Theodizee - revisited.

Rund um Bibel und Glaube
Pluto
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#11 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jan 2017, 13:15

Sondre hat geschrieben:ich hab mich hier als Christ vorgestellt, ist klar. Meine Argumenatation habe ich aber absichtlich allgemein gehalten.
Ich bin froh um jeden User der sich hier anmeldet. Dadurch wird die Pluralität der Meinungen und Ansichten gewährleistet, und das ist gut so. Ohne diese Meinungsvielfalt, gäbe es keine interessanten Diskussionen.

Josi hat recht wenn er sagt dieses Thema sei alt.
Aber zu alt? Nein. Das glaube ich nicht.

Wie weit reicht die Geschichte der Theodizee zurück? Bis Leibniz der meinte wir leben in der Besten aller möglichen Welten. Oder bis zum Mönch Lactantius im 3. Jahrhndert, oder gar noch weiter zurück zu Hiob und zu den griechischen Mythologien?

Sondre hat geschrieben:Ich sage hier nur: Es gibt eine schöpfende Kraft (nenns von mir aus Kosmos).
Vielleicht wäre an dieser Stelle die ehrlichste Haltung, "Wir wissen es nicht".
Wir wissen nur, dass das Universum wie wir es kennen, rund 13,8 Milliarden Jahre alt ist.

Sondre hat geschrieben:Aber ja, ich glaube dass da etwas ist (Beweisbar ist und wird es vermutlich nie sein). Ich nenne das Gott und glaube an Gott weil ich Erlebnisse hatte.
Es wäre vermessen von mir, diese Erlebnisse zu negieren. Du hast sie schließlich gehabt.
Mich interessiert viel mehr der Ursprung dieser Erfahrungen: Stammen sie von einer äußeren Existenz (nennen wir sie Gott) oder sind sie das Ergebnis eigener spiritueller Vorstellungen und Gedanken?

Sondre hat geschrieben:Trotzdem ist mir klar: Auch andere Menschen mit anderen Glaubensrichtungen haben Gottes-Erfahrungen gemacht. Ich glaube auch: Wir haben von "Gott" so unglaublich wenig verstanden dass wir (die Gläubigen) ziemlich demütig sein sollten.
Im Angesicht unseres Unwissens nicht nur über Gott, sondern über die Welt, sollten wir in Demut verbleiben.

Sondre hat geschrieben:Schritt 2 halte ich kleines Menschlein nicht für falsch. Ich bin mir nur meiner Fehlerhaftigkeit bewußt. Wie gesagt: Ich kenne keine Bosheit der Menschen die nicht als Grundlage einen Mangel als Grundlage hat. Der Grund-Mangel ist Schwachheit durch unsere Unvollkommenheit, Gebrochenheit, durch unsere Sterblichkeit.
Neid, Hass, Wut, Eifersucht, Rache, usw sind ein Teil von uns; wir teilen diese Eigenschaften schließlich mit anderen Tieren. In meinen Augen sind das weder Schwächen noch Stärken, sondern einfach Merkmale die uns zu dem machen was wir sind: Menschen.

Überhaupt (um das Thema nicht ganz aus dem Augen zu verlieren); es gibt weder absolut Gutes noch absolut Böses. Diese Begriffe sind relativ zum Beobachter. So glaube ich auch, dass die Theodizee-Frage eigentlich gar keine ist.
Es gibt Naturkatasptrophen und es gibt menschliche Handlungen.
- Kann ein Sturm oder ein Erdbeben böse sein?
- Kann eine Mutter, die um ihr Kind zu beschützen, stiehlt oder mordet, böse sein?

Ich wundere mich immer wieder, wie die Menschen nach einem Erdbeben oder Tsunami, Gott für jedes gerettete Leben danken. Wen machen sie dann für die Zehntausenden verantwortlich, die nicht gerettet wurden?
Ist das göttliche Fügung, oder einfach nur der Zufall, zur richtigen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein?

