sven23 hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:
Da Du selber ständig von Jesus als dem Sohn Gottes sprichst, ist innerhalb dieser Konzeption kein "Jesus hat sich geirrt" ableitbar. Verstehst Du, was ich die ganze Zeit meine?
Genau diesen Widerspruch wollte ich aufzeigen.
Kann sein, daß wir ananeinander vorbeigeredet haben. Wenn ich die Bibel zitiere, dann muß das ja nicht unbedingt heißen, daß dies meine Meinung widerspiegelt. Wenn man auf Widersprüche hinweisen möchte, muß man sich auch zwangläufig der Bibelsprache bedienen, denn, wie Halmann richtig sagt: wir haben ja nichts anderes.

Doch, wir haben. Wir haben die historisch-kritische Forschung. Und die erlaubt es, unter anderem Texte aus dieser Zeit in ihrer "Gattung" festzustellen.
Dass die Evangelien etwas "glauben machen wollten", wie Du gesagt hast, ist keineswegs sicher.
Wenn diese Erzählungen zum Beispiel dichterische Werke sind, dann wollen sie keineswegs etwas "glauben" machen.
Goethes "Faust" soll mich auch nicht glauben machen, dass das alles historisch passiert ist, was da steht.
Es ist eben Dichtung, und deren "Wahrheit" oder "Realität" liegt in der Bildhaftigkeit.
Ob Faust real gelebt hat oder nicht, spielt keine Rolle dabei, dass Goethes Faust-Figur eine kulturelle Realität besitzt: sie repräsentiert eine wesentliche Eigenschaft unserer Kultur, und darum kann man sich in ihm wiederfinden.
Falls die biblischen Jesus- oder Christus-Geschichten dichterische Werke sind, dann liegt ihr Wahrheitsgehalt nicht in der Übereinstimmung mit der historischen Realität, sondern mit der inneren Realität - so wie bei der Fausfigur.
Die historisch-kritische Forschung untersucht natürlich auch das damalige
Verständnis von solcherart Erzählungen: und es ist erst mal nur - anzunehmen, dass die Schreiber und die Rezipienten - also die Gemeindemitglieder - zumindest einen ähnlichen Verstehenshorizont hatten. Also sie verstanden die Erzählungen in ihrer Erzählgattung, ihrem Erzählgenre.
Ich habe im Literaturstudium gelernt, dass man versuchen muss zu rekonstruieren, wie die damalige Leserschaft etwas verstanden hat. Und dann erst kann man begreifen, was der Erzähler vorausgesetzt hat und was er möglicherweise mit seiner Erzählung erweitern wollte.
Wenn man mit dem heutigen Verstehen an Dichtung rangeht, dann verfehlt man die historische Situation.
Bei "Faust" ist das nicht weiter schlimm, da finde ich moderne Deutungen sogar toll. Ich finde sie auch bei biblischen Erzählungen toll.
Aber wenn der Vorwurf kommt, da seien Ungereimtheiten drin und es seien Betrügereien - dann muss man zurück auf das damalige Verstehen solcher Erzählungen.
Naives Lesen reicht da dann nicht mehr aus.