Parusieverzögerung II

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Münek
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#401 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Sa 23. Mai 2015, 02:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:wie siehts übrigens aus mit einem Erklärungsmodell für die Naherwartung der Bibelschreiber?
Das klingt so nach "alle Bibelschreiber" - mindestens bei Johannes sollte man das überprüfen. - Aber egal: Die Antwort ist eigentlich naheliegend.

Lass Dich mal auf folgenden Entwurf ein:
Jesus predigt vom nahen Reich und meint es inwendig ("Mit mir ist das Reich Gottes da - mit der Auferstehung ist meine diesbezügliche Mission beendet") - diese Inwendigkeit ist ein wichtiges Motiv in AT und NT. - Man denke nur am Tempel IM Menschen, der auch dann da ist, wenn die Israeliten in der Fremde sind (den Stein-Tempel können sie ja nicht mitnehmen). - Oder man denke an Hiob, der Gott in seinem Herzen sucht (vgl. 19,25). - Oder man denke an die "Beschneidung des Herzens" (also die innere Beschneidung).

Na, da hast Du Dir aber mal wieder was ausgedacht... :lol:

Was Du da geschrieben hast, kann ich - pardon - nicht ernstnehmen. Ein inwendiges Reich Gottes stand gewiss
nicht im Fokus des Jesus von Nazareth. Er erwartete das baldige unmittelbare Eingreifen Gottes selbst auf die-
ser Erde mit einer völligen Umgestaltung der irdischen Verhältnisse - nicht etwa sanft, sondern mit Pauken und
Trompeten...

Glaubst Du wirklich im Ernst, dass die von Jesus ausgesandten 70 Jünger das Volk zur Umkehr mahnten - mit der
Begründung, ihr Rabbi werde in Kürze sterben, auferstehen und damit das "Reich Gottes" herbeiführen
.

Das wäre doch grotesk - und ist biblisch auch nicht gedeckt...

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Münek
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#402 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Sa 23. Mai 2015, 04:08

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Sobald angebliche "Begründungen" ins "Geistig-Spekulative abdriften", winke ich allerdings ab. Subjektive Glaubensvorstellungen interessieren mich in unseren Debatten nicht. Sie sind fehl am Platz und wertlos!
Dann frage ic h mich, was Du hier in einem Religonsforum machst, in denen Du damit rechnen muss, religiös denkenden Menschen zu begegnen.



Dann frage ich mich, wieso beteiligen sich Christen an Diskussionen in diesem Forum, von dem
sie doch wissen müssten, dass ihnen hier der eisige Wind "einer ganz anderen Wahrheit" kalt
um die Ohren weht?

Ich kann da auf gewisse Befindlichkeiten nur in Maßen Rücksicht nehmen, denn...

... mir geht es nur um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Wieso tut ihr Gläubigen Euch damit so unendlich schwer...???

2Lena
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#403 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von 2Lena » Sa 23. Mai 2015, 07:20

@ Münek
Nimm mal ein paar Hosenträger, dann brauchst du nicht ständig "deine Hose" festhalten!
(Im übertragenen Sinn - du kümmerst dich nur um "DEINE Sicht", die dich wie ein Panzer umgibt.)

Die frühe Kirche verwendete die *Auslegung, von der ich euch etwas zeigte.
Das ist grundverschieden von dem was du in der Bibel liest.
Logisch ist es, dass etwas durcheinanderkam, ziemlich bunt gewürfelt wurde, als die gedruckte Bibel kam (ohne Auslegungstexte), weil manche meinten das reiche, einen Würfel hinzustellen.

Nun stehst du bocksbeinig mit festgehaltener Hose vor einem Kubus, von dem du nur die Frontansicht bemerkst.

