Warum Barabbas?

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Magdalena61
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#1 Warum Barabbas?

Beitrag von Magdalena61 » Sa 5. Apr 2014, 03:34

Lk. 23, 13-25 (SLT): Pilatus aber rief die obersten Priester und die führenden Männer und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht, als mache er das Volk abtrünnig; und siehe, als ich ihn vor euch verhörte, habe ich an diesem Menschen keine Schuld gefunden, deretwegen ihr ihn anklagt, aber auch Herodes nicht; denn ich habe euch zu ihm gesandt; und siehe, es ist nichts von ihm verübt worden, was des Todes würdig wäre.
Darum will ich ihn züchtigen und dann freilassen!

Er mußte ihnen aber anläßlich des Festes einen freigeben. Da schrie aber die ganze Menge und sprach: Hinweg mit diesem, und gib uns Barabbas frei!
Der war wegen eines in der Stadt vorgefallenen Aufruhrs und Mordes ins Gefängnis geworfen worden.

Nun redete ihnen Pilatus noch einmal zu, weil er Jesus freilassen wollte. Sie aber riefen dagegen und sprachen: Kreuzige, kreuzige ihn!
Und zum drittenmal sprach er zu ihnen: Was hat dieser denn Böses getan? Ich habe keine des Todes würdige Schuld an ihm gefunden. Darum will ich ihn züchtigen und dann freilassen.
Sie aber hielten an mit lautem Geschrei und forderten, daß er gekreuzigt werde; und ihr Geschrei und das der obersten Priester nahm überhand.

Da entschied Pilatus, daß ihre Forderung erfüllt werden sollte, und gab ihnen den frei, den sie begehrten, welcher eines Aufruhrs und Mordes wegen ins Gefängnis geworfen worden war; Jesus aber übergab er ihrem Willen.
Matthäus schreibt, "... die obersten Priester und die Ältesten überredeten die Volksmenge, den Barabbas zu erbitten, Jesus aber umbringen zu lassen."
Mt. 27,20.

Hatten die religiösen Führer wirklich eine solche Macht über das Volk?

War die Volksmenge, die eine nur kurze Zeit zuvor Jesus beim Einzug in Jerusalem zugejubelt und Hosianna gerufen hatte (Mt. 21,9) denn so wankelmütig- unberechenbar, sodass dieselben Leute wenige Tage später krass und hysterisch forderten, einen Unschuldigen zu Tode zu foltern?

Warum wollten sie (ausgerechnet) Barabbas?

Gab es derzeit in jenem Kerker nur zwei Gefangene?
Reiner Zufall?

Wer war dieser Barabbas?

Eure Gedanken dazu?
LG
God bless you all for what you all have done for me.

Salome23
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#2 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Salome23 » Sa 5. Apr 2014, 06:16

Magdalena61 hat geschrieben: Eure Gedanken dazu?
a-Der Satan fuhr in das Volk (sie waren alle besessen) damit sich "Gottes"( :?: ) Plan erfüllt, wie sonst wäre es zu einer (historischen) Kreuzigung Jesus gekommen?
b- Diese Story hat nie statt gefunden...
c-ist einfach erfunden worden:
Pilatus aber rief die obersten Priester und die führenden Männer und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht
Nun redete ihnen Pilatus noch einmal zu, weil er Jesus freilassen wollte.

Wer war dieser (hier) angeführte Pilatus?
Ist dieses Handeln ident damit, was man so über Pilatus übliches (nicht grad emphatisches) Verhalten weis?