Sondre hat geschrieben:Schritt 1: Ich hatte es absichtlich moralische Gesetzmäßigkeiten (und der Ausdruck ist schon unglücklich) und nicht Werte genannt. Ich meine damit keine Dogmen, Religionsgelaber oder so. Ich meine damit lediglich dass es zwischenmenschlich auch Gesetzmäßigkeiten gibt.
Zustimmung! Das sehe ich auch so.
Unsere Moralvorstellungen entstehen aus uns selbst heraus. Wir wurden, wie ich meine, durch Jahrmillionen der Evolution geprägt; so wohl unsere Furcht und Ablehnung von Fremden, als auch unsere Fürsorge für unsere Bekannten und vor allem die Familie.
Moralvorstellungen werden aber auch vom Zeitgeist einer Kultur geprägt. Z.B. war es im alten Rom völlig normal Kinder als Sexsklaven zu halten; etwas heute als schlimmste Pädophilie verfolgt wird.

Sondre hat geschrieben:Erweitertes Beispiel:
Ich kenne ein mittelgrosses Unternehmen dessen Inhaber evangelikal ist. Der lobt und preist Gott. Spendet usw. Ein echter Vorzeige-Christ...und überall gerne gesehen...
Ein tolles Beispiel! :thumbup:
Es zeigt sich wieder mal, dass wir alle zuerst Menschen sind und danach Glaubende.
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Ska'ara
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#12 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Ska'ara » Sa 14. Jan 2017, 15:07

Sondre hat geschrieben:Ich kenne keine Bosheit der Menschen die nicht als Grundlage einen Mangel als Grundlage hat. Der Grund-Mangel ist Schwachheit durch unsere Unvollkommenheit, Gebrochenheit, durch unsere Sterblichkeit.
Wie konnte denn bei A & E ein Mangel entstehen, wo sie doch keinen Mangel hatten und zuvor nicht sterben mussten? Sünde entsteht demnach nicht nur aus Mangel.

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#13 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Ska'ara » Sa 14. Jan 2017, 15:11

Pluto hat geschrieben:Wir Menschen hingegen, haben den Glauben entdeckt. In der Steinzeit glaubte er mehr zu erkennen als was in Wirklichkeit da ist. Das ist einerseits gut, denn es machte ihn neugierig darauf die Welt zu erforschen und zu erobern (5 von 6 Kontinenten hatte er schon erobert, konnte aber weder schreiben noch lesen).
Der Glaube hat aber auch einen nachteil, in dem es dem Menschen im Unterschied zu den Tieren die Fähigkeit gab, mehr zu vermuten als was wirklich da ist. So ist der Mensch eigentlich schon über sich selbst hinaus gewachsen.
Tatsächlich? Je mehr wir lernen, desto mehr verlernen wir. Heutzutage leben wir fast nur noch von Vermutungen, Annahmen, Theorien etc. die viele gar nicht mal nachverfolgen können.

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#14 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Sondre » Sa 14. Jan 2017, 16:06

Ska'ara hat geschrieben:
Sondre hat geschrieben:Ich kenne keine Bosheit der Menschen die nicht als Grundlage einen Mangel als Grundlage hat. Der Grund-Mangel ist Schwachheit durch unsere Unvollkommenheit, Gebrochenheit, durch unsere Sterblichkeit.
Wie konnte denn bei A & E ein Mangel entstehen, wo sie doch keinen Mangel hatten und zuvor nicht sterben mussten? Sünde entsteht demnach nicht nur aus Mangel.

Hi,

die Schöpfunggeschichte in der Bibel versinnbildlicht in meinen Augen folgendes:

Der Mensch hat von Gott einen bedingt freien Willen bekommen (Betonung liegt auf bedingt!) und kann sich entscheiden bei Gott zu bleiben - oder fortzugehen.