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sven23
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#404 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » Sa 23. Mai 2015, 08:19

closs hat geschrieben: Das klingt so nach "alle Bibelschreiber" - mindestens bei Johannes sollte man das überprüfen. - Aber egal: Die Antwort ist eigentlich naheliegend.
Nein, nicht egal. Das Johannesevangelium ist das jüngste (80-90 n. Chr.) der Evangelien und unterscheidet sich von den synoptischen. Zu seiner Entstehungszeit war eigentlich schon klar, daß sich das Versprechen der Naherwartung nicht erfüllen würde. (ihr werdet das alles noch erleben). Das "Reich Gottes" tritt auffällig in den Hintergrund zurück, statt dessen rückt Jesus ins Zentrum.


closs hat geschrieben: Lass Dich mal auf folgenden Entwurf ein:
Jesus predigt vom nahen Reich und meint es inwendig ("Mit mir ist das Reich Gottes da - mit der Auferstehung ist meine diesbezügliche Mission beendet") - diese Inwendigkeit ist ein wichtiges Motiv in AT und NT. - Man denke nur am Tempel IM Menschen, der auch dann da ist, wenn die Israeliten in der Fremde sind (den Stein-Tempel können sie ja nicht mitnehmen). - Oder man denke an Hiob, der Gott in seinem Herzen sucht (vgl. 19,25). - Oder man denke an die "Beschneidung des Herzens" (also die innere Beschneidung).
Das hat Savonlinna schon dankenswerter Weise herausgearbeitet. Es gibt in der Bibel 2 "Gottesreiche". Ein inneres (ich bin unter euch) und ein äußeres, ereignishaftes, das unter bestimmten Vorraussetzungen sozusagen über euch hereinbrechen wird. Die neutestamentliche Forschung sieht in Verklärung und Pfingsten nicht die Ereignisse, die auf Aussagen wie: "ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen.." passen, die ja sehr zeitnah erfolgten. Das sollte auch einem theologischen Laien einleuchten.
Was man aber beobachten kann, ist die mit zunehmender Zeitdauer voranschreitende Verzögerung der Naherwartung. Aus den Städten Israels wird dann die ganze Welt, die erst noch missioniert werden muß etc.

closs hat geschrieben: Solche Erwägungen müssten nach MEINER Auffassung Teil der historisch-kritischen Forschung sein - aber da scheine ich mich getäuscht zu haben -
Nein, da hast du dich nicht getäuscht, sie werden selbstverständlich mit einbezogen. Die Qualität der Forschung läßt sich aber nicht über Ergebnisse definieren.
"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert, sondern allein darüber, ob diese methodisch an den dafür in Frage kommenden Fakten geprüft wurden. Jede wissenschaftliche Disziplin, also auch die Theologie hat sich deshalb über ihre Methoden Rechenschaft zu geben. Erhebt die Methode der Interpretation den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, so muss sie den Standards wissenschaftlichen Vorgehens genügen."
Quelle


closs hat geschrieben: Im übrigen sollte man noch auf Folgendes hinweisen: Es ist ja nicht nur "Stille Post" zwischen Jesus und Text, sondern auch das Verständnis des 20./21. Jh., das einem Streiche spielen kann. -
Nochmal. Das war eigentlich immer ein Argument der Bibelkritiker, daß die Evangelien über stille Post entstanden sind.
""Kein Augen- oder Ohrenzeuge spricht noch direkt zu uns." Das schreibt der Heidelberger Exeget Christoph Burchard über die Autoren des Neuen Testaments. Also haben weder, wie jahrhundertelang behauptet wurde, der Apostel Matthäus noch der Apostel Johannes ein Evangelium geschrieben, auch waren die Evangelisten Markus und Lukas keine Begleiter von Aposteln."
Quelle
Wie gesagt: daß ein Gläubiger diese Karte zieht, um etwas in Abrede zu stellen, was eindeutig geschrieben steht, war neu für mich.

