Problematische Werke

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Magdalena61
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#1 Problematische Werke

Beitrag von Magdalena61 » Fr 19. Apr 2013, 11:05

Titus 2, 14 (Schlachter 2000): der sich selbst für uns hingegeben hat, um uns von aller Gesetzlosigkeit zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum besonderen Eigentum zu reinigen, das eifrig ist, gute Werke zu tun.
... wenn man es nur immer so genau wüßte, was mit den "guten Werken" gemeint ist.
Taten? -- Wer hier Ernst macht und behauptet, der Glaube müsse sich in Werken manifestieren, der gerät schnell unter den Verdacht, auf dem "Selbsterlösungstrip" zu sein und sich den Himmel verdienen zu wollen.

Dann gibt es noch ein weiteres Problem:
Etwas, das ich "gut" finde, sieht ein anderer vielleicht ganz anders. --
Wie muß man "gut" definieren?

Und-- was ist mit den Gefühlen?
Muß man eigentlich Lust dazu haben, um etwas "eifrig" zu tun? Ist "eifrig" ein Synonym für "begeistert"?
LG
God bless you all for what you all have done for me.

Stephan_a.-t:
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#2 Re: Problematische Werke

Beitrag von Stephan_a.-t: » Fr 19. Apr 2013, 12:11

Magdalena61 hat geschrieben:Dann gibt es noch ein weiteres Problem:
Etwas, das ich "gut" finde, sieht ein anderer vielleicht ganz anders. --
Wie muß man "gut" definieren?
diese Begriffe müssen moralisch definiert werden.

eine ganze Reihe von rationalistischen und empiristischen Philosophen hat sich diesem Theorem zugewandt. Die unterschiedlichen Perspektiven ergeben sich bei der Frage nach dem Erkenntnisgegenstand der Moralität selbst (ontologisch), jedoch überschneiden sich diese bei der Erkenntnis der Moral (epistemisch).

Demnach gibt es - analog zu den Sinneswahrnehmungen - einen moralischen Sinn in vernunftbegabten Lebewesen, der Handlungen einen individuellen (d. h., Eigennutz) und einen allgemeinen (d. h., altruistischen) Nutzen billigt. Wenn also eine Handlung dem Eigennutzen dienlich ist, jedoch zu Lasten der Allgemeinheit geht, dann ist diese Handlung nützlich im individuellen, jedoch schädlich im allgemeinen. In diesem System verhaftet, können sämtliche Richtungen eingeschlagen werden - man lasse seiner Phantasie freien Lauf (z. B. Rauchen: schädlich für das Individuum und schädlich für die Allgemeinheit).

Interessanter Weise stimmen die meisten Menschen darin überein, dass eine Handlung, welche einem rein individuellen Nutzen dienlich ist, dann nicht als moralisch gut gewertet werden soll, wenn nur zufällig auch die Allgemeinheit davon profitiert. Es stellt sich also so dar, dass Handlungen (epistemisch) 'gut' sind, wenn der Nutzen der Allgemeinheit priorisiert wird.

In der Perspektive der Allgemeinheit verhaftet ließe sich die angeschlossene Frage beantworten, wie das Individuum Gutes vom Schlechten trennen kann. Hier hat J. S. Mill einen Lösungsansatz entworfen, der besagt, dass das für den Einzelnen begehrt werden soll, was die Mehrheit für Begehrenswert erachtet ("The sole evidence it is possible to produce that anything is desirable is that people actually do desire it").

Mit anderen Worten: wenn wir nicht wissen, ob A oder B gut sein soll, dann fragen wir jemanden der A und B kennt. Wohin er tendiert, gibt Aufschluss über die moralische Bewertung.

Unbefriedigend ist dieses System in seinem empirischen, also induktiven Charakter. Da aus der Beobachtung kein Rückschluss auf valide Sätze möglich ist, fällt jede zwingende Argumentationsfigur, jeder rationale Erkenntnisgegenstand fort.

Wird also die Frage nach Gut und Schlecht, nach Moral, rational, will sagen deduktiv, gestellt, befinden wir uns ein einer transzendentalen Kategorie, die der Vernunft nicht synthetisch zugänglich ist. Hier müssen wir dann Kant bemühen und feststellen, ob moralische Erkenntnis a-priori besteht.

Pluto
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#3 Re: Problematische Werke

Beitrag von Pluto » Fr 19. Apr 2013, 16:57

Du stellst aber heute tiefsinnige Fragen, Magdalena!

Magdalena61 hat geschrieben:Etwas, das ich "gut" finde, sieht ein anderer vielleicht ganz anders. --
Wie muß man "gut" definieren?
Ich bin der Meinung, "gut", ist immer relativ, und muss im jeweiligen Kontext gesehen werden. Ich ziehe deshalb vor, "gut" über den Eigennutz, zentraler Antrieb für Leben, zud definieren. Darüber definieren wir auch unsere Existenz, denn alles was wir tun ist auf unser Wohlbefinden oder das unserer Nächsten ausgerichtet.


