Parusieverzögerung

Themen des Neuen Testaments
Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#891 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » So 3. Mai 2015, 15:43

Savonlinna hat geschrieben: Das ist einfach nur eine Frage der Logik.
Die Anhänger können glauben und hoffen, dass der Anführer die Tat X ausführt.
Aber der Anführer glaubt und hofft nicht, dass er selber die Tat X ausführt.
Denn:
Entweder er weiß, dass er sie nicht ausführen kann, weil die Anhänger ihn falsch verstanden haben oder weil er ein Betrüger ist.
Oder er weiß, dass er sie ausführen wird, weil er dazu ja schließlich die Anhänger berufen hat, und dann glaubt und hofft er das auch nicht.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf du hinaus willst. Natürlich hat Jesus keine Naherwartung auf sich selber, aber seine Anhängerschaft hat sie, beflügelt durch z. B. solche Aussagen:
"Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Menschensohn gekommen sein wird."
Auch Jesus glaubt, wie übrigens auch Johannes der Täufer, daß das Gottesreich nahe ist.
Das Kommen des Reiches Gottes, Wiederkehr des Menschensohns, Apokalypse und Millenarismus gehören als großer Themenkomplex zusammen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Hemul
Beiträge: 19835
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:57

#892 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Hemul » So 3. Mai 2015, 16:17

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Das ist einfach nur eine Frage der Logik.
Die Anhänger können glauben und hoffen, dass der Anführer die Tat X ausführt.
Aber der Anführer glaubt und hofft nicht, dass er selber die Tat X ausführt.
Denn:
Entweder er weiß, dass er sie nicht ausführen kann, weil die Anhänger ihn falsch verstanden haben oder weil er ein Betrüger ist.
Oder er weiß, dass er sie ausführen wird, weil er dazu ja schließlich die Anhänger berufen hat, und dann glaubt und hofft er das auch nicht.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf du hinaus willst. Natürlich hat Jesus keine Naherwartung auf sich selber, aber seine Anhängerschaft hat sie, beflügelt durch z. B. solche Aussagen:
Besonders der Aussage aus Apostelgeschichte 1:6+7-gell? ;)
6 Sie nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn und sagten: Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich5 wieder her? 7 Er sprach zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch bis zum entferntesten Teil der Erde.
Das konnte die Jünger damals aber auch nicht mit den schnellsten Eseln Judas bewältigen-gell? 8-) Oder vielleicht doch-und ich habe nur etwas verpasst? :o
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#893 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » So 3. Mai 2015, 16:23

Hemul hat geschrieben: Das konnte die Jünger damals aber auch nicht mit den schnellsten Eseln Judas bewältigen-gell? 8-) Oder vielleicht doch-und ich habe nur etwas verpasst? :o
Und warum hatten sie dann alle eine Naherwartung?
Tja, Logik war halt nicht die Stärke der Bibelschreiber.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#894 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » So 3. Mai 2015, 16:27

sven23 hat geschrieben:Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf du hinaus willst. Natürlich hat Jesus keine Naherwartung auf sich selber, aber seine Anhängerschaft hat sie
Ja, klar. Das wurde doch schon mehrmals von allen Parteien hier bestätigt. Die junge Gemeinde hatte sie, die Jüngerschaft aller Wahrscheinlichkeit nach auch.
Aber wie soll Jesus sie haben? Darum ging es doch die ganze Zeit.

sven23 hat geschrieben:Auch Jesus glaubt, wie übrigens auch Johannes der Täufer, daß das Gottesreich nahe ist.
Bleiben wir nur bei Jesus.
Was genau also glaubt Jesus, laut Evangelien, wenn er sagt, dass das Gottesreich nahe herbeigekommen ist?
Und an anderer Stelle sagt, dass das Gottesreich mitten unter "euch" sei?
Was hat das Gottesreich mit Jesus zu tun? Wann genau ist das Gottesreich entweder nahe oder schon da?

sven23 hat geschrieben:Das Kommen des Reiches Gottes, Wiederkehr des Menschensohns, Apokalypse und Millenarismus gehören als großer Themenkomplex zusammen.
Ja, eben. Wenn Jesus als "Menschensohn" verstanden wird und als solcher weiß, dass er nur gekommen ist, um wiederzukehren - dann kann er doch keine Naherwartung haben. Wartet er auf sich selber, oder was?

