Anton B. hat geschrieben:Wenn schon, dann als Disziplin mit inter-subjektivierbarem Anspruch.
OK - um so besser. - Ich wollte die Naturwissenschaft ganz besonders loben und habe deshalb ins oberste Regal gegriffen.
Anton B. hat geschrieben:Wir haben Zugang ausschließlich durch "ausgedachte" Modelle.
So ist es.
Anton B. hat geschrieben: und ob die Falsifikation tatsächlich eingetreten ist.
Apropos: Muss nicht eine wissenschaftliche Aussage falsifizierbar sein können? - Was müsste passieren, dass Kubitzas Aussage falsifiziert wäre? Müsste Jesus selbst erscheinen und ihn an den Ohren ziehen? - Ist ein so einseitiger und präjudizierender Ansatz überhaupt falsifizierbar?
Anton B. hat geschrieben:Du sagst, Jesus kann sich nicht wehren, maßt Dir aber an, den Standort eines Planeten vorherzusagen
Ja - weil es für das theoretische Modell "Planeten-Bahnen" ein Korrektiv in Gestalt von Messungen gibt.
Anton B. hat geschrieben: Ich als Wissenschaftler sage, nach meinem Modell befindet sich der Planet gerade dort, aber dass mein Modell stimmt, kann ich nicht letztendlich garantieren
Diese Haltung würde ich mir bei den Historisch-Kritischen auch wünschen.
Hinter diesem ganzen Theater steckt wahrscheinlich folgendes: Die Geisteswissenschaft hat im Gegensatz zur Naturwissenschaft einen Rechtfertigungs-Druck in Bezug auf ihre "echte" Wissenschaftlichkeit. - Das hat schon zu meiner Studentenzeit vor einigen Jahrzehnten dazu geführt, dass die Forschungs-Themen immer mehr objektivierbar waren - klingt erstmal gut.
Das Problem dabei: Wenn man Computer-Programme durch das Werk Goethes surren lässt, um herauszufinden, wie oft er das Wort "aber" verwendet hat (tatsächlich passiert!), ist das zwar objektiv, vielleicht in einer Spezialfrage sogar sinnvoll, aber eher nicht so sehr gehaltvoll. - Um es kurz zu machen: Man hat nur noch "objektiv" gearbeitet, wenn man was werden wollte, und hat deshalb gleich in der Peripherie angefangen - zulasten der Mitte.
Das hat damals (70ger/80ger Jahre) zu einer Spaltung innerhalb der Professorenschaft geführt, die ihre Studenten vollkommen unterschiedlich geführt haben: Die "altmodische" Fraktion (zu der selbstverständlich auch ich gehörte) hatte im Fach "Germanistik" einen vertieften Überblick über die Literatur von Aischylos bis zur deutschen Gegenwarts-Literatur. - Die "neumodische" Fraktion hat sich von vorneherein mit Spezialfragen beschäftigt.
Um es etwas spitz zu sagen: Heute gibt es Navi-Besitzer, die problemlos in die Anton-B.-Straße 14 in Freiburg kommen, aber nicht wissen, ob Freiburg in Baden-Württemberg oder Mecklenburg-Vorpommern liegt. - Genau das war analog unser Vorwurf an die "Neumodischen" - und dieser Vorwurf war leider ziemlich offensichtlich berechtigt.
In eben diesem Sinne kritisiere ich die Modelle der historisch-kritischen Untersucher der Bibel - bzw: Es versteht der Verdacht, dass hier Kritik angebracht ist, wenn man die Art und Weise verfolgt, in der historisch-kritische Ergebnisse päsentiert werden. - Als seien es keine ganz speziellen Modelle, sondern authentische Abbildungen (in unserem Fall:) eines umfassenden Verständnisses von Jesus.
Anton B. hat geschrieben:Wird hier irgendwo mit zweierlei Maß gerechnet?
Weiß ich nicht. - Eigentlich ist mit dem Wort "Modell" schon alles gesagt - aber so kommt es eben nicht in der Öffentlichkeit rüber. - Die Öffentlichkeit versteht, dass der historische Jesus TATSÄCHLICH
eine Naherwartung im Sinne der Forscher gehabt hätte. - Es gibt viele Gründe (einige davon wurden genannt), die heftig dagegen sprechen. - Aber: Jeder Hinweis auf größere Zusammenhänge wird als unwissenschaftlich oder gar unredlich bezeichnet - das hört man im Forum, aber auch aus dem Selbstbewusstsein der einschlägigen Forscher heraus: "Wir sind die Wissenschaftler - also war Jesus so". - Alles andere sei virtuell, geistig, zu umfassend gedacht. - Lieber Anton, ich garantiere Dir: Daraus kann nichts werden.
Anton B. hat geschrieben:Denn zum Beispiel in diesem Forum hat der liebe Anton schon hundertfach das Wesen -- und damit auch die Limitationen -- der Wissenschaft erklärt. Warum bleibt denn, um mal ganz konkret auf Dich zurück zu kommen, so wenig davon hängen?
Spricht man mit wissenschaftlich Orientierten, hört man regelmäßig heraus, dass die Wissenschaft Fakten liefere - da ist von Modellen nicht die Rede.
Würde es sich das Bewusstsein ersichtlich einbürgern, dass wissenschaftliche Ergebnisse nur im Kontext mit ihrer Modell-Voraussetzungen gültig sind, fiele es mir gelegentlich leichter, mich an Deine Ausführungen zu erinnern. - Denn ich stimme Dir in DEINER Beschreibung von Wissenschaft zu.