Magdalena61 hat geschrieben:Und-- was ist mit den Gefühlen?
Muß man eigentlich Lust dazu haben, um etwas "eifrig" zu tun? Ist "eifrig" ein Synonym für "begeistert"?
Für mich sind diese drei Begriffe keineswegs Synonyme. Ich rolle sie mal von Hinten auf...

Begeisterung hat für mich mit Freude am Schaffen zu tun. Wir packen etwas mit Begeisterung an.
Das Wort hat für mich eine sehr positive Sinnbezug.

Eifrig kann neben Begeisterung auch ausdrücken. Eifer kann aber auch einen negativen Sinn haben.
So wie in der "eifrigen" Verfolgung von rassistischen Zielen.

Schließlich ist die Lust für mich mit genussvollem Erleben verbunden.
Wie wenn ich Lust verspüre auf eine gute Flasche Wein zum Nachtessen. :happy:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

R.F.
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#4 Re: Problematische Werke

Beitrag von R.F. » Fr 19. Apr 2013, 20:36

Stephan_a.-t: hat geschrieben: - - -
Interessanter Weise stimmen die meisten Menschen darin überein, dass eine Handlung, welche einem rein individuellen Nutzen dienlich ist, dann nicht als moralisch gut gewertet werden soll, wenn nur zufällig auch die Allgemeinheit davon profitiert. Es stellt sich also so dar, dass Handlungen (epistemisch) 'gut' sind, wenn der Nutzen der Allgemeinheit priorisiert wird.

In der Perspektive der Allgemeinheit verhaftet ließe sich die angeschlossene Frage beantworten, wie das Individuum Gutes vom Schlechten trennen kann. Hier hat J. S. Mill einen Lösungsansatz entworfen, der besagt, dass das für den Einzelnen begehrt werden soll, was die Mehrheit für Begehrenswert erachtet ("The sole evidence it is possible to produce that anything is desirable is that people actually do desire it").

Mit anderen Worten: wenn wir nicht wissen, ob A oder B gut sein soll, dann fragen wir jemanden der A und B kennt. Wohin er tendiert, gibt Aufschluss über die moralische Bewertung.
- - -
Solche Fragen haben sich offenbar jene nicht gestellt, die mit ihren Handlungen über Jahrzehnte zur jetzigen Krisensituation beitrugen...Einige dieser Akteure entschuldigen sich mit Hinweis auf Unkenntnis der Zusammenhänge oder auf einen nicht vorhersehbaren Verlauf der Politik, wie etwa der Politiker Merz. Doch muss dies als Schutzbehauptungen gewertet werden.

http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... 078-2.html

Zitat aus obigem Link:
Merz nahm dabei Bezug auf die Umstände der Euro-Einführung, an der er selbst mitgewirkt hat. „Auch ich habe mit allen Abgeordneten damals darauf vertraut, dass die Verträge eingehalten werden, und wir haben den Wählern versprochen, dass die Politische Union Europas der Währungsunion folgen wird. Beides ist nicht geschehen“, beklagte er. „Zugleich waren wir sicher, dass die Einführung der gemeinsamen Währung zu erhöhten Anstrengungen der Mitgliedstaaten um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften führen wird. Auch das war, wie wir heute wissen, ein großer Irrtum.“
Die Einführung des Euro beschleunigte den Bereicherungsprozess einer gewissen Schicht lediglich, ein Prozesses, der schon lange zuvor einsetzte. Merz und seinesgleichen wissen um die Armut einer breiten Schicht als Folge ihrer Politik. Diese Armen sind ihnen gleichgültig...

Um den Umfang des Problems zu verdeutlichen: Die Krise könnte der Anlass von politischen Spannungen sein, die sich in einem Großkrieg, dem in den Schriften von AT und NT vorhergesagten Weltkrieg, entladen...

barbara
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#5 Re: Problematische Werke

Beitrag von barbara » Fr 19. Apr 2013, 20:49

Magdalena61 hat geschrieben: Taten? -- Wer hier Ernst macht und behauptet, der Glaube müsse sich in Werken manifestieren, der gerät schnell unter den Verdacht, auf dem "Selbsterlösungstrip" zu sein und sich den Himmel verdienen zu wollen.

Ich halte es mit Kästner: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.

ja, natürlich Taten - salbungsvolle Worte sind schliesslich schnell und viel gesagt, aber Worte sind leicht. zu leicht.

Ob dann jemand findet, ich sei auf diesem oder jenem Trip, meinetwegen - ich tue Dinge, weil ich sie aus Überzeugung für richtig halte, und nicht, um einem bestimmten Bild meiner Mitmenschen zu entsprechen.

Wie der Samariter aus dem Gleichnis: er hat geholfen, weil Hilfe offensichtlich nötig war.


Dann gibt es noch ein weiteres Problem:
Etwas, das ich "gut" finde, sieht ein anderer vielleicht ganz anders. --
Wie muß man "gut" definieren?

ich denke, das ist situationsabhängig und muss mit dem eigenen Gewissen ausgemacht werden. Ein guter Anhaltspunkt neben dem Samariter sind sicher die sechs Werke der Barmherzigkeit aus Matthäus 25: Speise die Hungrigen, tränke die Durstigen, kleide die Nackten, empfange den Fremden bei dir, besuche den Gefangenen, pflege die Kranken.

tu, was getan werden muss.


