Liebe deinen Nächsten

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Naqual
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#11 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Naqual » Mi 10. Mär 2021, 17:57

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 13:23
Naqual hat geschrieben:"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" heißt, den anderen auf die gleiche Stufe zu stellen wie sich selbst (als Grundlage des Denkens, Fühlens, Wollens und des daraus resultierenden Handelns).
Naja, Liebe ist schon eine deutliche Steigerung zu einer gleichstufigen Höflichkeit/Freundlichkeit/Wohlwollen.
Wenn dir die Negativ-Formulierung "man soll einen Anderen nicht auf eine Weise belasten/schaden, die man selbst nicht haben möchte" nicht gefällt, dann wäre die Positiv-Formulierung doch eher "Man soll einen Anderen derart freundlich/höflich/wohlwollend behandeln, wie man es selbst haben möchte".

Der Sprung zur Liebe ist aber nochmal etwas anderes. Wieso darf man dies einfach so machen?
Wieso nicht: Liebe kannst Du beschreiben als das Bestreben jemandem Gutes zu tun. Das gibt's in allen quantitativen und qualitativen Ausführungen und stufenlos.
Also ich sehe im Gruß "Guten Tag" wenn ich das dem anderen innerlich auch Wünsche durchaus Liebe.
Hast Du eine "elitäre Begrifflichkeit" von Liebe?

Das Gegenteil von Liebe wäre vermutlich Hass, aber hassen sich Menschen, wenn sie sich ungünstig behandeln?
In meiner Begriffswelt ist Hass nicht das (direkte) Gegenteil von Liebe. Das liegt daran, dass Liebe "verbindet/vereint", also eine Beziehung herstellt.
Hass hat diese Eigenschaft (der Hassende bindet sich an den von ihm Gehassten) auch, aber in einer "krankhaften" Form. Er möchte dem anderen nichts Gutes, aber Böses.
Damit ist Hass eine krankhafte persönliche Bindung. Hass wirkt dann auch wieder auf den Urheber ungünstig zurück. (Das ist z.B. besonders tragisch bei Opfern von Gewalttaten, die über Jahre hinweg oder lebenslänglich darunter leiden den anderen zu hassen und ihm damit wieder Bedeutung zu geben, die er nicht haben sollte. Klingt für manche schräg: aber Vergebung wirkt hier befreiend auf das Selbst zurück.)
Am überlegen bin ich, ob das Wort "Gleichgültigkeit" das Gegenteil von Liebe ist. So ähnlich wie das Wort "lieb-los".

Naqual hat geschrieben:Ich verstehe nicht ganz, warum das Konzept für Dich eigenartig ist.
...
Ich persönlich verstehe Liebe als vereinigende Kraft. Aus einem Ich gegenübergestellt einem Du wird ein Wir. Das kann ich gedanklich von einem Paar, über eine Gruppe bis zu einer Gesellschaft bis zu einem umfassenden Alles weiterdenken.
Im Grunde bestätigst du hier meine Ansicht, dass es sich um ein eigenartiges Konzept handelt, denn du kannst einen entscheidenden Fall nicht über deine "Definition" abdecken:
"Du liebst dich selbst" / "Ich liebe mich selbst"
Da gibt es kein "Ich -> Du = Wir", keine "vereinigende Kraft"
Die Anweisung "liebe XYZ, wie dich selbst" scheitert an "wie dich selbst", denn das kommt bei dir gar nicht vor.
Warum soll ich mich nicht selbst lieben können? Das fällt mir relativ leicht sogar. Hier und da mag ich zwar nicht mit mir zufrieden sein und strebe nach mehr, aber grundsätzlich mag ich mich im großen und ganzen wie ich bin. Und ich halte das für eine gesunde Einstellung. In der verwendeten Begrifflichkeit: natürlich wünsche ich mir selbst Gutes. (Die Gefahr ist ja eben deshalb dass man hierüber die anderen "vergisst".) In meinem Jargon liebe ich mich also. Auch im Sinne eines Wir. Wobei es hier nur auf den ersten Blick abstrus erscheint "Wir" für ein "ich" zu setzen. Aber wenn ich mich wirklich liebe, werde ich in mir eins und bin nicht innerlich zerstritten. Denn in der ungesunden Form ist das "ich" ein Haufen widersprüchlicher Gefühle und Gedanken, das Wollen gespalten. Und Spaltung ist Leid.