Aber wie dem auch sei, du hast die entscheidende Frage noch nicht beantwortet: warum haben die Schreiber die Naherwartung durch Jesus überhaupt erwähnt? Warum haben sie diesen kompromittierenden Umstand nicht einfach weggelassen?
Selbst im vermutlich nachträglich gefälschten 2. Petrusbrief wird die Naherwartung durch Jesus selbst gar nicht bestritten.
„Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist noch so, wie es seit Beginn der Welt war... "
Ein Abstreiten der Naherwartung durch Jesus wäre völlig unglaubwürdig gewesen, weil sie ja im Zentrum seiner Verkündigung stand. Deshalb mußten sich die Fälscher etwas anderes einfallen lassen, sie erfanden die Idee vom "göttlichen Zeitmaß".
Es ist so, wie Kubitza sagt:
"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch herausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können, ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können."
(Der Jesuswahn)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Zeus
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#405 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Zeus » Sa 23. Mai 2015, 09:52

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Um was für wissenschaftliche Modelle handelt es sich?
* Historisch-Kritische Modelle
Was soll denn das nun sein? :roll:
Hätte die gute Savonlinna bloß nicht das Wort Modell eingeführt! :(
Jetzt benutzt es unser closs bei jeder unpassenden Gelegenheit.
halman hat geschrieben:Die historisch kritische Methode IST die wissenschaftlich anerkannten Methodik, eine die trivialerweise wissenschaftlich anerkannt ist.
Also, lieber closs, es handelt sich um eine Methode und nicht um irgendein willkürliches Modell.
Zeus hat geschrieben:dann hast du eben immer noch nicht verstanden, was Wissenschaft ist
closs hat geschrieben:Wir sprechen hier nicht von Natur-Wissenschaft.
Nicht direkt, aber bevor die Texte historisch-kritisch untersucht werden, können heute naturwissenschaftliche Methoden angewandt werden, um die Echtheit der Dokumente zu prüfen, zum Beispiel der verwendete Typ von Material und Tinte u. A.
Auch ist eine objektive Datierung der Papyri (Radiokarbon-Methode) ein wichtiges Werkzeug.
Diese technischen Hilfsmittel standen den Bibelforschern in der Zeit (18. -19. Jahrhundert), in der die historisch-kritische Methode entwickelt wurde, noch nicht zur Verfügung und daher findet man sie nicht in der Liste:
Die Methodenschritte der historisch-kritischen Methode
3.1 Textkritik: Vergleich der Handschriften
3.2 Übersetzung aus dem Hebräischen bzw.. Griechischen
3.3 Textanalyse: Die Struktur des Textes
3.4 Redaktionsgeschichte: der Umgang des Autors mit seinen Quellen
3.5 Literarkritik: Rekonstruktion der Quellen
3.6 Formgeschichte: Bestimmung der Textgattung
3.7 Traditionsgeschichte: Die zugrunde liegende mündliche Überlieferung
3.8 Begriffs- und Motivgeschichte: wie sich Vorstellungen entwickelten
3.9 Religionsgeschichte: Vergleich mit außerbiblischen Texten
3.10 Zusammenfassende Interpretation und theologische Aussage(n)

Zeus hat geschrieben:„die Lehre von Gott“
Sorry closs, du hast mein Zitat wieder einmal nur unvollständig wiedergegeben:
Theologie (griechisch θεολογία theología, von θεός theós ‚Gott‘ und -logie) bedeutet übertragen „die Lehre von Gott“ oder Göttern im Allgemeinen und die Lehren vom Inhalt eines spezifischen religiösen Glaubens und seinen Glaubensdokumenten im Besonderen.
closs hat geschrieben:Eschatologisches Modell
Duden: Eschatologie
Lehre bzw.. Gesamtheit religiöser Vorstellungen von den Letzten Dingen, d. h. vom Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt.

Von einem Modell hier zu sprechen, finde ich echt "realitätsfremd".
Es handelt sich schlicht und einfach um eine Lehre, die von der historisch-kritischen Forschung an geeigneter Stelle selbstverständlich berücksichtigt bzw.. untersucht wird.

Liebes Kurtchen, stecke dir deine Leere (sic!) von den angeblichen alternativen Modellen zur historisch kritischen Forschung, ... du weiß ja wohin. :mrgreen:
Zuletzt geändert von Zeus am Sa 23. Mai 2015, 09:58, insgesamt 1-mal geändert.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#406 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 23. Mai 2015, 09:54

Münek hat geschrieben:Wo sind denn die unterschiedlichen "wissenschaftlichen" Ansätze?
Auch "Dogmatik" und "Eschatologie" sind Wissenschaften.

