Naqual hat geschrieben:"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" heißt, den anderen auf die gleiche Stufe zu stellen wie sich selbst (als Grundlage des Denkens, Fühlens, Wollens und des daraus resultierenden Handelns).
Naja, Liebe ist schon eine deutliche Steigerung zu einer gleichstufigen Höflichkeit/Freundlichkeit/Wohlwollen.
Wenn dir die Negativ-Formulierung "man soll einen Anderen nicht auf eine Weise belasten/schaden, die man selbst nicht haben möchte" nicht gefällt, dann wäre die Positiv-Formulierung doch eher "Man soll einen Anderen derart freundlich/höflich/wohlwollend behandeln, wie man es selbst haben möchte".
Der Sprung zur Liebe ist aber nochmal etwas anderes. Wieso darf man dies einfach so machen?
Das Gegenteil von Liebe wäre vermutlich Hass, aber hassen sich Menschen, wenn sie sich ungünstig behandeln?
Naqual hat geschrieben:Ich verstehe nicht ganz, warum das Konzept für Dich eigenartig ist.
...
Ich persönlich verstehe Liebe als vereinigende Kraft. Aus einem Ich gegenübergestellt einem Du wird ein Wir. Das kann ich gedanklich von einem Paar, über eine Gruppe bis zu einer Gesellschaft bis zu einem umfassenden Alles weiterdenken.
Im Grunde bestätigst du hier meine Ansicht, dass es sich um ein eigenartiges Konzept handelt, denn du kannst einen entscheidenden Fall
nicht über deine "Definition" abdecken:
"Du liebst dich selbst" / "Ich liebe mich selbst"
Da gibt es kein "Ich -> Du = Wir", keine "
vereinigende Kraft"
Die Anweisung "liebe XYZ, wie dich selbst" scheitert an "wie dich selbst", denn das kommt bei dir gar nicht vor.
Naqual hat geschrieben:Und warum beruht Liebe auf Ergänzung?
Du hast ja bereits selbst auf "zwei Teile" hingewiesen, die über eine "vereinigende Kraft" zu einem "Gemeinsamen" werden wollen.
Die "zwei Teile" liegen als "zwei Menschen" vor - das ist schnell geklärt.
Das "Gemeinsame" ist erreicht, wenn sich die Reaktionen (die Gedanken) dieser beiden Menschen um "beide als eine Art 'Einheit'" drehen - das ist auch nachvollziehbar.
Was ist aber jetzt die "vereinigende Kraft"?
Bei Liebe ist der Standardablauf doch eher der, dass man selbst erst spät merkt, dass man bereits seit einiger Zeit auf Liebe eingestellt ist.
Wenn man es aber zuerst nicht merkt, "wer" entscheidet es dann und auf "welcher" Basis?
Aus meiner Sicht ist es ganz einfach:
der Körper reagiert ohne bewusste Verarbeitung auf ergänzende Umstände.
Jeder von uns ist ja ein Organismus und die Körpersysteme, bestehend aus Zellen, haben ihre eigenen Reaktionsmöglichkeiten, wodurch es zu Ausschüttungen von Stoffen kommen kann, ohne dass die Ursache "bewusst erkannt" wird.
Wieso können manche Männer, Frauen lieben, aber eher keine Männer?
Wieso können manche Männer, Männer lieben aber keine Frauen?
Wieso können manche Männer sowohl Frauen als auch Männer lieben?
(analoge Fragestellungen gibt es für Frauen)
Ich sage, der Körper entscheidet auf Basis von Ergänzung und so gibt es selbst bei gleichgeschlechtlicher Liebe (hier geht es mir nicht um den Sexualakt) klare Unterschiede zwischen den "zwei Teilen".
Aus meiner Sicht müsste ich das gesamte männliche Spektrum in mir haben und ich kann mir nichts vorstellen, wodurch ein anderer Mann eine Ergänzung zu mir darstellen sollte - es war auch noch nie der Fall (das bedeutet aber nicht, dass es nicht sein könnte).
Anders bei Frauen, hier entdecke ich rauf und runter Ergänzungen, die ich quasi nicht "selbst ersetzen kann".
Wenn ich nun von dieser Basis ausgehe, dann ist in "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" die eigenartige Idee enthalten, dass ich zu mir selbst eine Ergänzung sein können soll.
Nö, dieser Fall liegt funktional nicht vor.
(es mag gewisse Extreme geben können - "Narzissmus" -, aber hier ist die Frage, "welche" Reaktion auf "was" genau basiert und ob dies tatsächlich Liebe ist)
Zusatz:
Aus der Harmlosigkeit, dass eine Liebesausrichtung lediglich ein körperliches "Entdecken von Ergänzung" ist, leitet sich auch mein Verhältnis zu Hetero-, Homo- und Bisexualität ab -> alles ganz harmlos und am Ende keine Sensation.
Im Gegensatz dazu, zeichnen sich manche christliche Vorstellungen durch eine strickte Einschränkung auf Heterosexualität aus, obwohl sie mit "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" einer "Universalität von Liebe" zustimmen müssten -> das tun sie aber halt wieder nicht (warum auch immer).
Naqual hat geschrieben:Ich könnte allenfalls mich darüber mockieren, dass der Satz als Befehl dasteht. Und als solcher ist er sinnlos wie der Befehl "Schlafe sofort ein!". Das funktioniert so nicht. Aber die Aussage als solche finde ich trotzdem eigentlich sehr klar.
Auf welchem Konzept von Liebe basiert deine "eigentlich ist es klar"-Ansicht?
Was ist die "vereinigende Kraft"?