Magdalena61 hat geschrieben:Wer war dieser Barabbas?
Deine Gedanken dazu? Wer war er wohl? ;)

Rembremerding
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#3 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Rembremerding » Sa 5. Apr 2014, 09:37

Hallo und einen schönen und geruhsamen Sabbat an alle Foristen! :)

Danke @Magda für das Thema. Hier einige kleine Gedanken meinerseits dazu:
Wir alle sind wohl Bar-Abbas, die Söhne unserer Väter. Sündig wie sie, voreingenommen wie sie, wankelmütig wie sie.
Was die Hohenpriester und führenden Männer damals dem Volk erzählten, das wird heute von den Politikern und den Medien dem Volk erzählt: Nehmt an die Versprechungen der Welt, haltet euch an die Macht und nicht an die Schwachen.
Der Mörder Barabbas wird heute ebenso heroisiert, wenn Steuerhinterzieher, Mörder, Lügner und Ehebrecher bewundert werden, der Heiland ebenso verschmäht, wenn man Gott und seine Kirche leugnet und bespuckt.

Von Christus Jesus erwartete das Volk ein Königtum der Welt, dass die verhassten Besatzer vertreibt. Dieser König steht nun da, gefesselt und erniedrigt. Enttäuscht wendet man sich von ihm ab und dem vermeintlich starken Barabbas zu, der bereits bewiesen hat, dass er "aufräumt" unter den Besatzern und stellvertretend den eigenen Hass und den Zorn an andere auslässt.
Christus Jesus hingegen hat in den Augen des Volkes versagt. Sie haben ihn zuerst erhöht, ihre falschen Erwartungen in ihn gesetzt, die schnell enttäuscht wurden und ihn dann kläglich fallen gelassen. Ähnliches geschieht heute mit den Gutenbergs, van Elsts oder Wulffs. Mögen einige auch vor dem weltlichen Gericht freigesprochen sein, man belässt sie als schuldig, verzeiht niemals, weil man sie zuerst als persönliche Helden stilisierte und sie diesen Erwartungen dann nicht entsprachen. Man gibt ihnen, wie Christus Jesus damals, die Schuld daran wieder einmal nicht in seinen Wünschen befriedigt worden zu sein und das bringt Zorn und Hass auf sich selbst hervor, den man auf andere projiziert: Kreuzige ihn! Kreuzige ihn! Nicht einmal selbst will man ihn kreuzigen, sondern andere vorschieben, um ja niemals selbst schuldig zu sein.

Auch heute noch wenden wir uns lieber der Gewalt, der Macht zu, als der Sanftmut, der Geduld, der Liebe. Mit diesen Tugenden wird man nicht erfolgreich in der Welt, mit diesen Tugenden wird man zum Verlierer in der Welt.
Wollen wir, auch wir Christen, heute Christus Jesus wählen, damit er uns frei macht?
Würden wir heute nicht auch lieber Barabbas wählen, den "Macher", den Liebling des Volkes, weil er tut, nachdem es dem sündigen Menschen ist?
Wir lassen auch heute lieber den sündigen Menschen in uns frei und werden dadurch unfrei, als Christus Jesus in unser Herz zu schließen und damit selbst frei zu werden.

:wave: Servus
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Naqual
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#4 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Naqual » Sa 5. Apr 2014, 09:41

Magdalena61 hat geschrieben:Hatten die religiösen Führer wirklich eine solche Macht über das Volk? War die Volksmenge, die eine nur kurze Zeit zuvor Jesus beim Einzug in Jerusalem zugejubelt und Hosianna gerufen hatte denn so wankelmütig- unberechenbar, sodass dieselben Leute wenige Tage später krass und hysterisch forderten, einen Unschuldigen zu Tode zu foltern?
Denke ja. Es ließen sich auch aus dem letzten und diesem Jahrhundert genügend Beispiele bringen wie ganze Volksmassen manipuliert und begeistert werden konnten und können, egal aus weltlichen oder religiösen Ideologien heraus (Bücherverbrennungen mit öffentlichen Freudentanz, Reichskristallnacht, öffentliche Hinrichtungen in arabischen Ländern, usw.).