Münek hat geschrieben:um das wirklich ernsthafte Bemühen, sich selbst gegenüber absolut ehrlich zu sein
Das würde ich den Historisch-Kritischen ja nicht absprechen - den anderen Theologen auch nicht. - Es ist eine Modell-Frage.

Halman hat geschrieben:Selbstverständlich kann die Parusie-Thematik auch aus religiöser Glaubenssicht betrachtet werden.
Das ohnehin. - Es sollte aber auch mal betont werden, dass auch ein Dogmatiker oder Eschatologe nicht in seiner Uni sitzt, und über Jesus schwärmt, sondern Text-FORSCHUNG betreibt.

Münek hat geschrieben:Ein inwendiges Reich Gottes stand gewiss nicht im Fokus des Jesus von Nazareth.
Woher willst Du das wissen? - Das ist State of the Art in mindestens einigen Theologie-Modellen. - Leute wie Karl Barth (und er ist nur ein beliebiger Name) waren hammerharte Philosophen, die solche Ergebnisse über kritische Textarbeit ermittelt haben.

Münek hat geschrieben:Er erwartete das baldige unmittelbare Eingreifen Gottes selbst auf dieser Erde mit einer völligen Umgestaltung der irdischen Verhältnisse - nicht etwa sanft, sondern mit Pauken und Trompeten...
Halte ich persönlich für extrem unwahrscheinlich, weil es voll dem Wesen von AT und NT widerspricht - es ist jedoch nicht auszuschließen, weil wir im Grunde nichts ausschließen können.

Dass man bei Ausblendung verschiedenster Parameter zu diesem Deinem Ergebnis kommen kann, ist bekannt. - Die Historisch-Kritischen haben ein Modell gewählt, das diese Variante als ERgebnis möglich macht. - Nichts ist falsifizierbar - das ist das Problem bei geistes-wissenschaftlichen Fragen der Vergangenheit - man müssten jemanden 2000 Jahre zurück-beamen, um selber nachzugucken, was Jesus macht. - Geht halt nicht.

Du solltest jedoch nicht dem Gedanken auf dem Leim gehen, der historisch-kritische Ansatz sage etwas Verbindliches über das tatsächliche Leben und Meinen Jesu aus. - Es wird etwas über die Ergebnisse eines Forschungs-Ansatzes gesagt - nicht mehr und nicht weniger. - Dieser Ansatz KANN dem tatsächlichen Geschehen gerecht werden, muss aber nicht.

Münek hat geschrieben:Glaubst Du wirklich im Ernst, dass die von Jesus ausgesandten 70 Jünger das Volk zur Umkehr mahnten - mit der Begründung, ihr Rabbi werde in Kürze sterben, auferstehen und damit das "Reich Gottes" herbeiführen.
Wie ausführlich begründet, ist es ja gerade das Problem, herauszufinden, was vom Text-Verfasser authentische Überlieferung und was Stille Post ist. - Das herauszufinden, ist übrigens Aufgabe kritischer Textarbeit - bei entsprechendem Forschungs-Modell.

Münek hat geschrieben:Das wäre doch grotesk - und ist biblisch auch nicht gedeckt...
Biblisch gedeckt ist, dass das "Reich Gottes" bis zur fernen Wiederkunft Jesu ein inwendiges Reich im Dasein ist.

closs
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#407 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 23. Mai 2015, 10:19

sven23 hat geschrieben: Zu seiner Entstehungszeit war eigentlich schon klar, daß sich das Versprechen der Naherwartung nicht erfüllen würde.
Man KANN es so begründen - man kann es auch damit begründen, dass Johannes mehr gecheckt hat als die anderen, wo der Hase hinläuft. - Wie an anderer Stelle erwähnt: Die Inwendigkeit des "Göttlichen Reichs" ist seit dem AT mehrfach biblisch belegt.

sven23 hat geschrieben:Die neutestamentliche Forschung sieht in Verklärung und Pfingsten nicht die Ereignisse, die auf Aussagen wie: "ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen.." passen,
Manche NT-Forschung tut es schon - siehe Karl Barth. - Davon abgesehen: Es steht ja auch noch in der Bibel, was alles passieren muss, bis Jesus wiederkommt - und das ist soviel, dass es unmöglich in EINER Generation passieren kann. - Somit haben wir widersprüchliche Aussagen - was ja bei Text-Konglomeraten nicht überraschend ist.