Naqual hat geschrieben:Und warum beruht Liebe auf Ergänzung?
Du hast ja bereits selbst auf "zwei Teile" hingewiesen, die über eine "vereinigende Kraft" zu einem "Gemeinsamen" werden wollen.
Die "zwei Teile" liegen als "zwei Menschen" vor - das ist schnell geklärt.
Das "Gemeinsame" ist erreicht, wenn sich die Reaktionen (die Gedanken) dieser beiden Menschen um "beide als eine Art 'Einheit'" drehen - das ist auch nachvollziehbar.
Es ist interessant mit Dir zu diskutieren, gerade wegen der Unterschiede in der Begrifflichkeit (und der damit zusammenhängenden Unterschiede).
Also mir ist der Begriff "Ergänzung" zuwider. Das liegt daran, dass ich die Vorstellung eines Wir als "ich mit ergänztem Du" nicht so glücklich finde. Denke aber, ich weiß nun was Du meinst.

Was ist aber jetzt die "vereinigende Kraft"?
Gott. - Ich nehme an, hier ist der Punkt, wo wir uns nicht nur begrifflich unterscheiden. :-)
Wobei ich keine personale Gottesvorstellung habe (es ist allenfalls in manchen Angelegenheiten eine "Denkhilfe" sich ein Gegenüber vorzustellen)
Gott sehe ich im "Ganzen". Sein Sein ist Bewusstsein im Ganzen (das allumfassende Wir). Persönliches Bewusstsein ist nur die isolierte Variante durch Raum und Zeit definiert, aber nicht aus sich selbst heraus. Bei Gott ist immer "aus sich selbst heraus" weil es nichts gibt ohne durch Ihn.
Ja und Du hast Recht, belegen kann man das nicht mehr. Ergibt sich aber zwingend daraus, dass Gott objektiv nicht existiert, sondern nur als "allumfassendes Bewusstsein" also "super-subjektiv". Ich kann Ihn genauso wenig mit objektiven Methoden feststellen, wie ich mit objektiven Methoden mein eigenes Bewusstsein anderen belegen kann (hier gibt es in der Psychologie allenfalls "inter-subjektive" Belegformen, mit letztlich durchaus guten Werten um die Realität abzubilden).

Bei Liebe ist der Standardablauf doch eher der, dass man selbst erst spät merkt, dass man bereits seit einiger Zeit auf Liebe eingestellt ist.
Wenn man es aber zuerst nicht merkt, "wer" entscheidet es dann und auf "welcher" Basis?
LoL. Mit der Frage muss ich mich vielleicht noch mal beschäftigen. Im Moment ist mir lachend eingefallen, dass ich manchmal beim Autofahren drei oder vier Kreuzungen mit Ampeln genommen habe um auf einmal festzustellen, ich war tief in Gedanken und weiß wirklich nicht, wie ich die letzten 10 Minuten gefahren bin. - Und nun die knackige Frage: Wer ist gefahren? :-)

Aus meiner Sicht ist es ganz einfach:
der Körper reagiert ohne bewusste Verarbeitung auf ergänzende Umstände.
Jeder von uns ist ja ein Organismus und die Körpersysteme, bestehend aus Zellen, haben ihre eigenen Reaktionsmöglichkeiten, wodurch es zu Ausschüttungen von Stoffen kommen kann, ohne dass die Ursache "bewusst erkannt" wird.

Wieso können manche Männer, Frauen lieben, aber eher keine Männer?
Wieso können manche Männer, Männer lieben aber keine Frauen?
Wieso können manche Männer sowohl Frauen als auch Männer lieben?
(analoge Fragestellungen gibt es für Frauen)
Naja, man kann es auf die Biologie reduzieren, dann wird es sicher einfacher. Aber auch "reduktionistisch". Also Liebe ist erst einmal kein Sex. Sie macht Sex zumindest in der Wahrnehmung sogar schöner.
Im übrigen denke ich, dass alle latent und unbewusst bis zu einem gewissen Grad bisexuell sind. Es ist nur durch Sozialisation ins Nicht-bewusste verdrängt worden. Also man muss ja nicht gleich alles in biologischer Vollendung (Geschlechtsverkehr) assozieren. Wenn ein Mann einen Mann streichelt (oder Frau eine Frau) kann dies hormonell bedingt (biologisch) als angenehm empfunden werden. Und Angenehmes wird naturgemäß als Verhaltensverstärker gewertet werden dürfen.

