschrieben:"Hat ein Gott, wenn er sich denn wirklich offenbaren
will – und die Kirchen betonen dies doch ständig, – hat ein Gott dann nicht mehr zu bieten als diese
bunte Ansammlung von Geschichtchen, die schon von der literarischen Form her klar als Legenden
erkennbar sind?"
Da hat Kubitza auf seinem Level wieder mal recht - also unrecht. :lol: - "Erkennen" ist ein persönlicher Vorgang, bei dem intersubjektive Nachvollziehbarkeit nichts nützt. - Würde sich Gott wissenschaftlich korrekt offenbaren, würde er auch nicht verstanden werden, weil jegliche Form des anthropozentristischen "Ich habe verstanden" ein SChuss nach hinten ist. - Das ist aber ein weites Feld.

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