sven23 hat geschrieben:Was man aber beobachten kann, ist die mit zunehmender Zeitdauer voranschreitende Verzögerung der Naherwartung.
Das ist einleuchtend. - Diejenigen, die unabhängig davon, was Jesus wirklich gemeint hat, eine Naherwartung hatten, müssen diese mit fortlaufender Zeit "dehnen". - Dieses Argument ist in sich logisch.

sven23 hat geschrieben:sondern allein darüber, ob diese methodisch an den dafür in Frage kommenden Fakten geprüft wurden.
Du weisst aber, dass modell-bedingt eine ganze Reihe von Faktoren nicht als in Frage kommend behandelt wurden. - Das darf sein - dafür ist ein Forscher ein Interpret.

sven23 hat geschrieben:daß ein Gläubiger diese Karte zieht, um etwas in Abrede zu stellen, was eindeutig geschrieben steht, war neu für mich.
Ist aber wirklich nicht neu - da haben sich die Bibel-Profis seit Jahrhunderten den Kopf zerbrochen. - Allerdings mit einem Unterschied zu heute: Es wurde nur das öffentlich gemacht, was kirchen-konform war.

Das Problem war nie die Forschungs-Freiheit (die Klöster, etc waren Forschungs-Einrichtungen par excellence), sondern die Veröffentlichungs-Freiheit. Allerdings muss ich spitz hinzufügen: Wenn man sieht, wie der Öffentlichkeit wissenschaftliche Kraut und Rüben um die Ohren geschmissen werden, könnte man zum Ergebnis kommen, dass es nicht das Schlechteste ist, die Menschen nicht zu verwirren.

Nimm nur einmal das Wort "Modell": Glaubst Du wirklich, dass der Durchschnitts-Bürger zwischen wirklicher Wahrheit und Modell-Wahrheit unterscheiden kann? - Wenn man heute an die Öffentlichkeit ginge und sagen würde "Die Wissenschaft hat es herausgefunden: Jesus hatte einen Naherwartung", dann würden die Menschen in ihrem Verständnis meinen, dies sei eine sichere historische Information im Sinne von: "Wenn man sich 2000 Jahre zurück-beamen ließe, würden wir DEN Jesus antreffen, den die Wissenschaft beschreibt". - Obwohl dies aus gesamt-theologischer Sicht mindestens unwahrscheinlich ist - und vor allem eh nicht nachweisbar ist.

sven23 hat geschrieben:warum haben die Schreiber die Naherwartung durch Jesus überhaupt erwähnt?
Darauf habe ich aber ausführlich geantwortet - nochmal in Kürze: Sie haben die Ankündigung des (inwendigen) nahen Gottesreiches durch Jesus äußerlich verstanden und dementsprechend textlich interpretiert. - Natürlich hat Jesus das nahe Gottesreich angekündigt - das steht doch außer Zweifel - aber man kann es so oder so verstehen und interpretieren.

sven23 hat geschrieben:„Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn?"
"Er hat versprochen, nach seiner Auferstehung in uns zu sein" - so hat es Jesus gemeint, wenn er seinem Stiefel treu geblieben ist.

sven23 hat geschrieben:"Für die Historizität dieser Worte"
Glaube (!) ich auch, dass diese Ankündigung des Reiches Gottes historisch sind - aber doch in einer ganz anderen, nämlich inwendigen Deutung. - Mensch, wir sind im NT - da geht es doch gerade um "innere Beschneidung" (statt äußere), "Gott/Tempel im Menschen" (statt auf dem Thron/Hügel).