Da der Mensch sich nicht selbst erschaffen/produziert hat, sondern erzeugt wurde von dem Leben selbst, ist diese Trennung fatal. Denn wer das Leben nicht hat der hat automatisch das Gegenteil. Durch diese Trennung haben wir die Schwachheit (Unkenntnis, Tod, Leid) bekommen. Un den Mangel an irdischen Gütern (die Mühen die da von Gott genannt sind). Durch diese Trennung haben auch wir Menschen uns voneinander entfernt.

Sünde bedeutet Trennung von Gott und ersrmal keine Schwäche - nur eine Willenshandlung. Dummerweise kommt danach aber die Schwäche. Das betätigen eines Lichtschalters ist erstmal nicht schlimm. Wenn man danach im Dunkeln steht und nichts mehr sehen kann schon. Da hat man dan Mangel an Licht.

Gott hat die Menschen gewarnt. Aber er hat den Handlungsspielraum absichtlich eingeräumt. Damit war für mich Gott früher der Hauptschuldige.

Aber nachdem ich so vehement gegen das Sklaventum und Unterdrückung bin wurde mir klar. Wir wären dann zwar wahrscheinlich vom Leid befreit - aber doch Sklaven.

LG

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#15 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von JackSparrow » Sa 14. Jan 2017, 16:31

Sondre hat geschrieben:Wobei ich die Bibel ungern so in den Mittelpunkt rücke. Denn diese ist lt. meiner Meinung nicht fehlerfrei. Lediglich ein Werkzeug Gottes zur Offenbarung, Zurechtweisung usw.
Und ausgerechnet beim wichtigsten Satz der ganzen Bibel - Gott selbst beantwortet die Theodizeefrage - hat er sich besonders wenig Mühe gegeben...

Der Schöpfer offenbart sich auch außerhalb der Bibel.
So muss er es auch beim Propheten Jesaja gemacht haben. Der konnte nämlich erst in die Bibel aufgenommen werden, nachdem die Offenbarung außerhalb der Bibel bereits erfolgt war.

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#16 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jan 2017, 16:44

Ska'ara hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der Glaube hat aber auch einen nachteil, in dem es dem Menschen im Unterschied zu den Tieren die Fähigkeit gab, mehr zu vermuten als was wirklich da ist. So ist der Mensch eigentlich schon über sich selbst hinaus gewachsen.
Tatsächlich? Je mehr wir lernen, desto mehr verlernen wir. Heutzutage leben wir fast nur noch von Vermutungen, Annahmen, Theorien etc. die viele gar nicht mal nachverfolgen können.
Sagte ich doch... Typisch Mensch!
Leben wir nicht in einer postfaktischen Welt, in der Worte (Polemik) mehr bedeuten, als Fakten?
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#17 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Ska'ara » Sa 14. Jan 2017, 17:51

Sondre hat geschrieben:
Der Mensch hat von Gott einen bedingt freien Willen bekommen (Betonung liegt auf bedingt!) und kann sich entscheiden bei Gott zu bleiben - oder fortzugehen.
Und ... wo ist da der Mangel? Mangel an Wissen haben wir jetzt doch auch.



Sünde bedeutet Trennung von Gott und ersrmal keine Schwäche - nur eine Willenshandlung. Dummerweise kommt danach aber die Schwäche.
Alles, was der Mensch hatte, war Grundwissen ohne Mangel - also schafft er den Mangel, damit er notwendigerweise neugierig sein muss. Aber was ist daran besser?

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#18 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jan 2017, 17:58

Ska'ara hat geschrieben:Alles, was der Mensch hatte, war Grundwissen ohne Mangel - also schafft er den Mangel, damit er notwendigerweise neugierig sein muss. Aber was ist daran besser?
Besser daran, ist die Fähigkeit Zivilisationen zu bauen.
Aber offenbar geht das nicht ohne die Nebeneffekte. 8-)
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#19 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Josi » Sa 14. Jan 2017, 22:06

Sondre hat geschrieben:Aber Du hast Recht! Das Thema ist zu alt" und "zu gut beantwortet" ! Und Leid will ich definitv nicht verursachen.
Pluto hat geschrieben:Josi hat recht wenn er sagt dieses Thema sei alt.
Aber zu alt? Nein. Das glaube ich nicht.