Entweder ist Jesus ein ganz normaler Mensch, der zusammen mit den Jüngern auf das Reich Gottes wartet - dann kann er aber nicht der Sohn Gottes sein.
Oder er ist der Sohn Gottes, dann ist er in dieser Konzeption die Erfüllung der Erwartung.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#895 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » So 3. Mai 2015, 16:59

Savonlinna hat geschrieben: Entweder ist Jesus ein ganz normaler Mensch, der zusammen mit den Jüngern auf das Reich Gottes wartet - dann kann er aber nicht der Sohn Gottes sein.
Bingo!

Savonlinna hat geschrieben: Oder er ist der Sohn Gottes, dann ist er in dieser Konzeption die Erfüllung der Erwartung.
Das wollen uns die Evangelien erzählen.

Und aus diesem Mischmasch entstehen die Friktionen, die dazu geführt haben, daß es selbst einem Goethe zu viel wurde.

"Es werden wohl noch zehntausend Jahre ins Land gehen, und das Märchen vom Jesus Christus wird immer noch dafür sorgen, daß keiner so richtig zu Verstande kommt."
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#896 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » So 3. Mai 2015, 17:13

sven23 hat geschrieben:[...]
Es geht mir hier nicht darum, das zu bewerten.
Mir geht es darum, dass die Diskussion hier das andauernd vermischt.
Aber endlich hast Du mich verstanden.
Da Du selber ständig von Jesus als dem Sohn Gottes sprichst, ist innerhalb dieser Konzeption kein "Jesus hat sich geirrt" ableitbar. Verstehst Du, was ich die ganze Zeit meine?

Wenn wir das erst mal klar haben, dann kann man weiter an der Sache knobeln. :)

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#897 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » So 3. Mai 2015, 17:27

Savonlinna hat geschrieben: Da Du selber ständig von Jesus als dem Sohn Gottes sprichst, ist innerhalb dieser Konzeption kein "Jesus hat sich geirrt" ableitbar. Verstehst Du, was ich die ganze Zeit meine?

Genau diesen Widerspruch wollte ich aufzeigen.
Kann sein, daß wir ananeinander vorbeigeredet haben. Wenn ich die Bibel zitiere, dann muß das ja nicht unbedingt heißen, daß dies meine Meinung widerspiegelt. Wenn man auf Widersprüche hinweisen möchte, muß man sich auch zwangläufig der Bibelsprache bedienen, denn, wie Halmann richtig sagt: wir haben ja nichts anderes. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#898 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » So 3. Mai 2015, 18:03

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Da Du selber ständig von Jesus als dem Sohn Gottes sprichst, ist innerhalb dieser Konzeption kein "Jesus hat sich geirrt" ableitbar. Verstehst Du, was ich die ganze Zeit meine?
Genau diesen Widerspruch wollte ich aufzeigen.
Kann sein, daß wir ananeinander vorbeigeredet haben. Wenn ich die Bibel zitiere, dann muß das ja nicht unbedingt heißen, daß dies meine Meinung widerspiegelt. Wenn man auf Widersprüche hinweisen möchte, muß man sich auch zwangläufig der Bibelsprache bedienen, denn, wie Halmann richtig sagt: wir haben ja nichts anderes. ;)

Doch, wir haben. Wir haben die historisch-kritische Forschung. Und die erlaubt es, unter anderem Texte aus dieser Zeit in ihrer "Gattung" festzustellen.
Dass die Evangelien etwas "glauben machen wollten", wie Du gesagt hast, ist keineswegs sicher.

Wenn diese Erzählungen zum Beispiel dichterische Werke sind, dann wollen sie keineswegs etwas "glauben" machen.
Goethes "Faust" soll mich auch nicht glauben machen, dass das alles historisch passiert ist, was da steht.
Es ist eben Dichtung, und deren "Wahrheit" oder "Realität" liegt in der Bildhaftigkeit.
Ob Faust real gelebt hat oder nicht, spielt keine Rolle dabei, dass Goethes Faust-Figur eine kulturelle Realität besitzt: sie repräsentiert eine wesentliche Eigenschaft unserer Kultur, und darum kann man sich in ihm wiederfinden.

Falls die biblischen Jesus- oder Christus-Geschichten dichterische Werke sind, dann liegt ihr Wahrheitsgehalt nicht in der Übereinstimmung mit der historischen Realität, sondern mit der inneren Realität - so wie bei der Fausfigur.

Die historisch-kritische Forschung untersucht natürlich auch das damalige Verständnis von solcherart Erzählungen: und es ist erst mal nur - anzunehmen, dass die Schreiber und die Rezipienten - also die Gemeindemitglieder - zumindest einen ähnlichen Verstehenshorizont hatten. Also sie verstanden die Erzählungen in ihrer Erzählgattung, ihrem Erzählgenre.

