Liebe deinen Nächsten

Themen des Neuen Testaments
Lena
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#1 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Lena » Sa 6. Mär 2021, 19:11

In seiner Bibel von 1545 übersetzt Martin Luther sowohl im Römerbrief als auch in der Geschichte vom barmherzigen Samariter die bekannte Aufforderung zur Nächstenliebe so: «Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.» In allen späteren Übersetzungen findet sich die harmlosere Form: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich ...
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Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Tree of life
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#2 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Tree of life » Sa 6. Mär 2021, 19:50

Lena hat geschrieben:
Sa 6. Mär 2021, 19:11
deinen Nächsten lieben 
Oder: Wie werde ich gemeinschaftsfähig?

Satz aus dem link und ich denke genau das ist der springende Punk im gewollten "Reich Gottes"
Meiner Ansicht nach geht es dem Gott nicht um Kadavargehorsam und tust du nicht was ich sage, dann....
Sondern das ein anderes Ziel dahinter steckt: das gut funktionierende Miteinander und kein Gegeneinander mehr.
Aber wenn sich immer mehr "Gruppen" bilden oder man sich absondert von andren, weil man denkt, man sei besser als die andren und mit DENEN will ich nix zu tun haben, sie nicht mal grüßen, dann denk ich, ist das der falsche Weg...

2.Korinther 6,14: „Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?“


Bedeutet für mich nicht, wie manche Christen es auslegen, dass man sich von Menschen, die nicht an Gott glauben, distanzieren soll und auch nicht mit ihnen austauschen soll.
Evangelium verkündet, arbeit getan und auf Wiedersehn, diskutieren mit dir? Null Bock...
So: Nicht!

JackSparrow
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#3 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von JackSparrow » So 7. Mär 2021, 10:38

Lena hat geschrieben:
Sa 6. Mär 2021, 19:11
In allen späteren Übersetzungen findet sich die harmlosere Form: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich ...
Das ist die gleiche Form. Sprachen wandeln sich und wir leben heute nicht mehr im 16. Jahrhundert.

Das Gegenbeispiel sind Worte wie "Engel" (= Bote) oder "Hölle" (= Höhle), die quasi doppelt überliefert wurden und heute was völlig anderes bedeuten als zu Luthers Zeiten.

Lena
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#4 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Lena » So 7. Mär 2021, 12:11

Auf mich wirken die beiden Aussagen nicht gleich: 
Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.

Hier lebt der Nächste in mir. 

 
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 

Da steht mein Nächster neben mir. 
 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

JackSparrow
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#5 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von JackSparrow » So 7. Mär 2021, 14:01

Lena hat geschrieben:
So 7. Mär 2021, 12:11
Hier lebt der Nächste in mir. 
Herr Luther hatte vermutlich nicht das Gefühl, sein Nächster lebe in ihm.

Matthäus 6,29
Jch sage euch Das auch Salomon in aller seiner Herrligkeit nicht bekleidet gewesen ist als der selbigen eins.

SilverBullet
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#6 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von SilverBullet » So 7. Mär 2021, 18:31

Ich finde "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" enthält ein eigenartiges Konzept von Liebe.
Aus meiner Sicht ist die Formulierung etwas "hingedreht", denn eigentlich will man sagen, dass der Andere nicht mehr aushalten soll, als man selbst ertragen möchte.
Es geht also eher um ein "Nicht-Belasten", als dass es um Liebe geht. Das Wort "Liebe" erscheint mir unnötig aufgesetzt zu sein.