Ich sage, der Körper entscheidet auf Basis von Ergänzung und so gibt es selbst bei gleichgeschlechtlicher Liebe (hier geht es mir nicht um den Sexualakt) klare Unterschiede zwischen den "zwei Teilen".
Schon, aber der Unterschied ist wieder biologisch bedingt und nicht durch Liebe.

Aus meiner Sicht müsste ich das gesamte männliche Spektrum in mir haben und ich kann mir nichts vorstellen, wodurch ein anderer Mann eine Ergänzung zu mir darstellen sollte - es war auch noch nie der Fall (das bedeutet aber nicht, dass es nicht sein könnte).
Anders bei Frauen, hier entdecke ich rauf und runter Ergänzungen, die ich quasi nicht "selbst ersetzen kann".
Die entdecke ich auch, wenn ich mit Menschen aus anderen Kulturen konfrontiert bin (oder jene mit anderen "Philosophien"). Und ich liebe "es". :-)
Wobei - wenn man die Biologie mal weglässt (Kinderkriegen, Periode, etc.), Unterschiede zwar verbleiben. Aber nur in der höheren Wahrscheinlichkeit des Auftretens bei einem. Mir fällt jetzt nichts ein, was da einem Mann oder Frau nicht möglich wäre. Also was konkret. Habe ich was übersehen?

Wenn ich nun von dieser Basis ausgehe, dann ist in "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" die eigenartige Idee enthalten, dass ich zu mir selbst eine Ergänzung sein können soll.
Nö, dieser Fall liegt funktional nicht vor.
(es mag gewisse Extreme geben können - "Narzissmus" -, aber hier ist die Frage, "welche" Reaktion auf "was" genau basiert und ob dies tatsächlich Liebe ist)
Es wird sicher ein Hauch Selbstliebe (jetzt positiv verstanden) dabei sein. Nur in einem "inneren Wahrnehmungsfeld", in dem routinemäßig viel ausgeblendet wird und so auch der andere, dem der Narzissmus zu Recht auf den Geist geht. Also im wesentlichen "krankhaft überarbeitet", wenn man so will. Wahrscheinlich innere Zerissenheit im Selbstwertgefühl, die mit Selbstzuwendung übertüncht wird um innere Ruhe zu finden.

Zusatz:
Aus der Harmlosigkeit, dass eine Liebesausrichtung lediglich ein körperliches "Entdecken von Ergänzung" ist, leitet sich auch mein Verhältnis zu Hetero-, Homo- und Bisexualität ab -> alles ganz harmlos und am Ende keine Sensation.
Im Gegensatz dazu, zeichnen sich manche christliche Vorstellungen durch eine strickte Einschränkung auf Heterosexualität aus, obwohl sie mit "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" einer "Universalität von Liebe" zustimmen müssten -> das tun sie aber halt wieder nicht (warum auch immer).
Stimmt. Der Zwang "Heterosexualität für alle" ergab sich ursprünglich ja aus einem durchaus biologischen Trick. Ein Rudel was sich stärker vermehrt, hat bessere Chancen gegen die Konkurrenz beim Fressen. Also Frau soll dem Volk die zukünftigen Soldaten gebären. In Sachen Liebe vermag ich aber die Abklassifizierung anderer sexueller Grundeinstellungen nicht nachvollziehen. Auch ein homosexueller Mann ist (in der Regel) glücklicher und stabiler in einer funktionierenden Lebensgemeinschaft. Sowie ein heterosexuelles Paar auch. Das ist doch gut. Zwei vereinen sich. Und die schaden damit ja keine anderen.
Ich denke mal, den Staat um Steuern zu betrügen (eine Art Volkssport) schadet der staatlichen Gemeinschaft mehr, als Paare, die aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben keine Kinder bekommen können als zukünftige Konsumenten. Und die können adoptieren. Und die pädogogischen und psychologischen Forschungsberichte zeigen, dass Kinder keinesfalls schlechter aufwachsen mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen.