Natürlich hat Jesus sein zweites Kommen angekündigt (laut Offenbarung) - aber dieses 2. Kommen hat doch nichts mit der inwendigen Präsenz Jesu im Menschen bis dahin zu tun. - Und da werden auch die späteren Text-Verfasser einiges durcheinander gebracht haben - davon abgesehen, dass es diesen Text-Verfassern nicht anzulasten ist, wenn man heute "Generation" statt "Geschlecht/Volk" übersetzt. - Da gibt es also mehrere Baustellen. - Aber genau diese Baustellen aufzuspüren, wäre historisch-kritische Textarbeit.

closs
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#408 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 23. Mai 2015, 10:34

Zeus hat geschrieben:Hätte die gute Savonlinna bloß nicht das Wort Modell eingeführt!
Das ist Standard in der Wissenschaft - und war als Erinnerung gemeint. Anton erinnert auch regelmäßig daran - zu Recht.

Zeus hat geschrieben:es handelt sich um eine Methode und nicht um irgendein willkürliches Modell.
"Modell" ist ein Bestandteil von "Methode".

Zeus hat geschrieben:, aber bevor die Texte historisch-kritisch untersucht werden, können heute naturwissenschaftliche Methoden angewandt werden
Das ist auch sehr sinnvoll und gut - und wird von der Theologie sehr begrüßt, seitdem es dies gibt.

Zeus hat geschrieben:Die Methodenschritte der historisch-kritischen Methode
Alles richtig - Du rennst offene Türen ein.

Zeus hat geschrieben:Von einem Modell hier zu sprechen, finde ich echt "realitätsfremd".
Weder "historisch-kritische Methode" noch "Eschatologie" IST ein Modell - sie bedienen sich Modellen. - Das ist wissenschaftlicher Usus.

Samantha

#409 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » Sa 23. Mai 2015, 11:44

Münek hat geschrieben: Sobald angebliche "Begründungen" ins "Geistig-Spekulative abdriften", winke ich allerdings ab.
Subjektive Glaubensvorstellungen interessieren mich in unseren Debatten nicht.

Sie sind fehl am Platz und wertlos!
Das glaube ich Dir nicht, Dir ist es immerhin so wichtig, dass Du Deine Zeit dafür ver(sch)wendest.


Münek hat geschrieben:Oooooch Kurt,

es geht weniger um Wissenschaftlichkeit als um intellektuelle Redlichkeit, das heißt um das wirklich
ernsthafte Bemühen, sich selbst gegenüber absolut ehrlich zu sein (auch wenns weh tut)...
Dir tut's weh? Nein, Du willst wehtun!


Münek hat geschrieben:Dann frage ich mich, wieso beteiligen sich Christen an Diskussionen in diesem Forum, von dem
sie doch wissen müssten, dass ihnen hier der eisige Wind "einer ganz anderen Wahrheit" kalt
um die Ohren weht?

Ich kann da auf gewisse Befindlichkeiten nur in Maßen Rücksicht nehmen, denn...

... mir geht es nur um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Wieso tut ihr Gläubigen Euch damit so unendlich schwer...???
Der eiskalte Wind der Atheisten weht hier, stimmt. Ich bin auch ehrlich und sehe die Realität, was ich aber bei Dir bezweifle, da Du Dich einseitig informierst und akzeptierst, was scheinbar richtig ist.

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#410 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » Sa 23. Mai 2015, 12:00

closs hat geschrieben: Man KANN es so begründen - man kann es auch damit begründen, dass Johannes mehr gecheckt hat als die anderen, wo der Hase hinläuft. - Wie an anderer Stelle erwähnt: Die Inwendigkeit des "Göttlichen Reichs" ist seit dem AT mehrfach biblisch belegt.
Geschenkt, die Unterschiede sind längst geklärt.

closs hat geschrieben: Manche NT-Forschung tut es schon - siehe Karl Barth. - Davon abgesehen: Es steht ja auch noch in der Bibel, was alles passieren muss, bis Jesus wiederkommt - und das ist soviel, dass es unmöglich in EINER Generation passieren kann. - Somit haben wir widersprüchliche Aussagen - was ja bei Text-Konglomeraten nicht überraschend ist..
Logisch, das ist unter der Überschrift "Parusieverzögerung" zu sehen.

closs hat geschrieben: Du weisst aber, dass modell-bedingt eine ganze Reihe von Faktoren nicht als in Frage kommend behandelt wurden. - Das darf sein - dafür ist ein Forscher ein Interpret.
Nein, weiß ich nicht. Kannst du dafür Belege bringen?