Es gab da einen Rabbi "Hillel", der wohl bis 10 n.Chr gelebt haben soll.
Das Spannungsverhältnis aus "Nicht-Belasten" und "Liebe" findet man wohl auch zwischen einer Aussage von Hillel und den Texten des AT:
Zitat-Wiki:
„Was dir nicht lieb ist, das thue auch deinem Nächsten nicht; das ist die ganze Gesetzeslehre, alles Andere ist nur die Erläuterung, gehe und lerne sie.“ – Hillel: Der Babylonische Talmud, Schabbat 31a
...
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich (bin) der EWIGE (bzw. HERR). oder Liebe deinen Nächsten, er ist wie Du. Ich (bin) der EWIGE (bzw. HERR).“ – Wajiqra/Levitikus 19:18


Meiner Ansicht nach beruht Liebe auf Ergänzung, wodurch ich mich nicht selbst lieben kann (zumindest wäre dies ungewöhnlich).
Auf dieser Basis kann ich auch nicht jeden anderen lieben - keine Chance.

Ich würde sagen, ein Mensch funktioniert nicht derart, dass "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" einen direkten Sinn enthält.
Die Aussage von "Hillel" des Nicht-Belastens ist meiner Ansicht nach besser.

Lena
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#7 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Lena » So 7. Mär 2021, 19:11

Ich muss ehrlich zu mir selber sein. Meine Schwächen und Stärken nüchtern betrachten, 
so, wie wenn ich nicht mich, sondern dich, ansehen würde. 

Mein Verhalten dir gegenüber, sollte nicht anders sein, als mir gegenüber. So sind wir 
beide in Wahrheit eins. Es ist kein Ansehen der Person mehr. 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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Naqual
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#8 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Naqual » Mi 10. Mär 2021, 11:42

SilverBullet hat geschrieben:
So 7. Mär 2021, 18:31
Ich finde "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" enthält ein eigenartiges Konzept von Liebe.
Aus meiner Sicht ist die Formulierung etwas "hingedreht", denn eigentlich will man sagen, dass der Andere nicht mehr aushalten soll, als man selbst ertragen möchte.
Es geht also eher um ein "Nicht-Belasten", als dass es um Liebe geht. Das Wort "Liebe" erscheint mir unnötig aufgesetzt zu sein.

Meiner Ansicht nach beruht Liebe auf Ergänzung, wodurch ich mich nicht selbst lieben kann (zumindest wäre dies ungewöhnlich).
Auf dieser Basis kann ich auch nicht jeden anderen lieben - keine Chance.

Ich würde sagen, ein Mensch funktioniert nicht derart, dass "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" einen direkten Sinn enthält.
Die Aussage von "Hillel" des Nicht-Belastens ist meiner Ansicht nach besser.

Ich verstehe nicht ganz, warum das Konzept für Dich eigenartig ist. Und warum beruht Liebe auf Ergänzung? Ist, was Du mit "ertragen" meinst, nicht "Toleranz" (eine Anwendungsart der Liebe).
"Nicht-belasten" könnte ich auch in der Form der Lieblosigkeit sehen. Also mich kümmert der andere einen feuchten Dreck und ich belaste ihn deswegen auch nicht.

Ich persönlich verstehe Liebe als vereinigende Kraft. Aus einem Ich gegenübergestellt einem Du wird ein Wir. Das kann ich gedanklich von einem Paar, über eine Gruppe bis zu einer Gesellschaft bis zu einem umfassenden Alles weiterdenken.

"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" heißt, den anderen auf die gleiche Stufe zu stellen wie sich selbst (als Grundlage des Denkens, Fühlens, Wollens und des daraus resultierenden Handelns).
Die Goldene Regel "was Du nicht willst, was man Dir tu, dass füge auch keinem anderen zu" ist eine von sprachlich Kleinkarierten umgedrehte Version für die Aussage "was Du willst, das man Dir tue, das tue auch dem anderen". Beide, die positive wie die negative Formulierung, ist für mich eigentlich nur eine andere Formulierung für "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst".

Ich könnte allenfalls mich darüber mockieren, dass der Satz als Befehl dasteht. Und als solcher ist er sinnlos wie der Befehl "Schlafe sofort ein!". Das funktioniert so nicht. Aber die Aussage als solche finde ich trotzdem eigentlich sehr klar. Aber Du verstehst es irgendwie anders. Und da hänge ich im Moment ein wenig in der Luft.