Tree of life
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#12 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Tree of life » Mi 10. Mär 2021, 18:34

Naqual hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 17:57
Zwei vereinen sich. Und die schaden damit ja keine anderen.
Richtig, wobei ich aber erwähnen möchte:
Ich habe einen lieben Freund der auch schwul ist und seit vielen Jahren ist er in einer fixen Beziehung, gibt aber offen zu, dass er des Sex wegens auch mit andren "verkehrt", allerdings nutzt er da niemanden aus zu dem Zweck (schadet niemandem), sondern das ist auf Wunsch beider "Teilnehmer"..
Sein Lebenspartner weiß es und kommt auch klar damit, weil er selber das nicht bieten kann, also ständig Sex..

Nun aber der Grund: er sagt selber, er hätte ständig das Bedürfnis nach "rammeln" ist hyperaktiv und kompensiert das oft durch übertriebenes Sport betreiben oder geht wandern...
Soll man ihn deswegen jetzt aus "moralischen" Gründen oder religiösem Grund verurteilen?
Er könnte ja einen Arzt aufsuchen, könnte man vorschlagen. Hat er auch...aber er lässt sich nicht durch neurologische Med still legen....

SilverBullet
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#13 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von SilverBullet » Mi 10. Mär 2021, 19:14

Ruth hat geschrieben: Für mein Empfinden hat Liebe so etwas Ähnliches wie ein Puzzlespiel. Jedes Teil hat bestimmte Lücken, die gefüllt werden wollen und auf der anderen Seite auch Füllungen für die Lücken anderer Teile. Es passt nur dann perfekt, wenn man an der richtigen Stelle andockt.
"Puzzle" mit den Passteilen ist ein tolles Bild für das, was ich mit "Ergänzung" meine.
Jeder von uns deckt ein Reaktionsspektrum ab, das aber nie vollständig ist, weshalb wir nahezu in jedem Moment Neues lernen können.
Stellt man sich dieses momentane Spektrum wie ein halbfertiges Puzzle vor, dann hat diese Form "unendlich" viele Einbuchtungen, Wölbungen, Verläufe usw.
Liebe zu einem anderen Menschen stellt sich ein, wenn eine auffällige Eignung in Bezug auf diese "Form" vorliegt -> "es passt".

Gut, ich kann nicht sagen, in wieweit du meinen Ergänzungsansatz teilst, denn du sprichst in deinem Weltbild von Gott, während ich dies (wie gehabt) in mein Weltbild übersetze.
Auf jeden Fall können wir uns sofort auf "Puzzle" einigen - top!

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Naqual hat geschrieben: Wieso nicht: Liebe kannst Du beschreiben als das Bestreben jemandem Gutes zu tun.
Das ist aus meiner Sicht ein zu grosser Sprung, denn ich sehe eine Liebeseinstellung, als eine mögliche Ursache für das Bestreben jemandem etwas Gutes zu tun.
So ein Bestreben könnte aber auch z.B. rein strategisch sein -> "eine Hand wäscht die andere" oder wie im Christentum mit einem "Bonus" versehen sein.
=> "Bestreben" ist das Verfolgen eines Ziels, Liebe ist hierzu eine mögliche Motivation.

Naqual hat geschrieben: Also ich sehe im Gruß "Guten Tag" wenn ich das dem anderen innerlich auch Wünsche durchaus Liebe.
Das ist mir viel zu beliebig und springt wieder von einer Handlung zu einer bestimmten Motivation, die aber nicht zwingend vorliegen muss.

Naqual hat geschrieben: Das liegt daran, dass Liebe "verbindet/vereint", also eine Beziehung herstellt.
Naja, ob es zu einer Beziehung/Vereinigung kommt, hängt davon ab, ob es beiderseitig Liebe ist.
Liebe liegt aber genauso nur einseitig vor - "man kennt es ja".

