Naqual hat geschrieben:Der Zusammenhang bestand für mich in meinem Beitrag darin, dass es eine umfassende Allmacht nicht gibt.
Ja - verstanden. - Und keiner kann die Macht haben, einen Stein zu schaffen, der schwerer ist, als man tragen kann.
Unter Allmacht verstehe ich eigentlich etwas anderes: Nämlich alles zu ermöglichen, was man wollen kann.
Naqual hat geschrieben: z.B. kann man jemanden nicht zwingen einen anderen mit aufrichtigem Herzen zu lieben.
Genau - und das kann Gott wirklich nicht wollen, weil er ja Eigen-Bewusstsein des Menschen will und nicht verordnetes Bewusstsein.
Naqual hat geschrieben:Mit Allwissenheit wäre m.E. Sündigen gar nicht mehr möglich.
Stimmt - weil absolutes Erkennen alternativlos ist, also keine Entscheidungs-Spielräume kennt (vgl. 1.Kor. 13,12)
Naqual hat geschrieben: In letzter Konsequenz heißt dies: Sündigen ist eine Folge der Entscheidungsfreiheit.
Entscheidungs-"Möglichkeit" wäre mir lieber - "Freiheit" geht nur dann, wenn man moderne Konnotationen rausrechnet. - Beispiel:
A:
Du stehst an einer Weg-Gabelung, wo einmal steht "Guter Weg" und einmal "Böser Weg". - Ich habe noch keinen erlebt, der willentlich entscheiden würde: "Ich will den bösen Weg". - Vielleicht gibt es das (wenn ja, müsste man fragen, warum), aber erlebt habe ich es noch nie.
B:
Du stehst an einer anderen Gabelung, wo einmal steht "Bahnhofs-Weg" und einmal "Bahnhofs-Allee". - Da muss man sich natürlich auch entscheiden, sonst bleibt man ja ewig stehen. - Wäre ich mit dem Auto unterwegs, würde ich die Allee nehmen - mit dem Fahrrad würde ich den Weg vorziehen. - In beiden Fällen entscheidet man sich mit "freiem Willen".
Fall B ist auch in geistigen Dingen die Regel - man will auf jeden Fall zum Ziel kommen (hier Bahnhof) und guckt halt, wie man besten hinkommt. - Ersetzt man "Bahnhof" durch "Sinn des Lebens", wird der Agnostiker einen anderen Weg gehen als der Christ. - Aber nicht, weil der Agnostiker ein schlechterer Mensch ist, sondern mit einem anderen Untersatz unterwegs ist.
Es ist also der Untersatz, der zur Entscheidung führt, ob man die eine oder die andere Gabelung nimmt. Die Entscheidung selbst ist lediglich Umsetzung des (eigenen geistigen) Untersatzes. - Wenn man also von "freiem Willen" als etwas Heils-Entscheidendes spricht, macht das nur Sinn, wenn der Mensch auch für seinen Untersatz verantwortlich sein KANN - das aber entspricht nicht der Praxis - auch biblisch nicht:
Deut. 29,3 "Und der Herr hat euch bis zum heutigen Tag noch kein verständiges Herz gegeben, Augen, die sehen, und Ohren, die hören".
Naqual hat geschrieben:Philosophisch-verschwurbelt ausgedrückt: Gott ist im Sein, Gott ist nicht in der Existenz.
Lass Dir nichts einreden von wegen "verschwurbelt" - man muss sich nicht verstecken, wenn man Zusammenhänge klar und kurz benennt - genau das hast Du getan.
Naqual hat geschrieben:Das konkret existierende Handeln ist Gott also nur über "begrenzte Bewusstseine" wie Menschen möglich.
Dann lass uns etwas heideggern:
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
= „Gott/Realität ist Voraussetzung für den Menschen/die Wahrnehmung“
• „Das Sein bleibt also stets das Sein eines Seienden, weshalb eine Differenz zwischen Sein und Seiendem besteht“
= „Gott/Realität bleibt also stets Gott/Realität über dem Menschen/der Wahrnehmung, weshalb es eine grundsätzliche Seins-Differenz zwischen realem Gott und wahrnehmendem Menschen gibt“
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
= „Umgekehrt wird Gott im Dasein nur zur Kenntnis genommen, wenn der Mensch ihn benennt, das heißt: Realität/Wahrheit wird nur benennbar über Wahrnehmung“
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
= „Da Gott nur zur Kenntnis genommen wird, wenn der Mensch ihn benennt, treten beide, einerseits Gott/Realität und andererseits Mensch/Wahrnehmung, zwangsläufig immer zusammen auf. Da die Aufklärung des 21. Jahrhunderts aber den Unterschied zwischen Sein und Seiendem, also Gott und Mensch, also Realität und Wahrnehmung nicht kennt, wird (im Normfall) Gott/Realität als Gott/Realität auch nicht thematisiert“
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
= „Daher ist Gott/die Realität zwar einerseits das Nächste, weil es real alles im Dasein zu allen Zeiten fügt, andererseits erscheint es aus Sicht des Menschen/der Wahrnehmung als das Fernste, wenn es wahrnehmungsmäßig unbekannterweise nicht existiert.“
• „Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“
= „Solange der Mensch Teil des Fürstentums der Welt ist, ist die Entwicklung zum Ganzen nicht erreichbar. – Die Entwicklung zum Ganzen ist dem Menschen nur über den Tod möglich, nach dem seine Existenz nicht mehr durch die Ferne von Gott, sondern durch das Schauen in Gott definiert ist – also die ontologische Differenz zwischen „Sein und Seiendem“, „Realität und Wahrnehmung“, „Gott und Mensch“ aufgehoben ist – die christliche Sprache verwendet dafür den Begriff „Erlösung“.
Naqual hat geschrieben:Die Theodizeeproblematik existiert da nicht mehr wirklich
Vielleicht geistig - was es für den Betroffenen bedeutet, wage ich nicht zu beurteilen. - Zwar habe ich da auch meine Hoffnungen, die aber jenseits eines geistigen Zugriffs von außen sind.