Ich habe im Literaturstudium gelernt, dass man versuchen muss zu rekonstruieren, wie die damalige Leserschaft etwas verstanden hat. Und dann erst kann man begreifen, was der Erzähler vorausgesetzt hat und was er möglicherweise mit seiner Erzählung erweitern wollte.

Wenn man mit dem heutigen Verstehen an Dichtung rangeht, dann verfehlt man die historische Situation.

Bei "Faust" ist das nicht weiter schlimm, da finde ich moderne Deutungen sogar toll. Ich finde sie auch bei biblischen Erzählungen toll.
Aber wenn der Vorwurf kommt, da seien Ungereimtheiten drin und es seien Betrügereien - dann muss man zurück auf das damalige Verstehen solcher Erzählungen.
Naives Lesen reicht da dann nicht mehr aus.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#899 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » So 3. Mai 2015, 18:19

Savonlinna hat geschrieben: Doch, wir haben. Wir haben die historisch-kritische Forschung. Und die erlaubt es, unter anderem Texte aus dieser Zeit in ihrer "Gattung" festzustellen.
Dass die Evangelien etwas "glauben machen wollten", wie Du gesagt hast, ist keineswegs sicher.

Ob sie urprünglich diese Intention hatten, ist auf Grund der fehlenden Originalquellen nicht mehr rekonstruierbar. Sicher ist aber, daß sie in der jetzt vorliegenden Form zu diesem einen Zweck verändert/ergänzt worden sind: Jesus als den Sohn Gottes und Begründer einer neuen Religion zu etablieren.

Savonlinna hat geschrieben: Wenn diese Erzählungen zum Beispiel dichterische Werke sind, dann wollen sie keineswegs etwas "glauben" machen.
Goethes "Faust" soll mich auch nicht glauben machen, dass das alles historisch passiert ist, was da steht.
Es ist eben Dichtung, und deren "Wahrheit" oder "Realität" liegt in der Bildhaftigkeit.
Ob Faust real gelebt hat oder nicht, spielt keine Rolle dabei, dass Goethes Faust-Figur eine kulturelle Realität besitzt: sie repräsentiert eine wesentliche Eigenschaft unserer Kultur, und darum kann man sich in ihm wiederfinden.
Goethes Faust ist ein Stück hoher Literatur und niemals in der Absicht geschrieben worden, einen neuen Kult oder gar Religon zu begründen. Das muß man schon unterscheiden.

Savonlinna hat geschrieben: Falls die biblischen Jesus- oder Christus-Geschichten dichterische Werke sind, dann liegt ihr Wahrheitsgehalt nicht in der Übereinstimmung mit der historischen Realität, sondern mit der inneren Realität - so wie bei der Fausfigur.
Aber damit hätten sich die Kirchen niemals begnügt. Die neue Religion war gewollt, auch politisch gewollt.

Savonlinna hat geschrieben: Die historisch-kritische Forschung untersucht natürlich auch das damalige Verständnis von solcherart Erzählungen: und es ist erst mal nur - anzunehmen, dass die Schreiber und die Rezipienten - also die Gemeindemitglieder - zumindest einen ähnlichen Verstehenshorizont hatten. Also sie verstanden die Erzählungen in ihrer Erzählgattung, ihrem Erzählgenre.
Deshalb konnte die Forschung auch manche Texte als Fälschung entlarven. Und Fälschungen sind immer mit einer bestimmten Absicht verbunden, das sollte man nie vergessen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#900 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von 2Lena » So 3. Mai 2015, 18:27

@Savonlinna

Das ist wahr was du schreibst in Bezug auf "Dichtung". Doch die Evangelien enthalten noch mehr. 100 % Genauigkeit haben nicht nur die spätere "Gläubigkeit" verursacht, sondern aus den unklaren Ebenen konnte nur durch den Glauben die Kluft überwunden werden. Das Vertrauen dazu war geschaffen worden.

Heute ist es allerdings so, dass wegen dem Fehlen der "ganzen" Inhalte (siehe was da alles fehlt im Zweig "Matthäus 13" ) die echten Wahrheiten nicht gefunden werden. Man denkt einfach in Floskeln. Da sagte Jesus, wer zuhört trägt 100-fältig, 60-fach oder dreißigfach. Man hat keine Ahnung - meint aber alles verstanden zu haben. Das ist der ganz große Unterschied zu Faust.

Gesperrt