Naqual hat geschrieben: Hass hat diese Eigenschaft (der Hassende bindet sich an den von ihm Gehassten) auch, aber in einer "krankhaften" Form. Er möchte dem anderen nichts Gutes, aber Böses.
Auch das Modell "Hass ist krankhaft" teile ich nicht.
Aus meiner Sicht geht es um Harmonie innerhalb der eigenen Haltung und dort kann es sehr wohl notwendig sein, eine klare Abgrenzung zu ziehen und eine Abwehrhaltung einzunehmen.

Naqual hat geschrieben: Am überlegen bin ich, ob das Wort "Gleichgültigkeit" das Gegenteil von Liebe ist. So ähnlich wie das Wort "lieb-los".
"Gleichgültigkeit" bedeutet, man baut entweder keine Zusammenhänge zu einem Sachverhalt auf oder der Aufbau führt zu keinem Interesse.
Bei "Gleichgültigkeit" geht es eher um einen möglichen Vorgang, wenn es um das Finden von Einstellungen geht.
Liebe ist aber eine Einstellung, wodurch das Gegenteil auch eine Einstellung sein müsste.

Naqual hat geschrieben: Warum soll ich mich nicht selbst lieben können?
Stellst du es dir so vor, dass du von einem Moment zum anderen erkennst, dass du dich ja nur noch um dich selbst kümmerst und ganz durcheinander bist, wenn du dir begegnest?
=> Es fehlt der Übergang in der Reaktion, diese unterschwellige Ausrichtung, die immer deutlicher wird und wegen der man irgendwann erkennt, dass man Liebe in sich hat.

Naqual hat geschrieben: Aber wenn ich mich wirklich liebe, werde ich in mir eins und bin nicht innerlich zerstritten.
Das ist nur Poesie.

Naqual hat geschrieben: Denn in der ungesunden Form ist das "ich" ein Haufen widersprüchlicher Gefühle und Gedanken, das Wollen gespalten. Und Spaltung ist Leid.
Es geht bei Wahrnehmung um Harmonie. Disharmonie ist die Basis für Lernen, für Anpassung.

Naqual hat geschrieben: Also mir ist der Begriff "Ergänzung" zuwider. Das liegt daran, dass ich die Vorstellung eines Wir als "ich mit ergänztem Du" nicht so glücklich finde. Denke aber, ich weiß nun was Du meinst.
Nein, ein harmonisches "Wir" gibt es nur wenn beide eine Ergänzung erkennen.
Gut, in religiösen Kulturen werden Partnerschaften ohne Ergänzung "ausgekartelt" und dort verlieren i.d.R. die Frauen, weil sie etwas zu geben haben (Schönheit, Weichheit, Jugend) und "Mann" dies gerne nimmt.

Naqual hat geschrieben: Gott. - Ich nehme an, hier ist der Punkt, wo wir uns nicht nur begrifflich unterscheiden.
Selbstverständlich, ich habe keine Ahnung, was "Gott" sein soll.
Ich kann deine Haltung aber übersetzen und da wird aus "Gott" dein Bedürfnis, dass dort ein "Etwas" sein soll.

Naqual hat geschrieben: Wobei ich keine personale Gottesvorstellung habe
Egal, was du machst, eine Vorstellung schmiedest du immer nur von deiner Haltung/Rolle.
Ich bestreite aber nicht, dass du daraus etwas Positives ziehen kannst.

Naqual hat geschrieben: Sein Sein ist Bewusstsein im Ganzen
Naja, bei mir ist das Wort "Bewusstsein" konkret auf den aktiven Körper beschränkt, der Zusammenhänge rund um seine eigenen Vorgänge aufbaut.
Indem du keinen aktiven Körper verorten aber "Bewusstsein" beibehalten möchtest, machst du aus meiner Sicht einen Fehler.
Dieser Fehler ist mir aus dem Übergang von Luft als Nicht-Körperlichkeit zu "Geist" bereits vom Prinzip her bekannt.
=> du suchst letztlich nicht nach Funktionalität, sondern nach "schönen" Vorstellungen. -> ist aber OK, wie gesagt: für dich kann sich daraus Positives ergeben.