closs hat geschrieben: Das Problem war nie die Forschungs-Freiheit (die Klöster, etc waren Forschungs-Einrichtungen par excellence), sondern die Veröffentlichungs-Freiheit. Allerdings muss ich spitz hinzufügen: Wenn man sieht, wie der Öffentlichkeit wissenschaftliche Kraut und Rüben um die Ohren geschmissen werden, könnte man zum Ergebnis kommen, dass es nicht das Schlechteste ist, die Menschen nicht zu verwirren.
Sehe ich völlig anders. "Geheimes Wissen" war auch immer Herrschaftswissen. Spätestens mit der Aufklärung ist Schluß damit. Nachdem man einen Blick hinter die Kulissen dieses geheimen Wissens werfen konnte, wurde es zunehmend entzaubert und mit Recht kritisch in Frage gestellt.

closs hat geschrieben: "Die Wissenschaft hat es herausgefunden: Jesus hatte einen Naherwartung", dann würden die Menschen in ihrem Verständnis meinen, dies sei eine sichere historische Information im Sinne von: "Wenn man sich 2000 Jahre zurück-beamen ließe, würden wir DEN Jesus antreffen, den die Wissenschaft beschreibt". - Obwohl dies aus gesamt-theologischer Sicht mindestens unwahrscheinlich ist - und vor allem eh nicht nachweisbar ist.
Das hat sie ja auch herausgefunden, anhand der biblischen Texte. Wenn du die Bibel als Modell bezeichnen willst, meinetwegen, daran soll es nicht scheitern.

closs hat geschrieben: Natürlich hat Jesus das nahe Gottesreich angekündigt - das steht doch außer Zweifel - aber man kann es so oder so verstehen und interpretieren.
Die neutestamentliche Forschung ist sich aber im großen und ganzen sicher, daß man es nicht als innerliches Gottesreich auffassen kann, sondern ganz klar als etwas äußerliches, zeitlich nahes und ereignishaftes, das von außen hereinbricht und zwar so, daß es alle merken.
"Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, ...." oder "ihr werdet das alles noch (zu euren Lebzeiten) erleben" sind ganz eindeutige Hinweise darauf.

closs hat geschrieben: Glaube (!) ich auch, dass diese Ankündigung des Reiches Gottes historisch sind - aber doch in einer ganz anderen, nämlich inwendigen Deutung. - Mensch, wir sind im NT - da geht es doch gerade um "innere Beschneidung" (statt äußere), "Gott/Tempel im Menschen" (statt auf dem Thron/Hügel).
Du übersiehst ja völlig, daß das "Reich Gottes" schon im Judentum eine wichtige Rolle spielte. Und Jesus war Jude und sah sich selbst in der Tradition des Judentums.
"In seinem Glauben an das nahe Reich Gottes erweist sich Jesus eben nicht als göttliches Wesen, sondern viel mehr als Kind seiner Zeit. Die Vorstellung von einer endzeitlichen Königsherrschaft Jahwes war im Judentum präsent und gehörte zum allgemeinen Glaubensgut in vielen jüdischen Schriften um die Zeitenwende, aber auch schon im Buch Daniel, welches Eingang in den alttestamentlichen Kanon gefunden hat."

closs hat geschrieben: Natürlich hat Jesus sein zweites Kommen angekündigt (laut Offenbarung) -
Aber Hallo, und zwar mit Pauken und Trompeten. Von einem inwendigen Gottesreich, von dem keiner was mitbekommt, ist da nicht die Rede.
"Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" ist ja fast schon als Drohung zu verstehen. Die Zeit drängt, kehrt um, tut Buße, noch ist es Zeit, bevor das Ereignis über euch hereinbricht.
Von inwendigem Gottesreich ist da sicher nicht die Rede.
Das hat die neutestamentliche Forschung auch ganz klar herausgearbeitet.
Dazu folgender Literaturtipp:
http://www.v-r.de/pdf/titel_inhalt_und_ ... 2198-4.pdf
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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