ThomasM hat geschrieben: ↑Do 11. Apr 2019, 10:11
Wenn du den Begriff Lücke allgemeiner fasst, dann muss ich sagen: Genau das macht einen Menschen aus.
Dagegen sage ich ja auch gar nichts. Wir werden nie alles über die Welt wissen und daher die Lücken immer mit dem besetzen, was uns am plausibelsten erscheint, wobei ich persönlich ein großer Freund davon bin, zu sagen "Ich weiß es nicht". Ich geb jedoch zu, selbst wenn man sagt "Ich weiß es nicht", im Hinterkopf hat man trotzdem irgendwo eine Meinung, welche Annahme einem am plausibelsten erscheint, das werden wir nicht abstellen können, denn wie du sagst, das macht uns nun einmal aus. So sind wir halt.
Wichtig ist nur, dass wir nie aufhören, kritisch unseren Lückenfüllern gegenüber zu sein. Ich habe noch nie gehört, dass ein Befürworter der Evolutionstheorie gesagt hat, dass ihn absolut nichts davon überzeugen könnte, dass die ET falsch ist. Ich habe jedoch schon so manchen Christen gehört, der gesagt hat, dass es nichts gibt, das ihn davon überzeugen könnte, dass es keinen Gott gibt.
Als psychologischer Effekt ist das kein Automatismus, aber ich konnte das schon so oft an mir und aus Erzählungen von anderen bestätigen, dass ich sicher bin, dass dieser Effekt eine deutliche Wirkung des Glaubens ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass das der Grund ist, warum der Glaube an Gott evolutionär vorteilhaft ist und Atheisten daher irgendwann von der Evolution eliminiert werden
So schnell wird man uns nicht los. Es gibt dutzende von uns. Dutzende!
Der Ernsthaftigkeit halber aber noch zwei Anmerkungen:
Was du hier beschreibst, ist ein Pendel, das in beide Richtungen ausschlägt, genauso wie es Leute gibt, die Trost und Stärke aus den Gedanken ziehen, dass Gott irgendwann "rettet und richtet", gibt es auch Leute, die daran verzweifeln, dass ihr Gott all das Leid hier in dieser Welt zulässt.
Was den evolutionären Vorteil eines Glaubens angeht, wer weiß, vielleicht hast du hier recht, aber das sagt uns leider überhaupt nichts darüber, ob der Glaube selbst wahr ist.
Wieso bist du der Meinung, dass das Gottes Gerechtigkeit ist? Das ist in manchen Kulturen Teil der patriarchalischen Denkweise und lässt sich sogar für Menschen als ungerecht erkennen.
Weil es Teil der Mosaischen Gesetze ist, die laut biblischer Überlieferung (an der Stelle sei noch einmal herausgestellt, dass ich mich hier speziell auf den biblischen Gott beziehe) von Gott an Mose übergeben wurden. Jetzt könnte es natürlich sein, dass Gott hier ein Gesetz vorschreibt, dass er selbst nicht als gerecht betrachtet, aber das wäre ja noch schlimmer.
Ich bin davon überzeugt, dass Gott wahre Gerechtigkeit übt, d.h. etwas, was uns Menschen nicht gelingt.
Woran erkennst du "wahre Gerechtigkeit"?
Warum sollte ich nicht?
Dies ist ein allgemeines Kennzeichen von Agnostikern und Atheisten und zum Beispiel das, was Pluto oben zu seinen Gründen erzählte, warum er nicht glaubt, passt genau hier hinein.
Nun, Pluto hat beschrieben, dass ihn der Gedanke, unter ständiger Beobachtung zu stehen, abgestoßen hat. Daraus einen Wunsch nach straflosem Ausleben des Egoismus zu folgern, ist schon noch einmal ein ziemlicher Sprung. Ich habe kein Problem damit, dass ich in einer Gesellschaft lebe, in der bestimmte Gesetze gelten, die das Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft verbessern sollen, das heißt aber nicht, dass ich es total OK fände, wenn ich in meinem Haus unter permanenter Videoüberwachung stünde. Dabei geht es mir nicht darum, dass ich vorhätte irgendwelche Gesetze in meinen eigenen vier Wänden zu brechen.
"Y'all just wanna sin" ist als Charakterisierung von Atheismus und co gleichermaßen plump, wie falsch. Auch wenn du dich nicht exakt dieser abgenudelten Formulierung bedient hast, schlägt deine Darstellung in die selbe Kerbe, da du hier einen Wunsch nach Straffreiheit unterstellst. Wenn ich keinen guten Grund sehe, an einen Gott oder etwas vergleichbares zu glauben und dementsprechend auch keinen guten Grund sehe, zu glauben, dass ich nach meinem Tod für irgendetwas einstehen muss, dann heißt das noch lange nicht, dass ich mir in irgendeiner Form wünsche, dass es so ist. Ich wüsste nicht einmal, warum mich mein Atheismus davon abhalten sollte, mir zu wünschen DASS irgendjemand "rettet und richtet". "Sich etwas wünschen" und "an etwas glauben" ist ja nicht das gleiche. Würde ich mir wünschen, noch einmal mit den Menschen reden zu können, die mir unheimlich viel bedeutet haben, aber leider nicht mehr am Leben sind? Ja. Heißt das, dass ich glaube, dass ich nach meinem Tod die Chance dazu haben werde? Nein.
Ich sollte betonen, dass ich nicht behauptet hätte, Atheisten und Agnostiker hätten keine Ethik oder Moral. Ich habe geschrieben, sie haben eine selbst gewählte.
Ist das in deinem Fall denn anders? Hast du dich denn nicht dazu entschieden Gott als moralische Instanz anzunehmen? Fand diese Übernahme etwa ohne Bewertung statt?
Es ist das, was in der Bibel als Sündenfall beschrieben wird. Der Mensch lehnt Gott als Ursprung der Festlegung ab, was gut und böse ist, und setzt sich stattdessen selbst als Herr über die Definition dieser Begriffe ein.
Ist das denn zwangsläufig etwas Schlechtes? Der Begriff Sünde lässt es erst einmal unheilvoll klingen, aber Sünde ist per Definition ja ein Verhalten entgegen Gottes Vorgabe, d.h. selbst wenn Gottes Vorgaben schlecht wären, würdest du eine Sünde begehen, wenn du dagegen verstoßen würdest. Woher weißt du, dass Gottes Festlegung von gut und böse tatsächlich gut ist? Ist eine derartige kritische Betrachtung überhaupt möglich?
Das heißt, du würdest mir zustimmen, wenn ich sage, dass meine Gründe besser sind als deine?
Nein, es heißt, dass ich es nicht von vornherein ausschließen würde. Tatsächlich kann ich deine Gründe gar nicht bewerten, weil ich sie nicht kenne. Du sagst immer nur hast Gott erfahren, aber das kann ja alles und nichts heißen. Alles was ich sagen kann, ist dass ich dir glaube, dass du eine Erfahrung (oder mehrere) gemacht hast, die du als "Gott erfahren" interpretierst, aber ob ich diese Interpretation als nachvollziehbar bezeichnen würde, kann ich nicht sagen, weil ich die Details nicht erkenne. Und du bist mir diese Details auch gar nicht schuldig, ich bin ja nicht die endgültige Instanz, was eine göttliche Erfahrung ist und was nicht.
Dieser Kommentar wurde von einem heimlich bescheidwissenden und unglaublich boshaften Hund mit finsterer Seele, zerfallenem Geist und Aussicht auf finanziellen Gewinn verfasst.