Schwierigkeiten unter historischer Perspektive hätte ich mehr mit Pontius Pilatus und dem geschildeten Verhalten.
Pilatus wurde von Rom nach gut 10 Jahren Amtszeit abgesetzt weil er in der Führung seiner Geschäfte den Römern zu brutal war! (Und die waren alles andere als zartbeseitet, konnten kilometerlang Aufständische an Kreuzen elendig verrecken lassen, Steuern rauspressen bis zur Massenverarmung, usw.) Pilatus war nicht dafür bekannt ein ängstlicher Herrscher zu sein, der nervös immer ein Ohr am Volk hat. Ganz im Gegenteil!
Jesus hatte im Verhör vor Pilatus zugegeben "König der Juden" zu sein (Version Matthäus-Evangelium). Das ist aus römischer Sicht Hochverrat. Wer König ist in Judäa bestimmten alleinig die Römer. Und töteten alle (teils zu tausenden) die da anderes behaupteten. Es langte der bloße Verdacht. Es gab kein "im Zweifel zugunsten des Angeklagten". Die Römer waren da sehr konsequent und hart. Der Titel "König der Juden" wurde von vielen Aufständlern vor Jesus schon verwendet und führte teils zu brutalsten Bestrafungsaktionen der Römer.
Nachdem Jesus öffentlich erklärt hatte König der Juden zu sein, hätte Pilatus Jesus zum Tode verurteilen MÜSSEN. Da gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Und warum hätte der brutal veranlagte Pilatus auf die Juden hören sollen? Er war ja bekannt dafür sie brutal zu unterjochen und nicht lang zu fragen.
Insofern würde ich die Erzählung von Pilatus nicht als historisch adäquat ansehen.

2Lena
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#5 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von 2Lena » Sa 5. Apr 2014, 11:51

Es ist nicht vorstellbar, dass eine Volksmenge den einen Tag jubelnd auf den Straßen Palmzweige für Jesus schwenkt, die Kleider auf der Straße ausbreitet, damit er darüberreiten kann - um am nächsten Tag zu schreien:
Kreuzige ihn!
Das klingt in Hebräisch und gleich in Aramäisch:
[jeza lev] heißt anders gedacht: Zeig Herz!

Die wollten Jesus nicht herausgeben. Sie wollten Barabas, vielleicht eine Ente? [baruvaz]. Die hatten das auf ägyptischen Zeichnungen immer verkehrt rum als Symbol. Es war ein wichtiges Zeichen, über das ich noch rätsle mit den Hieroglyphen von alter Zeit her.

Vielleicht wollten sie [bara bas] Eroberungen schaffen. Vielleicht war da ein Sohn von abas? Oder wollten die ein freies Feld. Das heißt auch [bar]. Etwas schaffen dazu. Das ist sehr schwer zu sagen, denn es ist eine ganz lange Geschichte, die den Niederschlag in Lehren fand. Es geht hier um eine ganz andere Geschichte, die die Regeln des Richtens in krasser Weise - bei historischer Kulisse die noch mehr herüberbringt - mit ganz anderen Texten als Inhalt.

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Naqual
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#6 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Naqual » Sa 5. Apr 2014, 12:58

2Lena hat geschrieben: Das klingt in Hebräisch und gleich in Aramäisch:
[jeza lev] heißt anders gedacht: Zeig Herz!

Die wollten Jesus nicht herausgeben. Sie wollten Barabas, vielleicht eine Ente? [baruvaz]. Die hatten das auf ägyptischen Zeichnungen immer verkehrt rum als Symbol. Es war ein wichtiges Zeichen, über das ich noch rätsle mit den Hieroglyphen von alter Zeit her.

Vielleicht wollten sie [bara bas] Eroberungen schaffen. Vielleicht war da ein Sohn von abas?