Und-- was ist mit den Gefühlen?
Muß man eigentlich Lust dazu haben, um etwas "eifrig" zu tun? Ist "eifrig" ein Synonym für "begeistert"?

Emotionen werden überschätzt.

Ein Sanitäter, der an eine Unfallstelle kommt, wird wohl kaum "Begeisterung" und "Lust" empfinden - wie denn auch? da ist Blut, Schreie, Schmerz, Verstümmelungen, Gekotztes und andere Schrecklichkeiten zu finden; viele psychisch und physisch belastende Dinge; oft auch kommt jede Hilfe zu spät; da würde ich schon gern Eifer sehen, aber eher im Sinn von "kompetent, sorgfältig, achtsam". Einer, der Halleluja sänge, würde mich in solchen Situationen eher misstrauisch stimmen.

grüsse, barbara

closs
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#6 Re: Problematische Werke

Beitrag von closs » Sa 20. Apr 2013, 00:21

Pluto hat geschrieben:Ich bin der Meinung, "gut" ist immer relativ
Wahrnehmungs-gemäß ja - geht mir in der Praxis genauso. - Aber das "Was-ist-eigentlich-gut?" ist damit nicht geklärt. - Dazu eine einfache Antwort, die es im übrigen bei näherem Besehen in sich hat: "gut" = Gott-Zugewendet-Sein" (egal, ob man es merkt oder nicht). - Dito vv.

barbara
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#7 Re: Problematische Werke

Beitrag von barbara » Sa 20. Apr 2013, 06:39

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich bin der Meinung, "gut" ist immer relativ
Wahrnehmungs-gemäß ja - geht mir in der Praxis genauso. - Aber das "Was-ist-eigentlich-gut?" ist damit nicht geklärt. - Dazu eine einfache Antwort, die es im übrigen bei näherem Besehen in sich hat: "gut" = Gott-Zugewendet-Sein" (egal, ob man es merkt oder nicht). - Dito vv.

Das ist mir etwas zu abstrakt. Es gibt Leute, die sind der Meinung, sich Gott zuzuwenden, indem sie grauslige Sachen machen, wie zum Beispiel andere Menschen umbringen. Das kann's ja nicht sein.

Da bleibe ich beim bescheideneren: gut ist, was gut tut - auf der ganz praktischen körperlichen und sozialen Ebene: Satt sein, nicht frieren, in einer freundlichen Gemeinschaft sein, Sicherheit und Geborgenheit empfinden.

Schliesslich sagte Jesus "das, was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du MIR getan." - du siehst eine Pflanze, die die Blätter welk hängen lässt und gibst ihr Wasser - dieser kleine Akt der Nächstenliebe an einer "geringen Schwester", die sich selbst nicht helfen kann, ist Zuwendung zu Gott.

grüsse, barbara

closs
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#8 Re: Problematische Werke

Beitrag von closs » Sa 20. Apr 2013, 08:02

barbara hat geschrieben: Es gibt Leute, die sind der Meinung, sich Gott zuzuwenden, indem sie grauslige Sachen machen, wie zum Beispiel andere Menschen umbringen. Das kann's ja nicht sein.
Stimmt - deshalb spreche ich ja vom objektiven Zugewendet-Sein - nicht, was sich einer einbildet. - Damit sprichst du übrigens das Motiv des Satanischen an: Vorgeben oder gar meinen, man sei gott-zugewandt, ohne es zu sein. - OB man gott-zugewandt ist, weiss nur Gott.

Rein praktisch sind wir uns einig. - Mein Anliegen ist halt, dem Praktischen einen allgegemeingültigen begrifflichen Halt zu geben.

R.F.
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#9 Re: Problematische Werke

Beitrag von R.F. » Sa 20. Apr 2013, 11:49

closs hat geschrieben:
barbara hat geschrieben: Es gibt Leute, die sind der Meinung, sich Gott zuzuwenden, indem sie grauslige Sachen machen, wie zum Beispiel andere Menschen umbringen. Das kann's ja nicht sein.
Stimmt - deshalb spreche ich ja vom objektiven Zugewendet-Sein - nicht, was sich einer einbildet. - Damit sprichst du übrigens das Motiv des Satanischen an: Vorgeben oder gar meinen, man sei gott-zugewandt, ohne es zu sein. - OB man gott-zugewandt ist, weiss nur Gott.

Rein praktisch sind wir uns einig. - Mein Anliegen ist halt, dem Praktischen einen allgegemeingültigen begrifflichen Halt zu geben.
Das hat der Herr Kant mit seinem “Kategorischen Imperativ” versucht, den er bei Matthäus abgekupfert hat:
Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.*)

*) Matthäus 7,12

closs
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#10 Re: Problematische Werke

Beitrag von closs » Sa 20. Apr 2013, 12:56

R.F. hat geschrieben:Das hat der Herr Kant mit seinem “Kategorischen Imperativ” versucht, den er bei Matthäus abgekupfert hat:
Ja - das ist die höchste Form, in der sich Daseins-Ethik und göttlicher Anspruch verbinden lassen.

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