Kritik könnte ich nur üben, dass die Christenheit den Satz "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" proklamatorisch ins Zentrum stellt, aber nicht erklärt, wie der einzelne das mit welchen Mitteln und Möglichkeiten realisieren soll. Und da gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die finde ich aber - im methodischen - eher im Buddhismus.

SilverBullet
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#9 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von SilverBullet » Mi 10. Mär 2021, 13:23

Naqual hat geschrieben:"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" heißt, den anderen auf die gleiche Stufe zu stellen wie sich selbst (als Grundlage des Denkens, Fühlens, Wollens und des daraus resultierenden Handelns).
Naja, Liebe ist schon eine deutliche Steigerung zu einer gleichstufigen Höflichkeit/Freundlichkeit/Wohlwollen.
Wenn dir die Negativ-Formulierung "man soll einen Anderen nicht auf eine Weise belasten/schaden, die man selbst nicht haben möchte" nicht gefällt, dann wäre die Positiv-Formulierung doch eher "Man soll einen Anderen derart freundlich/höflich/wohlwollend behandeln, wie man es selbst haben möchte".

Der Sprung zur Liebe ist aber nochmal etwas anderes. Wieso darf man dies einfach so machen?

Das Gegenteil von Liebe wäre vermutlich Hass, aber hassen sich Menschen, wenn sie sich ungünstig behandeln?

Naqual hat geschrieben:Ich verstehe nicht ganz, warum das Konzept für Dich eigenartig ist.
...
Ich persönlich verstehe Liebe als vereinigende Kraft. Aus einem Ich gegenübergestellt einem Du wird ein Wir. Das kann ich gedanklich von einem Paar, über eine Gruppe bis zu einer Gesellschaft bis zu einem umfassenden Alles weiterdenken.
Im Grunde bestätigst du hier meine Ansicht, dass es sich um ein eigenartiges Konzept handelt, denn du kannst einen entscheidenden Fall nicht über deine "Definition" abdecken:
"Du liebst dich selbst" / "Ich liebe mich selbst"
Da gibt es kein "Ich -> Du = Wir", keine "vereinigende Kraft"
Die Anweisung "liebe XYZ, wie dich selbst" scheitert an "wie dich selbst", denn das kommt bei dir gar nicht vor.

Naqual hat geschrieben:Und warum beruht Liebe auf Ergänzung?
Du hast ja bereits selbst auf "zwei Teile" hingewiesen, die über eine "vereinigende Kraft" zu einem "Gemeinsamen" werden wollen.
Die "zwei Teile" liegen als "zwei Menschen" vor - das ist schnell geklärt.
Das "Gemeinsame" ist erreicht, wenn sich die Reaktionen (die Gedanken) dieser beiden Menschen um "beide als eine Art 'Einheit'" drehen - das ist auch nachvollziehbar.

Was ist aber jetzt die "vereinigende Kraft"?

Bei Liebe ist der Standardablauf doch eher der, dass man selbst erst spät merkt, dass man bereits seit einiger Zeit auf Liebe eingestellt ist.
Wenn man es aber zuerst nicht merkt, "wer" entscheidet es dann und auf "welcher" Basis?

Aus meiner Sicht ist es ganz einfach:
der Körper reagiert ohne bewusste Verarbeitung auf ergänzende Umstände.
Jeder von uns ist ja ein Organismus und die Körpersysteme, bestehend aus Zellen, haben ihre eigenen Reaktionsmöglichkeiten, wodurch es zu Ausschüttungen von Stoffen kommen kann, ohne dass die Ursache "bewusst erkannt" wird.