Naqual hat geschrieben: LoL. Mit der Frage muss ich mich vielleicht noch mal beschäftigen. Im Moment ist mir lachend eingefallen, dass ich manchmal beim Autofahren drei oder vier Kreuzungen mit Ampeln genommen habe um auf einmal festzustellen, ich war tief in Gedanken und weiß wirklich nicht, wie ich die letzten 10 Minuten gefahren bin. - Und nun die knackige Frage: Wer ist gefahren?
Ja, beschäftige dich ruhig nochmal damit, denn dein "Autofahren-Beispiel" ist mehrfach ungeeignet:
* beim Erkennen der eigenen Liebesausrichtung geht es nicht um eine Verlagerung ins Unbewusste durch alltägliche Wiederholung
* beim Erkennen der eigenen Liebesausrichtung gibt es kein frühzeitiges Unterbrechen durch plötzliche Abweichungen

Naqual hat geschrieben: Naja, man kann es auf die Biologie reduzieren, dann wird es sicher einfacher.
Tu dir einen Gefallen und starte nicht mit deinen "schönen" Vorstellungen.
Nur dann sprichst du von "reduzieren".
Deine Vorstellungen basieren auf einem Glaubenssprung und nur wenn man diesen durchgeführt hat, spricht man von "Reduzieren".
Der Körper ist vorhanden und du müsstest zeigen, wie du darüber hinaus etwas vorliegen haben möchtest.
=> Bring mich mal dazu, deinen Glaubenssprung durchzuführen.

Naqual hat geschrieben: Im übrigen denke ich, dass alle latent und unbewusst bis zu einem gewissen Grad bisexuell sind.
Ja, auf Basis von Ergänzung könnte dies sein, weshalb ich es auch für mich selbst nicht ganz ausgeschlossen habe.

Naqual hat geschrieben: Wenn ein Mann einen Mann streichelt (oder Frau eine Frau) kann dies hormonell bedingt (biologisch) als angenehm empfunden werden.
Jetzt bring es auf den Punkt => warum kann es angenehm sein?
Ich sage: das Wahrnehmungssystem erkennt und reagiert auf Ergänzung (ergänzende Zusammenhänge) -> was sagst du?

Naqual hat geschrieben: Schon, aber der Unterschied ist wieder biologisch bedingt und nicht durch Liebe.
Das ist ein Glaubenssprung.

Naqual hat geschrieben: Es wird sicher ein Hauch Selbstliebe (jetzt positiv verstanden) dabei sein.
Du meinst Selbstaufwertung und Fremdabwertung.
Eine hormonelle Reaktion (du hast das Streicheln genannt) ist dort wohl eher nicht beteiligt.

JackSparrow
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#14 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von JackSparrow » Mi 10. Mär 2021, 20:07

Naqual hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 17:57
Wenn dir die Negativ-Formulierung "man soll einen Anderen nicht auf eine Weise belasten/schaden, die man selbst nicht haben möchte" nicht gefällt, dann wäre die Positiv-Formulierung doch eher "Man soll einen Anderen derart freundlich/höflich/wohlwollend behandeln, wie man es selbst haben möchte".
Wenn bei dir eingebrochen wird, darfst du nicht die Polizei rufen. Du selbst würdest nämlich auch nicht verhaftet werden wollen, wenn du der Einbrecher wärst.

Naja, man kann es auf die Biologie reduzieren, dann wird es sicher einfacher.
Menschen mögen zwar einfache Erklärungen, aber ihre eigenen Wunschvorstellungen mögen sie eben doch noch etwas mehr. Biologisch unterscheiden sich "Hass" und "Liebe" nur minimal und es handelt sich definitiv nicht um Gegensätze.

SilverBullet
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#15 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von SilverBullet » Mi 10. Mär 2021, 21:16

JackSparrow hat geschrieben:Biologisch unterscheiden sich "Hass" und "Liebe" nur minimal und es handelt sich definitiv nicht um Gegensätze.
Nein, das sehe ich nicht so.
"Hass" und "Liege" sind Wahrnehmungsbegriffe und damit maximal eine Interpretation dessen, was im Körper vor sich geht (-> basierend auf "Körpersignalen" im Nervensystem).
Biologisch liegt weder "Hass" noch "Liebe" vor, egal wie sehr man das Wort "Emergenz" auch strapazieren mag, beides sind Wahrnehmungsbegriffe und gehören damit voll und ganz zum Reaktionsspektrum des Wahrnehmungssystems eines Lebewesens.
=> Es geht allein um den Aufbau von Zusammenhängen, die Folgereaktionen und die "darin" enthaltenen Unterschiede.

