Demian hat geschrieben:
Wer oder was ist für euch Jesus?
Wenn du allerdings fragst, wer oder was Jesus für jeden von uns ist, kommt dabei nicht heraus, wer Jesus in Wirklichkeit
war.
Mit der Threadfrage fragst du nach dem Jesus vor 2000 Jahren, also nach dem sogenannten
historischen Jesus.
Von diesem historischen Jesus weiß die neutestamentliche Forschung (mit ziemlicher Sicherheit) eigentlich nur, dass er ein jüdischer Wanderprediger und rabbinischer Lehrer war, der das nahe Gottesreich verkündete. Er sah sich zu den Juden, aber nicht zu Nicht-Juden gesandt und nahm sich vor allem der schwachen, armen und gesellschaftlich ausgestoßenen Juden an. Er hielt sich selbst vermutlich nicht für den Sohn Gottes oder den Messias, sondern verstand sich als Mensch und Gottes-Knecht. Höchstwahrscheinlich war er ein Schüler Johannes des Täufers und ließ sich von ihm taufen. Aus diesem historischen Umstand kann erschlossen werden, dass Jesus aus Nazareth sich als "Sünder" (im jüdischen Sinne) verstanden haben muss und nicht als von Sünden frei. Er war Apokalytiker, glaubte also, dass die bestehende Welt von JHWH schon bald ausgelöscht werden würde. Historisch ziemlich sicher ist auch, dass Jesus von den Römern gekreuzigt wurde, eine Hinrichtungsart, die vor allem über Schwerverbrecher und politische Aufrührer verhängt wurde (wie z.B. über den Gladiator Spartacus und seine Gefolgsleute, der den Spartacus-Aufstand in der Gladiatorenschule zu Padua anführte und den Römern eine Menge Probleme bereitete). Aus dieser historischen Tatsache schließen einige Theologen, dass Jesus wohl ein Zelot war, also ein Widerstandskämpfer gegen die römische Besatzungsmacht. Hierüber sind sich die Neutestamentler aber nicht einig.
Wie die Auferstehungsgeschichte genau zu deuten ist, hierüber streiten die gelehrten Theologen bis heute heftig. Fest steht aber, dass die Anhänger nach Jesu Kreuzestod, sehr bald anfingen, sich zu organisieren, zu predigen und von Jesus als dem Messias zu erzählen und so juden-christliche Anhänger warben. Aus dieser plötzlichen Aktivität der Anhänger Jesu schon kurz nach dessen Tod schließt man, dass irgend etwas vorgefallen sein muss, was die Anhänger Jesu dazu bewogen haben musste, plötzlich aktiv zu werden.
Das Heiden Christen werden können, hat Paulus gegen Petrus, der der Jerusalemer Urgemeinde vorstand, durchgesetzt. Petrus wollte das ausdrücklich nicht.
Ich bin mir klar, dass diese Darstellung dessen, was wir über den historischen Jesus wissen, provokant ist. Tatsächlich ist es aber das, was die historisch-kritische Erforschung des NT an halbwegs sicherem Wissen hervorgebracht hat. Es ist das etwas dürftige Ergebnis zahlreicher und umfassender neutestamentlicher Studien.
Es ist das, was die theologische Forschung mit ziemlicher Sicherheit weiß. Alles andere ist Glaube.