Nach einer Theorie (aus vielen existenten) steht Barabas für Yeshua Bar Abas (Jesus, Sohn des Abas). Quasi ein zweiter Jesus. (Pilatus so gedeutet: Seid ihr sicher, dass ihr den Richtigen meint?)
Bar heißt im hebräischen Sohn, im Altägyptischen: Ente, aber auch Sohn.
Interessant hier die Eigenname-Kartusche des 1. Pharaos der 4. Dynastie, Snofru: das was ausschaut wie ein KREUZ auf einem Hügel, stellt Herz und Speiseröhre da (nehme an der Querbalken ist der Unterkiefer in "Bild-Steno"). In der Symbolik geht es hier dann beim "Herzkreuz" um Vollkommenheit.
Das Problem ist tatsächlich, dass die Deutungsmöglichkeiten immens sind.

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Magdalena61
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#7 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Magdalena61 » So 6. Apr 2014, 00:33

Rembremerding hat geschrieben:Der Mörder Barabbas wird heute ebenso heroisiert, wenn Steuerhinterzieher, Mörder, Lügner und Ehebrecher bewundert werden, der Heiland ebenso verschmäht, wenn man Gott und seine Kirche leugnet und bespuckt.
Da ist was dran, an diesem Gedanken. Aber es war das Volk Gottes, das mit dem Straftäter sympathisierte, es waren die Kinder Abrahams, nicht die (unwissende) heidnische Welt.
Rembremerding hat geschrieben:Christus Jesus hingegen hat in den Augen des Volkes versagt. Sie haben ihn zuerst erhöht, ihre falschen Erwartungen in ihn gesetzt, die schnell enttäuscht wurden und ihn dann kläglich fallen gelassen. ...
man belässt sie als schuldig, verzeiht niemals, weil man sie zuerst als persönliche Helden stilisierte und sie diesen Erwartungen dann nicht entsprachen.
Es ist doch noch lange kein Grund, jemanden umzubringen, nur, weil er die Wünsche des Mobs nicht befriedigt.

Auch viele Christen wenden sich ab, wenn Gott nicht so "funktioniert", wie sie es erwarten/ erhoffen.
LG
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Magdalena61
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#8 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Magdalena61 » So 6. Apr 2014, 00:45

Naqual hat geschrieben:Pilatus war nicht dafür bekannt ein ängstlicher Herrscher zu sein, der nervös immer ein Ohr am Volk hat.
Nö, das war er nicht, aber vermutlich lag ihm sein eigenes Wohlbefinden am Herzen, welches er nicht gefährden wollte, indem er diesen jüdischen Rabbi verurteilte.
Mt. 27,19
Jesus hatte im Verhör vor Pilatus zugegeben "König der Juden" zu sein (Version Matthäus-Evangelium). Das ist aus römischer Sicht Hochverrat. Wer König ist in Judäa bestimmten alleinig die Römer. Und töteten alle (teils zu tausenden) die da anderes behaupteten. Es langte der bloße Verdacht. Es gab kein "im Zweifel zugunsten des Angeklagten". Die Römer waren da sehr konsequent und hart. Der Titel "König der Juden" wurde von vielen Aufständlern vor Jesus schon verwendet und führte teils zu brutalsten Bestrafungsaktionen der Römer.
Wenn Pilatus diese Anklage ernst genommen hätte, dann hätte er Jesus gar nicht in die Auswahl hineinnehmen dürfen, welcher Gefangene zu begnadigen sei.

Pilatus betonte, er finde keine Schuld an Jesus. Joh. 18,38. Offenbar sah er in Bezug auf den Titel "König der Juden" keinen Handlungsbedarf Mt. 27,24.

Vielleicht hielt er Jesus, nachdem dieser ergänzt hatte, sein Reich "sei nicht von dieser Welt" für einen Spinner. --
Naqual hat geschrieben:Nach einer Theorie (aus vielen existenten) steht Barabas für Yeshua Bar Abas (Jesus, Sohn des Abas). Quasi ein zweiter Jesus. (Pilatus so gedeutet: Seid ihr sicher, dass ihr den Richtigen meint?)
Ja, das ist ein interessanter Aspekt.
Zwei Mal "Jesus", zwei unterschiedliche Charaktäre; der Sünder und der Retter... der Sünder wird frei im Tausch gegen das Leben des Gerechten.