Ein Mensch, der einen anderen Menschen liebt, will sich nicht in das Hassen dieses Menschen hineinversetzen.
Ein Mensch, der einen anderen Menschen hasst, will sich nicht in das Lieben dieses Menschen hineinversetzen.

Falls auf "Gleichgültigkeit" abgezielt werden soll, dann handelt es sich hierbei lediglich um ein Nicht-Aktivieren des Belohnungssystems.
So gibt es Menschen, denen Musik vollständig gleichgültig ist und die keine Gefallen/Ablehnen-Haltung einnehmen.
Gefallen <-> Ablehnen sehe ich als Gegensätze an (wenn ich das übertrage: Liebe <-> Hass)

Lena
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#16 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Lena » Mi 10. Mär 2021, 21:21

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 20:07
Biologisch unterscheiden sich "Hass" und "Liebe" nur minimal und es handelt sich definitiv nicht um Gegensätze.

Gefühlsmässig sind sie beide heiss.
Gegensatz wäre demnach lau. 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Tree of life
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#17 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Tree of life » Do 11. Mär 2021, 00:10

Naqual hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 17:57
Wenn ein Mann einen Mann streichelt (oder Frau eine Frau) kann dies hormonell bedingt (biologisch) als angenehm empfunden werden. Und Angenehmes wird naturgemäß als Verhaltensverstärker gewertet werden dürfen.

Ruth
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#18 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Ruth » Do 11. Mär 2021, 09:33

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 19:14
"Puzzle" mit den Passteilen ist ein tolles Bild für das, was ich mit "Ergänzung" meine.
Jeder von uns deckt ein Reaktionsspektrum ab, das aber nie vollständig ist, weshalb wir nahezu in jedem Moment Neues lernen können.
Stellt man sich dieses momentane Spektrum wie ein halbfertiges Puzzle vor, dann hat diese Form "unendlich" viele Einbuchtungen, Wölbungen, Verläufe usw.
Liebe zu einem anderen Menschen stellt sich ein, wenn eine auffällige Eignung in Bezug auf diese "Form" vorliegt -> "es passt".

Super ... du hast das nun in (fast) perfekten Worten zusammengefasst, was ich mir zuvor etwas holprig zusammmengedacht habe. :smilielight:

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 19:14
Gut, ich kann nicht sagen, in wieweit du meinen Ergänzungsansatz teilst, denn du sprichst in deinem Weltbild von Gott, während ich dies (wie gehabt) in mein Weltbild übersetze.
Auf jeden Fall können wir uns sofort auf "Puzzle" einigen - top!

Das hatten wir ja schon als Ergebnis vorheriger Diskussionen festgestellt, dass wir ein unterschiedliches Welt-/Gottes-Bild haben. Bisher fanden wir aber immer auch mindestens einen gemeinsamen Nenner bei all den Unterschiedlichkeiten. Passt also bis jetzt immer noch :thmpup:

Ruth
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#19 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von Ruth » Do 11. Mär 2021, 12:13

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 10. Mär 2021, 19:14

Gut, ich kann nicht sagen, in wieweit du meinen Ergänzungsansatz teilst, denn du sprichst in deinem Weltbild von Gott, während ich dies (wie gehabt) in mein Weltbild übersetze.
Ich habe gerade noch eine Weile darüber nachgedacht, wo ich denn Gott sehe in diesem Puzzle des Lebens….

Das Prinzip ist ja, das jeder zunächst einmal Ressourcen hat, mit denen er (einem oder mehreren) anderen Menschen Lücken füllen kann. Wiederum hat jeder auch Lücken, und sucht nach Möglichkeiten, diese zu füllen. Beides, die Lücken und die Füllenden sind nur dann hilfreich, wenn sie passen. Beides ist aber begrenzt, und auch im teilweise passenden Miteinander gibt es neue Lücken.