Wieso können manche Männer, Frauen lieben, aber eher keine Männer?
Wieso können manche Männer, Männer lieben aber keine Frauen?
Wieso können manche Männer sowohl Frauen als auch Männer lieben?
(analoge Fragestellungen gibt es für Frauen)

Ich sage, der Körper entscheidet auf Basis von Ergänzung und so gibt es selbst bei gleichgeschlechtlicher Liebe (hier geht es mir nicht um den Sexualakt) klare Unterschiede zwischen den "zwei Teilen".

Aus meiner Sicht müsste ich das gesamte männliche Spektrum in mir haben und ich kann mir nichts vorstellen, wodurch ein anderer Mann eine Ergänzung zu mir darstellen sollte - es war auch noch nie der Fall (das bedeutet aber nicht, dass es nicht sein könnte).
Anders bei Frauen, hier entdecke ich rauf und runter Ergänzungen, die ich quasi nicht "selbst ersetzen kann".

Wenn ich nun von dieser Basis ausgehe, dann ist in "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" die eigenartige Idee enthalten, dass ich zu mir selbst eine Ergänzung sein können soll.
Nö, dieser Fall liegt funktional nicht vor.
(es mag gewisse Extreme geben können - "Narzissmus" -, aber hier ist die Frage, "welche" Reaktion auf "was" genau basiert und ob dies tatsächlich Liebe ist)

Zusatz:
Aus der Harmlosigkeit, dass eine Liebesausrichtung lediglich ein körperliches "Entdecken von Ergänzung" ist, leitet sich auch mein Verhältnis zu Hetero-, Homo- und Bisexualität ab -> alles ganz harmlos und am Ende keine Sensation.
Im Gegensatz dazu, zeichnen sich manche christliche Vorstellungen durch eine strickte Einschränkung auf Heterosexualität aus, obwohl sie mit "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" einer "Universalität von Liebe" zustimmen müssten -> das tun sie aber halt wieder nicht (warum auch immer).

Naqual hat geschrieben:Ich könnte allenfalls mich darüber mockieren, dass der Satz als Befehl dasteht. Und als solcher ist er sinnlos wie der Befehl "Schlafe sofort ein!". Das funktioniert so nicht. Aber die Aussage als solche finde ich trotzdem eigentlich sehr klar.
Auf welchem Konzept von Liebe basiert deine "eigentlich ist es klar"-Ansicht?
Was ist die "vereinigende Kraft"?

Ruth
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#10 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Ruth » Mi 10. Mär 2021, 14:10

Für mein Empfinden hat Liebe so etwas Ähnliches wie ein Puzzlespiel. Jedes Teil hat bestimmte Lücken, die gefüllt werden wollen und auf der anderen Seite auch Füllungen für die Lücken anderer Teile. Es passt nur dann perfekt, wenn man an der richtigen Stelle andockt.

Bei der Aufforderung in dem Bibelwort "Liebe deinen Nächsten..." geht es zunächst einmal davon aus, dass man an Gott, als das perfekte Vorbild der Liebe andockt und von dort aus dann auch auf das Gegenstück trifft. Also, an Gott passt alles, und wenn beide Teile mit Gott verbunden sind, und die zusätzlichen Lücken und Füllungen zusammenpassen, dann kann das Puzzlebild (das Ganze) passen.

Naja ... das habe ich mir gerade ausgedacht, nach einigen Gedankengängen. Passt vielleicht nicht ganz ... aber ist für mich gerade ein Ansatz, zur Weiterbildung :g222:

Insgesamt glaube ich, dass Liebe nicht wirklich beschreibbar ist, weil sie so unterschiedlich individuell ist, wie alles, was lebt. Darum macht sie bei allem, was Lücken füllt, auch immer wieder neue Lücken sichtbar, die entstehen. Liebe unter irdischen Wesen ist deshalb immer nur Stückwerk, das Gott aber durch seine vollkommene Liebe füllen kann, wenn Gebende und Nehmende an Gott angedockt sind.

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