Da steckt einiges drin, in diesem Detail "Barabbas" :) .

Aber.... warum wählte das Volk den Verbrecher, den Terroristen?

Priester und sonstige charismatische Persönlichkeiten mögen ja einigen Einfluß nehmen auf das Volk.

Jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bürger eines Landes einen Anders Behring Breivik oder einen Magnus Gäfgen unter sich haben wollten-- so lange bei genannten Personen nicht überzeugend eine Sinnesänderung auszumachen ist.
LG
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Zeus
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#9 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Zeus » So 6. Apr 2014, 00:57

Salome23 hat geschrieben:Wer war dieser (hier) angeführte Pilatus?
Ist dieses Handeln ident damit, was man so über Pilatus übliches (nicht grad emphatisches) Verhalten weis?
Liebe Salome, du meinst sicher empathisch (Duden:einfühlsam, feinfühlig, mitfühlend, sensibel, verständnisvoll, weichherzig).

Das im NT beschriebene Handeln des Pilatus war nicht in Einklang mit dem angeblich empathischen Charakter dieses Herrn , wenn man jüdischen Quellen Glauben schenkt.
Darum sind auch moderne Bibelforscher der Meinung, dass die Geschichte des Gesprächs zwischen Pilatus, JC und dem Volk nicht stattgefunden hat und vom Schreiber des betreffenden Evangeliums zur Dramatisierung des Geschehens frei erfunden wurde.
Es gab keine Händewaschung
Und so fällte Pontius Pilatus laut Demandt "ein schwach begründetes, politisch motiviertes Gefälligkeitsurteil gegenüber Kaiphas". Alles weitere, der Traum von Pilatus Frau, die Händewaschung, die Frage an die Juden, ob denn Jesus oder Barabas freigegeben werden solle –alles schöne Legenden.
Warum sollte der allmächtige römische Statthalter sich auf eine Diskussion mit einem jüdischen Wanderprediger einlassen?
Es gibt übrigens keine außerbiblichen Quellen, die besagte Geschichte bestätigen.
Nur folgendes:
Die wirkliche Größenordnung aus der Perspektive des Imperiums findet sich bei Tacitus: "Der Urheber jenes Namens, Christus, wurde während der Regierung des Tiberius durch den Prokurator (s. o.) Pontius Pilatus hingerichtet." Eine Bagatelle. Denn im übrigen heißt es über die Regierungszeit des Tiberius: Es herrschte Ruhe im Imperium


Gruß
Zeus
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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Naqual
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#10 Re: Warum Barabbas?

Beitrag von Naqual » So 6. Apr 2014, 08:46

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Pilatus war nicht dafür bekannt ein ängstlicher Herrscher zu sein, der nervös immer ein Ohr am Volk hat.
Nö, das war er nicht, aber vermutlich lag ihm sein eigenes Wohlbefinden am Herzen, welches er nicht gefährden wollte, indem er diesen jüdischen Rabbi verurteilte.
Aus historischer Sicht: so wenig wie von Pilatus letztendlich bekannt ist, als sicher gilt, dass er bereits vor seiner Machtübernahme in Judäa auf Anordnung seines persönlichen Förderers, des römischen Kaisers, den Titel eines "Ritters" führte. Also schlicht: Berufssoldat und Offizier. Die waren Gefahren gewohnt, es war ihr täglicher Umgang in der unruhigsten Kolonie des römischen Imperiums. Jerusalem als Zentrum diverser politischer Auseinandersetzungen war mit römischen Soldaten gut bestückt, die baulichen Verteidigungsanlagen entsprechend. Regiert haben die mit Härte (erinnert mich ein wenig an den Spruch "Wir verhandeln nicht mit Terroristen!") und nicht mit werbewirksamen Sympathiekundgebungen. Bei denen hat man schon gekreuzigt werden können dafür dass Du einem römischen Soldaten vor die Füße gespuckt hast.
Barrabas war nun Teil eines Aufstandes gegen die Römer, bei dem jemand ums Leben gekommen war. Den soll er nun freilassen? Das wäre so, als wenn man vor einigen Jahrzehnten einen der RAF-Mörder an Schleyer freilässt, weil man die Unschuld eines anderen Delinquenten nicht beweisen kann. Das gibt keinen Sinn und ist schwer nachzuvollziehen.