Wie weit reicht die Geschichte der Theodizee zurück? Bis Leibniz [...]. [...] Lactantius im 3. Jahrhndert, oder gar noch weiter zurück zu Hiob und zu den griechischen Mythologien?
Hallo zusammen, hallo Sondre, Pluto,

Das Theodizee-Problem ist so alt, wie die Philosophie selbst und hat in der Antike Philosophen wie Epikur zu beachtlichen Denkleistungen angestoßen.
In dessen Verlauf entwickelte Leibniz zur Welt - ähnlich wie Anselm v. Canterburry - eine metaphysisch-rationalistische Theorie, danach Gott das ens perfectissimum (das vollkommenste Seiende) als gleichsam Grund aller Dinge (einschließlich alles Moralische) sei.
Daraufhin erhoben Denker wie Voltaire und Schopenhauer mit Verweis auf die >erfahrbare Wirklichkeit< Einspruch.
Und zu recht, wie ich finde, denn wer mit einem -wie auch immer gearteten - Gottesbegriff argumentiert, kann ebensogut vom Monster unterm Bett sprechen: Beide bewirken das Gleiche!
Denn glaubt man solchen Behauptungen, kann das zur Folge haben, hier und da Dinge zu sehen, die es nicht wirklich gibt, oder zumindest "so" nicht wirklich gibt.

Nietzsches Auslassungen spielten im Vergleich zu seinen Vorgänger-Kollegen ungleich aggressivere Töne an.
Vielleicht auch aus Verzweiflung heraus, denn es ist ungleich schwerer gegen "nette", als gegen bloß pöbelnde Psychoterroristen anzugehen.
Pluto hat geschrieben:Ich bin froh um jeden User der sich hier anmeldet. Dadurch wird die Pluralität der Meinungen und Ansichten gewährleistet, und das ist gut so. Ohne diese Meinungsvielfalt, gäbe es keine interessanten Diskussionen.
Ja, und froh kann man besonders um Menschen, wie bspw. Sondre sein, ansonsten ich das hiesige Forum hier niemandem empfehlen würde.
Was mir mehr zu denken gibt, ist das von Dir angegebene Motiv.
Worum geht es Dir demnach tatsächlich?
Etwa darum, sich Themen zu pflegen, die sich bestenfalls nur im Kreis drehen können?

In diesem Sinne, denkanregende Grüsse,
Josi
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Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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#20 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von JackSparrow » So 15. Jan 2017, 01:33

Ska'ara hat geschrieben:Alles, was der Mensch hatte, war Grundwissen ohne Mangel - also schafft er den Mangel, damit er notwendigerweise neugierig sein muss. Aber was ist daran besser?
Wieso "besser". Unser Gehirn ist auf die Nahrungssuche in afrikanischen Savannen optimiert. Da diese Fähigkeit in einer modernen industrialisierten Gesellschaft nicht mehr benötigt wird (also keinem natürlichen Selektionsdruck mehr unterliegt), bestehen hier genau zwei Möglichkeiten:

1. Unsere Intelligenz wird ausselektiert, unser Gehirn schrumpft und die Menschheit wird deutlich dümmer.

2. Intelligenz wird zum Statussymbol (ähnlich wie die Schwanzfedern eines Pfaus) und überlebt allein durch sexuelle Selektion, ohne noch irgendeinen praktischen Nutzen zu erfüllen.

Da heutzutage viele Menschen ihr Gehirn hauptsächlich für religiöse oder philosophische Fragen zweckentfremden, scheint sich die Evolution wohl für Variante 2 entschieden zu haben.

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