Hallo Magdalena61!
Ich würde die Diskussion um den Gottesnamen im NT gerne einmal aus einem anderen Blickwinkel beleuchten. Man kann dieses Thema vielleicht mit der Diskussion rund um den Textus Receptus vergleichen (ich muss etwas weiter ausholen, um zu erklären, woraus ich hinaus will)...
Unzählige evangelikale Christen glauben, dass der Textus Receptus die von Gott inspirierte Fassung des NTs darstellt. Betrachtet man diese Annahme "wissenschaftlich", so erscheint das Ganze regelrecht absurd. Der Textus Receptus wurde erstmal 1560 veröffentlicht, und Erasmus von Rotterdam standen für seine Arbeit lediglich 6 griechische Handschriften zur Verfügung, die aus dem 11.-15. Jahrhundert stammten (was SEHR spät ist). Keine dieser Handschriften beinhaltete das komplette NT. Für manche Textpassagen besaß Erasmus gar keine griechische Vorlage, also übersetzte er die fehlenden Passagen einfach aus dem Lateinischen ins Griechische. Manchmal änderte er den griechischen Text auch zugunsten der Vulgata ab. Deshalb enthalten Bibeln, die den Textus Receptus als Grundlage haben (z.B. die Schlachter 2000) auch Textpassagen, die sich in keiner einzigen griechischen Handschrift des NTs finden, die älter sind als der Textus Receptus selbst (also vor 1569). Heute stehen Tausende von Handschriften zur Verfügung. Die wissenschaftliche Auswertung dieser Handschriften hat einige Stellen des Textus Receptus als spätere Einfügungen entlarvt. Dazu kommen die Stellen, die Erasmus selbst eingefügt hat. Haben die Vertreter des Textus Receptus, sowie unzählige Leser der Schlachter 2000 ein Problem damit, dass manche Stellen ihrer Bibel in keiner einzigen griechischen Handschrift zu finden sind? Keineswegs! Rudolf Ebertshäuser (einer der Übersetzer der Schlachter 2000) gab folgendes Statement:
Der Textus Receptus ist
kein wissenschaftlich erschlossener und wissenschaftlich beweisbarer Text, sondern ein im Glauben als von Gott gegeben und überliefert angenommener Text.
Wir nehmen ihn im kindlich-einfältigen Vertrauen von Gott an, auch an den Stellen, wo die Vernunftmenschen ihn anklagen und ablehnen. Wir haben gute Gründe dafür, aber das sind geistliche Gründe, keine wissenschaftlichen Argumente.
Wir können und wollen damit vor den gelehrten Textforschern und Theologen gar nicht bestehen, denn der Standpunkt des geistlich geleiteten Glaubens ist mit dem Standpunkt der empirisch arbeitenden Wissenschaft an diesem Punkt ähnlich unvereinbar wie bei der Evolutionslehre.
Quelle:
http://www.advent-verlag.de/adventecho/ ... ceptus.pdf
Nun sind es in der Regel aber gerade die Leser der Schlachter 2000, welche die Leser der NWÜ stets darauf aufmerksam machen, dass in den griechischen Handschriften der Name Jehova nicht vorkommt (obwohl sich in den selben Handschriften auch diverse Stellen des Textus Receptus nicht wiederfinden). Die ZJ glauben aber, dass der Gottesname in den ursprünglichen Textfassungen des NTs sehr wohl enthalten war, später jedoch von den Abschreibern durch "Herr" ersetzt wurde (genau das geschah nachweislich mit der Septuaginta!). Genauso wie Ebertshäuser keinen "wissenschaftlichen Beweis" braucht, um zu glauben, dass der Textus Receptus von Gott inspiriert ist, brauchen auch die ZJ keinen "wissenschaftlichen Beweis" in Form einer alten griechischen Handschrift des NTs, die das Tetragram enthält. Um die Worte Ebertshäusers zu gebrauchen: "Im kindlich-einfältigen Vertrauen" darauf, dass Gott an den folgenden Textstellen die Wahrheit gesprochen hat, glauben wir, dass auch Jesus und seine Jünger den Eigennamen Gottes gebraucht haben (und auch wir "wollen damit vor den Textforschern und Theologen gar nicht bestehen"):
2. Mose 3, 15 (Schlachter 1905)
Und nochmals sprach Gott zu Mose: Also sollst du zu den Kindern Israels sagen: Jehova, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt; das ist mein Name ewiglich und meine Benennung für und für.
Micha 4, 5 (Schlachter 1905)
Denn alle Völker mögen wandeln, ein jedes im Namen seinen Gottes; wir aber wollen wandeln im Namen Jehovas, unsers Gottes, immer und ewiglich!
Zephanja 3, 9 (Elberfelder 1871)
Denn alsdann werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.
War der Name Gottes auch für Jesus und die Schreiber des NTs noch wichtig?
Matthäus 6, 9 (Schlachter 1951)
So sollt ihr nun also beten: Unser Vater, der du bist in dem Himmel! Geheiligt werde dein Name.
Lukas 1, 49-50 (Schlachter 1951)
Denn Großes hat der Mächtige an mir getan, und heilig ist sein Name; und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht über die, so ihn fürchten.
Johannes 17, 26 (Elberfelder 1871)
Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf daß die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.
Apostelgeschichte 15, 14 (Schlachter 1951)
Simon hat erzählt, wie Gott zum erstenmal sein Augenmerk darauf richtete, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen anzunehmen.
Römer 2, 24 (Elberfelder 1871)
Denn der Name Gottes wird eurethalben gelästert unter den Nationen, wie geschrieben steht.
Römer 9, 17 (Schlachter 1951)
Denn die Schrift sagt zum Pharao: «Eben dazu habe ich dich erweckt, daß ich an dir meine Macht erweise und daß mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.
Hebräer 2, 12 (Elberfelder 1871)
indem er spricht: "Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen".
Hebräer 6, 10 (Schlachter 1951)
Denn Gott ist nicht ungerecht, daß er eurer Arbeit und der Liebe vergäße, die ihr gegen seinen Namen bewiesen habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dienet.
Offenbarung 16, 9 (Elberfelder 1871)
Und die Menschen wurden von großer Hitze versengt und lästerten den Namen Gottes, der über diese Plagen Gewalt hat, und taten nicht Buße, ihm Ehre zu geben.
Es ist also in erster Linie die Bibel selbst, auf die sich die Übersetzer der NWÜ stützen, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Schreiber des NTs den Namen Gottes genauso gebraucht haben, wie es auch die treuen Diener Gottes im AT (fast 7000 mal) taten. Im Gegensatz zu der Annahme, dass der Textus Receptus die Urfassung des NTs darstellt, wiederspricht es der Wissenschaft ja aber noch nicht einmal, wenn die ZJ glauben, dass der Name JHWH in der Urfassung des NTs enthalten war. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Indizien, die dafür sprechen. Das die Abschreiber irgendwann anfingen, das Tetragram durch "Herr" zu ersetzen ist ja noch nichtmal umstritten! Deshalb haben bereits im 18. Jahrhundert diverse evangelische und katholische Theologen in ihren Übersetzungen des NTs den Namen Jehova an Stellen gebraucht, an denen eigentlich kyrios steht (die ZJ haben hier also noch nicht einmal etwas "neues" gemacht).
Was ich damit sagen möchte: es ist vor allem auch eine Glaubensfrage, die sich rein wissenschaftlich (noch) nicht klären lässt. Wer damit ein Problem hat, sollte unbedingt auch die Hände von der Schlachter 2000 lassen (siehe oben)...
LG, jk80