Hier sehe ich Gott mit seinem Wirken, als allseits passend. Wenn man sich an ihn wendet, an ihm angedockt ist, ist es möglich, das Gott Lücken füllt, die ein passender Puzzle-Partner nicht vollends füllen konnte, was bei dem Gegenüber-Partner als Mangel empfunden wird.

Es gibt auch einen Bibelvers, der das so ähnlich ausdrückt: Philipper 4,19
 Phil. 4,19 SLT
Mein Gott aber wird allen euren Mangel ausfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.

Natürlich bleibt alles immer Stückwerk, und man sucht sein Leben lang nach Lückenfüllern und findet Lücken beim Nächsten, welche zu füllen der Mensch natürliche Gaben in sich hat. Das gilt sowohl für Gott glaubende, sowie für Nichtglaubende.

SilverBullet
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#20 Liebe deinen Nächsten

Beitrag von SilverBullet » Do 11. Mär 2021, 16:40

Ruth hat geschrieben: Super ... du hast das nun in (fast) perfekten Worten zusammengefasst, was ich mir zuvor etwas holprig zusammmengedacht habe. :smilielight:
...
Das hatten wir ja schon als Ergebnis vorheriger Diskussionen festgestellt, dass wir ein unterschiedliches Welt-/Gottes-Bild haben. Bisher fanden wir aber immer auch mindestens einen gemeinsamen Nenner bei all den Unterschiedlichkeiten. Passt also bis jetzt immer noch :thmpup:
Das freut mich.
Genau, jeder von uns redet aus seinem eigenen Weltbild heraus über die Sache und da ist es schon toll, wenn wir so ein Bild (-> deine Puzzle-Idee) jeweils stimmig unterbringen können.

=> Jeder von uns hat an der Realität etwas erkannt und versucht es zu integrieren.
=> Das ist um Klassen besser, als dass das Weltbild einem den Blick versperrt (so etwas soll ja schonmal bei Verwendung von alten Texten vorkommen können :-))

Ruth hat geschrieben: Das Prinzip ist ja, das jeder zunächst einmal Ressourcen hat, mit denen er (einem oder mehreren) anderen Menschen Lücken füllen kann. Wiederum hat jeder auch Lücken, und sucht nach Möglichkeiten, diese zu füllen. Beides, die Lücken und die Füllenden sind nur dann hilfreich, wenn sie passen. Beides ist aber begrenzt, und auch im teilweise passenden Miteinander gibt es neue Lücken.
Ja und vieles daran kann sich über die Zeit verändern, die Lücken, der Bedarf zur Schliessung, das Achtgeben auf Passgenauigkeit usw.
Das sind dann vielleicht die Knackpunkte entlang derer sich eine Beziehung zu entwickeln hat (und oft genug auch scheitert - "man hört ja so einiges darüber")

Ruth hat geschrieben: Hier sehe ich Gott mit seinem Wirken, als allseits passend. Wenn man sich an ihn wendet, an ihm angedockt ist, ist es möglich, das Gott Lücken füllt, die ein passender Puzzle-Partner nicht vollends füllen konnte, was bei dem Gegenüber-Partner als Mangel empfunden wird.
Bei Hoffnungs-, Geborgenheits-, Auffang-, Trostlücken (bestimmt noch vielen anderen) würde ich das bestätigen, denn darin sehe ich das Positive, das ein Gläubiger für sich herausziehen kann.
Ein wenig Abstriche würde ich bei all den Lücken des direkten Kontaktes machen wollen, aber es ist klar, der Glaube funktioniert letztlich nur, wenn dies als nicht wichtig angesehen wird, deshalb gleich wieder weg damit.

Ruth hat geschrieben: Natürlich bleibt alles immer Stückwerk, und man sucht sein Leben lang nach Lückenfüllern und findet Lücken beim Nächsten, welche zu füllen der Mensch natürliche Gaben in sich hat. Das gilt sowohl für Gott glaubende, sowie für Nichtglaubende.
Ah verstehe, "das Schliessen der Lücken" (da sind wir wieder beim Bewältigen des Lebens) gehört damit aus deiner Sicht zu der Art, wie Gott mit einem Menschen kommuniziert -> "Puzzlespiel der Liebe".

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