Die historisch-kritische Exegese hat einen grundlegenden Fehler: Sie kann uns nur Wissen geben, aber keinen Glauben.Pluto hat geschrieben:Ich bin sprachlos und entrüstet zugleich.
Kommst daher, und erklärst perfekt die historisch-kritische Exegese, und sagst dann dass du nicht dran glaubst.
Pfui!
Und das Wissen ist (eben weil sie historisch arbeitet) auch noch immer unsicher.
Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?
Wenn man irgendwann den Kopf voller Wissen hat, wird man dadurch keineswegs automatisch glücklich. Es gibt sehr vielwissende Menschen, die trotz ihres vielen Wissens (manchmal sogar: wegen ihres vielen Wissens) unglücklich sind. Nur eines wissen sie nicht: Wie man zu einer Fülle des Lebens kommt. Diese kann man nämlich nicht durch noch so viel Wissen herbeiführen.
Dann können die Vielwisser zwar prima auf die Nixwisser und Nixblicker herabsehen. Aber wenn das der einzige Glücksweg ist, dann geben sie eine doch eher traurige Figur ab.
Wissen macht nicht glücklich. Glauben dagegen schon. Nicht dass ihr mich missversteht: Ich meine jetzt nicht nur den Glauben an diesen oder jenen Inhalt, also daran glauben, dass Maria Jungfrau war, dass Gott existiert, dass Jesus auferstanden ist. Diese Glaubensform ist eher eine "Fortsetzung des Wissens mit anderen Mitteln". Man meint, mehr zu wissen, als die Wissenden, weil man nichtwissbare Inhalte für wahr hält.
Der Glaube, der glücklich macht, läuft ganz anders. Er entsteht nicht durch ein Fürwahrhalten oder durch ein Wissen, sondern indem man sich von einer unbedingten Wirklichkeit angesprochen spürt. Wenn etwas so wahr ist, dass man es nicht verstehen will, sondern dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Natürlich kann einem dazu Wissen ein ganz gutes Hilfsmittel oder Vehikel sein. Auch Riten, Gebete, Bibellesung oder Kirchenaussagen können behilflich sein. Aber die wahren Momente des Glaubens-Schöpfens sind auch durch all diese netten Hilfsmittel nicht machbar.
Es sind Momente, in denen einem klar wird, warum man lebt, welches Ziel man hat (so sehr, dass man alles andere opfern könnte), dass man sich geborgen fühlen kann.
Ich habe vor ein paar Jahren eine etwa vierzigjährige Schweizerin kennen gelernt. Die hat nichts von der Bibel, nichts von Jesus und nichts von Kirche gewusst. Sie wurde krank und lag ein gutes Vierteljahr auf der Intensivstation im Wechsel zwischen Komaphasen und sehr, sehr schmerzhaftem Wachphasen. Und die hat mir gesagt: Sie wäre noch nie so dankbar für ihr Leben gewesen, wie in dieser Zeit. Obwohl alles furchtbar war und die medizinische Lage hoffnungslos erschien, fühlte sie sich seltsam geborgen.
Das ist kein Wissen. Sie wird auch niemals eins zu eins erklären können, wie sie zu dieser Einstellung gekommen ist. Und alle medizinischen Erklärungen können zwar die Umstände und Zusammenhänge klären: Aber das ist nicht dasselbe, wie dieser Glaube, den sie in jener Zeit erfahren hat.
Diese Art von Glauben meine ich, wenn ich kontrastiere "Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?"
Und das alles ist so meilenweit von der Wissensfrage entfernt, wann nun genau der Tempel zerstört wurde, wann das Lukasevangelium geschrieben wurde, und ob die Evangelisten und Jesus hellsehen konnten. Darum bin ich an solchen Datierungsfragen (und Wissensfragen) nur begrenzt interessiert. Sie sind für mich höchstens Vehikel, nie aber Ziel.