Jesus hatte im Verhör vor Pilatus zugegeben "König der Juden" zu sein (Version Matthäus-Evangelium). Das ist aus römischer Sicht Hochverrat. Wer König ist in Judäa bestimmten alleinig die Römer. Und töteten alle (teils zu tausenden) die da anderes behaupteten. Es langte der bloße Verdacht. Es gab kein "im Zweifel zugunsten des Angeklagten". Die Römer waren da sehr konsequent und hart. Der Titel "König der Juden" wurde von vielen Aufständlern vor Jesus schon verwendet und führte teils zu brutalsten Bestrafungsaktionen der Römer.
Wenn Pilatus diese Anklage ernst genommen hätte, dann hätte er Jesus gar nicht in die Auswahl hineinnehmen dürfen, welcher Gefangene zu begnadigen sei.
Richtig. Es klingt sehr unwirklich.

Pilatus betonte, er finde keine Schuld an Jesus. Joh. 18,38. Offenbar sah er in Bezug auf den Titel "König der Juden" keinen Handlungsbedarf Mt. 27,24.
Vielleicht hielt er Jesus, nachdem dieser ergänzt hatte, sein Reich "sei nicht von dieser Welt" für einen Spinner. --
Selbst wenn er ihn für einen Spinner gehalten hätte: warum hätte er sich für einen dahergelaufenen spinnerten Guru einsetzen sollen? Der Pilatus war nicht Führer der lokalen Heilsarmee mit sozialen Ambitionen.
Darüber hinaus hatten die nicht unterschieden zwischen deliktfähig und nicht deliktfähig im antiken Recht. Also wenn Jesus sagt "Ich bin der König der Juden", dann sagt er damit Aufständler gegen Rom zu sein und das war's dann,...
Gegen die Theorie des "bloßen Spinners", den Pilatus nicht ernst genommen hätte, sprechen auch folgende Umstände, z.B.
Mindestens ein Mitglied der Jüngerschaft war ein Zelot. Zeloten waren das, was in den siebziger Jahren die RAF war: bewaffnete Kämpfer mit kriminiellen Aktionen aus dem Hinterhalt gegen die Staatsmacht.
Jesus selbst war wenige Tage vorher auf einen Esel nach Jerusalem geritten und bejubelt worden. Er bediente sich eines damals bekannten Symbols des König der Juden.

Für jemanden, der historisch denkt ist dies alles ein wenig zu unrund um einen hohe Tatsächlichkeit des Geschehens zu mutmaßen. Einige Historiker sehen da auch eher eine spätere romfreundliche Legendenbildung um das sich ausbreitende Christentum nicht unter das wachsame Auge des römischen Imperiums zu begeben und von denen ausradiert zu werden. Es ist keine Empfehlung im römischen Reich einen politischen Verbrecher und Romgegner als Religionsstifter zu haben.
Die Römer schneiden nun in der biblischen Berichterstattung erstaunlich gut ab, die Schuldlast wird sichtlich auf die jüdische Seite abgewälzt. (Die Spätfolgen dieser Darstellung bis hin ins letzte Jahrhundert erspare ich uns zu erwähnen)
Auch Paulus glänzte mit beruhigenden Formulierungen ("es ist keine Obrigkeit ohne von Gott") und forderte Loyalität gegenüber der Besatzungsmacht!


Aber.... warum wählte das Volk den Verbrecher, den Terroristen?
Allein damit hätten sie sich als Feinde Roms bekannt und wären schwer bestraft worden.

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